PRESSEINFORMATION MFPL Forscher entschlüsseln Abwehrstrategien des Immunsystems gegen Streptokokken-­‐Infektionen Wien, 26.5.2011 Streptococcus pyogenes ist weit verbreiteter bakterieller Erreger, der beim Menschen – meist harmlose – Mandel-­‐ und Rachenentzündungen, Scharlach oder Wundinfektionen auslösen kann. In manchen Fällen kann eine Streptokokkeninfektion aber auch schwerwiegende (Spät-­‐)Folgen, wie rheumatisches Fieber und Nierenerkrankungen oder lebensbedrohliche Zustände wie Septischen Schock verursachen. Pavel Kovarik und Nina Gratz von den Max F. Perutz Laboratories (Uni Wien und MedUni Wien) konnten nun gemeinsam mit Wissenschaftlern des CEMM und der Medizinischen Universität Wien einige der Abwehrstrategien gegen den lästigen Erreger enthüllen und damit mögliche Ansätze für Therapien liefern. Die Arbeit wird im internationalen Fachmagazin PLOS Pathogens publiziert. Dringen fremde Erreger in den Körper ein, werden sie vom Immunsystem erkannt und die Immunabwehr wird gestartet. Wie die Erkennung im Fall von Streptokokken genau funktioniert, ist bisher jedoch nicht bekannt. „Wir wissen zwar noch nicht, welche Rezeptoren dafür verantwortlich sind, haben aber herausgefunden, dass es nicht die Standard-­‐ Mechanismen des Immunsystems sind“, erklärt Nina Gratz, Erstautorin der Studie. Sie ist Post-­‐Doc in der Gruppe von Pavel Kovarik an den MFPL und wurde für ihre Arbeit im vergangenen Herbst mit einem L’Oreal Award „For Women in Science“ ausgezeichnet. In der nun veröffentlichten Arbeit konnte sie mit ihren Kollegen ein weiteres Puzzlesteinchen der Immunabwehr entschlüsseln: Für die Erkennung der Eindringlinge sind Makrophagen und dendritische Zellen – beides „Fresszellen“ des angeborenen Immunsystems – verantwortlich. Die Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die Zellen nicht etwa die spezifische Oberfläche der Erreger erkennen, sondern Nukleinsäuren (DNA und RNA) aus dem Inneren des Eindringlings. „Bemerkenswert ist dabei, dass verschiedene Immunzellen auf unterschiedliche Nukleinsäuren reagieren und in der Folge verschiedene Immunantworten auslösen. Sie verlassen sich also nicht nur auf eine einzige Strategie, sondern setzen gleich mehrere ein.“ Eine dieser Abwehrmaßnahmen ist die Produktion von Typ I Interferon, einem immunstimulierenden Gewebshormon. Im Fall der Streptokokken-­‐Infektion hat sich gezeigt, dass Typ I Interferon eine Schlüsselrolle bei der Abwehr spielt – die zweite wichtige Erkenntnis aus dem Projekt. Typ I Interferon ist ein Botenstoff, der die Immunabwehr stimuliert, indem er vermehrt Phagozyten (Fresszellen des Immunsystems) an die Infektionsstelle lockt. Wird die Ausschüttung von Typ I Interferon unterdrückt, kann sich der befallene Wirt kaum noch gegen die Infektion zur Wehr setzen. Interessanterweise fanden die Forscher heraus, dass die Aktivität bestimmter Fresszellen – Neutrophilen genannt – durch das Interferon zurückging. „Wir vermuten daher, dass das Interferon eine eher regulierende Wirkung auf die Aktivität von Phagozyten hat“, erklärt Studienleiter Pavel Kovarik diesen zunächst gegenläufig erscheinenden Zusammenhang. „Phagozyten sind zwar einerseits hochwirksam gegen bakterielle Erreger, können aber bei unkontrollierter Aktivität auch den Wirt selber schädigen, wenn die Entzündungsreaktion aus dem Ruder läuft. Typ I Interferone scheinen dafür verantwortlich zu sein, die richtige Balance in der Immunantwort zu halten.“ MAX F. PERUTZ LABORATORIES Dr. Bohr-­‐Gasse 9 | 1030 Wien | Austria Tel: +43 1 4277 24014 | Fax: +43 1 4277 9240 [email protected] | www.mfpl.ac.at The Max F. Perutz Laboratories are a joint venture of PRESSEINFORMATION Die Erkenntnisse des Forscherteams lassen darauf hoffen, dass sich Streptokokken-­‐Infektionen künftig durch Interferone behandeln lassen. „Ob diese Substanzen eine vergleichbare Rolle beim Menschen spielen und ob eine Behandlung mit Typ I Interferonen bei Bakterieninfektionen Erfolge bringen kann, muss sich noch zeigen“, so Kovarik. Das Projekt, geleitet von Pavel Kovarik und Nina Gratz an den Max F. Perutz Laboratories, wurde gemeinsam mit Wissenschaftlern am CEMM und an der Medizinischen Universität Wien im Rahmen des ERA Net Pathogenomics – einem internationalen, von der EU und dem Forschungfonds FWF geförderten Forschungsnetzwerk – durchgeführt. Die Ergebnisse der Arbeit werden im Fachmagazin PLOS Pathogens veröffentlicht. Bildreferenz (ImmunzellenStreptococcus.jpg): Floureszenzmikroskopische Aufnahmen von Fresszellen des Immunsystems (grün) mit bereits aufgenommenen Streptokokken-­‐Bakterien (leuchtend), © MFPL Originalpublikation: Nina Gratz, Harald Hartweger, Ulrich Matt, Franz Kratochvill, Marton Janos, Stefanie Sigel, Barbara Drobits, Xiao-­‐Dong Li, Sylvia Knapp, Pavel Kovarik. „Type I Interferon production induced by Streptococcus pyogenes-­‐derived nucleic acids is required for host protection“. PLOS Pathogens, 2011 May;7(5):e1001345. Wissenschaftlicher Kontakt: Dr. Pavel Kovarik Max F. Perutz Laboratories, Department für Mikrobiologie und Immunbiologie, Universität Wien T +43 1 4277-­‐54608 [email protected] Rückfrage Gabriele Schaller Max F. Perutz Laboratories, Communications T +43 1 4277-­‐24014 [email protected] Die Max F. Perutz Laboratories sind ein gemeinsames Forschungs-­‐ und Ausbildungszentrum der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien am Campus Vienna Biocenter. An den MFPL beschäftigen sich rund 450 Wissenschaftler in über 60 Forschungsgruppen mit Grundlagenforschung im Bereich der Molekularbiologie. Page 2 The Max F. Perutz Laboratories are a joint venture of