Vortrag_Borreliose

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Borreliose- Sinn und
Unsinn der Labordiagnose
PROF. DR.PAUL CULLEN
HAUSÄRZTETAG MÜNSTERLAND
10. 09.2016
Lyme-Borreliose
Fazit
Wird in weiten Kreisen der Bevölkerung, aber
auch bei vielen Kollegen, als schwer zu
diagnostizierende und kaum zu therapierende
Erkrankung wahrgenommen
In Wahrheit ist die ganz überwiegende Mehrheit
der Fälle gut zu erkennen und erfolgreich zu
behandeln
Lyme-Borreliose
Borrelia burgdorferi erst 1982 als Ursache der Erythema
chronicum migrans beschrieben (bis dahin vermutete man
virale Genese)
Alle Manifestationen wurden unter dem Oberbegriff LymeBorreliose (engl. Lyme disease) zusammengefasst, nach
dem Städtchen in Connecticut, USA, in dem das
Krankheitsbild 1975 nach gehäuftem Auftreten von
Gelenksentzündungen erstmals in Verbindung mit
Zeckenstichen beschrieben wurde
Borrelien sind gram negative Spirochaeten. Können wie
Treponema pallidum chronische Infektionen verursachen
Zoonose. Wird meistens übertragen vom Zecken Ixodes
ricinus
Häufigste durch Zecken übertragene Krankheit in Europa
Borrelia burgdorferi sensu lato mit vielen Unterarten,
wovon fünf eine Borreliose auslösen können (B.
burgdorferi sensu stricto (Arthritis), B. garinii (Neurologie),
B. afzelii (Haut), B. spielmanii, B. bavariensis)
Lebenszyklen:
Parasit und Wirt
Wie die Zecke den Wirt findet
Thermo-, Mechano-,
und Chemorezeptor.
Detektiert CO2,
Ammoniak und vieles
mehr
Wo die Zecke lebt
Wo die Zecke lebt
Borreliose in Deutschland
• Meisten Fälle
zwischen Juni
und August
• Nur ca. 15% der
Fälle zwischen
November und
April
Behandlung
Zecke rasch entfernen. Bei Kindern oft am Haaransatz. Übertragung von Bakterien in
den ersten 24 Stunden unwahrscheinlich.
Stadien und Symptome der
Borreliose
Stadium I (Tage bis Wochen nach Infektion): Erythema migrans um die Infektionsstelle bei ca.
1% der Zeckenstiche (Auftreten von Antikörper bei ca. 3%). Ca. 20% mit E.m. zeigen auch
Allgemeinsymptomen
Stadium II (Wochen bis 6 Monate nach Infektion): Meningoradikulitis, M. Bannwarth,
Fazialisparese, Enzephalitis, Lymphozytom, Enzephalitis, Myelitis, zerebrale Arteriitis, multiple
Erytheme, Arthritis, Myalgien, Myositis, Myo- oder Perikarditis, Iritis
Stadium III (> 6 Monate nach Zechenstich): Chronische Phase mit Organmanifestationen durch
Persistenz des Erregers im Kollagen. Enzephalitis, Enzephalomyelitis, zerebrale Arteriitis,
Polyneuropathie, Mono- oder Oligoarthritis, Acrodermatitis chronica atrophicans
Es können Stadien übersprungen werden. In Stadien I u. II ist mit Spontanheilung zu rechnen
Borrelie in einer Kollagenfaser
Dieterle Silberfärbung
•
89% als Erythema migrans
•
2% als Lymphozytom
•
3% als Neuroborreliose Stadium II
•
1% als Karditis
•
5% Arthritis
•
1% Acrodermatitis chronica atrophicans
•
0% chronische Neuroborreliose
(Huppertz et al. J Clin Microbiol Infect Dis 1999;18:697, N
= 313 über 12 Monate in Würzburg)
Zeichen der Borreliose
A
B
C
A)
B)
C)
D)
D
Makuläres Erythema migrans
Annuläres Erythema migrans mit rotem Rand und zentraler Abblassung;
Borrelien-Lymphozytom am Ohrläppchen
Acrodermatitis chronica atrophicans
Borrelien-Lymphozytom mit präaurikulärem
Erythem und Lymphknotenschwellung
(Lymphadenosis cutis benigna Bäfverstedt)
Zeichen der Borreliose
Stadium II: Bei Kindern dominiert eine akute
periphere Fazialisparese
Diagnose der Borreliose
In erster Linie ist Lyme-Borreliose eine klinische
Diagnose: Anamnese, Symptomatik, klinischer
Befund. Je typischer die Klinik, desto geringere
Wertigkeit kommt dem serologischen Befund zu
Kultur sehr schwierig und speziellen Laboratorien vorbehalten
PCR aus Haut (V.a. atypische Manifestationen oder Reinfektionen),
Liquor (V.a. frühe Neuroborreliose), Gelenkpunktat (V.a. Lyme Arthritis)
keine Routineuntersuchung und nicht als Primärdiagnostik
geeignet. Sensitivität aufgrund geringer Bakterienzahl nur ca. 50%
Untersuchung der Zecke hat geringe diagnostische Sensitivität und
Spezifität und wird nicht empfohlen
Routine Labordiagnostik basiert deshalb auf Antikörpernachweis
Serologie der Borreliose
Weiterführende Untersuchung nur bei passender Klinik indiziert
Erythema migrans wird als Blickdiagnose ohne weitere Bestätigung
therapiert
Für atypische Erythema ist jedoch weitere Diagnostik erforderlich
Serologie der Borreliose
Suchtest mittels ELISA
Bei reaktivem Ergebnis Immunoblot
Antikörperprävalenz in der Allgemeinbevölkerung bei Kleinkindern 1%,
bei Personen über 60 Jahren über 25%
Antikörpernachweis deshalb nicht mit einer akuten Infektion
gleichzusetzen sondern stellt im Rahmen des klinischen Bilds ein
Baustein der Diagnosesicherung dar
Bei fehlender oder unspezifischer Klinik ist der positive Vorhersagewert
eines positiven Antikörpernachweises sehr gering und daher ohne
Aussagekraft
Klinische Angaben bei der Laboranforderung deshalb sehr wichtig
Serologie der Borreliose:
Faustregeln
Erythema migrans: in den ersten Wochen „serologische Lücke“
Danach sind Antikörper - vor allem IgM - bei ca. 60% nachweisbar
Bei früh disseminierten (Neuroborreliose, Lymphozytom, multiple
Erythemata migrantia) sind Antikörper bei bis zu 90% nachweisbar
Bei Spätformen (Lyme-Arthritis, Acrodermatitis chronica atrophicans)
sind Antikörper – vor allem IgG – bei 100% nachweisbar
IgM-Nachweis wichtig bei frühen Erkrankungsformen. Isoliert positives
IgM bei V.a. späte Formen spricht gegen die Verdachtsdiagnose
Antikörper sind leider kein Schutz vor Reinfektion
Antikörper können nach erfolgreicher Therapie lange persistieren
Bei V.a. Neuroborreliose ist eine Liquoruntersuchung unerlässlich
(Eiweißkonzentration, AK-Index – bitte Serum- und Liquorprobe
gleichzeitig abnehmen!
Borrelien Immunoblot
Borrelien Immunoblot
Nomenklatur der Borrelien-Banden IgM
p41*: Flagellin-Protein – Kreuzreaktivität mit anderen Spirochäten und
geißeltragenden Bakterien
p39: BmpA (Borrelia membrane protein A) hochspezifisch – Nachweisbar im
Frühstadium
OspC*: Outer surface protein C - Oft als erste Borrelien-spezifische Antikörper
nachweisbar – erscheinen vor AK gegen p41
Osp17/DbpA: Outer surface protein 17/Decorin binding protein A –p14:
Spezifisch. Binden Decorin auf der Wirtszelle. Auftreten bei Arthritis und
Neuroborreliose
VlsE: Variable major protein-like sequence expressed, spezifisch. Erschein früh,
aber deutlich seltener als IgG gegen VlsE
*OspC oder p41 IgM-AK ohne Klinik: V.a. EBV-Infektion.
Borrelien Immunoblot
Nomenklatur der Borrelien-Banden IgG
p83: Hochspezifisch. Protein der Membranvesikel auf der Oberfläche – Treten 6 bis 12
Wochen nach Infektion. Typisch für Stadium III
p58: Spezifisch. Antigen nicht charakterisiert. Häufig in Stadium III
p43: Spezifisch. Antigen nicht charakterisiert. Häufig in Stadium III
p39: BmpA (Borrelia membrane protein A) hochspezifisch. Lassen sich bei vielen
Patienten in Frühphase der Erkankung nachweisen
P30: Hochspezifisch
OspC: Outer surface protein C
p21: Spezifisch. Antigen wenig charakterisiert.
Osp17/DbpA: Outer surface protein 17/Decorin binding protein A. Binden an Decorin auf
der Wirtszelle. Auftreten bei Arthritis und Neuroborreliose
p14: Spezifisch für B. afzelii
VlsE: Variable major protein-like sequence expressed, spezifisch. Treten früh auf und
bleiben bis zur Spätphase
Borrelien-Immunoblot
Borrelien-Immunoblot
Weitere Diagnostik bei V.a.
Borreliose
Bei Hautmanifestationen: Histologie auf entzündliche Infiltrate
Bei Arthritis: Punktat auf Pleozytose, ggf. PCR
Bei V.a. Neuroborreliose: Liquoruntersuchung
•
Lymphozytäre Pleozytose mit Plasmazellen und aktivierten Lymphozyten
•
Schrankenfunktionsstörung
•
Intrathekale Immunglobulinproduktion – in 70% bis 100% der Fälle nachweisbar und
sichert die Diagnose
Bei frühen Neuroborreliose: Nachweis des B-Zellen anziehenden Chemokins CXCL13 (noch keine
Routinetest)
Nicht-empfohlene
diagnostische Methoden
Lymphozytenaktivierungs- oder transformationsteste (LTT, MELISA,
ELISPOT)
Direktnachweis mittels Dunkelfeld- oder Floating Feld-Lichtmikroskopie
PCR oder Antigennachweis aus Urin
PCR oder Antigennachweis aus Blut
Antikörpernachweis aus Immunkomplexen
Visual contrast senstivity test
Nachweis eines erniedrigten CD57-positiven Lymphozytensubpopulation
HLA-Typisierung
Therapie der Borreliose
Selbst ohne Antibiotika heilt eine Borrelieninfektion in den meisten
Fällen restlos aus
Ziel der Antibiotikatherapie ist: a) den Verlauf zu verkürzen und b)
Entwicklung später Formen zu verhindern
Therapie hängt von klinischer Manifestation, schwere der Erkrankung und
Alter des Patienten ab
Ein Therapieerfolg ist insbesondere bei schon länger dauernden
Erkrankungen erst nach Wochen bis Monaten zu beurteilen
Frühe Manifestation ohne Neuroborreliose: Doxycyclin, Amoxycillin oder
Cefuroximaxetil – bei Unverträglichkeit gegen diese mit Azithromycin
Frühe Neuroborreliose: i.v. Ceftriaxon, Cefotaxim, Penicillin G; oral mit
Doxycyclin
Spätmanifestationen (z.B. Haut): oral Doxycyclin oder Amoxicillin – bei
gleichzeitiger Neuropathie i.v. Ceftriaxon, Cefotaxim, Penicillin G
Späte Neuroborreliose: wird i.v. behandelt
Nicht-empfohlene Therapien
Antibiotische Langzeit-, Hochdosis-, „Watschn-“, gepulste und
Kombinationstherapien
Hydroxychloroquin, Fluconazol, Metronidazol, TrimethoprimSulfamethoxazol, Vancomycin, Gyrase-Hemmer, Chosestyramin
Stammzelltransplantation
Bismut i.v.
H2O2 i.v.
Photonentherapie
Elektrotherapie („Zappen“)
Nicht-empfohlene Therapien
Gesendet: Montag, 1. August 2016 12:30
An: Cullen, Paul
Betreff: WG: Scharlatan
Lieber Herr Cullen,
eine liebe Freundin, eine sensible Sängerin, ist leider in die Fänge
von Herrn Kollegen Dr. W* in Berlin geraten, der sich jetzt ihrer nicht
vorhandenen Borreliose annimmt und nach Labordiagnostik von
18000 (!) € eine Behandlung beginnt.
Habe selten eine solche Abzocke erlebt.
Den Kollegen zur Rede stellend erhielt ich diese mail.
Hier nur zu Ihrer Info.
Schade, dass wir dagegen nichts unternehmen können.
Beste Grüße
Guten Tag Herr Kollege
nochmal danke für das freundliche Telefonat und Ihr Interesse an unserem Labor.
Ich übermittle Ihnen die angekündigten Texte in 3 Teilen, der Versuch, alle Lit. In einer mail zu schicken, ist
fehlgeschlagen.
Wir haben im August letzten Jahres in Kleinmachnow den Betrieb des Europarc-Labors aufgenommen. Wir
wollen eine ganzheitliche Analytik ermöglichen für Pat., die an chronischen Infektionen leiden..
Dazu haben wir unser Programm mit den folgenden Bereichen entwickelt:
- Indirekter Erreger-Nachweis mit Immunfluoreszenz, Immunoblot und zellulären Tests;
- Bestimmung inflammatorische Parameter (Interleukine);
- Lymphozytendifferenzierung, NK-Zell-Differenzierung (CD57+NK-Zellen);
- Autoimmunologie: Autoantikörper, Th1 / Th2 – Balance;
- Hämostaseologie : das ISAC-Panel von D. Berg , da chronische Infektionen über eine unspezifische Aktivierung der
Gerinnung zur Bildung eines Biofilms führen können;
- Allergologie: Bestimmung der Einzelallergene (Pflanzen, Nahrungsmittel etc.) und auf einem
- Biochip die für die Allergie auslösenden Moleküle;
- Toxikologie: die Belastung mit toxischen Schwermetallen (Quecksilber, Blei, Zinn etc.).
Beigefügt sind einige Arbeiten zum Thema Chronische Infektion und zur Borreliose sowie unsere
Anforderungsformulare.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.
Kostenloses Entnahme- und Versand-Material übersenden wir Ihnen gerne.
Mit kollegialen Grüßen,
Nicht-empfohlene Therapien
Lyme-Borreliose
Fazit
Wird in weiten Kreisen der Bevölkerung, aber
auch bei vielen Kollegen, als schwer zu
diagnostizierende und kaum zu therapierende
Erkrankung wahrgenommen
In Wahrheit ist die ganz überwiegende Mehrheit
der Fälle gut zu erkennen und erfolgreich zu
behandeln
Literatur:
Fingerle V, Sing A, Hofmann H. Lyme-Borreliose. Fallstricke bei Diagnose und Therapie.
Deutsches Ärzteblatt, Perspektiven der Infektiologie 2015.
Nau R, Christen H-J, Eiffert H. Lyme-Borreliose – aktueller Kenntnisstand. Deutsches Ärzteblatt
2009; 106 (5):72-82
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