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Wiener Forscher entdecken neue Stressreaktion in Bakterien Wien, 26.9. 2011 Bakterien müssen ständig auf Änderungen in ihren Lebensbedingungen reagieren. Insbesondere jene, die andere Lebewesen infizieren, müssen mit der Reaktion des Immunsystemes ihres Wirtes zurechtkommen und sind daher starkem Stress – durch Temperaturschwankungen, unterschiedliche pH-­‐Werte, Antibiotika oder Nährstoffmangel – ausgesetzt. Um diese „unwirtlichen“ Bedingungen zu überleben, haben sie Strategien zur raschen Anpassung an die äußeren Umstände entwickelt. Die Molekularbiologin Isabella Moll und ihr Team an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien haben nun einen neuen Mechanismus entdeckt, der nicht – wie die meisten bekannten Stressreaktionen – auf dem Ein-­‐ bzw. Ausschalten von Genen beruht, sondern auf der gezielten Veränderung der Ribosomen, der ‚Proteinfabriken’ in der Zelle. Die meisten Stressreaktionen basieren auf Veränderung der Transkription, also darauf, dass bestimmte Gene ein-­‐ bzw. ausgeschaltet werden. Bei der Transkription werden die aktiven Gene abgelesen und es entsteht eine Vorlage für die Herstellung von Proteinen – die sogenannte mRNA (messenger RNA). Nach dieser Vorlage werden dann von den Ribosomen Proteine zusammen gesetzt. „Die Strategie, die wir entdeckt haben, setzt bei diesem Vorgang – der Translation – an und erlaubt den Bakterien eine Art ‚Feinjustierung’ ihrer Stressantwort“, erklärt Isabella Moll, Gruppenleiterin an den Max F. Perutz Laboratories der Universität Wien und Hauptautorin der Studie. Zelltod als Überlebensstrategie Die Forscher haben dazu einen bereits bekannten Mechanismus – das sogenannte Toxin/Antitoxin-­‐System MazEF – am Bakterium Escherichia coli genauer unter die Lupe genommen. Es besteht aus zwei hintereinander liegenden Gensequenzen, die jeweils für ein Gift und ein Gegengift – in diesem Fall MazF und MazE – codieren. Unter normalen Bedingungen halten die beiden ein Gleichgewicht. Steht die Zelle unter Stress, gerät das chemisch instabilere Gegengift MazE ins Hintertreffen und MazF entfaltet seine toxische Wirkung. Es baut den Großteil der mRNA-­‐Moleküle – also der Produktionsvorlagen – ab, wodurch die Proteinproduktion der Zelle unterdrückt wird. Das wirkt auf den ersten Blick absurd, löst aber einen durchaus sinnvollen, höchst interessanten Prozess aus: Unter ungünstigen Umweltbedingungen, etwa durch Antibiotika oder Nahrungsmangel, begeht ein Teil der Bakterien auf diese Weise sozusagen ‚altruistischen Selbstmord’. Molekularbiologen sprechen vom programmierten Zelltod, durch den einzelne Zellen sich selbst töten. Dadurch stehen den anderen, überlebenden Zellen wieder vermehrt Nährstoffe zur Verfügung, was insgesamt zum Überleben der Population beiträgt. Überraschende Doppelfunktion „Wir haben aber beobachtet, dass nicht die gesamte Proteinproduktion betroffen war. Ein kleiner Teil der Proteine wurde trotzdem erzeugt“, erzählt Isabella Moll. „Da wollten wir natürlich wissen, welcher molekulare Mechanismus dieser selektiven Proteinsynthese zugrunde liegt“. MAX F. PERUTZ LABORATORIES Dr. Bohr-­‐Gasse 9 | 1030 Wien | Austria Tel: +43 1 4277 24014 | Fax: +43 1 4277 9240 [email protected] | www.mfpl.ac.at The Max F. Perutz Laboratories are a joint venture of PRESSEINFORMATION
Die Wissenschaftler untersuchten, wie MazF die mRNAs zerstört und konnten zeigen, dass bei bestimmten mRNAs die spezifische ‚Erkennungssequenz’ am Anfang abgeschnitten wird. Die dadurch entstehenden ‚leaderless’ mRNAs werden von den Ribosomen nicht mehr als Proteinvorlage erkannt. Gleichzeitig entdeckten die ForscherInnen aber, dass MazF auch einen Teil der Ribosomen verändert: Das Toxin schneidet einen funktionell wichtigen Teil der ribosomalen RNA ab, wodurch die Spezifität der Ribosomen verändert wird. Diese speziellen ‚Stress-­‐
Ribosomen’ erlauben dann gezielt nur nur noch die Translation der ‚leaderless’ mRNAs und produzieren daher nur noch jene Proteine, die zur Stressantwort gebraucht werden. „MazF hat also keine ausschliesslich destruktive Funktion, wie bisher angenommen, sondern spielt vielmehr eine regulierende Rolle bei der Stressreaktion.“ so Isabella Moll. Selektive Translation von leaderless mRNAs durch spezialisierte Ribosomen: Die Endoribonuklease MazF schneidet (wie eine molekulare Schere) sowohl die spezifische Anfangssequenz bestimmter mRNAs, als auch ein RNA-­‐Stück von Ribosomen ab. Die entstehenden "Stress-­‐Ribosomen" erlauben in der Folge nur noch die Translation der leaderless mRNAs. Die Ergebnisse der nun in der Fachzeitschrift Cell veröffentlichten Arbeit könnten daher auch zur Identifizierung potentieller Angriffspunkte für neue Medikamente gegen krankheitserregende Bakterien führen. Originalpublikation Oliver Vesper, Shahar Amitai, Maria Belitsky, Konstantin Byrgazov, Anna Chao Kaberdina, Hanna Engelberg-­‐
Kulka and Isabella Moll. Selective Translation of Leaderless mRNAs by Specialized Ribosomes Generated by MazF in Escherichia coli, Cell (2011), doi:10.1016/j.cell.2011.07.047 Wissenschaftlicher Kontakt: Rückfrage Dr. Isabella Moll Gabriele Schaller Max F. Perutz Laboratories, Universität Wien Max F. Perutz Laboratories, Communications T +43-­‐1-­‐4277-­‐54606 T +43 1 4277-­‐24014 [email protected] [email protected] Die Max F. Perutz Laboratories sind ein gemeinsames Forschungs-­‐ und Ausbildungszentrum der Universität Wien und der Medizinischen Universität Wien am Campus Vienna Biocenter. An den MFPL beschäftigen sich rund 450 Wissenschaftler in über 60 Forschungsgruppen mit Grundlagenforschung im Bereich der Molekularbiologie. Page 2 The Max F. Perutz Laboratories are a joint venture of 
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