Blaue Sterne um das supermassereiche Schwarze Loch von M31

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Jahrbuch 2005/2006 | Bender, Ralf; Saglia, Roberto P. | Blaue Sterne um das supermassereiche Schw arze Loch
von M31
Blaue Sterne um das supermassereiche Schwarze Loch von M31
The blue stars around the supermassive black hole of M31
Bender, Ralf; Saglia, Roberto P.
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
Mit dem Hubble Space Telescope konnte gezeigt w erden, dass die Andromeda Galaxie ein massereiches
Schw arzes Loch von 140 Millionen Sonnenmassen beherbergt. Die neuen Daten schliessen astrophysikalische
Alternativen zu einem Schw arzen Loch aus. Das Schw arze Loch ist von einer kleinen Scheibe junger Sterne
umgeben, deren Ursprung ungeklärt ist.
Summary
Hubble Space Telescope observations reveal that the Andromeda galaxy harbours a central supermassive
black hole of 140 million solar masses. The new data exclude astrophysical alternatives to a black hole. The
black hole is surrounded by a tiny disk of young stars w hose origin remains enigmatic.
Jede Galaxie hat ein supermassereiches Schwarzes Loch
Eine der w ichtigsten astrophysikalischen Entdeckungen der letzten Dekade w ar die Erkenntnis, dass
w ahrscheinlich alle Galaxien mit „Bulges“, d.h. zentralen Sphäroiden, auch zentrale supermassereiche
Schw arze Löcher (SMSLs) besitzen. Ihre Masse, die mehrere Milliarden Sonnenmassen erreichen kann, beträgt
unabhängig von ihrer Größe etw a 0.15% der Masse der „Bulge“-Komponente. W ir glauben nun, dass die
Entstehung und das Wachstum von SMSLs eng mit der Entstehung und Entw icklung ihrer W irtsgalaxien
verknüpft ist. Die Keime der gigantischen SMSLs, die w ir heute beobachten, w urden vor langer Zeit,
möglicherw eise bereits w enige Millionen Jahre nach dem Urknall, gebildet. Vermutlich entstanden sie
zusammen mit den ersten Sternen. Sie haben sich vielleicht direkt aus kollabierenden, primordialen Gas oder
in den finalen Explosionen der ersten, sehr massereichen Sterne gebildet. Letztere könnten die Entstehung
von Schw arzen Löchern mit bis zu 200 Sonnenmassen verursacht haben. Von diesem Zeitpunkt an w uchsen
diese primordialen Schw arzen Löcher zusammen mit den sie beherbergenden Galaxien. SMSLs akkretieren
w ahrscheinlich einen Teil des interstellaren Gases, das - hervorgerufen durch Scheibeninstabilitäten oder
heftigen Galaxienverschmelzungen – ins Galaxienzentrum fällt. In dieser Akkretionsphase w erden SMSLs
„aktiv“, d.h. sie w andeln einen Teil der Gravitationsenergie der akkretierten Materie in elektromagnetische
Energie um. Dieser Mechanismus erzeugt die so genannten „Quasare“, die leuchtkräftigsten Objekte des
fernen Universums. Bei Galaxienverschmelzungen konnten SMSLs auch einfach durch das Verschlucken des
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Schw arzen Lochs des Verschmelzungspartners w achsen. Sehr w ahrscheinlich hatte die Aktivität der SMSLs
auch einen großen Einfluss auf die Entw icklung der W irtsgalaxien. Das starke Strahlungsfeld eines
akkretierenden Schw arzen Lochs ionisiert das interstellare Gas und kann daher die Bildung von Sternen, die
aus kaltem Gas erfolgt, regulieren bzw . unterbinden. Zusammenfassend ist zu sagen, dass SMSLs eine
entscheidende Rolle im Leben einer jeden Galaxie spielen. Es ist daher von grundsätzlicher Bedeutung ihre
physikalischen Eigenschaften und Beziehungen zu ihrer Umgebung auf solider empirischer Grundlage zu
charakterisieren. Nicht zuletzt haben ist zu zeigen, dass das, w as w ie ein Schw arzes Loch aussieht,
tatsächlich auch eines ist. Obw ohl die Indizien für Schw arze Löcher gut sind, müssen mögliche Alternativen,
w ie
sehr
kompakte
Haufen
aus
Neutronensternen
oder
Weißen
Zw ergen,
zumindest
in
einigen
repräsentativen Fällen ausgeschlossen w erden.
Das Schwarze Loch in M31
Das beste Labor, um diese Tests durchzuführen, ist natürlich das Zentrum unserer eigenen Galaxis, w o in der
Tat ein SMSL mit drei Millionen Sonnenmassen von Reinhard Genzel und seinen Mitarbeitern am MPE entdeckt
w urde. Der zw eitbeste Ort ist Andromeda oder M31, unsere benachbarte Spiralgalaxie, die nur 2,3 Millionen
Lichtjahre entfernt liegt. M31 ist in vielerlei Hinsicht ein geringfügig größerer Zw illing der Milchstraße mit
ähnlicher Morphologie aber höherer Masse. Außerdem hat M31 einen größeren „Bulge“ und ein vermutlich
entsprechend größeres SMSL. Den ersten Hinw eis auf ein SMSL in M31 gab es 1988, als einerseits John
Kormendy und andererseits Alan Dressler und Douglas Richstone eine zentrale dunkle Masse von etw a 20 bis
80 Millionen Sonnenmassen entdeckten. Dank den neuen Beobachtungen mit dem Hubble Space Telescope
(HST) ist man in der Lage (1) die Masse des SMSL von M31 mit verbesserter Genauigkeit zu bestimmen, (2)
Alternativen zu Schw arzen Löchern w ie Haufen aus Neutronensternen und Weißen Zw ergen auszuschließen
und (3) das Zentrum von M31 mit seinen ungew öhnlichen und überraschenden Eigenschaften in viel größerem
Detail zu studieren.
Die ersten Hinw eise auf eine ungew öhnliche Struktur des Kerns von M31 erfolgten bereits 1993, als das HST
entdeckte, dass die Galaxie scheinbar einen Doppelhaufen roter Sterne, dessen zw ei Kerne etw a fünf
Lichtjahre auseinanderliegen, in ihrem Zentrum beherbergt. Dieser Befund w ar eine Überraschung, da beide
Haufen
innerhalb
von
nur
w enigen
hunderttausend
Jahren
verschmelzen
sollten. Es
scheint
sehr
unw ahrscheinlich, dass M31 ausgerechnet zu einem Zeitpunkt beobachtet w urde, bei dem ein so seltenes
Ereignis stattfinden sollte. Dieses Problem w urde 1995 von Scott Tremaine gelöst. Er schlug vor, dass der rote
Doppelkern tatsächlich eine exzentrische Scheibe alter Sterne ist, die um ein SMSL rotieren. In diesem Modell
ist der hellere Kern w eiter vom Schw arzen Loch entfernt und resultiert aus der Tatsache, dass Sterne in sehr
elongierten Orbits sich desto langsamer bew egen, je w eiter sie sich vom Schw arzen Loch entfernen. Der
schw ächere Kern befindet sich sehr nahe am Schw arzen Loch und w ird erklärt durch eine zum Zentrum hin
zunehmende Scheibendichte. Ohne ein SMSL w ürde dieses Modell nicht funktionieren, da die elongierten
Orbits ihre Ausrichtung verlieren w ürden und der Doppelkern sich innerhalb w eniger Millionen Jahre auflösen
w ürde.
In den folgenden Jahren verdichteten sich die Hinw eise, dass eine kompakte blaue Lichtquelle fast an der
gleichen Position des schw ächeren der zw ei roten Kerne existiert. Es w urde zuerst vermutet, dass dies
vielleicht das blaue Licht einer gasförmigen, heißen Akkretionsscheibe um das Schw arze Loch sein könnte.
Später legten photometrische Studien von Tod Lauer und Kollegen jedoch nahe, dass es sich w ahrscheinlich
um einen Sternhaufen aus blauen Sternen handelt.
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Die blauen, jungen Sterne um das Schwarze Loch von M31
Die neuen Beobachtungen am Institut mit dem Hubble Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) zeigen
nun, dass
das
blaue
Licht von etw a
200 heißen A-Typ
Sternen ( Abb. 1
und 2), die
in
einem
Sternentstehungsausbruch vor „nur“ 200 Millionen Jahren entstanden sind, produziert w ird. Die Sterne
befinden sich eng gepackt in einer Scheibe mit einem Radius von etw a einem Lichtjahr. Eine sorgfältige
Analyse von Bildern, die mit der W idefield and Planetary Camera (W FPC) des HST aufgenommen w urden, zeigt,
dass die blaue Scheibe und die exzentrische rote Scheibe, die den roten Doppelkern produziert, von der Erde
aus gesehen um den selben W inkel geneigt sind, w as eine physikalische Beziehung zw ischen den beiden
Scheiben nahelegt.
Unsere STIS-Spektroskopie [1] erlaubt es auch, die mittleren Geschw indigkeiten der blauen Sterne zu messen.
Sie w erden aus der Streckung und Stauchung der von den Sternen emittierten Lichtw ellen infolge der
Bew egung um das zentrale Schw arze Loch berechnet (Dopplereffekt). Durch die Gravitationsanziehung des
Schw arzen Lochs bew egen sich die Sterne sehr schnell: 3,6 Millionen Kilometer pro Stunde (1000 Kilometer
pro Sekunde; Abb. 3). Das heisst. sie w ürden in 40 Sekunden die Erde umrunden und in sechs Minuten den
Mond erreichen. Bei einem Radius von einem halben Lichtjahr bew egen sich die Sterne mit etw a 2000 km/s
und umlaufen das Schw arze Loch einmal in 500 Jahren. Solche großen Geschw indigkeiten können nur durch
die gravitative Anziehung eines supermassereichen Schw arzen Lochs mit einer Masse von 140 Millionen
Sonnenmassen hervorgerufen w erden. Die Geschw indigkeiten dieser Sterne erlauben somit eine genauere
Massenbestimmung für das SMSL. Astrophysikalische Alternativen zu einem SMSL, w ie dunkle Haufen aus
Weißen
Zw ergen,
Neutronensternen
oder
Schw arzen
Löchern
niedriger
Masse,
können,
dank
der
hervorragenden räumlichen Auflösung des HST, das eine scharfe untere Grenze an die Dichte des SMBHs
setzt, ausgeschlossen w erden.
Bisher sind kompakte Haufen als Alternativen zu SMSLs nur in zw ei Galaxien definitiv ausgeschlossen w orden,
in NGC 4258 und in unserer Galaxis, der Milchstraße. Aber beide sind spezielle Fälle: NGC 4258 besitzt nahe
beim SMSL eine Scheibe aus Wasser-Masern, die mit Radioteleskopen beobachtet w erden kann, und unser
Galaktisches Zentrum ist so nahe, dass w ir die Bahnen einzelner Sterne vermessen können. Andromeda ist die
erste Galaxie, in der w ir alle astrophysikalischen Alternativen zu einem SMSL mithilfe des HST und denselben
Methoden, durch die w ir fast alle anderen mutmaßlichen SMSLs in Galaxien gefunden haben, ausschließen
können. Die meisten dieser ca. 40 Detektionen w urden mit dem HST durch Messung der mittleren Bew egungen
von Sternen nahe der Galaxienzentren gemacht.
W ie w ar es möglich, dass sich vor 200 Millionen Jahren junge Sterne in so groβer Nähe zu dem SMSL in
M31bilden konnten? Die kinematische Struktur der blauen Sternscheibe um das Schw arze Loch von M31 ist
vergleichbar mit unserem Planetensystem. Die Bew egung in beiden Systemen w ird von dem zentralen Objekt,
d.h. der Sonne bzw . dem SMSL, dominiert. W ie können unter diesen Umständen Gas und Staub kollabieren
und Sterne bilden? Genauso problematisch ist die Tatsache, dass die blauen Sterne für maximal einige hundert
Millionen Jahre leben. Es ist daher unw ahrscheinlich, dass in der 12 Milliarden Jahre langen Geschichte von
Andromeda eine so relativ kurzlebige Scheibe nur einmal und gerade jetzt entstanden ist. Der Mechanismus,
der diese Scheibe aus blauen Sternen geformt hat, funktionierte daher w ahrscheinlich auch in der
Vergangenheit und könnte erneute Sternentstehung in der Zukunft auslösen.
Die blauen Sterne im Zentrum von Andromeda sind vielleicht nicht so auβergew öhnlich, w ie es zunächst
erscheint. Unsere Milchstraße besitzt nahe ihres SMSLs auch jüngere Sterne, allerdings nicht in einer so
geordneten Scheibe w ie in M31. Es ist unw ahrscheinlich, dass nur unsere eigene Galaxis und ihre
Nachbargalaxie diese seltsame Sternbildungsaktivität aufw eisen. Daher ist dieses Bildung von Sternen in
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unmittelbarer Nähe von SMSLs vielleicht keine Ausnahme sondern möglicherw eise sogar die Regel, auch w enn
w ir noch nicht verstehen, w ie es dazu kommt.
R. Bender, J. Kormendy, G. Bower, R. Green,
J. Thomas, A. C. Danks, T. Gull, J.B. Hutchings,
C.L. Joseph, M.E. Kaiser, T. R. Lauer, Ch. H. Nelson, D. Richstone, D. Weistrop, B. Woodgate
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Eine k ünstle rliche Da rste llung de s Ke rns von M31,
Blick richtung vom R a nd de r bla ue n Sche ibe in R ichtung a uf
de n rote n he lle n Ke rn P 1 (vgl. Abb. 1). Im Ze ntrum de s Bilde s
ist da s Schwa rze Loch zu se he n, da s die bla ue n Ste rne in
se ine r unm itte lba re n Um ge bung durch de n
Gra vita tionslinse ne ffe k t ve rze rrt.
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Da s unte re Te ilbild ze igt die ge m e sse ne
R ota tionsge schwindigk e it de s bla ue n Ha ufe ns, die ca . 600
k m /s be i e ine m R a dius von e twa e ine m ha lbe n Lichtja hr
be trä gt. Da s m ittle re Te ilbild ve ra nscha ulicht die sche inba re n
Zufa llsge schwindigk e ite n de r Ste rne , die je doch durch die
e ndliche Auflösung de s Hubble Spa ce Te le sk ops und die
e ndliche Spa ltbre ite de s Spe k trogra phe n ve rursa cht we rde n.
W ürde m a n die bla ue Sche ibe m it be stm ögliche r Auflösung
be oba chte n würde n wir die wa hre R ota tionsge schwindigk e ite n
m e sse n, so wie sie im obe re n Te ilbild ge ze igt wird. Die
Sche ibe rotie rt se hr schne ll. Be i e ine m R a dius von e ine m
ha lbe n Lichtja hr be we ge n sich die Ste rne m it e twa 2000 k m /s
und um la ufe n da s Schwa rze Loch e inm a l in 500 Ja hre n!
© MP I für Ex tra te rre strische P hysik und R e fe re nz [1]
Originalveröffentlichungen
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[1] R. Bender et. al:
HST STIS Spectroscopy of the triple nucleaus of M31: two nested disk in Keplerian rotation around a
supermassive black hole
Astrophysical Journal 631, 280-300 (2005)
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