Institution: Klinik und Poliklinik für Otorhinolaryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie der Universität, Universitätsspital Zürich Direktor: Herr Prof. Dr. med. S. Schmid Das Superfizielle Muskuloaponeurotische System (SMAS) in der Parotischirurgie Dissertantin: Andrea Verena Wille-Bischofberger von Zürich/Basel/Appenzell(AI) Leiter: Herr PD Dr. med. Th. Linder Leitender Arzt, Abteilung Otologie Klinik und Poliklinik für Otorhinolaryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie der Universität, Universitätsspital Zürich Referent: Herr Prof. Dr. med. S. Schmid Visum Referent: 2 Inhaltsverzeichnis 1. ZUSAMMENFASSUNG 3 2. EINLEITUNG 4 3. DAS GUSTATORISCHE SCHWITZEN ( FREY SYNDROM ) 5 3.1 Historischer Ueberblick 5 3.2 Klinik und Pathophysiologie des gustatorischen Schwitzens 6 4. DAS SUPERFIZIELLE MUSKULOAPONEUROTISCHE SYSTEM (SMAS) 7 4.1 Historischer Ueberblick über das SMAS 7 4.2 Anatomie des SMAS nach Mitz und Peyronie 7 4.3 Diskussion von Anatomie und Histologie des SMAS in der Literatur 11 5. PATIENTEN UND METHODIK 15 5.1 Patienten 15 5.2 Methodik 17 6. RESULTATE 19 6.1 Anamnese 19 6.2 Klinische Untersuchung 20 6.3 Iod-Stärke Test 22 7. DISKUSSION 23 8. SCHLUSSFOLGERUNG 30 9. LITERATUR 31 3 1. Zusammenfassung Das superfizielle muskuloaponeurotische System (SMAS) erlangt bei der Parotischirurgie zunehmende Bedeutung zur Optimierung der Gesichtssymmetrie und zur Vermeidung des symptomatischen gustatorischen Schwitzens (Frey-Syndrom). Die klassischen Symptome des Frey-Syndroms sind Schwitzen, Rötung und Wärmeempfindung während des Essens im temporoparietalen- und Wangenbereich. Eine aberrante Nervenregeneration gilt als pathophysiologische Erklärung. Die Inzidenz des klinischen Frey Syndroms nach herkömmlichen Parotiseingriffen liegt zwischen 43% bis 53%, der Jod-Stärke-Test fällt in nahezu 100% positiv aus. Mit der Absicht, die Inzidenz des Frey Syndroms zu reduzieren, werden seit Jahren verschiedene Operationstechniken angewandt. Unser Interesse gilt dem SMAS-Lappen, welchen wir seit 1996 in der Parotischirurgie verwenden. Das SMAS ist eine in der lateralen Wangenregion gelegene Bindegewebsschicht mit eingelagerten Fett- und Muskelzellen. Es liegt in der Ebene des Platysmas und weist Bindegewebssepten zur Haut auf und wird nach Ablösen des Haut- Subkutanlappens als separate Schicht entwickelt. Im Zeitraum von 1996 bis 1998 wurde bei 25 Patienten während einem Parotiseingriff ein SMAS-Lappen präpariert. Mindestens 12 Monate postoperativ wurden die Patienten erneut evaluiert und die Kosmetik, sowie die Inzidenz und Ausprägung des Frey Syndroms klinisch und mittels Jod-Stärke-Test geprüft. Während in einer vorgängig durchgeführten Studie alle Patienten (n=23) nach herkömmlicher Parotischirurgie einen positiven Stärketest hatten, wovon 43% subjektiv symptomatisch waren, zeigte die Analyse der Patienten mit SMAS Lappen nur bei 20% ein symptomatisches Schwitzen und bei der Testung eine statistisch hoch signifikante (p=0,006) Reduktion der Intensität und Fläche des betroffenen Areals. Zudem wurde eine Verbesserung der retromandibulären Einziehung und damit der Kosmetik festgestellt. Wir empfehlen in der Parotischirurgie eine separate Präparation des SMAS-Lappens bei Parotistumoren, welche die laterale Parotiskapsel nicht erreichen, weil damit die Inzidenz des subjektiv empfundenen gustatorischen Schwitzens gesenkt und die Kosmetik verbessert werden kann. 4 2. Einleitung Das gustatorische Schwitzen, auch Frey Syndrom genannt, ist eine bekannte Folge der Parotischirurgie. Die Inzidenz des klinischen Frey Syndroms liegt nach herkömmlichen chirurgischen Eingriffen an der Parotis zwischen 43% bis 53%, das jeweils angewandte, objektive Testverfahren fiel in 76% bis 98% positiv aus. Diese Zahlen entsprechen sowohl unserer Erfahrung (T.E.Linder et al1) und werden auch im Literaturvergleich2 3 4 5 weitgehend bestätigt. Mit der Absicht, die Inzidenz des Frey Syndroms zu reduzieren, werden seit Jahren verschiedene Operationstechniken angewandt, so zum Beispiel der Sternocleidomastoid-Muskeltransfer6 7 , die Faszia-Lata-/ oder Fett-Interposition8 9, sowie die Implantation von verschiedenen Materialien wie lyophilisierter Dura10, Ethisorb oder e-PTFE5. Von zunehmendem Interesse ist die Präparation des superfiziellen muskuloaponeurotischen Sytems, wodurch die Inzidenz des Frey Syndroms reduziert werden sollte. 6 11 12 13 14 15 An der Klinik für Otorhinolaryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie des Universitätsspitals Zürich wird seit 1996 das superfizielle muskuloaponeurotische System, auch SMAS genannt, bei chirurgischen Eingriffen im Parotisgebiet präpariert und vor dem Hautverschluss über den Operationssitus zurückgelegt. Es ist zu betonen, dass diese Präparation nur dann angewendet wird, wenn die allgemeinen Grundprinzipien der Tumorchirurgie dadurch nicht kompromitiert werden. Ziel dieser Arbeit ist es, im Rahmen einer prospektiven Studie an 25 Patienten, bei welchen im Zeitraum von 1996 bis 1998 eine SMAS-Präparation durchgeführt wurde, nach einem follow up von mindestens 12 Monaten, die Inzidenz des Frey Syndroms und den Iod-Stärke-Test nach Victor Minor16 bezüglich Fläche und Intensität zu evaluieren. Zusätzlich wird auch das kosmetische Resultat der Narbe und des Volumendefekts beurteilt. Als Vergleichsgruppe dient uns das Patientenkollektiv aus der prospektiven Studie (n=23) von Linder et al1 aus dem Jahre 1997, in welcher die Inzidenz des Frey Syndroms und der Iod-Stärke Test nach herkömmlichen Parotisoperationen untersucht wurde. 5 3. Das Gustatorische Schwitzen ( Frey Syndrom ) 3.1 Historischer Überblick Häufig wird Duphenix17 aus dem Jahre 1757 als Erstautor des Frey Syndroms zitiert. In seinem Bericht wird ein Patient beschrieben, welcher bei einem Jagdunfall durch einen Hirsch im Bereiche der Parotis verwundet wurde. Gemäss einer Arbeit von Dulguerov18, in welcher „the correct history“ des Frey Syndroms nach Ueberarbeitung vieler Publikationen und Referenzen beschrieben wurde, muss angenommen werden, dass es sich bei Duphenix’s Patienten eher um eine Speicheldrüsenfistel als um ein klinisches Frey Syndrom handelte. Baillarger19 beschrieb im Jahre1853 fünf Fälle, wovon 2 die typischen Symptome des Frey Syndrom‘s zeigten. Obschon Baillarger die Symptomatik fälschlicherweise auf eine Blockierung im Stenon‘schen Gang zurückführte, ist seine Arbeit wohl die erste, welche die Symptome des Frey Syndroms adäquat beschreibt. Seinen Namen verdankt das Frey Syndrom Lucie Frey20, einer polnischen Neurologin aus Warschau, welche 1932 als Erste den Zusammenhang der autonomen parasympatischen und sympatischen Innervation der Glandula parotis und der Innervation der Schweissdrüsen der darüberliegenden Haut erkannte. Sie beschrieb nicht nur korrekt die klinische Symptomentrias, sondern betonte auch als erste die Rolle des Nervus auriculotemporalis und das zeitliche Intervall zwischen dem Trauma und dem Auftreten der Symptomatik. Das Syndrom wird seither auriculo-temporales oder Frey‘sches Syndrom genannt. Ursächlich vermutete sie jedoch fälschlicherweise eine Irritation von sekretomotorischen Fasern des Nervus auriculotemporalis, welche postoperativ durch die Operationsnarbe durchgewachsen sind und beim Kauen zum Anschwellen der Parotis führten. Die pathophysiologische Erklärung der aberranten Nervenregeneration wurde erst 1927 durch André Thomas gegeben21. Im Laufe der Zeit wurde das Frey Syndrom mehrfach untersucht und beschrieben. So auch im Rahmen grösserer Studien 1957-1959 von Laage-Hellman2 3 4 , in welchen erstmals die Inzidenz und das zeitliche Intervall zwischen dem Auftreten der Symptomatik und erlittenem Trauma untersucht wurden: so trat das Frey Syndrom bei 6 einigen Patienten bereits nach 5 Wochen, durchschnittlich nach 8 Wochen erstmals auf, nur in einem Fall fiel der Iod-Stärke-Test erst nach einem Jahr positiv aus. Glaister et al22 befasste sich im Jahre 1958 in experimentellen Arbeiten mit den damaligen verschiedenen pathophysiologischen Erklärungsmodellen, wobei er unter anderem das Ganglion oticum und den cervikalen Sympathikus blockierte. Zuletzt favorisierte auch Glaister das Modell der aberranten Nervenregeneration. 3.2 Klinik und Pathophysiologie des gustatorischen Schwitzens Die klassischen Symptome des Frey Syndroms sind Schwitzen, Rötung und Wärmeempfindung auf der betroffenen Gesichtshälfte im temporoparietalen Bereich während des Essens. Die pathophysiologische Erklärung lieferte André Thomas21 mit dem Modell der aberranten Nervenregeneration: Die Glandula parotis wird sekretorisch durch parasympatische Fasern des Nervus glossopharyngeus versorgt, welche via Mittelohr über den Nervus tympanicus und den Nervus petrosus minor (Jakobson’sche Anastomose) und dem Ganglion oticum zum Nervus auriculotemporalis gelangen und so schliesslich, zum Teil über eine weitere Anastomose dem Nervus Fazialis angelagert, zur Glandula parotis ziehen. Durch chirurgische Eingriffe, Infektionen oder traumatische Verletzungen werden diese Fasern beschädigt, bei einer Entfernung von Drüsengewebe auch ihres Endorganes beraubt. Gleichzeitig kommt es zur Verletzung von sympatischen Fasern, die, ausgehend vom oberen thorakalen Segment, via Ganglion cervicale superius zum Plexus der Arteria carotis externa ziehen, um dann über deren Aeste zum Nervus auriculotemporalis zu gelangen. Von dort ziehen diese sympatischen Fasern sowohl zur Glandula parotis wie auch zu den Schweissdrüsen und Gefässen der darüberliegenden Haut. Im postoperativen Heilungsprozess kommt es zu einer fehlgeleiteten Aussprossung von parasympatischen Fasern in sympatische Nervenscheiden, welche zu den Schweissdrüsen der Haut ziehen. Da sowohl die parasympatischen Fasern, wie auch die zwar sympatisch, aber cholinerg innervierten Schweissdrüsen denselben Neurotransmittor haben (Acetylcholin), können 7 sekretorische Reize für die Ohrspeicheldrüse in einer lokalen Schweissabsonderung, Rötung und Ueberwärmung der darüberliegenden Haut resultieren. 4. Das Superfizielle Muskuloaponeurotische System (SMAS) 4.1 Historischer Ueberblick über das SMAS Sir Charles Bell schrieb 1799 in seiner Arbeit A System of dissections23: „We see, that at this part (Parotisregion) the fibres of the platysma myoides are continued smooth over the lower lobe of the parotid, mingling with the cellular membrane.“ Was hier als zelluläre Membran beschrieben wird, ist wahrscheinlich die erste Beschreibung des superfiziellen muskuloaponeurotischen Systems. 1859 beschrieb Gray in seinem Werk über deskriptive und chirurgische Anatomie24 eine superfizielle Faszie im Wangenbereich. Bezugnehmend auf Gray’s Angaben, untersuchten 1974 die Franzosen Mitz und Peyronie25 in einer ersten grossen Studie systematisch die makroskopische und mikroskopische Anatomie der Faszien im Gesichts- und Wangenbereich. Sie waren es auch, welche aufgrund ihrer histologischen Ergebnisse den Namen “superfizielles muskuloaponeurotisches System“, oder eben SMAS, gaben. Methodik und Ergebnisse dieser Studie werden im folgenden Absatz beschrieben. Das SMAS-Konzept wurde seither wiederholt von verschiedenen Autoren in der Literatur reevaluiert und diskutiert, so auch1983 von Jost und Levet26 und 1992 von Gosain et al27. Die unterschiedlichen Meinungen dieser Autoren, die bis heute in der Literatur bestehen, werden später in Punkt 4.3 kommentiert. 4.2 Anatomie des SMAS nach Mitz und Peyronie Die Anatomen Mitz und Peyronie25 untersuchten im Jahre 1974 in ihrer Studie 15 Autopsien. Es wurden insgesammt 14 Gesichtshälften präpariert, an 3 Präparaten wurden die Gefässe mit Radiocorrodan - einem Röntgen-Kontrastmittel –injiziert und je ein 8 Präparat wurde in horizontaler, sagittaler oder frontaler Ebene in 1 cm dicke Scheiben geschnitten und radiologisch untersucht. 3 weitere Schädel wurden ohne vorgängige Kontrastmittelinjektion in den gleichen Ebenen mit ultradünnem Focus (0,1 mm) tomographiert. Jede Präparation wurde sowohl makroskopisch, arteriographisch und ultraradiographisch, wie auch mikroskopisch und histologisch (Masson’s trichrom Färbung) untersucht. Speziell beachtet wurden die Randzonen in der temporozygomatischen, prätragalen, mandibulären und nasolabialen Region. Mitz und Peyronie konnten das SMAS in allen Präparaten nachweisen. In individuell unterschiedlicher Dicke ausgeprägt, trennt es in der Parotis- und Wangenregion das subkutane Gewebe in 2 Schichten: oberflächlich liegt das Fettgewebe von Bindegewebssepten unterteilt, die vom SMAS zur Haut ziehen. Unterhalb des SMAS findet sich viel Fettgewebe und die tiefe Gesichtsmuskulatur. Hier sind keine Bindegewebssepten vorhanden. In der Parotisregion beschreiben die Autoren das SMAS als deutlich erkennbare Schicht, die in der prätragalen Region über 1-2 cm an der Parotiskapsel adhärent ist, dann jedoch separat verläuft und zur Wange hin immer dünner wird. Das SMAS hat Verbindung zur oberflächlichen Gesichtsmuskulatur (Musculus risorius, Musculus frontalis, Musculus orbicularis oculi und Platysma) und weist viele Verbindungssepten zur Haut auf. Diesen Septen wird von den Autoren funktionell die Uebertragung von Gesichtsbewegungen auf die Haut zugeschrieben. Es wurde auch die Beziehungen des SMAS zu den verschiedenen Nerven-und Gefässverläufen untersucht, was insbesondere von chirurgischem Interesse ist. In der Parotisregion verläuft der Nervus fazialis tief in der Parotis und somit weit tiefer als das SMAS, geschützt durch die Parotiskapsel und den lateralen Parotisanteil. Nur sensible Nerven vom Plexus cervikalis anterior verlaufen zwischen dem SMAS und der Haut. In der Wangenregion verlaufen die Aeste des Nervus fazialis ebenfalls tiefer als das SMAS, jedoch wird das SMAS immer dünner und die anteriore Präparation somit schwierig und wegen den darunter verlaufenden Fazialisästen gefährlich. In der temporalen Region liegt der Ramus frontalis des Nervus fazialis nur von einer dünnen Bindegewebsschicht geschützt unter dem SMAS, sodass Mitz und Peyronie hier eine chirurgische Präparation nur bis 1 cm unterhalb den Arcus zygomaticus empfehlen. In der mandibulären Region steht das SMAS in engem Kontakt mit den oberflächlichen Fasern des Platysma. Mitz 9 und Peyronie sehen hier unterhalb des Platysmas eine sichere Präparationsebene, da dort der manibuläre Ast des Nervus fazialis weit tiefer verläuft. Im Bereich des Mastoids ist die Abgrenzung des SMAS schwierig, da es eng mit der Haut und dem fibrotischen Gewebe um die Insertion des Musculus sternocleidomastoideus verbunden ist. Mitz und Peyronie empfehlen somit für eine face-lift Operation eine sub-SMAS Präparation, um die ursprüngliche Funktion der Bindegewebssepten zur Haut zu erhalten, welche bei einer subkutanen Präparation durchtrennt würden. Ihre Empfehlungen beinhalten, dass das SMAS vom Tragus her von der Parotiskapsel abpräpariert, jedoch nicht über die Parotis hinweg weiter anterior mobilisiert werden sollte, um keine Verletzung des Nervus fazialis zu riskieren. Die Dissektion sollte nicht weiter kranial als 1 cm unterhalb des Arcus zygomaticus, nicht weiter kaudal als 1 cm oberhalb der Mandibulaunterkante fortgesetzt werden. Mitz und Peyronie interpretieren das SMAS als eine Fortseztung der cervicocephalen Faszie, wobei sie in diesem Punkt gleicher Meinung sind wie Gray24 und Couly et al28. Gray schrieb schon 1859: „The superficial fascia of the face is directly continuous over the mandible with that of the neck…“ 10 SMAS Bindegewebssepten zwischen SMAS und Haut Parotisfaszie Schema of horizontal plane of a macrosection throuh the nasolabial fold NLF= nasolabial fold; B= buccinator muscle; FM= facial muscle (zygomaticus major and minor); PD= parotid duct; PG= parotid gland; PF= parotid fascia; OC= oral cavity; OM= orbicularis muscle fibres; FP= fat pad This shows the SMAS (superficial musculoaponeurotic system) Nach Vladimir Mitz , M.D. and Martine Peyronie, M.D.25 11 4.3 Diskussion von Anatomie und Histologie des SMAS in der Literatur Seit dieser ersten, klinisch relevanten anatomischen Arbeit von Mitz und Peyronie ist über das SMAS viel geschrieben worden, wobei drei Hauptaussagen bis heute in der Literatur zu finden sind. Jost und Levet26 untersuchten 1983 in einer Studie an 21 Leichen und an drei weiteren Säugetieren (einem Schimpansen, einem Mandrill und einem Lagothrix), in serieller Präparation und histologischer Untersuchung die Parotisfaszie und das SMAS-Konzept. Aufgrund anatomischer und histologischer Daten aus ihrer Arbeit sind sie der Auffassung, dass • das SMAS, wie es von Mitz und Peyronie beschrieben wird, entwicklungsgeschichtlich einem primitiven Platysma entspricht und nicht ein Teil der Faszia superficialis ist. • dieses primitive Platysma der Parotiskapsel entspricht und nicht getrennt von dieser liegt. • die Parotiskapsel mit dem Platysma direkt in einer Ebene liegt und insgesammt dem primitiven Platysma entspricht. • die Parotiskapsel histologisch nicht rein fibröser Natur ist, sondern auch Muskelfasern enthält. • die Parotis oberflächlich nicht von einem Teil der tiefen Faszie bedeckt ist, sondern allein vom primitiven Platysma, welches als einzige fibromuskuläre Struktur subkutan im lateralen Gesichtsbereich verläuft. Jost und Levet empfehlen eine sub-SMAS Dissektion, in der Parotisregion beginnend, wobei dabei das rötlich-braune Parotisgewebe zum Vorschein komme, und nicht eine Parotiskapsel bestehen bleibe, wie dies die Meinung von Mitz und Peyronie ist. Ist die Parotisvorderkante erreicht, könne die Präparation durch stumpfe Dissektion ohne Risiko nach vorne weiterverfolgt werden. Der so entstehende Lappen sei solid, weil er die gesamte Dicke des primitiven Platysmas enthalte. 12 Diagrammatic representation of the true anatomy of the masseter and the parotid regions Nach G. Jost M.D. and Y: Levet, M.D.26 13 1989 untersuchten Seth Thaller et al29 in einer Studie an 10 frischen Leichen und 12 Rhesusaffen mittels mikroskopischer Präparation sowie in histologischen Schnitten die Anatomie des SMAS. Im Gegensatz zu Jost und Levet fanden sie das SMAS oberflächlich von einer eigenständigen Parotiskapsel liegend, welche die Parotis umgibt. Histologisch war das SMAS vorallem fibröser Natur, nur in der Parotis-Masseter-Region fanden sie viele Muskelfasern. Daher unterstützen sie den Namen „fibröses Platysma“, wie dies 1987 von Jost et al30 bereits vorgeschlagen worden war. Arun Gosain et al27 wiederum beleuchtet in seinem Artikel 1992 die unterschiedlichen Meinungen von Mitz und Peyronie25 und Jost und Levet26, verglichen mit seinen Erkenntnissen, die er in einer anatomischen Studie an 12 frischen Leichen mittels mikroskopischer Präparation und histologischer Untersuchung erlangt hatte: Beziehung des Mitz und Peyronie Jost und Levet Gosain et al Getrennt durch eine eingeschlossen separat, aber nahe SMAS zu … …Parotisfaszie Fettschicht zueinander stehend Kontinuierlich diskontinuierlich diskontinuierlich …Unteres Fasern des Fasern des Fasern des Augenlied M.orbicularis oculi M.orbicularis oculi M.orbicularis oculi eingeschlossen nicht eingeschlossen eingeschlossen Endet an M. orbicularis oris M. orbicularis oris nasolabialer Falte nicht eingeschlossen eingeschlossen Eingebettet in Fett weit unter Fett weit unter Fett gelegen gelegen …Temporoparietale Faszie …Oberlippe …Subkutanes Fett gemäss Gosain et al27 14 Die mechanischen Eigenschaften und die Mikrostruktur des SMAS wurden von Yaron Har-Shai et al31 32 33 in mehreren Arbeiten untersucht und mit denen der Haut verglichen. Das SMAS zeigte dabei mikroskopisch einen Aufbau aus kollagenen und elastischen Fasern, wobei die prozentuale Verteilung, verglichen mit derjenigen der Haut, keine signifikanten Unterschiede ergab. Interessant erscheint jedoch, dass ausschliesslich im SMAS Fettzellen zu finden sind, umgeben von den elastischen Fasern. Dies ist für die Autoren eine mögliche Erklärung für die Ergebnisse in der mechanischen Testung, welche beim SMAS im Vergleich zur Haut einen verzögerten Stress-Relaxationseffekt ergab. Diese Fettzellen des SMAS spielen möglicherweise eine begünstigende Rolle in der Effektivität der SMAS-Chirurgie beim face-lifting. 4.4. Bedeutung des SMAS in der Gesichtschirurgie Im Gebiet der Ästhetischen Chirurgie wurde das SMAS als separate Schicht bereits vor rund 30 Jahren erkannt und seither bei face-lift-Operationen verwendet. Die Präparation über oder unterhalb des SMAS beschäftigte zahlreiche Autoren und fand auch Eingang in der jüngsten Operationstechnik, dem endoskopischen Face lift. In der Parotischirurgie wurde das SMAS erstmals vor rund 15 Jahren zur Verminderung der Inzidenz des Frey Syndroms und zur Verbesserung des kosmetischen Resultats postuliert14. An der Klinik für Otorhinolaryngologie, Hals- und Gesichtschirurgie in Zürich wenden wir die separate Präparation des SMAS seit 1996 in der Parotischirurgie an. Zwischen 1996 und 1998 wurden so 25 Patienten dieser prospektiven Studie zugeführt. Ziel der Arbeit ist es, die Resultate bezüglich Inzidenz des Frey Syndroms, Iod-Stärke-Test und Kosmetik nach SMAS-Präparation zu evaluieren. 15 5. Patienten und Methodik 5.1 Patienten Im Zeitraum von 1996-1998 untersuchten wir insgesamt 25 Patienten, 7 Frauen und 18 Männer. Das Durchschnittsalter betrug 47 Jahre ( 27-85 Jahre ). Der durchschnittliche follow up betrug 23 Monate, wobei die kürzeste Beobachtungszeit bewusst nicht unter 12 Monaten lag, die längste 43 Monate betrug (Tabelle 1). Tabelle 1. Patientendaten 1996 – 1998 n=25 F : M 7 : 18 Alter (Jahre) 47 (27 –85) Follow up (Monate) 23 (21 – 43) Pathologien n % - pleomorphes Adenom 19 76 - Warthin Tumor 3 12 - Andere (Lymphangiom, 3 12 Basalzelladenom, rez. eitrige Parotitis) In 20 Fällen wurde eine laterale Parotidektomie durchgeführt, wobei es sich in 3 Fällen um eine Revisionsparotidektomie nach auswärtig durchgeführter, subtotaler Adenomexstirpation handelte. In 5 Fällen wurde eine subtotale Parotidektomie ausgeführt. In allen Fällen wurde ein präaurikulärer, zervikaler S-förmiger Hautschnitt als Zugang gewählt. Die Histologie ergab bei 19 Patienten ein pleomorphes Adenom, bei 3 Patienten ein Zystadenolymphom (Warthin’s Tumor). Weiter bildeten eine lymphoepitheliale Zyste (Lymphangiom), ein Basalzelladenom und in einem Fall eine 16 rezidivierende, eitrige Parotitis die Operationsindikation. In keinem der 25 Fälle wurde eine postoperative Radiotherapie oder ein weiterer operativer Eingriff im entsprechenden Operationsgebiet durchgeführt. 17 5.2 Methodik Alle Patienten wurden von zwei Operateuren (Prof. Dr. med. Stephan Schmid und PD Dr. med. Thomas Linder) mit gleicher Operationstechnik behandelt. Nach dem präaurikulären S-förmigen Hautschnitt folgte die Präparation des Haut-Subkutanlappens bis vor die anteriore Parotisgrenze. Als zweite Schicht wurde die oberflächliche Parotiskapsel vor dem Tragus freipräpariert, vom darunterliegenden Drüsengewebe scharf gelöst und in Kontinuität mit dem Platysma nach vorne und unten entwickelt (SMAS). Die bindegewebigen Septen zum Subkutangewebe wurden dabei scharf durchtrennt. Die Präparation endete unmittelbar vor dem anterioren Rand der Parotis. Die Indikation zur SMAS Präparation wurde bei feinadelbioptisch diagnostizierten benignen Läsionen gestellt, wenn diese die oberflächliche Parotiskapsel klinisch und im präoperativen MRT nicht erreichten. SMAS Parotisloge nach Entfernung der lateralen Parotis Intraoperative SMAS-Präparation 1. Schritt 18 Haut-/Subcutanlappen SMAS wird über die Parotisloge gelegt Intraoperative SMAS-Präparation 2. Schritt Die 25 Patienten wurden frühestens ein Jahr postoperativ auf unserer Klinik nachuntersucht. Sie wurden nach Beschwerden allgemeiner Art, nach Sensibilitäts- oder Dysästhesieempfindungen im Operationsgebiet, sowie nach der Zufriedenheit mit dem kosmetischen Resultat befragt. Zudem wurde nach den Symptomen des klinischen Frey Syndroms gefragt: Schwitzen, Wärmeempfindung oder Rötung in der Ohr- und Wangenregion beim Essen. Bei allen Patienten wurde eine klinische Untersuchung durchgeführt, wobei hier die kosmetischen Resultate der Narbe beurteilt wurden. Die Gesichtssymmetrie bezüglich Volumendefekt und Fazialisfunktion wurde klinisch beurteilt und fotographisch dokumentiert, die Sensibilität im Operationsgebiet mittels Wattebausch geprüft. Bei allen Patienten wurde zuletzt auf der betroffenen Seite ein IodStärke-Test nach Viktor Minor16 durchgeführt: nach Applikation von Iod und Lugol‘scher Lösung wurde Stärkepuder auf die Wangen- und Ohrregion der Patienten aufgetragen. Als gustatorischen Reiz wurde den Patienten ein Apfel offeriert und nach 10 Minuten die blauverfärbte Fläche abgelesen, aufgezeichnet und in cm2 ausgemessen. Die Intensität der Verfärbung wurde in 3 verschiedene Kategorien eingeteilt: es wurde eine punktartige, eine flächige und eine tropfende Blauverfärbung unterschieden. Jegliche Blauverfärbung wurde als positives Resultat interpretiert. 19 6. Resultate 6.1 Anamnese Auf eine eileitende Frage nach dem Allgemeinbefinden gaben 64% der Patienten keinerlei Beschwerden an. Auf gezielte Befragung bezüglich der Kosmetik der Narbe, der Gesichtssymmetrie und des Volumendefekts waren 24 Patienten mit ihrem Resultat sehr zufrieden, einer klagte über eine Pigmentationsverschiebung im Bereich der Narbe, war jedoch mit dem postoperativen Ergebnis noch immer zufrieden (Tabelle 2). Die Sensibilität war bei 3 Patienten (12%) subjektiv normal, 22 Patienten (88%) bemerkten eine Hyposensibilität, wobei 2 Patienten dadurch gestört waren. Dysästhesieempfindungen wurden von 6 (24%) bejaht. So wurde eine Schmerzempfindung auf Kälte oder ein Elektrisieren auf Berührung angegeben. Nur 2 Patienten (8%) empfanden diese Symptome als störend, wobei eine Patientin deswegen keine Ohrringe mehr trägt, der andere Patient nachts nicht auf das entsprechende Ohr liegen kann. Die Frage nach der klassischen Frey Symptomatik verneinten 20 Patienten (80%), 5 Patienten (20%) bejahten sie, wobei 4 davon während des Essens nur gelegentlich ein solches Schwitzen bemerken. Ein Patient verspührt fast bei jedem Essen ein Schwitzen und hat daher stehts eine Serviette zur Hand, woran er sich auf Befragung zwischenzeitlich problemlos gewöhnt hat. 3 Patienten (12%) bemerkten während des Essens eine Wärmeempfindung, keiner jedoch eine Rötung, in der der betroffenen Wangenregion. 20 Tabelle 2. Anamnestische Angaben (n=25) Allgemeine Beschwerden n % 24 96 1 4 - normal 3 12 - Hyposensibilität 22 88 19 67 - vorhanden 6 24 - durch Dysästhesie gestört 2 8 20 80 5 20 Kosmetik - sehr zufrieden - zufrieden Sensibilität Dysästhesieempfindung - verneint Klinisches Frey Syndrom - verneint - vorhanden - stark gestört durch Frey Syndrom keiner Wärmeempfindung - verneint 22 88 - bemerkt 3 12 Rötung keiner 6.2 Klinische Untersuchung Bei der klinischen Untersuchung zeigten 2 Patienten (8%) eine normale Sensibilität im Operationsgebiet, 21 Patienten (84%) gaben eine Hypästhesie an, 2 Patienten (8%) eine Anästhesie. 5 Patienten (20%) verspührten wärend der Untersuchung zusätzlich eine Dysästhesie (Tabelle 3). Die Fazialisfunktion war in allen Fällen symmetrisch vorhanden. Die Operationsnarben in der Halsregion wurden bezüglich der kosmetischen Erscheinung in 21 Fällen (84%) als dünn und flach beurteilt, bei 3 Patienten (12%) als leicht erhaben und weiss bewertet. Bei einem Patienten (4%) war die Narbe durch einen Narbenstrang 21 etwas prominent. Der retroaurikuläre Verlauf der Narbe wurde bei 17 Patienten genauer beurteilt, wovon diese in 10 Fällen (58%) als reizlos und unauffällig , in 6 Fällen (35%) als leicht erhaben und weiss beurteilt wurde, in einem Fall auch hier ein prominenter Narbenzug vorlag. Das Ausmass der retromandibulären Einziehung wurde bei 17 Personen in unserer Studie gemessen und mit der Gegenseite verglichen: es wurde die Distanz zwischen dem Hautniveau retromandibulär und einer Verbindungslinie Mastoid - Mandibula (Kieferwinkel) gemessen. Diese Distanz wurde mit der Gegenseite verglichen. Die durchschnittliche Differenz betrug 6 mm, von minimal 0 bis zu maximal 13 mm. Tabelle 3. Resultate der klinischen Untersuchung Klinische Befunde n % 2 8 - Hypästhesie 21 84 - Anästhesie 2 8 20 80 - vorhanden 5 20 Fazialisfunktion Alle symmetrisch Sensibilität - normal Dysästhesie - nicht vorhanden Narbe Hals - dünn und flach 21 84 - leicht erhaben 3 12 - Narbenzug 1 4 (n=17) Narbe retroaurikulär (n=17) - dünn und flach 10 58 - leicht erhaben 6 35 - Narbenzug 1 6 22 Kosmetisches Resultat postoperativ Diskrete retromandibuläre Einziehung Unauffällige Narbe in Hautfalte verlaufend nicht operierte Seite operierte Seite 6.3 Iod-Stärke-Test Der Iod-Stärke Test nach Minor wurde bei allen 25 Patienten durchgeführt und fiel in 6 Fällen (24%) negativ aus, bei 19 Patienten (76%) positiv. Die Intensität der positiven Resultate wurde in 3 Kategorien unterteilt, wobei 12 Patienten (48%) nur eine punktartige, 5 Patienten (20%) eine flächige Blauverfärbung zeigten und in 2 Fällen (8%) ein tropfendes, positives Resultat festgestellt wurde. Die durchschnittliche Fläche des positiven Testergebnisses, unabhängig der Intensitätsgraduierung, betrug 12,5 cm2, von 1 cm2 bis maximal 46 cm2. Die prozentuale Verteilung dieser 3 verschiedenen Testresultate, gemessen auf die gesamte positive Testfläche aller Patienten, zeigte ein deutliches Überwiegen der nur punktförmigen Reaktion (47%) gegenüber den tropfendpositiven (15%) Verfärbungen (Graphik 1). 23 Graphik 1. Resultate des Iod-Stärke-Test 15% Punkta rtig Flä c hig Tro p fe nd 47% 38% Unterschiedliche Intensitäten im Iod-Stärke-Test punktartig flächig 24 tropfend 7. Diskussion Die separate Präparation des SMAS Lappens in der Parotischirurgie hat zum Ziel, die Inzidenz des symptomatischen Frey Syndrom’s zu senken und die Einziehung der retromandibulären Narbenbildung zu korrigieren. Bei ansonsten gleicher Operationstechnik und weitgehend gleichen Operateuren ist es möglich, die Ergebnisse dieser Arbeit mit den Resultaten einer bereits publizierten Studie zu vergleichen, bei welcher kein SMAS Lappen entwickelt wurde (Tabelle 4): während in der prospektiven Studie von Linder et al1 aus dem Jahre 1997 bei insgesamt 43% der Patienten (10/23) eine positive Anamnese vorlag, gaben in dieser Studie mit SMAS-Lappen-Präparation lediglich noch 20% (5/25) der Patienten auf gezielte Befragung Symptome des gustatorischen Schwitzens an. Während in der ersten Studie noch 6% durch diese Symptomatik erheblich gestört waren, war keiner der Patienten nach SMAS Interposition 25 durch das Schwitzen im Alltag behindert. Der Iod-Stärke-Test fiel zwar noch bei 76% der Patienten positiv aus, jedoch war die positiv getestete Fläche mit 12,5 cm2 deutlich kleiner. Diese Reduktion der positiven Testfläche fiel im Mann-Withney-Test hoch signifikant aus (p=0,006). Auch die Intensität der positiven Resultate war deutlich geringer. So entsprachen 46,8% der insgesamt positiv getesteten Fläche einem punktartig positiven Resultat, 37,8% einer flächenhaften Blaufärbung und nur 15,4% einem tropfenden positiven Ergebnis. Die Wärmeempfindung während des Essens auf der entsprechenden Gesichtshälfte konnte von 20% auf 12% reduziert werden und keiner der Patienten hatte eine Rötung im Wangengebiet festgestellt. Bezüglich der HypoSensibilität fanden sich keine grossen Unterschiede zwischen den beiden Gruppen, wobei 92% der Patienten unter einer Hypästhesie/Anästhsie und 20% der Patienten unter einer Dysästhesie litten. Diese Sensibilitätsstörungen sind durch die Durchtrennung des Nervus auricularis magnus während der Operation bedingt, und somit meist unumgänglich und insbesondere von einer SMAS-Lappen Präpraration unabhängig. 26 Tabelle 4. Vergleich der Gruppen mit und ohne SMAS Klinisches Frey Syndrom Gruppe mit SMAS Gruppe ohne SMAS n = 25 Linder et al. n = 23 20% positiv 43% positiv (5/25) (10/23) 0% 6% 76% 96% (19/25) (22/23) 12,5 cm2 18,4 cm2 (1–26) (8–48) 12% 20% (3/25) (5/23) 0% 40% Subjektiv stark störendes Schwitzen während der Nahrungsaufnahme Iod Stärke Test positiv Durchschnittlich positive Testfläche Wärmeempfindung Rötung (9/23) Dysästhesie Hypästhesie/Anästhesie 20% 30% (5/25) (7/23) 92% 100% (23/25) (23/23) Zur Verminderung der Inzidenz des Frey Syndroms sind in der Literatur bis dato verschiedene Operationstechniken beschrieben worden. So propagierten Irving Rappaport und Glenn Allison14 in ihrer Arbeit aus dem Jahre 1985 die SMAS-Präparation zur Verminderung der Inzidenz des Frey Syndroms, sowie zur Kaschierung der retromandibulären Einziehung. Von 25 Patienten, bei denen eine SMAS-Präparation durchgeführt wurde, war nur gerade einer für ein Frey Syndrom symptomatisch (3%). Bei fehlendem objektivem Test und unklarer Angabe der postoperativen Latenz bis zur Befragung müssen diese Daten allerdings mit Vorsicht zitiert werden. Das gustatorische Schwitzen tritt meist erst nach mehreren Monaten auf, 27 weshalb ein minimaler Follow-up von 12 Monaten unabdingbar ist. Die beiden Autoren unterstrichen in ihrer Arbeit zudem die Wichtigkeit der korrekten Indikationsstellung zur SMAS-Präparation: so dürfen die allgemeinen Richtlinien der Tumorchirurgie keinesfalls kompromittiert werden. Eine SMAS-Präparation sollte nur durchgeführt werden, wenn die Radikalität der Tumorchirurgie gewährleistet werden kann und keine nachfolgenden Operationen geplant sind. Falls ein Rezidiv des Tumors zu befürchten ist oder der postoperative follow up bezüglich Tumorpersistenz oder -rezidiv durch eine SMASPräparation erschwert werden sollte, muss von einer SMAS-Präparation abgesehen werden. John D. Casler und John Conley6 berichteten in ihrer Publikation aus dem Jahre 1991 über den kranial oder kaudal gestielten Sternocleidomastoid (SCM)-Muskeltransfer, sowie über die Präparation und posteriore Dopplung des SMAS-Lappens. Bei fehlendem objektivem Test können auch hier lediglich die Zahlen bezüglich des klinischen Frey Syndroms verglichen werden. Casler und Conley beschrieben in der Gruppe des Sternocleidomastoid-Muskeltransfers (n=16) eine Inzidenz des Frey Syndroms von 12,5%, in der Gruppe der SMAS-Präparation, ebenfalls 16 Personen umfassend, litt keine Person unter der typischen Klinik des Frey Syndroms. Als Kontrollgruppe dienten 104 Patienten, bei denen keine der beiden Operationstechniken angewandt wurde. Die Inzidenz des Frey Syndroms lag in dieser Kontrollgruppe bei 47%. Diese Zahlen zeigten eine statistisch signifikante Reduktion der Inzidenz des Frey Syndroms in der SMASGruppe (P=0,005) wie auch in der SCM-Lappen-Gruppe (P=0,025). Keine statistische Signifikanz ergab sich zwischen den beiden Gruppen des SMAS und des SCM. Die Autoren machten jedoch folgende Beobachtung, welche diese Differenz der beiden Methoden möglicherweise erklären kann: so war mit dem SMAS-Lappen eine vollständige Abdeckung des Parotisbettes intraoperativ besser möglich als beim SCMMuskeltransfer. Dort liess sich zwar der Volumendefekt besser ausgleichen, jedoch blieben gelegentlich umschriebene Stellen des Parotisbettes unbedeckt, welche gemäss den Autoren mit dem Gebiet des postoperativen Schwitzens korrespondierten. Diese Beobachtung untermauert die Hypothese, dass die separate Präparation des SMAS Lappens zu einer doppelten Narbenzone führt, was im postoperativen Heilungsprozess 28 das aberrierende Aussprossen von parasympathischen Fasern behindert. Neben der Reduktion des Frey Syndroms betonten Casler und Conley auch den kosmetischen Benefit der beiden Operationsverfahren. So konnte die retromandibuläre Einziehung, wie sie nach herkömmlichen lateralen oder subtotalen Parotidektomien häufig und deutlich auftritt, stark reduziert werden. Eine objektive Ausmessung dieser Einziehung ist schwierig und bisher in der Literatur nicht beschrieben worden. Die kosmetischen Befunde wurden jeweils fotographisch dokumentiert. Kornblut et al7 beschrieben bereits im Jahre 1974 den kranial gestielten Sternocleidomastoid (SCM)-Lappen, wobei in dieser Arbeit 35 Patienten nach Präparation eines SCM-Lappens mit einer Kontrollgruppe von 35 Patienten verglichen wurden. Es zeigte sich hier, im Gegensatz zu Casler und Conley, keine Reduktion der Inzidenz des Frey Syndroms. In der SCM-Gruppe fiel der Iod-Stärke-Test in 97% positiv aus, in der Kontrollgruppe in 94%. Auch die subjektive Symptomatik des Frey Syndroms konnte durch den SCM-Lappen nicht verbessert werden: so klagten in der SCM-Gruppe 43% der Patienten über eine Frey-Symptomatik, in der Kontrollgruppe nur 23%. Es muss betont werden, dass in der Studie von Kornblut, im Gegensatz zu Casler und Conley, ein Iod-Stärke-Test durchgeführt wurde und somit wahrscheinlich einige asymptomatische Patienten positiv testeten, welche bei Casler und Conley nicht als Frey Syndrom in die Statistik eingegangen wären. Dies zeigt die Wichtigkeit der Durchführung eines objektiven Tests zur Beurteilung eines Operationsverfahrens auf die Inzidenz des Frey Syndroms. In der Literatur sind bis heute nur wenige Arbeiten erschienen, welche neben der klinischen eben auch objektive Testverfahren (Iod-Stärke-Test) anwendeten, und die Wirkung der SMAS-Präparation auf die Inzidenz des gustatorischen Schwitzens untersuchten. Eine erste solche Arbeit publizierten Philip C. Bonanno und Phillip R. Casson11 im Jahre 1991 im Rahmen einer prospektiven Studie an 55 Patienten, bei welchen nach einer Beobachtungszeit von mindestens einem bis 7 Jahren nach Parotisoperation die Wirkung des SMAS-Lappens auf die Inzidenz des Frey Syndroms und auf die Kosmetik untersucht wurde. Bei allen Patienten führten sie einen Iod-Stärke- 29 Test durch. In ihrem Patientenkollektiv war kein Patient für das klinische Frey Syndrom symptomatisch und auch der Iod-Stärke-Test fiel bei keinem der Patienten positiv aus. Den kosmetischen Effekt des SMAS-Lappens beschrieben die Autoren ebenfalls als sehr befriedigend, da die retromandibuläre Einziehung weitgehend kaschiert werden konnte. Aus dem Jahre 1992 stammt eine Puplikation von Leonard T. Yu und Ralph Hamilton12, in welcher die Autoren die Inzidenz des Frey Syndroms mittels Iod-Stärke-Test an 35 Patienten nach Parotisoperation mit SMAS-Präparation untersuchten. Nach einem durchschnittlichen follow up von 30 Monaten (6-106 Monate) litten 6% der Patienten unter einem Frey Syndrom, nur 15% der Patienten zeigten im Iod-Stärke-Test ein positives Resultat. Auch diese Autoren beschrieben einen kosmetischen Benefit durch Kaschierung der retromandibulären Einziehung. Die Autoren beschrieben den Fall eines Patienten mit negativem Iod-Stärke-Test nach 12 Monaten, welcher jedoch nach weiteren 3 Monaten ein Schwitzen in der Wangenregion bemerkte und im erneut durchgeführten Test ein positives Resultat zeigte. Leonard T. Yu und Ralph Hamilton beführworteten daher einen Langzeit-follow-up von 2 Jahren. Unsere Ergebnisse zeigen im Vergleich zu den eben erwähnten Arbeiten eine höhere Inzidenz des subjektiven und objektiven Frey Syndroms. Während bei der subjektiven Befragung die positive oder negative Suggestion der Fragestellung einen Einfluss auf die Antwort haben kann, sind auch bei der Beurteilung der objektiv nachweisbaren Farbänderungen im Iod-Stärke-Test unterschiedliche Interpretationen möglich. So haben wir jegliche Blauverfärbung als postiv gewertet und damit wohl eine höhere Inzidenz ermittelt. 30 8. Schlussfolgerung Das SMAS ist eine in der lateralen Wangenregion gelegene Bindegewebsschicht mit eingelagerten Fett- und Muskelzellen, welche mit der Subkutis durch bindegewebige Septen verbunden ist. Während die Beziehung zur Parotiskapsel bisher unterschiedlich beurteilt wurde, zeigten unsere intraoperativen Befunde, dass die Parotiskapsel als Teil des SMAS Lappens freipräpariert wurde. Aufgrund seiner Lage und der funktionellen Eigenschaften wird das SMAS seit Jahrzehnten in der aesthetischen Chirurgie, insbesondere bei face-lift-Operationen, angewandt und hat in den letzten 10-15 Jahren auch zunehmend ihren Platz in der Parotischirurgie errungen. An unserer Klinik wird das SMAS seit 1996 systematisch in der Parotischirurgie angewandt, wobei sich diese Anwendung meist auf gutartige Pathologien der Parotis beschränkt, welche die oberflächliche Parotiskapsel nicht erreichen. Auf Grund der Tumorradikalität und des postoperativen follow-up gelten Malignome der Parotis, welche die Parotiskapsel nicht erreichen, als relative Kontraindikation. Absolute Kontraindikationen sind benigne oder maligne Parotisläsionen, welche die oberflächliche Parotiskapsel erreichen. Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen, dass durch die separate SMAS-Präparation eine signifikante Reduktion der positiven Testfläche im Iod-Stärke-Test erreicht und dadurch die Inzidenz des subjektiv empfundenen gustatorischen Schwitzens gesenkt werden kann. Zudem wird der kosmetische Aspekt der retromandibulären Einziehung optimiert. Aus diesen Gründen empfehlen wir weiterhin die Präparation des SMAS Lappens in der Parotischirurgie. 31 9. Literatur 1 Linder TE, Huber A, Schmid S. Frey’s Syndrome after parotidectomy: a retrospective and prospective analysis. Laryngoscope 1997;107:1496-1501. 2 Laage-Hellman J-E. Gustatory sweating and flushing: aetiologocal implicatoins of response of separate sweat glands to various stimuli. Acta Otolaryngol 1959;49:363-374. 3 Laage-Hellman J-E. Gustatory sweating and flushing: aetiologocal implicatoins of response of latent period and mode of development after parotidectomy. Acta Otolaryngol 1958,49:306-314. 4 Laage-Hellman J-E. 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