Grundzüge der Logik - Ruhr

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Eine Einführung in die klassische Logik
Grundzüge der Logik
Prof. Dr. Heinrich Wansing
Ruhr Universität Bochum
Institut für Philosophie II
Vorlesung im Wintersemester 2014/2015
1 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Geschichte der Logik
Aristoteles (384 v. Chr. – 322 v. Chr.)
Die Aristotelische Logik ist eine Termlogik. Es wird angenommen, dass jeder
Aussagesatz aus einem Subjekt(term) und einem Prädikat(term) besteht.
Ein Satz ist bejahend, wenn das Prädikat dem Subjekt zugesprochen wird,
verneinend, wenn es dem Subjekt abgesprochen wird. Ein Satz ist darüber hinaus
allgemein oder partikulär.
Aristoteles unternahm eine systematische Erforschung von Prinzipien des logischen
Schlussfolgerns und untersuchte so genannte Syllogismen, Schlussfolgerungen, die
aus genau zwei Annahmen und einer Konklusion bestehen.
2 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Euklid (360 v. Chr. – ca. 280 v. Chr.)
Euklid wendete die so genannte axiomatische Methode des logischen
Schließens auf die Geometrie an.
3 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 – 1716)
Leibniz formulierte als erster das Ziel einer universellen formalen Sprache
(characteristica universalis) und eines Kalküls zur Herleitung aller wahren
Aussagen.
Das Leibnizsche Gesetz:
die Identität ununterscheidbarer Dinge
die Ununterscheidbarkeit identischer Dinge
Verwendung des Begriffs der möglichen Welt.
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Eine Einführung in die klassische Logik
George Boole (1815 – 1864)
Boole legte die erste (publizierte) Formalisierung der Aussagenlogik als
Algebra vor. (An Investigation of The Laws of Thought, 1854)
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Eine Einführung in die klassische Logik
Georg Cantor (1845 – 1918)
Cantor entwickelte die Mengenlehre, den Begriff der transfiniten Menge,
das Diagonalverfahren, und formulierte die so genannte
Kontinuumshypothese, eine Hyopthese über den möglichen Umfang
unendlicher Mengen.
Es gibt keine Menge, deren Mächtigkeit zwischen der Mächtigkeit der
natürlichen Zahlen und der Mächtigkeit der reellen Zahlen (des
Kontinuums) liegt.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Gottlob Frege (1848 – 1925)
Frege entwickelte eine Formalisierung der Prädikatenlogik mittels einer
graphischen Notation (Begriffsschrift, 1879).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Bertrand Russell (1872 – 1970)
Russell leitete eine Krise der Logik ein mit dem Russell-Paradox und
entwickelte mit Alfred N. Whitehead die moderne Prädikatenlogik und die
so genannte Typentheorie (Principia Mathematica, 1910 – 1913).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Kurt Gödel (1906 – 1978)
Gödel zeigte die Vollständigkeit und damit die Widerspruchsfreiheit der
Prädikatenlogik (1930) und leitete ein Krise der Logik ein, indem er zeigte,
dass (i) in der Peano Arithmetik nicht alle zahlentheoretischen Wahrheiten
bewiesen werden können und (b) die Widerspruchsfreiheit der Arithmetik
nicht innerhalb der Arithmetik beweisbar ist (1931).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Gerhard Gentzen (1909 – 1945)
Gentzen entwickelte den Kalkül des natürlichen Schließens und den
Seqenzenkalkül für die Prädikatenlogik (1934).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Alonzo Church (1903 – 1995)
Church entwickelte den Lambda-Kalkül, die Grundlage der funktionalen
Programmiersprachen, und zeigte die Unentscheidbarkeit der
Allgemeingültigkeit prädikatenlogischer Formeln.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Alfred Tarski (1901 – 1983)
Tarski entwickelte wesentlich die Modelltheorie. In der analytischen
Sprachphilosophie spielen sein Arbeiten zur Wahrheitstheorie ein wichtige
Rolle, insbesondere seine so genannte T-Konvention (Der Wahrheitsbegriff
in den formalisierten Sprachen, 1935).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Saul Kripke (1940 –
)
Kripke entwickelte u.a. die so genannte “mögliche Welten Semantik” für
nicht-klassische Logiken.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Nur Männer?
Helena Rasiowa (1917 – 1994)
Larisa Maksimova (1943 –
)
Siehe
http://loriweb.org/women-in-philosophy-of-logic-and-philosophical-logic/
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Eine Einführung in die klassische Logik
Was ist Logik?
Eine nicht unkontroverse Antwort:
Die Logik ist die Theorie des korrekten Denkens.
Die korrekte, unkontroverse Antwort:
Die Logik ist die Theorie der gültigen Schlussfolgerungen.
Die Frage, worum es in der Logik geht, zerfällt damit in zwei Teilfragen:
Was ist eine Schlussfolgerung?
Wann ist eine Schlussfolgerung gültig?
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Eine Einführung in die klassische Logik
Logik versus Logiken
Wird von Logiken (im Plural) oder einer Logik im Gegensatz zu der Logik
gesprochen, dann sind in der Regel Logiksysteme gemeint. Ein logisches
System ist aufgebaut aus
einer formalen Sprache,
einer Klasse von Situationen (Modellen, Strukturen), und
einem Beweissystem.
Eine Sprache umfasst eine Menge von Ausdrücken.
Modelle sind Ausschnitte der Realität oder Repräsentationen von
Ausschnitten der Realität, und ein Beweissystem ist eine Menge von
Regeln, deren input und output Ausdrücke oder Ansammlungen von
Ausdrücken bestimmter Art sind.
Wird von der Logik (im Singular) gesprochen, dann ist die Disziplin
gemeint.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Logik als interdisziplinäre Theorie
' $
Informatik
'
Mathematik
&
' $
Logik
$
Philosophie
& %
%
Linguistik
& %
Abbildung: Die Logik als Teilsdisziplin anderer Disziplinen.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Teilgebiete der Logik, klassische Logik
Die Logik zerfällt in verschiedene Teilgebiete:
algebraische Logik
Mengenlehre
Rekursionstheorie
Modelltheorie
Beweistheorie.
Klassische versus nicht-klassische Logik.
In der klassischen Logik werden Annahmen zugrunde gelegt, die plausibel
und unproblematisch sind für Schlussfolgerungen in der üblichen
Mathematik und vielen anderen Bereichen der Wissenschaft. Zu diesen
Grundannahmen gehört z.B. die Annahme, dass jeder Behauptungssatz
entweder wahr oder falsch ist (aber nicht beides). In der nicht-klassischen
Logik werden einige dieser Annahmen aufgegeben.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Aussagenlogik versus Prädikatenlogik
In der Aussagenlogik werden Schlussfolgerungen untersucht, die, wenn sie
gültig sind, gültig sind allein aufgrund der Bedeutung von
Aussageverknüpfungen.
Aussageverknüpfungen (Junktoren) sind Ausdrücke, die Behauptungssätze
miteinander verbinden, wie:
“und”, “oder”, “falls”, “es ist nicht der Fall, dass”.
Die in der Aussagenlogik untersuchten Sprachen heißen aussagenlogische
Sprachen. In diesen formalen Sprachen sind Sätze, die keine Junktoren
enthalten, intern nicht weiter
strukturiert. Die Sätze ohne Junktoren bilden die kleinsten, atomaren
Bestandteile komplexer Sätze, die unter Verwendung von Junktoren
aufgebaut werden.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Aussagenlogik versus Prädikatenlogik
Die Betrachtung aussagenlogischer Sprachen ist dadurch gerechtfertigt,
dass viele Schlussfolgerungen gültig sind ausschließlich aufgrund der
Bedeutung von Junktoren.
Es gibt Schlussfolgerungen, die, wenn sie gültig sind, nicht gültig sind
allein aufgrund der Bedeutung von Junktoren, sondern auch aufgrund der
Bedeutung von Ausdrücken anderen syntaktischen Typs. Eine besonders
wichtige Rolle spielen Ausdrücke, die in einem sehr allgemeinen Sinne
quantitative Angaben machen, wie z.B. die Ausdrücke “alle”, “einige”,
“keiner” usw. Derartige Ausdrücke heißen Quantoren.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Aussagenlogik versus Prädikatenlogik
Beispiele
Maria ist eine Professorin und Peter ist ein Student.
Also: Peter ist ein Student.
Alle Studenten sind aufmerksam.
Peter ist ein Student.
Also: Peter ist aufmerksam.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Aussagenlogik versus Prädikatenlogik
Beispiele
Maria ist eine Professorin und Peter ist ein Musiker.
Also: Peter ist ein Musiker.
Alle Studenten sind aufmerksam.
Max ist ein Student.
Also: Max ist aufmerksam.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Aussagenlogik versus Prädikatenlogik
Beispiele
Maria ist eine Professorin und Peter ist ein Musiker.
Also: Peter ist ein Musiker.
Alle Studenten sind intelligent.
Max ist ein Student.
Also: Max ist intelligent.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Aussagenlogik versus Prädikatenlogik
Die Sprachen der Prädikatenlogik sind formale Sprachen, in denen Sätze
ohne Junktoren eine interne Struktur besitzen. Neben Junktoren enthalten
prädikatenlogische Sprachen auch Quantoren, Namen für Gegenstände
(sogenannte Individuenkonstanten), und Ausdrücke die Eigenschaften von
oder Beziehungen zwischen Gegenständen bezeichen (sogenannte
Prädikatsymbole).
Die Aussagenlogik kann daher als eine Teildisziplin der Prädikatenlogik
verstanden werden. Die Bezeichnung “Prädikatenlogik” verdankt sich der
Verwendung von Prädikatausdrücken. Prädikatsymbole werden häufig auch
kurz “Prädikate” genannt.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Abweichungen von der klassischen Logik
Das Gebiet der Logik kann aber auch auf andere Weise in Teildisziplinen
gegliedert werden. Einteilungskriterien bilden dabei Hinsichten, in denen
logische Systeme sich von der klassischen Logik unterscheiden.
Wir können differenzieren zwischen Erweiterungen, Modifikationen,
Verallgemeinerungen und Teilsystemen der klassischen Logik.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Erweiterungen:
Modallogiken,
Zeitlogiken,
epistemische Logiken,
Handlungslogiken,
dynamische Logiken
6
Modifikationen:
mehrwertige Logiken,
freie Logiken,
parakonsistente Logiken
klassische Aussagen- und
Prädikatenlogik
-
Verallgemeinerungen:
höherstufige Logiken,
infinitäre Logiken
?
Teilsysteme:
intuitionistische Logik,
substrukturelle Logiken,
intermediäre Logiken
Abbildung: Abweichungen von der klassischen Logik.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
Eine Schlussfolgerung ist ein abstraktes Gebilde und besteht aus
(a)
(b)
(c)
einer Menge von Annahmen (Prämissen)
einem Ableitungszeichen
einer Konklusion
∆
A
(in linearer Notation: ∆/A)
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
Beispiele:
(1)
{Peter lacht oder Marie lacht.
Peter lacht nicht.}
Marie lacht.
(2)
Wenn Peter gewinnt, dann freut sich Marie.
Wenn Marie sich freut, dann freut sich Hans.
Wenn Peter gewinnt, dann freut sich Hans.
(3)
∅
Wenn Peter gewinnt, dann freut sich Hans.
“∅” ist eine Bezeichnung für die leere Menge.
Prämissenmengen dürfen unendlich oder auch leer sein. Die Anordnung der
Prämissen spielt keine Rolle.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Gültige Schlussfolgerungen
Definition
Eine Schlussfolgerung ∆/A ist gültig (symbolisch: ∆ |= A) genau dann,
wenn gilt: immer wenn alle Prämissen in ∆ wahr sind, dann ist auch die
Konklusion wahr.
(Informelle Erklärung einer gültigen Schlussfolgerung)
Ein Gegenbeispiel für ∆/A ist eine (mögliche) Situation, in der alle
Prämissen in ∆ wahr sind (d.h., in der keine der Prämissen falsch ist), in
der die Konklusion aber falsch ist.
Eine Schlussfolgerung ∆/A ist ungültig (symbolisch: ∆ 6|= A) genau dann,
wenn ein Gegenbeispiel für ∆/A existiert.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
Beispiele:
(4) Bochum ist die Hauptstadt von Norwegen.
Wenn Bochum die Hauptstadt von Norwegen ist, dann spielt
Marie Piano.
Marie spielt Piano.
Gültige Schlussfolgerung.
(5) Bochum ist die Hauptstadt von Norwegen.
Wenn Bochum die Hauptstadt von Norwegen ist, dann ist Paris
die Hauptstadt von Sachsen.
Paris ist die Hauptstadt von Sachsen.
Gültige Schlussfolgerung.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
(6) Marie spielt Piano oder Peter spielt Piano.
Marie spielt Piano.
Ungültige Schlussfolgerung.
Gegenbeispiel: Eine Situation, in der Marie nicht Piano spielt und
Peter Piano spielt.
Besser: Eine Situation, in der eine Person namens Marie nicht das
macht, was als Piano Spielen bezeichnet wird, während eine Person
namens Peter das macht, was als Piano Spielen bezeichnet wird.
(7) Wenn Peter Marie liebt, dann liebt Hans Sabine.
Wenn Peter Marie nicht liebt, dann liebt Hans Sabine nicht.
Ungültige Schlussfolgerung.
Gegenbeispiel: Eine Situation, in der Peter Marie nicht liebt und Hans
Sabine liebt.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
(8) Alle F sind G .
Alle H sind G .
Alle H sind F .
Ungültige Schlussfolgerung.
Gegenbeispiel: Eine Situation, in der einige H keine F sind, aber jedes
F und auch jedes H ein G ist.
(9) Jedes F ist ein G .
Es gibt ein F .
Einige G sind keine H.
Einige F sind H.
Ungültige Schlussfolgerung.
Gegenbeispiel: Eine Situation, in der es ein F gibt, jedes F ein G ist,
einige G keine H sind und in der es kein F gibt, das ein H ist.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
(10) Alle F sind G .
Alle G sind H.
Einige F sind H.
Ungültige Schlussfolgerung.
Gegenbeispiel: Eine Situation, in der es kein F gibt, aber jedes G ein
H ist. In dieser Situation ist die erste Prämisse wahr, weil sie soviel
besagt wie “Es gibt kein F , das nicht ein G ist.”
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Eine Einführung in die klassische Logik
Schlussfolgerungen
Richard Feldman, Voluntary Belief and Epistemic Evaluation, in: M. Steup
(ed.), Knowledge, Truth, and Duty, Oxford UP, 2001, p. 79:
The Voluntarism Argument
People do not have voluntary control over their beliefs.
If deontological judgements about beliefs are sometimes true, then
people have voluntary control over their beliefs.
Deontological judgements about beliefs are not sometimes true.
nicht p
wenn q, dann p
nicht q
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Eine Einführung in die klassische Logik
Situationen
Sind Prämissen und Konklusionen einfach nur wahr oder falsch oder
vielleicht immer nur wahr oder falsch in Situationen ?
Was bedeutet es, dass eine Prämisse oder Konklusion wahr bzw. falsch ist
in einer Situation?
Was ist eine Situation?
Während Konklusionen und Prämissen abstrakte Entitäten sind, gibt es
sowohl abstrakte Situationen, als auch konkrete Situationen, die von
konkreten, sinnlich wahrnehmbaren Gegenständen in Raum und Zeit
‘bevölkert’ werden.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Situationen
Beispiele:
({Peter, Walter, Marie}, raucht, liebt, ist Ehemann von)
(N, <)
({Peter, Walter, Marie},f ), wobei f eine Funktion ist, die den
vorhandenen Individuen ihren bevorzugten Tennispartner zuordnet,
z.B. Peter 7→ Marie, Marie 7→ Peter, Walter 7→ Marie.
Bestanddteile der ersten Struktur sind nicht die Wörter “raucht”, “liebt”
und “ist Ehemann von”, sondern die Eigenschaft zu rauchen, die
Beziehung, die zwischen zwei Individuen besteht, wenn sie einander lieben,
und die Beziehung, die zwischen zwei Individuen besteht, wenn das eine
der Ehemann des anderen ist.
Der Satz “Zu jeder Zahl existiert eine kleinere” ist falsch in (N, <) aber
wahr in (Z, <).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Situationen
Definition
Ein aussagenlogisches Modell ist eine Funktion v , die jedem nicht weiter
zerlegbaren Aussagesatz einer gegebenen Sprache genau einen der Werte
“wahr” (W) oder “falsch”(F) zuordnet.
Wenn das Modell M ein aussagenlogisches Modell v ist, dann ist ein nicht
weiter zerlegbarer Aussagesatz p wahr in M genau dann, wenn v (p) = W.
Angenommen, Peter liebt Marie. Dieser Ausschnitt der Welt kann
repräsentiert werden durch das Modell v , das dem Satz “Peter liebt
Marie” den Wert W zuordnet. Der Satz wird in v als wahr interpretiert .
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Eine Einführung in die klassische Logik
Gültige Schlussfolgerungen
Definition
(Gültige Schlussfolgerung)
Sei K eine nicht-leere Klasse von Modellen (für die betrachtete Sprache).
∆/A ist gültig bezüglich K genau dann, wenn für jedes Modell M ∈ K
gilt:
Wenn jede Prämisse aus ∆ wahr ist in M, dann ist A wahr in M.
∆/A heißt logisch gültig (symbolisch ∆ |= A) genau dann, wenn ∆/A
gültig ist bezüglich der Klasse aller Modelle (der betrachteten Sprache).
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Idee der realistischen, modelltheoretischen Semantik
Welt
Repräsentation
(Modelle repräsentieren Ausschnitte der Welt)
Modelle
Interpretation
(Sprachliche Ausdrücke werden in Modellen
interpretiert)
sprachliche Ausdrücke
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Eine Einführung in die klassische Logik
Interpretation durch Übersetzung
Modelle
Interpretation
(Sprachliche Ausdrücke werden in Modellen
interpretiert)
Ausdrücke einer formalen Sprache
Übersetzung
(Ausdrücke einer natürlichen Sprache werden in
Audrücke einer formalen Sprache übersetzt)
Ausdrücke einer natürlichen Sprache
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(i) Formale Sprachen sind besonders übersichtlich. Sie können verwendet
werden, um die aussagen- und die prädikatenlogische Struktur
komplexer Behauptungssätze und damit auch komplexer Prämissen
und Konklusionen deutlich zu machen.
Beispiele:
(11)
Wenn Peter gewählt wird, dann ärgert sich Sybill
oder Max tritt zurück, und wenn Max zurücktritt,
dann freut sich Hans.
Wenn Peter gewählt wird, dann freut sich Hans
oder Sybill ärgert sich.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(12)
Wenn Peru in den Anden liegt, dann ärgert sich
Sybill oder Max tritt zurück, und wenn Max
zurücktritt, dann freut sich Hans.
Wenn Peru in den Anden liegt, dann freut sich
Hans oder Sybill ärgert sich.
“Peter wird gewählt.”
“Sybill ärgert sich.”
“Max tritt zurück.”
“Hans freut sich.”
7→
7
→
7
→
7
→
p
s
m
h
Wenn p, dann s oder m, und wenn m, dann h.
Wenn p, dann h oder s.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
“wenn ..., dann
“...und−−− ”
“...oder−−− ”
−−− ”
7→
7
→
7
→
⊃ (→)
∧
∨
((p ⊃ (s ∨ m)) ∧ (m ⊃ h))
(p ⊃ (h ∨ s))
Gültige Schlussfolgerung
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(ii.) Formale Sprachen sind syntaktisch (strukturell) eindeutig, natürliche
Sprachen nicht.
Beispiele:
“Flying planes can be dangerous.” (N. Chomsky)
Zwei Lesarten:
(a) Fliegende Flugzeuge können gefährlich sein.
(b) Flugzeuge zu fliegen kann gefährlich sein.
“die Kritik der reinen Vernunft” (I. Kant)
Zwei Lesarten:
(a) die Kritik, die von der reinen Vernunft geübt wird
(b) die Kritik, die an der reinen Vernunft geübt wird
44 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(13) Wenn Arthur nicht weint und Sherry trinkt, dann ist er glücklich.
Es existieren drei Lesarten:
(a) Wenn Arthur nicht sowohl weint als auch Sherry trinkt,
dann ist Arthur glücklich.
(b) Wenn Arthur nicht weint aber Sherry trinkt, dann ist
Arthur glücklich.
(c) Wenn Arthur sowohl nicht weint als auch nicht Sherry
trinkt, dann ist Arthur glücklich.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
Formalisierung liefert:
“Arthur weint.”
“Arthur trinkt Sherry.”
“Arthur ist glücklich.”
“wenn ..., dann
“... und−−− ”
“nicht ...”
(a)∗
(b)∗
(c)∗
−−− ”
7→
7→
7→
w
s
g
7→
7→
7→
⊃
∧
¬
(¬(w ∧ s) ⊃ g )
((¬w ∧ s) ⊃ g )
((¬w ∧ ¬s) ⊃ g )
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
Wird (13) gelesen als (b)∗ (((¬w ∧ s) ⊃ g )), dann ist die Schlussfolgerung
¬w
s
(13)
g
gültig (bezüglich der Klasse aller aussagenlogischen Modelle, d.h. aller
Zuordnungen von Wahrheitswerten zu den Symbolen “w”, “s”, und “g”).
Wird (13) aber verstanden als (c)∗ (((¬w ∧ ¬s) ⊃ g )), dann ist die
Schlussfolgerung ungültig.
47 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
Nota bene: Die Verwender natürlicher Sprachen sind nicht zur
syntaktischen Mehrdeutigkeit verurteilt. Syntaktisch mehrdeutige Sätze
können dadurch desambiguiert werden, dass mögliche Lesarten durch
natürlichsprachliche Formulierungen auseinander gehalten werden.
(iii) In formalen Sprachen wird von bestimmten syntaktischen
Phänomenen natürlicher Sprachen abstrahiert, die für die Gültigkeit
oder Ungültigkeit von Schlussfolgerungen keine Rolle spielen.
Beispiel: Die Nebensatzstellung im Deutschen.
(iv) Durch die Verwendung einer formalen Sprache können wir uns auf
bestimmte Aspekte der Bedeutung/Verwendung natürlichsprachlicher
Junktoren (aber auch Quantoren) beschränken.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
Z.B. sind natürlichsprachliche “und”-Verknüpfungen nicht immer
kommutativ: Die Sätze
“Peter stiehlt 100.000 Euro und kommt ins Gefängnis.”
und
“Peter kommt ins Gefängnis und stiehlt 100.000 Euro.”
haben unterschiedliche Wahrheitsbedingungen, d.h. sind nicht in denselben
Situationen wahr oder falsch.
Wir werden festlegen, dass eine “und”-Verknüpfung A ∧ B wahr ist in
einem Modell M genau dann, wenn A wahr ist in M und B wahr ist in
M. Damit haben A ∧ B und B ∧ A dieselben Wahrheitsbedingungen.
Wir werden auch eine Normierung der Bedeutung des “wenn..., dann−−− ”
und des “...oder−−− ” vornehmen.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(v) Durch die Verwendung einer formalen Sprache können wir eine
natürliche Sprache als sogenannte Metasprache gebrauchen, um über
die formale Sprache als sogenannte Objektsprache zu sprechen.
Beispiel:
Amsterdam besteht aus neun Buchstaben.
“ Amsterdam
|{z}
| {z } ”
| besteht aus neun
{z Buchstaben.}
Metaspr. Objektsprache
Metasprache
Wenn eine Sprache reichhaltig genug ist, Aussagen nicht nur über ihre
eigene Syntax, sondern auch über die Bedeutung ihrer Ausdücke zu bilden,
führt dies zu semantischen Paradoxien. Der Satz: “Dieser Satz ist falsch”
z.B. ist falsch, wenn angenommen wird, dass er wahr ist, und er ist wahr,
wenn angenommen wird, dass er falsch ist. Beides zusammen liefert einen
Widerspruch.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(vi) Die Sprache der Prädikatenlogik spielt die eine zentrale Rolle in den
symbolischen Wissenschaften, z.B.
Mathematik
Informatik
formale Linguistik
KI (Künstliche Intelligenzforschung)
formale Philosophie
Wenn in diesen Wissenschaften eine Fragestellung eindeutig formuliert
werden soll, dann wird sie in der Regel unter Rückgriff (u.a.) auf die
sprachlichen Mittel der Prädkatenlogik formuliert.
Wie wir sehen werden, ist die Sprache der Prädikatenlogik eine
Sprachenfamilie, deren Mitglieder allerdings über dasselbe Inventar an
Junktoren und Quantoren verfügen und sich lediglich hinsichtlich des
nicht-logischen, ‘deskriptiven’ Vokabulars unterscheiden.
51 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Wozu formale Sprachen?
(vii) Ausdrücke formaler Sprachen gehören zu genau einem syntaktischen
Typ.
Gegenbeispiel für natürliche Sprachen:
“Peter spricht gelegentlich laut und deutlich.”
“Peter spricht gelegentlich laut und Peter spricht gelegentlich deutlich.”
(viii) Es existiert kein Beweissystem für (komplette) natürliche Sprachen.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von Beweissystemen
Ein Beweissystem ist eine Menge von schematischen Regeln, die
Ableitungsregeln genannt werden. Anwendungen von
Ableitungsregeln heißen Ableitungsschritte, und Ergebnisse der Anwendung
von Ableitungsregeln werden Ableitungen genannt. Jeder Ableitung
entspricht eine Schlussfolgerung.
Beispiel:
Drei Ableitungsregeln, wobei A, B und C schematische Buchstaben für
Aussagesätze sind:
∅
((A ⊃ B) ⊃ ((C ⊃ A) ⊃ (C ⊃ B)))
∅
(B ⊃ (A ⊃ B))
A,
(A ⊃ B)
B
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Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von Beweissystemen
∅
((A ⊃ B) ⊃ ((C ⊃ A) ⊃ (C ⊃ B)))
∅
(B ⊃ (A ⊃ B))
A,
(A ⊃ B)
B
In diesem Ableitungssystem ist ((C ⊃ B) ⊃ (C ⊃ (A ⊃ B))) aus der leeren
Menge ableitbar:
∅
∅
(B ⊃ (A ⊃ B)) ((B ⊃ (A ⊃ B)) ⊃ ((C ⊃ B) ⊃ (C ⊃ (A ⊃ B))))
((C ⊃ B) ⊃ (C ⊃ (A ⊃ B)))
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Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von Beweissystemen
Bedingungen an Ableitungen in einem Beweissystem:
Jede Ableitung muss endlich sein.
Jeder Ableitungsschritt muss effektiv (in endlicher Zeit) auf
Korrektheit hin überprüfbar sein, d.h., darauf hin, ob es sich
tatsächlich um die Anwendung einer Ableitungsregel handelt.
Es muss möglich sein, die Prämissenmenge (den Ausgangspunkt der
Ableitung) und die Konklusion (den Endpunkt) der Ableitung effektiv
feststellen zu können.
Definition
Sei S ein Beweissystem. Die Ableitung ∆/A ist korrekt bezüglich S genau
dann, wenn A in S aus ∆ ableitbar ist.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von Beweissystemen
Definition
Sei K eine nicht-leere Klasse von Modellen. Ein Beweissystem S heißt
korrekt bezüglich K genau dann, wenn jede bezüglich S korrekte
Schlussfolgerung gültig ist bezüglich K.
Definition
Sei K eine nicht-leere Klasse von Modellen. Ein Beweissystem S heißt
vollständig bezüglich K genau dann, wenn jede bezüglich K gültige
Schlussfolgerung korrekt ist bezüglich S.
56 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von Beweissystemen
Sei S ein bezüglich der (nicht-leeren) Modellklasse K korrektes
Beweissystem. Dann gilt:
eine Ableitung von A aus ∆ in S zeigt, dass ∆/A gültig ist bezüglich
K;
ein Gegenbeispiel zu ∆/A aus K zeigt, dass keine Ableitung von A
aus ∆ in S existiert.
Sei S bezüglich K vollständig. Dann gilt:
für jede bezüglich K gültige Schlussfolgerung ∆/A existiert eine
Ableitung von A aus ∆ in S.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Sprache
Q
Q
Q
Q
Alphabet
Q
Syntax
Semantik
Definition
Das Alphabet der Sprache der klassischen Aussagenlogik besteht aus
abzählbar unendlich vielen Aussagebuchstaben p0 , p1 , p2 , . . . ,
den Junktoren genannten Symbolen ¬, ∧, ∨, ⊃, ≡,
den Hilfssymbolen “(”, “)”.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Variationen dieser Sprache ergeben sich dadurch, dass andere
Aussagebuchstaben oder eine andere Menge von Junktoren verwendet
wird.
Die Menge der aussagenlogischen Formeln ist unendlich und wird induktiv
definiert.
Eine induktive Definition besteht aus drei Teilen:
(1) einem Basisschritt, in dem bestimmte Dinge zu Objekten einer
gewünschten Sorte erklärt werden,
(2) einem oder mehreren Aufbauschritten, die Konstruktionsprinzipien
beschreiben, um aus gegebenen Objekten weitere zu konstruieren,
(3) einer Abschlussbedingung, die besagt, dass alles was nicht in
endlichen Schritten, mit Hilfe von (1) und (2) gebildet werden kann,
kein Objekt der gewünschten Art ist.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Definition
Die Menge der aussagenlogischen Formeln ist wie folgt induktiv definiert:
Jeder Aussagebuchstabe ist eine Formel.
Wenn A eine Formel ist, dann ist auch ¬A eine Formel.
Wenn A und B Formeln sind, dann sind auch (A ∧ B), (A ∨ B),
(A ⊃ B), (A ≡ B) Formeln.
Nichts anderes ist eine Formel.
Wir verwenden Kleinbuchstaben p, q, r , s, t, u als Variablen für
Aussagenbuchstaben und Großbuchstaben A, B, C , D, E , F als Variablen
für Formeln.
60 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Aussagenlogische Formeln
Formel
¬A
(A ∧ B)
(A ∨ B)
(A ⊃ B)
(A ≡ B)
Aussprache
Formelname
nicht A
A und B
A oder B
wenn A, dann B
A genau dann,
wenn B
Negation
Konjunktion
Disjunktion
Implikation
syntaktischer Typ der
Aussagenverknüpfung
einstelliger Junktor
zweistelliger Junktor
zweistelliger Junktor
zweistelliger Junktor
Äquivalenz
zweistelliger Junktor
Beispiele:
¬p1 , (p1 ∧ p2 ) und (p2 ⊃ ¬p0 ) sind Formeln.
61 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Welche der folgenden Symbole sind Formeln?
•
(¬(p2 ⊃ p3 ))
keine aussagenlogische Formel
•
(p1 ⊃ (p1 ⊃ p0 ))
Formel
•
(p1 ∧ p1 ∨ p0 ))
keine Formel
•
(⊃ p1 ∧ p4 )
keine Formel
•
(p0 ∧ p0 ) ⊃ p1
keine Formel
Konvention:
Äußere Klammern von Formeln können weggelassen werden. Also ist z.B.
auch A ∧ B eine Formel, falls A und B Formeln sind.
62 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
Elementbeziehung
a ∈ X (a ist Element von Menge X )
a 6∈ X (a ist nicht Element von X )
Mengenschreibweise
{a1 , a2 , a3 , . . . , an } endliche Mengen
{a ∈ X | a hat Eigenschaft E }
endliche und unendliche Mengen
die Menge derjenigen Elemente von
X , die die Eigenschaft E haben
Teilmengenbeziehung
X ⊆ Y (X ist Teilmenge von Y )
X ⊆ Y genau dann, wenn jedes
Element von X auch Element von Y ist.
Schnittmengenoperation
X ∩ Y (der Durchschnitt von X und Y )
X ∩ Y = {a | a ∈ X und a ∈ Y }
63 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
Vereinigungsmengenoperation
X ∪ Y (die Vereinigung von X und Y )
X ∪ Y = {a | a ∈ X oder a ∈ Y }
relatives
Komplement
X \Y
{a ∈ X | a 6∈ Y }
Cartesisches
Produkt
X ×Y
die Menge der geordneten Paare (a, b)
mit a ∈ X und b ∈ Y
{(a, b) | a ∈ X , b ∈ Y }
n-faches
Cartesisches
Produkt
Xn
die Menge der n-Folgen
von Elementen aus X
{(a1 , . . . , an ) | ai ∈ X , 1 ≤ i ≤ n}
64 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
Potenzmengenoperation
P(X ) (Menge aller Teilmengen von X )
P(X ) = {Y | Y ⊆ X }
immer: ∅ ∈ P(X ) und X ∈ P(X )
Beispiele:
{1, 2, 3} = {3, 1, 2}, N = {a ∈ Z | a > 0}
N ⊆ Z. N ∪ Z = Z, N ∩ Q = N
{a ∈ N | a < 3} ∩ {a ∈ Z | a > −3} = {1, 2}
N \ {a ∈ N | a ≥ 5} = {1, 2, 3, 4}
{(1, 2, 3)} =
6 {(3, 1, 2)}
Extensionale Mengenauffassung: die Mengen X und Y sind identisch
genau dann, wenn sie dieselben Elemente haben, d.h., X = Y genau dann,
wenn gilt: X ⊆ Y und Y ⊆ X .
65 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
Relationen
R ⊆X ×Y
Eine zweistellige Relation R zwischen (Elementen aus) X
und (Elementen aus) Y ist eine Teilmenge von X × Y ,
d.h. eine Menge von Paaren, deren erste Komponente
ein Element von X und deren zweite Komponente ein
Element von Y ist.
R ⊆ X × X ist eine zweistellige Relation über X .
R ⊆ X n ist eine n-stellige Relation über X .
Funktionen
f ⊆ X × Y , wobei
für jedes a ∈ X genau ein b ∈ Y existiert mit (a, b) ∈ f .
D.h., eine zweistellige Funktion f von X nach Y ist
eine zweistellige Relation zwischen X und Y , die eine
bestimmte Eigenschaft hat, nämlich für jedes a aus X
existiert genau ein b aus Y mit (a, b) ∈ X × Y .
66 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
Wenn R ⊆ X × Y , dann heißt X der Vorbereich und Y der Nachbereich
von R. Wenn f eine Funktion von X nach Y ist, dann wird X als der
Definitionsbereich und Y als der Wertebereich von f bezeichnet.
Funktionen können einige interessante und wichtige Eigenschaften haben.
Eine Funktion f heißt injektiv (oder 1-1) genau dann, wenn voneinander
verschiedene Elemente des Definitionsbereichs auf voneinander
verschiedene Elemente des Wertebereichs abgebildet werden: Wenn
a, b ∈ X und a 6= b, dann gilt f (a) 6= f (b). Eine Funktion f heißt surjektiv
(im Englischen “onto”) genau dann, wenn für jedes Element b des
Wertebereichs ein Element a des Definitionsbereichs existiert, so dass
b = f (a). Und schließlich heißt eine Funktion f bijektiv genau dann, wenn
f sowohl injektiv, als auch surjektiv ist.
67 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
f -r
r
r
-r
1
r Die Funktion f ist surjektiv
aber nicht injektiv.
g -r
r
rP
P
r
PP
q r
P
Die Funktion g ist injektiv
aber nicht surjektiv.
68 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Einschub: Einige mengentheoretische Begriffe
h -r
r
r
-r
1
r r
Die Funktion h ist weder
surjektiv noch injektiv.
0 h -r
r
rP
r
PP
1
P
q r
P
r Die Funktion h0 ist bijektiv.
69 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Definition
(Alternative Definition der Menge der aussagenlogischen Formeln) Die
Menge der aussagenlogischen Formeln ist die kleinste Menge Γ, so dass
(1) jeder Aussagebuchstabe zu Γ gehört,
(2) wenn A ∈ Γ, dann ¬A ∈ Γ,
(3) wenn A und B ∈ Γ, dann auch (A ∧ B), (A ∨ B),
(A ⊃ B), (A ≡ B) ∈ Γ.
Wozu ist die induktive Definition der Menge der aussagenlogischen
Formeln gut?
70 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Behauptung
Sei E (A) eine Abkürzung für “Formel A hat Eigenschaft E ”. Jede Formel
hat die Eigenschaft E , genau dann, wenn
(i) jeder Aussagebuchstabe die Eigenschaft E hat,
(ii) wenn E (A), dann E (¬A),
(iii) wenn E (A) und E (B), dann E (A ∧ B), E (A ∨ B),
E (A ⊃ B) und E (A ≡ B).
Beweis. Sei Form die Menge aller aussagenlogischen Formeln und sei
∆ = {A ∈ Form | E (A)}. Dann ist offensichtlich ∆ ⊆ Form. Aber wenn (i),
(ii) und (iii) erfüllt sind, dann erfüllt ∆ die Bedingungen (1), (2) und (3)
in der alternativen Definition von Form. Da Form die kleinste Menge ist,
die (1)–(3) erfüllt, ist Form ⊆ ∆, und damit ∆ = Form.
q.e.d.
71 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Behauptung
Jede aussagenlogische Formel hat eine gerade Anzahl von Klammern.
Beweis. Mit Induktion über den Aufbau der Formel A.
Basisschritt:
Sei A ein Aussagebuchstabe. Dann ist die Anzahl der Klammern von A gleich Null
und Null ist eine gerade Zahl.
Aufbauschritte:
Sei A eine Formel der Form ¬B und B habe eine gerade Anzahl von Klammern.
Dann ist die Anzahl der Klammern von A gleich der Anzahl der Klammern von B,
also gerade.
Sei A eine Formel der Form (B ∧ C ) und B und C haben jeweils eine gerade
Anzahl von Klammern (m und n). A hat dann 2 + m + n Klammern, also eine
gerade Anzahl von Klammern.
A = (B ∨ C ), A = (B ⊃ C ), A = (B ≡ C ): Analog.
q.e.d.
72 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Aussagenlogik
Definition
Die Menge der Teilformeln TF (A) einer
aussagenlogischen Formel A ist wie folgt induktiv definiert:
(i) TF (p) = {p} für Aussagebuchstaben p;
(ii) TF (¬A) = TF (A) ∪ {¬A};
(iii) TF (A # B) = TF (A) ∪ TF (B) ∪ {(A # B)},
mit # ∈ {∧, ∨, ⊃, ≡}.
73 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
Semantische Grundannahmen der klassischen Aussagenlogik
Zweiwertigkeitsprinzip (Bivalenzprizip):
Jede Formel hat genau einen der Wahrheitswerte (“wahr” oder
“falsch”) in einem Modell.
(a) tertium non datur:
Jede Formel hat mindestens einen der Wahrheitswerte (“wahr” oder
“falsch”).
(b) Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch:
Jede Formel hat höchstens einen der Wahrheitswerte (“wahr” oder
“falsch”).
Extensionalitätsprinzip (Kompositionalitätsprinzip):
Der Wahrheitswert einer zusammengesetzten Formel hängt eindeutig
und ausschießlich ab von den Wahrheitswerten der Teilformeln.
74 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
Definition
Sei v ein aussagenlogisches Modell. Der Wert einer Formel A unter der
Funktion v (symbolisch V (A)) ist wie folgt induktiv definiert:
V (p)
=
V (A ∧ B)
=
V (A ∨ B)
=
V (A ⊃ B)
=
V (A ≡ B)
=
V (¬A)
=
v (p)
W
F
F
W
F
W
W
F
W
F
falls V (A) = V (B) =W
sonst
falls V (A) = V (B) = F
sonst
falls V (A) = W und V (B) = F
sonst
falls V (A) = V (B)
sonst
falls V (A) = F
sonst
75 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
Definition
Eine aussagenlogische Formel A ist wahr in M (= v ), (symbolisch
M |= A) genau dann, wenn V (A) = W . Dann heißt A auch wahr unter
der Belegung v .
Wahrheitstabellen
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
(A ∧ B)
W
F
F
F
Konjunktion
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
(A ∨ B)
W
W
W
F
Disjunktion
76 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
Implikation
A
W
F
(A ⊃ B)
W
F
W
W
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
(A ≡ B)
W
F
F
W
Äquivalenz
¬A
F
W
Negation
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Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
Wenn eine aussagenlogische Formel n verschiedene Aussagebuchstaben
enthält, dann hat die Wahrheitstabelle für diese Formel 2n Zeilen.
Bemerkungen
Einschließendes “oder”:
Dieses Medikament hilft in Fällen von Kopfschmerz oder
Unwohlsein.
Ausschließendes “oder”:
Die Begünstigung einer schweren Straftat kann mit Gefängnis
bestraft werden oder mit einer Geldstrafe bis 10.000 EURO.
78 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
(A ⊃ B)
W
F
W
W
Implikation:
Wenn es regnet, dann ist die Straße nass.
Wenn Berlin die Hauptstadt von Deutschland ist, dann liegt Berlin in
Europa.
Wenn Wasser nicht H2 O ist, dann ist Wasser nicht H2 O.
Wenn Wasser nicht H2 O ist, dann ist Eisen kein Metall.
Wenn es regnet und gleichzeitig nicht regnet, dann ist Eisen kein
Metall.
79 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
p
W
F
p
W
W
F
F
p
W
W
F
F
¬ (p ⊃ p)
F
W
F
W
q
W
F
W
F
(p ⊃ q)
W
F
W
W
q
W
F
W
F
p ⊃ (q ⊃ p)
W W
W W
W
F
W W
≡ (¬q ⊃ ¬p)
W F W F
W W F F
W F W W
W W W W
80 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Aussagenlogik
p
W
W
W
W
F
F
F
F
p
W
W
W
W
F
F
F
F
q
W
W
F
F
W
W
F
F
q
W
W
F
F
W
W
F
F
r
W
F
W
F
W
F
W
F
r
W
F
W
F
W
F
W
F
(p ∧ q)
W
W
F
F
F
F
F
F
(p ⊃ q)
W
W
F
F
W
W
W
W
∨
W
W
F
W
F
W
F
W
¬r
F
W
F
W
F
W
F
W
p
W
W
W
W
F
F
F
F
q
W
W
F
F
W
W
F
F
r
W
F
W
F
W
F
W
F
¬ (p ⊃ q)
F
W
F
W
W
F
W
F
F
W
F
W
F
W
F
W
⊃ r
W
W
W
F
W
W
W
W
⊃ ( (¬r ∨ p) ⊃ (r ⊃ q) )
W
F W
W W
W W W
W W
W
F W
F
F
W W W
W W
W
F F
W W
W W W
W W
W
F F
W
F
W W W
W W
81 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Tautologien, Kontradiktionen und kontingente Formeln
Definition
Sei A eine aussagenlogische Formel. Ein aussagenlogisches Modell M
(= v ) heißt Modell von A genau dann, wenn A wahr ist in M, d.h. V (A)
= W , symbolisch M |= A.
Definition
Eine aussagenlogische Formel A heißt allgemeingültig (oder tautologisch),
wenn für jedes aussagenlogisches Modell M gilt: M |= A.
Eine aussagenlogische Formel A heißt kontradiktorisch, wenn für kein
aussagenlogisches Modell M gilt: M |= A.
Eine aussagenlogische Formel A heißt kontingent (neutral, faktisch), wenn
A weder allgemeingültig noch kontradiktorisch ist.
82 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Logische Äquivalenz
Definition
Zwei aussagenlogische Formeln A und B heißen logisch äquivalent genau
dann, wenn die Formel (A ≡ B) tautologisch ist.
Beispiele:
A und ¬¬A sind logisch äquivalent
A
W
F
(A ≡ ¬ ¬A)
W W F
W F W
¬A und ¬¬A sind nicht logisch äquivalent
A
W
F
(¬A ≡ ¬ ¬A)
F F W F
W F F W
83 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Logische Äquivalenz
A ⊃ B und ¬B ⊃ ¬A sind logisch äquivalent
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
(A ⊃ B) ≡ (¬B ⊃ ¬A)
W
W F W F
F
W W F F
W
W F W W
W
W W W W
A ⊃ B und ¬A ∨ B sind logisch äquivalent
A
W
W
F
F
B
W
F
W
F
(A ⊃ B) ≡ (¬A ∨ B)
W
W F W W
F
W F F F
W
W W W W
W
W W W F
84 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Logische Äquivalenz
Die folgenden Bikonditionale sind tautologisch:
DE MORGANsche Gesetze
¬(A ∧ B) ≡ (¬A ∨ ¬B)
¬(A ∨ B) ≡ (¬A ∧ ¬B)
Distributivgesetze
(A ∧ (B ∨ C ))
≡ ((A ∧ B) ∨ (A ∧ C ))
(A ∨ (B ∧ C ))
≡ ((A ∨ B) ∧ (A ∨ C ))
Assoziativgesetze
(A ∧ (B ∧ C ))
≡ ((A ∧ B) ∧ C )
(A ∨ (B ∨ C ))
≡ ((A ∨ B) ∨ C )
Kommutativgesetze
(A ∧ B) ≡ (B ∧ A)
(A ∨ B) ≡ (B ∨ A)
85 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Terminologie und Notation
Definition
Wenn die Implikation (A ⊃ B) wahr ist, dann heißt A hinreichende
Bedingung für B und B heißt notwendige Bedingung für A.
Aufgrund der Assoziativgesetze, können wir verabreden,
(A1 ∧ (A2 ∧ . . . (An−1 ∧ An ) . . .)) zu schreiben als
A1 ∧ . . . ∧ An
und
(A1 ∨ (A2 ∨ . . . (An−1 ∨ An ) . . .)) zu schreiben als
A1 ∨ . . . ∨ An
Falls n = 1, dann ist
A1 ∨ . . . ∨ An = A1 = A1 ∧ . . . ∧ An
86 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Disjunktive Normalform
Existiert zu jeder aussagenlogischen Formel A eine logisch äquivalente
Formel, die nur aus den Aussagebuchstaben aus TF (A), ¬, ∧ und ∨
aufgebaut ist?
Definition
Eine aussagenlogische Formel A befindet sich in disjunktiver Normalform
genau dann, wenn A die folgende Gestalt hat: A1 ∨ . . . ∨ An , wobei jedes
Ai entweder (i) ein Aussagebuchstabe oder ein negierter Aussagebuchstabe
ist oder (ii) eine Konjunktion B1 ∧ · · · ∧ Bm von Aussagebuchstaben oder
negierten Aussagebuchstaben ist.
Die folgenden Formeln befinden sich in disjunktiver Normalform:
p1 , ¬p2 , (p1 ∨ p2 ), (p1 ∧ (¬p3 ∧ p4 )), (¬p2 ∨ (p3 ∧ ¬p2 ))
Die folgende Formel befindet sich nicht in disj. Normalform:
(p1 ∧ (¬p3 ∨ p4 ))
87 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Disjunktive Normalform
Definition
(Alternative Definition von “befindet sich in disjunktiver Normalform”)
Jeder Aussagebuchstabe ist eine Basiskonjunktion.
Jeder negierte Aussagebuchst. ist eine Basiskonjunktion.
Wenn A und B Basiskonjunktionen sind, dann ist auch (A ∧ B) eine
Basiskonjunktion.
Nur was aufgrund der genannten Bedingungen eine Basiskonjunktion ist, ist
eine Basiskonjunktion.
Jede Basiskonjunktion befindet sich in disj. Normalform.
Wenn A und B sich in disj. Normalform befinden, dann befindet sich auch
(A ∨ B) in disj. Normalform.
Nur was sich aufgrund der genannten Bedingungen in disj. Normalform
befindet, befindet sich in disj. Normalform.
88 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Disjunktive Normalform
Eine Basiskonjunktion A ist maximal in einer Formel B in disj. Normalform
genau dann, wenn gilt: A ist eine Teilformel von B aber keine Teilformel
einer anderen Basiskonjunktion in B.
Behauptung
Wenn A eine aussagenlogische Formel ist, dann existiert eine Formel A∗ in
disjunktiver Normalform, so dass A und A∗ logisch äquivalent sind.
89 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Disjunktive Normalform
Beispiele:
p
W
W
W
W
F
F
F
F
q
W
W
F
F
W
W
F
F
r
W
F
W
F
W
F
W
F
(p ≡ q) ⊃ r
W W
W
F
F
W
F
W
F
W
F
W
W W
W
F
((p ∧ q) ∧ r ) ∨
((p ∧ ¬q) ∧ r ) ∨
((p ∧ ¬q) ∧ ¬r ) ∨
((¬p ∧ q) ∧ r ) ∨
((¬p ∧ q) ∧ ¬r ) ∨
((¬p ∧ ¬q) ∧ r )
90 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Disjunktive Normalform
Existiert zu jeder aussagenlogischen Formel A genau eine logisch
äquivalente Formel A∗ in disjunktiver Normalform?
p
W
W
F
F
q
W
F
W
F
(p ⊃ q)
(¬p ∨ q)
W
(p ∧ q)∨
F W
F
F F
W
(¬p ∧ q)∨ W W
(¬p ∧ ¬q) W W
W
p
W
W
F
F
q
W
F
W
F
(p ∧ q) ∨ ((¬p ∧ q) ∨ (¬p ∧ ¬q))
W W
F
F
F
F
F
F
F
F
F W
W W
F
F W
F
W
W
p
W
W
F
F
q
W
F
W
F
91 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Definition
Sei ∆ eine endliche Menge von Junktoren. ∆ heißt funktional vollständig
genau dann, wenn jede aussagenlogische Formel A logisch äquivalent ist zu
einer Formel B, die allein Junktoren aus ∆ enthält.
Die Menge {¬, ∧, ∨, ⊃, ≡} ist funktional vollständig, da sie alle Junktoren
enthält, die in der Definition der Menge der aussagenlogischen Formeln
erwähnt werden.
92 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Folgende Formeln sind Tautologien:
1.
(A ≡ B) ≡ ((A ⊃ B) ∧ (B ⊃ A))
2. (A ⊃ B) ≡ (¬A ∨ B)
(A ≡ B) ≡ ((¬A ∨ B) ∧ (¬B ∨ A))
3. (A ∧ B) ≡ ¬(¬A ∨ ¬B)
(A ≡ B) ≡ ¬(¬(¬A ∨ B) ∨ ¬(¬B ∨ A))
4. (A ∨ B) ≡ ¬(¬A ∧ ¬B)
5. (A ⊃ B) ≡ ¬(A ∧ ¬B)
(A ≡ B) ≡ (¬(A ∧ ¬B) ∧ ¬(B ∧ ¬A))
6. (A ∧ B) ≡ ¬(A ⊃ ¬B)
7. (A ∨ B) ≡ (¬A ⊃ B)
(A ≡ B) ≡ ((A ⊃ B) ∧ (B ⊃ A))
≡ ¬((A ⊃ B) ⊃ ¬(B ⊃ A))
93 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Funktional vollständig sind:
(a)
{¬, ∧, ∨, ⊃}
wegen 1.
(b)
{¬, ∧, ∨}
wegen (a) und 2.
(c)
{¬, ∧, ⊃}
wegen (a) und 7.
(d)
{¬, ∧}
wegen (c) und 5.
(e)
{¬, ∨}
wegen (d) und 3.
(f)
{¬, ⊃}
wegen (d) und 6. (oder wegen (e) und 7.)
(g)
{¬, ∨, ⊃}
wegen (f)
94 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Gibt es eine einelementige Junktorenmenge, die funktional vollständig ist?
Wir wählen (A NOR B) als Abkürzung für (¬A ∧ ¬B). Die Menge { NOR }
ist funktional vollständig.
¬A ≡ (A NOR A)
(A ∧ B) ≡ ((A NOR A) NOR (B
NOR B))
(A ∨ B) ≡ ((A NOR B) NOR (A NOR B))
(A ⊃ B) ≡ (((A NOR A) NOR B) NOR ((A NOR A) NOR B)))
95 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Ist es gerechtfertigt zu sagen, dass ∧ durch ¬ und ∨ definiert werden
kann, da (A ∧ B) ≡ ¬(¬A ∨ ¬B) tautologisch ist?
Definition
Das Resultat der Ersetzung des Aussagebuchstabens p durch eine Formel
A in der Formel B (symbolisch [A/p] B, lies: “A für p in B”) ist wie folgt
induktiv definiert:
(i)
[A/p] p = A
[A/p] q = q
(ii)
[A/p] ¬C
= ¬[A/p] C
(iii) [A/p] (C # D) = [A/p] C # [A/p] D
(wobei # ∈ {∧, ∨, ⊃, ≡})
96 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Satz
(Ersetzbarkeitssatz)
Wenn A und B zwei logisch äquivalente aussagenlogische Formeln sind,
dann sind auch (A/p) C und (B/p) C logisch äquivalent.
Beweis. Mit Induktion nach C .
q.e.d.
Ist jede Menge zweistelliger Junktoren funktional vollständig? Wir wollen
zeigen, dass {⊃} nicht funktional vollständig ist.
97 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Lemma
Jede aussagenlog. Formel A, die nur aus dem Aussagebuchstaben p und dem Junktor ⊃
(und Klammern) aufgebaut ist, ist logisch äquivalent mit p oder mit p ⊃ p.
Beweis. Mit Induktion nach A. (i) A = p: Klar. (ii) A = (B ⊃ C ). Nach der
Induktionshyp. gilt das Lemma für B und C , d.h. B und C sind logisch äquivalent mit p
oder mit (p ⊃ p). Dann existieren vier Fälle:
(a)
(b)
(c)
(d)
B
B
B
C
und C sind beide logisch äquivalent mit p.
und C sind beide logisch äquivalent mit (p ⊃ p).
ist logisch äquivalent mit p und C mit (p ⊃ p).
ist logisch äquivalent mit p und B mit (p ⊃ p).
Im Fall (a) ist (B ⊃ C ) logisch äquivalent mit p ⊃ p.
Im Fall (b) ist (B ⊃ C ) logisch äquivalent mit (p ⊃ p) ⊃ (p ⊃ p) und damit
logisch äquivalent mit p ⊃ p.
Im Fall (c) ist (B ⊃ C ) logisch äquiv. mit p ⊃ (p ⊃ p) und damit logisch
äquivalent mit p ⊃ p.
Im Fall (d) ist (B ⊃ C ) logisch äquiv. mit (p ⊃ p) ⊃ p und damit logisch
äquivalent mit p.
q.e.d.
98 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Funktionale Vollständigkeit
Behauptung
{⊃} ist nicht funktional vollständig.
Beweis. Wir zeigen, dass keine aussagenlogische Formel A, die
ausschließlich aus Aussagebuchstaben und ⊃ aufgebaut ist, logisch
äquivalent mit p ∧ ¬p ist.
Angenommen, A ist ausschließlich aus Aussagebuchstaben und ⊃
aufgebaut und A ist logisch äquivalent mit (p ∧ ¬p). Sei A∗ das Resultat
der Ersetzung aller Aussagebuchstaben in A durch p. Da A falsch ist in
jedem Modell ist auch A∗ logisch äquivalent mit (p ∧ ¬p). Aber das ist ein
Widerspruch zum vorherigen Lemma.
q.e.d.
99 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Terminologie
Definition
Eine Abbildung von k-Folgen von Wahrheitswerten (k ∈ N) in die Menge
{W,F} heißt k-stellige Wahrheitsfunktion.
Beispiel:
Wir definieren den Junktor ♥ durch die Festlegung:
♥(A, B, C , D) =def (A ∧ B) ⊃ (¬C ∧ D)
Dieser Junktor bezeichnet eine vierstellige Wahrheitsfunktion.
Gibt es 0-stellige Wahrheitsfunktionen?
Eine Menge ∆ von Wahrheitsfunktionen heißt funktional vollständig, wenn
jede Wahrheitsfunktion durch Elemente von ∆ definiert werden kann.
100 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Bendall Normalform
Das Bestreiten ist ein Sprechakt, der ohne Verwendung der Negation ausgeführt
werden kann.
Es ist z.B. möglich, zu bestreiten, dass Josef Stalin ein weiser Staatsmann war,
indem man den Satz “Josef Stalin war ein weiser Staatsmann” ironisch äußert
oder behauptet, dass Josef Stalin der weiseste Staatsmann aller Zeiten war.
Man könnte allerdings meinen, dass zu bestreiten, dass A, am besten zu
analysieren und verstehen ist als das Behaupten der Negation von A. Wenn man
dann weiterhin annimmt, dass das Wesen der Negation gerade darin besteht, den
Sprechakt des Bestreitens unabhängig von Phänomenen wie der Ironie oder
Eigenschaften eines Äußerungskontextes zu ermöglichen, dann ergibt sich ein
Problem.
Negationen können iteriert werden und innerhalb komplexer Sätze oder Formeln
verwendet werden; Sprechakte können nicht derartig verschachtelt werden.
101 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Bendall Normalform
Wenn behauptet werden soll, dass der Begriff des Bestreitens grundlegend
ist für das Verständnis der Negation, dann wäre es gut, wenn für jeden
Satz (jede Formel) A gelten würde, dass A logisch äquivalent ist zu einem
Satz (einer Formel), in dem (der) das Negationssymbol wenn überhaupt
nur einmal und als Hauptjunktor vorkommt.
Für die klassische Logik gilt das.
Definition
Eine aussagenlogische Formel befindet sich in Bendall Normalform genau
dann, wenn sie negationsfrei ist oder die Gestalt ¬B hat und B
negationsfrei ist.
102 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Definition
Seien B, C negations-freie aussagenlogische Formeln. Die ex-Negation exA
einer aussagenlogischen Formel A ist wie folgt induktiv definiert.
exB = B
ex¬B = ¬B
ex¬¬B = B
ex(B ∧ ¬C ) = ¬(B ⊃ C )
ex(¬B ∧ C ) = ¬(C ⊃ B)
ex(¬B ∧ ¬C ) = ¬(B ∨ C )
ex(B ∨ ¬C ) = (C ⊃ B)
ex(¬B ∨ C ) = (B ⊃ C )
ex(¬B ∨ ¬C ) = ¬(B ∧ C )
ex(B ⊃ ¬C ) = ¬(B ∧ C )
ex(¬B ⊃ C ) = (B ∨ C )
ex(¬B ⊃ ¬C ) = (C ⊃ B)
103 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Bendall Normalform
Mit Hilfe der Operation ex kann gezeigt werden, dass
Lemma
Jede aussagenlogische Formel A ist logisch äquivalent zu einer Formel der
Gestalt B, ¬B oder ¬¬B, wobei B negationsfrei ist.
Behauptung
Jede aussagenlogische Formel ist logisch äquivalent zu einer Formel in
Bendall Normalform.
Beweis. Sei A eine aussagenlogische Formel. Mit dem vorhergehenden
Lemma ist A logisch äquivalent zu einer Formel der Gestalt B, ¬B oder
¬¬B, wobei B negatiosnfrei ist. Die Formeln B und ¬B befinden sich in
Bendall Normalform. Die Formel ¬¬B ist logisch äquivalent zu B. q.e.d.
104 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ein einfaches semantisches Faktum
Behauptung
Sei A eine aussagenlogische Formel, sei at(A) die Menge der in A
vorkommenden Aussagebuchstaben und seien v , v 0 aussagenlogische
Modelle, so dass für alle p ∈ at(A) gilt: v (p) = v 0 (p). Dann ist
V (A) = V 0 (A).
Beweis. Mit Induktion nach A. Wir zeigen zunächst, dass die Behauptung
gilt, falls A ein Aussagebuchstabe ist. Falls A eine zusammengesetzte
Formel ist, zeigen wir, dass die Behauptung für A gilt unter der Annahme,
dass die Behauptung bereits für Teilformeln von A gilt, die verschieden von
A sind (Induktionsannahme).
105 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ein einfaches semantisches Faktum
(i) A ist ein Aussagebuchstabe.
Dann ist V (A) = v (A) = v 0 (A) = V 0 (A)
(ii) A ist eine Negation ¬B. Dann haben wir:
V (¬B)
=
W
gdw
V (B)
=
F
gdw
=
F
gdw
0
V (B)
mit der Induktionsannahme
V 0 (¬B) = W
(iii) A ist eine Konjunktion (B ∧ C ). Dann haben wir:
V (B ∧ C )
=
W
gdw
V (B) = V (C )
=
W
gdw
=
W
gdw
=
W
0
0
V (B) = V (C )
0
V (B ∧ C )
Die restlichen Fälle zeigt man analog.
mit der Induktionsann.
q.e.d.
106 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ein Schritt zurück: Platons Kratylos
Platon gilt als ein Vorläufer der modernen sprachanalytischen Philosophie.
In dem Dialog Kratylos lässt er Sokrates für die Ansicht eines gewissen
Kratylos von der natürlichen Korrektheit der Bennungen argumentieren.
Hermogenes, der anfänglich die Auffassung vertritt, die Bennungen
beruhten auf Konventionen, wird von Sokrates dazu gebracht, der
Auffassung des Kratylos zuzustimmen. Ein Schritt in diesem Prozess ist die
Zurückweisung der These des Protagoras, der Mensch sei das Maß aller
Dinge. Platon (Kratylos 386a–d) schreibt:
107 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ein Schritt zurück: Platons Kratylos
Sokrates: Wohlan, lass uns sehen, Hermogenes, ob dir vorkommt, dass es auch mit den Dingen ebenso steht, dass ihr Sein und
Wesen für jeden einzelnen in besonderer Weise ist, wie Protagoras meinte, wenn er sagt, der Mensch sei das Maß aller Dinge,
dass also die Dinge, wie sie mir erscheinen, so auch für mich wirklich sind, und wiederum wie dir, so auch für dich? Oder dünkt
dich, dass sie in sich eine Beständigkeit ihres Wesens haben?
Hermogenes: Ich bin wohl sonst schon in der Verlegenheit auch dahin geraten, Sokrates, auf dasselbe, was auch Protagoras
sagt; ganz und gar so glaube ich jedoch nicht, dass es sich verhalte.
Sokrates: Wie aber? Bist du auch darauf schon geraten, dass du nicht glauben konntest, ein Mensch sei gar schlecht?
Hermogenes: Nein, beim Zeus, vielmehr ist mir schon oft begegnet, dass mir Menschen gar schlecht vorgekommen sind, und
zwar recht viele.
Sokrates: Und wie? Gar gut hast du noch nicht geglaubt, dass Menschen wären?
Hermogenes: Nur sehr wenige.
Sokrates: Also doch welche?
Hermogenes: Oh ja.
Sokrates: Wie aber meinst du es? Etwa so, dass die gar guten auch gar vernünftig sind und die gar schlechten auch gar
unvernünftig?
Hermogenes: Ich meine es gerade so.
Sokrates: Können nun wohl, wenn Protagoras wahr redete und dies die Wahrheit ist, dass für jeden, wie ihm etwas erscheint,
so es auch ist, als dann einige von uns vernünftig sein und andere unvernünftig?
Hermogenes: Nicht füglich.
Sokrates: Auch dies, denke ich, glaubst du gar sehr, dass, wenn es Vernunft und Unvernunft gibt, es dann eben nicht sehr
möglich ist, dass Protagoras recht habe. Denn es wäre ja in Wahrheit nicht einer vernünftiger als der andere, wenn, was jedem
schiene, auch für jeden wahr wäre.
Hermogenes: Das ist richtig.
108 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ein Schritt zurück: Platons Kratylos
Die Argumentation des Sokrates kann als die folgende Schlussfolgerung
verstanden werden:
Die Dinge sind so, wie sie einem jeden einzelnen
erscheinen. (These des Protagoras)
Wenn die Dinge so sind, wie sie einem jeden erscheinen, dann gibt es
keinen Unterschied zwischen vernünftigen und unvernünftigen
Menschen.
Wenn es keinen Unterschied zwischen vernünftigen und
unvernünftigen Menschen gibt, dann existiert kein Unterschied
zwischen guten und schlechten Menschen.
Es existiert ein Unterschied zwischen guten und schlechten Menschen.
Die Dinge sind nicht so, wie sie einem jeden einzelnen erscheinen.
109 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ein Schritt zurück: Platons Kratylos
Diese Schlussfolgerung ist gültig. Sie ist ein Beispiel für eine Einführung
der Negation.
[p]
p ⊃ ¬u
¬u ⊃ ¬g
¬g
¬p
g
110 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Beweissysteme
Typen von Beweissystemen
axiomatische Systeme (Hilbert-Systeme)
Systeme des natürlichen Schließens
(Stanislaw Jaskowski, Gerhard Gentzen)
Sequenzenkalküle (G. Gentzen)
semantische Tableaux (Evert Beth)
111 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Beweissysteme
Hilbert-Systeme:
natürliches Schließen:
Sequenzenkalküle:
•
•
viele Axiome(nschemata)
(Regeln der Gestalt ∅/A)
wenige Regeln (∆/A)
•
•
keine Axiome
viele Regeln
•
nur eine axiomatische
Ableitbarkeitsbehauptung
“A ist aus A ableitbar” (A ` A)
Regeln, um Ableitbarkeitsbehauptungen zu manipulieren
•
semantische Tableaux
•
Regeln für die Suche
nach Gegenbeispielen
112 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Beweissysteme
Ein Axiomensystem für die klassische Aussagenlogik
Axiomenschemata:
Ableitungsregeln:
1)
2)
3)
A ⊃ (B ⊃ A)
(A ⊃ (B ⊃ C )) ⊃ ((A ⊃ B) ⊃ (A ⊃ C ))
(¬A ⊃ B) ⊃ ((¬A ⊃ ¬B) ⊃ A)
modus ponens
A
A⊃B
B
Axiome können als Grenzfälle von Ableitungsregeln gesehen werden, als
Regeln ohne Input.
Sei S ein Beweissystem. Wenn eine Formel A aus einer Formelmenge ∆
mit Hilfe der Regeln von S ableitbar ist, dann schreiben wir ∆ `S A. Wenn
aus dem Kontext klar ist, welches Beweissystem betrachtet wird, schreiben
wir auch einfach ∆ ` A.
113 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Beweissysteme
Eine axiomatische Ableitung einer Formel A aus einer Formelmenge ∆ ist
eine endliche Folge A1 , . . . An von Formeln, so dass An = A und jede
Formel in der Folge entweder eine Einsetzung eines Axiomenschemas, ein
Element von ∆ oder das Erebnis der Anwendung einer Ableitungsregel auf
vorhergehende Formeln als Prämissen ist.
Beispiel:
(A ⊃ ((A ⊃ A) ⊃ A))
(A ⊃ ((A ⊃ A) ⊃ A)) ⊃ ((A ⊃ (A ⊃ A)) ⊃ (A ⊃ A))
((A ⊃ (A ⊃ A)) ⊃ (A ⊃ A))
((A ⊃ (A ⊃ A))
(A ⊃ A)
Axiom 1
Axiom 2
modus ponens, 1, 2
Axiom 1
modus ponens, 3, 4
114 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Beweissysteme
Sei SL das obige Beweissystem.
SL ist korrekt und vollständig bezüglich der Klasse aller aussagenlogischen
Modelle.
Deduktionstheorem
Wenn ∆ ∪ {A} `SL B, dann ∆ `SL A ⊃ B.
Im System des natürlichen Schließens für die klassische Aussagenlogik wird
das Deduktionstheorem als eine Ableitungsregel angenommen.
115 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Einführungsregeln geben an, wie auf Konklusionen bestimmter Gestalt
geschlossen werden kann.
Beseitigungsregeln geben an, wie Formeln bestimmter Gestalt verwendet
werden (um Information zu extrahieren).
Beispiele:
Jan lacht. 7→ j; Peter lacht. 7→ p; Marie lacht.
Annahme:
Jan lacht und Peter lacht.
Konklusion: Peter lacht oder Marie lacht.
7→
m.
(j ∧ p)
(∧B)
p
(∨E )
(p ∨ m)
In einem ersten Schritt wird eine Konjunktion beseitigt (∧B) und in
einem zweiten Schritt eine Disjunktion eingeführt (∨E ).
116 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Annahmen:
Konklusion:
Wenn Jan lacht, dann lacht Peter.
Wenn Marie lacht, dann lacht Peter.
Jan lacht oder Marie lacht.
Peter lacht.
[j]1
(j ∨ m)
(j ⊃ p)
p
p
(⊃B)
[m]1
(m ⊃ p)
p
1
(⊃B)
(∨B)
Es wird p aus (j ∨ m) durch Disjunktionsbes. (∨B) abgeleitet. Idee: Wenn p
sowohl aus j, als auch aus m ableitbar ist, dann ist p aus (j ∨ m) ableitbar. Um zu
sehen, ob p sowohl aus j, als auch aus m ableitbar ist, werden j und m temporär
angenommen. Wenn gezeigt werden kann, dass p sowohl aus j, als auch aus m
ableitbar ist, können die temporären Annahmen aufgegeben werden. Sie werden
mit der ∨-Beseitigung getilgt. Die Tilgung wird durch eckige Klammern um j und
m kenntlich gemacht. Die Ableitung von p hängt nur noch von den nicht
getilgten Annahmen ab.
117 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Annahmen:
Konklusion:
Wenn Jan lacht, dann ist es so, dass
Peter lacht, falls Jan lacht.
Wenn Jan lacht, dann lacht Peter.
[j]1
[j]1
p
j ⊃p
j ⊃ (j ⊃ p)
j ⊃p
(⊃B)
(⊃B)
(⊃E )1
Die Konklusion in diesem Beispiel ist eine Implikation: j ⊃ p. Um die Konklusion
aus j ⊃ (j ⊃ p) abzuleiten, genügt es zu zeigen, dass p aus j und j ⊃ (j ⊃ p)
ableitbar ist. Also wird die temporäre Annahme j gemacht. Mit (⊃ B) kann
(j ⊃ p) abgeleitet werden, und unter nochmaliger Verwendung von j kann wieder
mit (⊃ B) schließlich p abgeleitet werden. Die temporäre Annahme j wird
aufgegeben, und j ⊃ p damit aus j ⊃ (j ⊃ p) allein abgeleitet.
118 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
[j]1
1
[j]
p
j ⊃p
j ⊃ (j ⊃ p)
j ⊃p
(⊃B)
(⊃B)
(⊃E )1
In diesem Beispiel werden mit der Anwendung der Regel (⊃ E ) zwei
Vorkommnisse der temporären Annahme j getilgt. Die Regel (⊃ E )
gestattet es, bei der Einführung einer Implikation (A ⊃ B) beliebig viele
Vorkommnisse von A in einer Ableitung von B aufzugeben.
119 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Auch die folgenden Gebilde stellen Ableitungen dar:
[j]1
j
j ⊃ (j ⊃ p)
j ⊃p
p
j ⊃p
(⊃B)
(⊃E )1
(⊃B)
j
j
j ⊃ (j ⊃ p)
(⊃B)
j ⊃p
(⊃B)
p
(⊃E )
j ⊃p
Diese Ableitungen hängen aber von j ab, da nicht alle Vorkommnisse von j
aufgegeben werden. Die Regel (⊃ E ) gestattet es in diesem Fall, Vorkommnisse
von j aufzugeben, aber die Tilgung ist nicht obligatorisch.
120 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Annahmen:
Konklusion:
∅
Wenn Jan lacht, dann ist es so, dass
Jan lacht, falls Peter lacht.
[j]1
(⊃E )
(p ⊃ j)
(⊃E )1
j ⊃ (p ⊃ j)
Hier begegnen wir einer leeren Implikationseinführung. Die Einführung der
Implikation (p ⊃ j) im ersten Ableitungsschritt ist insofern leer oder
irrelevant, als dass das Antezedens p nicht tatsächlich verwendet wird, um j
abzuleiten. Dennoch ist der Ableitungsschritt korrekt: Wenn j wahr ist, dann
sicherlich auch p ⊃ j. Die Regel (⊃ E ) ist so zu verstehen, dass leere
Implikationseinführungen gestattet sind. In sogenannten Relevanzlogiken
sind irrelevante Implikationseinführungen nicht erlaubt.
121 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Die Regeln des natürlichen Schließens für die klassische Aussagenlogik. Die
Formelmengen ∆, Γ und Θ sind endlich. Regeln für die Konjunktion: small
∆
.. Γ..
..
..
A B (∧E )
(A ∧ B)
∆
..
..
(A1 ∧ A2 )
(∧B)
Ai
i = 1, 2
(∧E ): Aus einer Ableitung von A aus der Prämissenmenge ∆ und einer
Ableitung von B aus Γ erhält man eine Ableitung von (A ∧ B) aus ∆ ∪ Γ.
(∧B): Hier handelt es sich um zwei Regeln. Wenn (A1 ∧ A2 ) aus ∆
ableitbar ist, dann ist jedes der beiden Konjunktionsglieder aus ∆ ableitbar.
122 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
∆
..
..
Ai
(∨E )
(A1 ∨ A2 )
i = 1, 2
∆
..
..
(A ∨ B)
Γ, [A] Θ, [B]
..
..
..
..
C
C
(∨B)
C
(∨E ): Wenn A1 (bzw. A2 ) aus ∆ ableitbar ist, dann auch (A1 ∨ A2 ).
(∨B): Betrachten wir zunächst den Fall, dass ∆, Γ und Θ leer sind:
[A]
..
..
(A ∨ B) C
C
[B]
..
..
C
(∨B)
C ist aus (A ∨ B) ableitbar ist, wenn C sowohl aus A, als auch aus B ableitbar
ist. Regel (∨B) verallgemeinert den Spezialfall. Angenommen (A ∨ B) ist aus ∆
ableitbar und C ist sowohl aus Γ ∪ {A}, als auch aus Θ ∪ {B} ableitbar. Dann ist
C aus ∆ ∪ Γ ∪ Θ ableitbar.
123 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
∆, [A]
..
..
B
(⊃ E )
(A ⊃ B)
∆
..
..
A
Γ.
..
.
(A ⊃ B)
(⊃ B)
B
(⊃ E ): Aus einer Ableitung von B aus den Prämissen in ∆ zusammen mit
A erhält man eine Ableitung von (A ⊃ B) aus ∆.
(⊃ B): Aus einer Ableitung von A aus ∆ und einer Ableitung von (A ⊃ B)
aus Γ erhält man eine Ableitung von B aus ∆ ∪ Γ.
124 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
∆, [A] Γ, [A]
..
..
..
..
B
¬B (¬E )
¬A
∆
..
..
B
Γ.
..
.
¬B (¬B)
A
∆, [¬A]
..
..
B
A
Γ, [¬A]
..
..
¬B (¬B)∗
(¬E ): Betrachten wir zunächst den Fall, dass ∆ = Γ = ∅:
[A]
..
..
B
[A]
..
..
¬B
¬A
(¬E )
¬A ist ableitbar, wenn die Annahme, dass A der Fall ist, zu einem Widerspruch
führt: Wenn aus A eine Formel B ableitbar ist und deren Negation ¬B. Die Regel
(¬E ) verallgemeinert diesen Fall: Aus einer Ableitung von B aus ∆ ∪ {A} und
einer Ableitung von ¬B aus Γ ∪ {A} erhält man eine Ableitung von ¬A aus ∆ ∪ Γ.
125 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
∆, [A] Γ, [A]
..
..
..
..
B
¬B (¬E )
¬A
∆
..
..
B
Γ.
..
.
¬B (¬B)
A
∆, [¬A]
..
..
B
A
Γ, [¬A]
..
..
¬B (¬B)∗
(¬B): Die Regel ist seit der Antike unter dem Namen ex contradictione
quodlibet (aus einem Widerspruch ist Beliebiges ableitbar) bekannt.
(¬B)∗ : Diese zweite Negationsbeseitigungsregel ist als die Regel der
klassischen reductio ad absurdum (Zurückführung auf etwas Absurdes)
bekannt. Eine Formel A (welche Gestalt auch immer sie haben mag) kann
abgeleitet werden, wenn die Annahme, dass ¬A der Fall ist, zu einem
Widerspruch führt.
126 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Definition
SN (das System des natürlichen Schließens für die klassische
Aussagenlogik) ist die Menge der Regeln des natürlichen Schließens für die
klassische Aussagenlogik.
Wir nehmen an, dass jede Formel A eine Ableitung von A aus {A}
darstellt.
Beispiele:
(a) Ableitung von p ⊃ ¬¬p aus ∅. Da aus ∅ abgeleitet werden soll,
dürfen nur temporäre Annahmen gemacht werden, die getilgt werden.
[p]2 [¬p]1
(¬E )1
¬¬p
(⊃E )2
p ⊃ ¬¬p
127 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
[p]2 [¬p]1
(¬E )1
¬¬p
(⊃E )2
p ⊃ ¬¬p
Wie findet man diese Ableitung von p ⊃ ¬¬p aus ∅? Abzuleiten ist eine
Implikation. Das geschieht normalerweise mit Implikationseinführung.
Damit erhält man p als temporäre Prämisse, aus der die Negation ¬¬p
abzuleiten ist. Die kanonische Ableitung einer Negation erfolgt durch
Negationseinführung, d.h. hier, dass die temporäre Annahme ¬p zu einem
Widerspruch führen soll. Die Annahme ¬p widerspricht bereits der anderen
temporären Annahme. Der benötigte Widerspruch zwischen einer Formel
B und ihrer Negation liegt damit vor, und die Annahme ¬p kann getilgt
werden. Die Annahme p wird mit der Anwendung von (⊃ E ) getilgt. Die
Indizes heben hervor, an welcher Stelle welche temporäre Prämisse
aufgegeben wird.
128 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(b) Ableitung von (p ⊃ (q ⊃ r )) ⊃ ((p ⊃ q) ⊃ (p ⊃ r )) aus ∅.
[p]1
[p ⊃ q]2
q
(⊃B)
[p]1
[p ⊃ (q ⊃ r )]3
q⊃r
(⊃B)
(⊃B)
r
(⊃E )1
(p ⊃ r )
(⊃E )2
(p ⊃ q) ⊃ (p ⊃ r )
(p ⊃ (q ⊃ r )) ⊃ ((p ⊃ q) ⊃ (p ⊃ r ))
(⊃E )3
Zu beweisen ist eine Implikation. Das geschieht normalerweise mit (⊃ E ). Wir
erhalten so sukzessive die Formeln p ⊃ (q ⊃ r ), p ⊃ q und p als temporäre
Annahmen und müssen aus diesen Prämissen die atomare Formel r ableiten. Auf
die atomare Prämisse p kann keine Bes.regel angewandt werden. Die anderen
Prämissen sind Implikationen. Um auf sie die Regel (⊃ B) anzuwenden, wird
jeweils das Antezedens der Implikation benötigt. Die Prämissen p und p ⊃ q
liefern offensichtlich q, und q zusammen mit q ⊃ r liefert r . Die drei
Anwendungen von (⊃ E ) erlauben es, die temporären Annahmen aufzugeben.
129 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(c) Ableitung von p ⊃ q aus {¬p ∨ q}.
¬p ∨ q
[¬p]1 [p]2
(¬B)
q
q
(⊃E )2
p⊃q
[q]1
(∨B)1
Die Implikation p ⊃ q wird mit (⊃ E ) abgeleitet, was die temporäre Annahme p
liefert. Die einzige Prämisse, auf die eine Bes.regel anwendbar ist, ist die
gegebene Annahme ¬p ∨ q. Auf diese Formel wird die Beseitigungsregel für ihren
Hauptjunktor angewendet: (∨B). Die Formel q ist also jeweils aus den beiden
Disjunktionsgliedern und eventuell weiteren Annahmen abzuleiten. Das rechte
Disjunktionsglied stellt eine Ableitung von q aus q dar; das linke Disjunktionsglied
¬p liefert zusammen mit der temporären Annahme und (¬B) ebenfalls q. Die
Disjunktionsglieder werden mit der Anwendung von (∨B) als zwischenzeitliche
Annahmen aufgegeben.
130 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(d) Ableitung von (p ∨ (q ∧ r )) ⊃ ((p ∨ q) ∧ (p ∨ r )) aus ∅.
[p ∨ (q ∧ r )]3
[p]1
p∨q
p∨q
(∨E )
[q ∧ r ]1
(∧B)
q
(∨E )
p∨q
[p ∨ (q ∧ r )]3
1
(∨B)
(p ∨ q) ∧ (p ∨ r )
(p ∨ (q ∧ r )) ⊃ ((p ∨ q) ∧ (p ∨ r ))
[p]2
p∨r
p∨r
(∨E )
[q ∧ r ]2
(∧B)
r (∨E )
p∨r
2
(∨B)
(∧E )
(⊃E )3
Abzuleiten ist eine Implikation. Das geschieht mit (⊃ E ). Wir erhalten p ∨ (q ∧ r ) als
temp. Prämisse, aus der (p ∨ q) ∧ (p ∨ r ) abzuleiten ist. Die kanonische Ableitung einer
Konj. erfolgt mit (∧E ). Das linke Konj.glied ist p ∨ q. Typischerweise werden Disj. mit
(∨E ) abgeleitet. Diese Überlegung führt jedoch nicht zum Ziel. Wenn p ∨ q aus p
abgeleitet werden soll, muss p aus der einzigen zur Verfügung stehenden Annahme
abgeleitet werden, einer Disj.. Diese zu verwenden, bedeutet die Regel (∨B)
anzuwenden. D.h., dass p (i) aus p und (ii) aus q ∧ r abgeleitet werden muss. Die
Aufgabe (i) ist trivial; (ii) nicht lösbar.
131 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
[p ∨ (q ∧ r )]3
[p]1
p∨q
p∨q
(∨E )
[q ∧ r ]1
(∧B)
q
(∨E )
[p ∨ (q ∧ r )]3
p∨q
1
(∨B)
(p ∨ q) ∧ (p ∨ r )
(p ∨ (q ∧ r )) ⊃ ((p ∨ q) ∧ (p ∨ r ))
[p]2
p∨r
p∨r
(∨E )
[q ∧ r ]2
(∧B)
r (∨E )
p∨r
2
(∨B)
(∧E )
(⊃E )3
Wann kann man tun? Man kann schauen, ob die abzuleitende Formel p ∨ q direkt
aus der zur Verfügung stehenden Prämisse ableitbar ist. Das ist der Fall. Die
Formel p ∨ q erhält man aus dem linken Disj.glied der temp. Annahme mit (∨E )
und aus dem rechten Disj.glied mit (∧B) und (∨E ). Die Anwendung von (∨B)
auf die temp. Annahme erlaubt es, die Disjunktionsglieder zu tilgen. Die
temp. Annahme selbst wird im letzten Ableitungsschritt getilgt. Das rechte
Disj.glied von ((p ∨ q) ∧ (p ∨ r )) kann analog abgeleitet werden.
132 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(e) Ableitung der Kontrapositionsregel p ⊃ q ` ¬q ⊃ ¬p.
[p]1
p⊃q
q
(⊃B)
¬p
¬q ⊃ ¬p
[¬q]2
(¬E )1
(⊃E )2
(f) Ableitung von ¬¬p ⊃ p aus ∅.
[¬¬p]2 [¬p]1
(¬B ∗ )1
p
(⊃E )2
¬¬p ⊃ p
In dieser Ableitung wird von der Regel der klassischen reductio ad
absurdum, (¬B)∗ , Gebrauch gemacht. Aus der Annahme ¬¬p ist p nicht
direkt ableitbar. Wenn aber mit (¬B)∗ temporär ¬p angenomen wird, liegt
ein Widerspruch vor und ¬p kann aufgegeben werden.
133 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(g) Ableitung von ¬(¬p ∨ q) ⊃ (p ∧ ¬q) aus ∅.
[¬(¬p ∨ q)]
p
3
[¬p]2
¬p ∨ q
(∨E )
∗ 2
(¬B )
3
[¬(¬p ∨ q)]
¬q
p ∧ ¬q
¬(¬p ∨ q) ⊃ (p ∧ ¬q)
[q]1
¬p ∨ q
(∨E )
(¬E )1
(∧E )
(⊃E )3
Die ersten beiden Schritte der Beweissuche sind klar. Abzuleiten sind die
zwei Konj.glieder p und ¬q. Negationen werden typischerweise mit (¬E )
abgeleitet. Hier wird die temp. Annahme q zum Widerspruch geführt. Zu
einem Widerspruch wozwischen? Mit der tem. Annahme ¬(¬p ∨ q) liegt
schon eine negierte Formel ¬B vor, und es ist leicht zu sehen, dass q mit
(∨E ) ¬p ∨ q liefert. Für die Ableitung von p steht eine Prämisse zur
Verfügung: ¬(¬p ∨ q). Mittels (¬B) kann p daraus nicht abgeleitet
werden. Die Regel (¬B)∗ gestattet es, ¬p temporär anzunehmen, so dass
mit (∨E ) die Formel ¬p ∨ q abgeleitet werden kann.
134 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(h) Ableitung von ¬(p ∧ q) ⊃ (¬p ∨ ¬q) aus ∅.
3
[¬(¬p ∨ ¬q)]
p
[¬p]1
¬p ∨ ¬q
(∨E )
(¬B ∗ )1
p∧q
3
[¬(¬p ∨ ¬q)]
q
[¬q]2
¬p ∨ ¬q
(∨E )
(¬B ∗ )2
(∧E )
¬p ∨ ¬q
¬(p ∧ q) ⊃ (¬p ∨ ¬q)
[¬(p ∧ q)]4
(¬B ∗ )3
(⊃E )4
Im vorletzten Bew.schritt ist ¬p ∨ ¬q aus ¬(p ∧ q) abzuleiten. Es gibt zunächst zwei
Strategien für die Beweissuche: (1) ¬p ∨ ¬q kann mit (∨E ) abgeleitet werden; (2) die
Anwendung von (¬B) auf ¬(p ∧ q) führt zu ¬p ∨ ¬q. Die Vermutung, dass ¬p ∨ ¬q
durch (∨E ) abgeleitet werden kann, führt nicht zum Ziel. Auch ist nicht klar, wie (¬B)
auf ¬(p ∧ q) anwendbar sein sollte. Damit sind aber nicht alle Optionen erschöpft:
¬p ∨ ¬q kann mit (¬B)∗ abgeleitet werden. Aus der Negation von ¬p ∨ ¬q ist ein
Widerspruch abzuleiten. Da die Annahme ¬(p ∧ q) eine Negation ist, ist es nicht
abwegig, zu versuchen, (p ∧ q) aus ¬(¬p ∨ ¬q) abzuleiten.
135 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
(i) Ableitung einer Einsetzung in Peirce’s Gesetz:
[p ⊃ q]2
3
[¬p]
¬(p ⊃ q)
[(p ⊃ q) ⊃ p]4
p
2
((p ⊃ q) ⊃ p) ⊃ p.
(⊃B)
[p]1
(¬E )
p
((p ⊃ q) ⊃ p) ⊃ p
[¬p]3
(¬B)
q
(⊃E )1
p⊃q
∗ 3
(¬B )
(⊃E )4
Wie kann p aus (p ⊃ q) ⊃ p) abgeleitet werden? p kann nicht mit einer Einf.regel
abgeleitet werden, und für die Anwendung von (⊃ B) auf die temp. Prämisse wird
p ⊃ q benötigt. Als Option für die Beweissuche bleibt, dass p mit (¬B)∗ ableitbar
ist. Gesucht ist also eine Formel B und ihre Negation ¬B. Aus den
temp. Annahmen ¬p und (p ⊃ q) ⊃ p ergibt sich p (und somit ein Widerspruch
zu ¬p), wenn (p ⊃ q) angenommen wird. Diese neue temp. Annahme kann
aufgegeben werden, wenn aus p und ¬p mit (¬E ) die Formel ¬(p ⊃ q) und
damit eine Formel der Gestalt ¬B abgeleitet wird. Die Formel B = p ⊃ q erhält
man dann leicht unter Verwendung der temp. Annahme ¬p.
136 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Die Beispiele (a) – (i) legen folgende Heuristik für die Suche nach Ableitungen in
SN nahe:
Zur Ableitung einer zusammengesetzten Formel A nehme man zunächst an, dass
der letzte Schritt in der Ableitung von A die Einführung des Hauptjunktors von A
ist.
Dieses Vorgehen iteriere man. Wenn schließlich eine atomare Formel p abzuleiten
ist, betrachte man die zur Verfügung stehenden Prämissen und versuche, aus
diesen Formeln durch Anwendung der Beseitigungsregeln für die Hauptjunktoren p
abzuleiten. [(a), (b), (c), (e)]
Wenn diese Strategie nicht zum Ziel führt, versuche man, die Prämissen zu
verwenden, bevor durch sukzessive Anwendung von Einführungsregeln die Formel
A vollständig in atomare Bestandteile zerlegt ist. [(d)]
Ist auch dieses Vorgehen ergebnislos, versuche man, in einem möglichst späten
Schritt der bisherigen erfolglosen Beweissuche durch Anwendung von (¬B)∗ eine
Ableitung zu finden. [(f), (g), (h)]
137 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Ableitungen in SN haben die Gestalt sich maximal dreifach verzweigender
endlicher Bäume, mit der Konklusion als Wurzel. Die obige Ableitung (d)
z.B. hat die folgende Baumstruktur:
r
r
r
r
r
r
r
@
@r
Q
Q
Q
Q
Q
r
r
r
r
@
@r
r
Qr
r
138 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Regeln, die es erlauben, zwischenzeitliche Annahmen aufzugeben,
gestatten die Tilgung dieser Prämissen nur in dem Teilbaum oberhalb der
Regelanwendung. Prämissentilgungen z.B. der Form:
[A]1
A
A
A
[A]1
A
A
A
1
(A ⊃ B)(⊃E )
A
A
C
@@
@
@
@
(A ⊃ B) ∧ C
sind nicht zulässig.
139 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen
Definition
Eine aussagenlogische Formel A heißt ableitbar aus der Prämissenmenge ∆
in SN genau dann, wenn eine endliche Teilmenge Γ von ∆ und eine
Ableitung von A aus Γ in SN existiert. Wenn A aus ∆ ableitbar ist,
schreiben wir ∆ `SN A oder kurz ∆ ` A. A heißt beweisbar in SN genau
dann, wenn ∅ ` A. Wir schreiben stattdessen auch einfach ` A. Eine
Ableitung von A aus ∅ wird auch als Beweis bezeichnet.
140 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Konsistenz und Inkonsistenz
Definition
Eine aussagenlogische Formel A wird erfüllbar genannt gdw A keine
Kontradiktion ist. A wird falsifizierbar genannt gdw A keine Tautologie ist.
Eine Formelmenge ∆ heißt erfüllbar genau dann, wenn ein Modell M
existiert, so dass für jedes A ∈ ∆ gilt: M |= A. Wir schreiben dann auch
M |= ∆.
Wenn eine Formel oder Formelmenge erfüllbar ist, wird sie auch als
semantisch konsistent bezeichnet. Analog werden unerfüllbare (nicht
erfüllbare) Formeln und Formelmengen auch semantisch inkonsistent
genannt. Neben diesen semantischen Begriffen der Konsistenz und
Inkonsistenz gibt es allerdings auch syntaktische, beweistheoretische
Begriffe der Konsistenz und Inkonsistenz.
141 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Konsistenz und Inkonsistenz
Definition
Eine Formemenge ∆, heißt syntaktisch konsistent genau dann, wenn es
keine Formel A gibt, so dass ∆ ` A und ∆ ` ¬A.
Behauptung
Eine Formelmenge ∆ ist syntaktisch konsistent genau dann, wenn es eine
Formel A gibt, so dass ∆ 6` A, d.h. wenn nicht gilt ∆ ` A.
Beweis.
“⇒” Wenn ∆ konsistent ist, dann existiert kein A mit ∆ ` A und ∆ ` ¬A. D.h. für jede
beliebige Formel B gilt entweder ∆ 6` B oder ∆ 6` ¬B. Wenn ∆ 6` B, dann ist B
die gesuchte Formel, ansonsten ¬B.
“⇐” Mit Kontraposition. Wenn ∆ nicht konsistent ist, dann existiert ein A mit ∆ ` A
und ∆ ` ¬A. Dann ist mit der ¬ -Beseitigungsregel (¬B) jede Formel aus ∆
ableitbar. D.h. es gibt keine Formel A mit ∆ 6` A.
q.e.d.
q.e.d.
142 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Konsistenz und Inkonsistenz
Behauptung
Wenn ∆ 6` A, dann ist ∆ ∪ {¬A} syntaktisch konsistent.
Beweis. Wenn ∆ ∪ ¬A syntaktisch inkonsistent ist, dann gibt es eine
Formel B mit ∆ ∪ {¬A} ` B und ∆ ∪ {¬A} ` ¬B. Aber dann ist A aus ∆
ableitbar:
∆, [¬A]1 ∆, [¬A]1
..
..
..
..
¬B
B
(¬B)∗ 1
A
q.e.d.
Die Gegenrichtung gilt ebenfalls, wie leicht durch Anwendung von (¬B)
gezeigt werden kann. Wir werden später sehen, dass eine Formelmenge
genau dann semantisch konsistent ist, wenn sie syntaktisch konsistent ist.
143 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Ableitungsregeln für die Äquivalenz
Das Beweissystem SN enthält keine Einführungs- und Beseitigungsregeln
für die Äquivalenz. Das ist kein gravierendes Defizit, da die Äquivalenz ein
definierbarer Junktor ist.
Andererseits lassen sich leicht Einführungs- und Beseitigungsregeln für die
Äquivalenz formulieren:
∆, [B] Γ, [A]
..
..
..
..
A
B (≡ E )
(A ≡ B)
∆
..
..
A
Γ.
..
.
(A ≡ B)
(≡ B)
B
∆
..
..
B
Γ.
..
.
(A ≡ B)
(≡ B)
A
144 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von SN
Satz
Das Beweissystem SN ist korrekt bezüglich der Klasse aller
aussagenlogischen Modelle: ∆ `SN A impliziert ∆ |= A.
Beweis. Mit Induktion über den Aufbau der Ableitungen. Jede Formel A ist
eine Ableitung von A aus {A}, und offensichtlich gilt {A} |= A. Es ist noch
zu zeigen, dass jede Ableitungsregel von logisch gültigen
Schlussfolgerungen zu einer logisch gültigen Schlussfolgerung führt. Das ist
aber, wie man leicht sieht, der Fall.
q.e.d.
145 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von SN
Lemma
Angenommen, A und B sind aussagenlogische Formeln in disjunktiver Normalform
(DNF). Dann gilt:
1. A ∧ B ist wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF;
2. ¬A ist wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF;
3. A ⊃ B ist wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF;
4. A ≡ B ist wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF.
Aus diesem Lemma folgt:
Lemma
Jede aussagenlogische Formel ist wechselseitig ableitbar mit einer Formel
in DNF.
146 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von SN
Beweis. 1. Mit Induktion über den Aufbau von A ∧ B.
Basisschritt. A und B sind beide Aussagebuchstaben. Dann befindet sich A ∧ B in
DNF.
Aufbauschritt. A und B sind nicht beide Aussageb. aber Basiskonj.
(Fall (i)) oder mindestens eine der zwei Formeln ist keine Basiskonj., sondern eine
Disjunktion aus Formeln in DNF (Fall (ii)).
(i). Wenn A und B beides Basiskonj. sind, dann ist A ∧ B in DNF.
(ii). Sei A keine Basiskonjunktion. Dann hat A die Gestalt C ∨ D, wobei C und D
sich in DNF befinden. Die folgenden Formeln sind wechselseitig ableitbar:
(C ∨ D) ∧ B
(C ∧ B) ∨ (D ∧ B)
Mit der Induktionsannahme ist sowohl (C ∧ B) als auch (D ∧ B) wechselseitig
ableitbar mit einer (nicht notwendigerweise derselben) Formel in DNF. Damit ist
(C ∧ B) ∨ (D ∧ B) wechselseitig ableitbar mit einer Disjunktion aus Formeln in
DNF und damit wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF. Schließlich ist
damit auch (C ∨ D) ∧ B wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF.
Der Fall, dass B keine Basiskonjunktion ist, ist ähnlich.
147 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von SN
2. Mit Induktion über den Aufbau von A.
Basisschritt. Wenn A ein Aussagebuchstabe ist, dann ist ¬A in DFN.
Aufbauschritt. A hat die Gestalt (i) ¬C , oder (ii) C ∨ D oder (iii) C ∧ D.
(i). ¬C ist nur dann in DNF, wenn C ein Aussagebuchstabe ist. Die Formel ¬¬C
ist wechselseitig ableitbar mit C .
(ii) C ∨ D ist nur dann in DNF, wenn sowohl C als auch D in DNF ist. Mit der
Induktionsann. sind sowohl ¬C als auch ¬D wechsels. ableitbar mit Formeln in
DNF (d.h. die Vorauss. des Lemmas ist erfüllt). Die Formel ¬(C ∨ D) ist
wechsels. ableitbar mit ¬C ∧ ¬D, und letztere Formel ist mit Beh. 1. des Lemmas
wechselseitig ableitbar mit einer Formel in DNF.
(iii) C ∧ D befindet sich nur dann in DNF, wenn C und D Basiskonj. und damit
Formeln in DNF sind. Mit der Induktionsann. sind sowohl ¬C als auch ¬D
wechsels. ableitbar mit Formeln in DNF. Damit ist auch ¬C ∨ ¬D wechselseitig
ableitbar mit einer Disjunktion aus Formeln in DNF, und damit ist ¬C ∨ ¬D
wechsels. ableitbar mit einer Formel in DNF. Aber ¬C ∨ ¬D ist
wechsels. ableitbar mit ¬(C ∧ D).
3. und 4.: Mit Induktion ber den Aufbau von A ⊃ B bzw. A ≡ B.
q.e.d.
148 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von SN
Satz
(Theoremvollständigkeit) Wenn ∅ |= A, dann ∅ `SN A.
Beweis. Angenommen, jedes aussagenlogische Modell v ist ein Modell von
A, d.h. V (A) = W für jede Belegung v . Es existiert eine Formel B in
DNF, die wechselseitig ableitbar ist mit ¬A. Da angenommen wird, dass A
eine Tautologie ist, und da SN korrekt ist, ist B kontradiktorisch. Da B
sich in DNF befindet, enthält jede maximale Basiskonjunktion in B einen
Aussagebuchstaben p und dessen Negation ¬p. Durch Anwendungen der
Regeln (∧B) und (¬B) ist damit aus jeder maximalen Basiskonjunktion
für eine bestimmte Formel C , (C ∧ ¬C ) ableitbar. Damit ist aus B mit
Hilfe von (∨B) die Formel (C ∧ ¬C ) ableitbar. Da B aus ¬A ableitbar ist,
ist (C ∧ ¬C ) aus ¬A ableitbar. Mit der Regel (¬B)∗ erhalten wir ∅ `SN A.
q.e.d.
149 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Korrektheit und Vollständigkeit von SN
Satz
(Kompaktheit) Wenn ∆ |= A, dann existiert eine endliche Teilmenge Γ von
∆, so dass Γ |= A.
Satz
((starke) Vollständigkeit) Wenn ∆ |= A, dann ∆ `SN A.
Beweis. Angenommen ∆ |= A. Mit dem Kompaktheitssatz folgt A gültig
aus endlich vielen A1 , A2 , . . . , An aus ∆. Dann gilt
∅ |= A1 ⊃ (A2 ⊃ (. . . ⊃ A) . . .). Aufgrund der Theoremvollst. folgt
∅ `SN A1 ⊃ (A2 ⊃ (. . . ⊃ A) . . .).
Eine n-fache Anwendung der Implikationsbes.regel liefert:
{A1 , . . . , An } `SN A
und damit ∆ `SN A.
q.e.d.
150 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Kompaktheit
Behauptung
∆ |= A genau dann, wenn ∆ ∪ {¬A} nicht erfüllbar ist.
Beweis.
“⇐” Mit Kontraposition. Angenommen ∆ 6|= A. Dann gibt es ein Modell M mit
M |= ∆ und M 6|= A. Letzteres impliziert M |= ¬A. M.a.W., M |= ∆ ∪ {¬A}.
“⇒” Mit Kontraposition. Angenommen, es gibt ein Model M mit
M |= ∆ ∪ {¬A}. Dann gilt M |= ∆ und M 6|= A, und somit ∆ 6|= A.
q.e.d.
Angenommen, wenn jede endliche Teilmenge einer Formelmenge ∆ erfüllbar ist,
dann ist ∆ erfüllbar. Wenn nun ∆ |= A, dann ist ∆ ∪ {¬A} unerfüllbar und damit
gilt für jedes endliche Γ ⊆ ∆: Γ ∪ {¬A} ist unerfüllbar, d.h., Γ |= A.
151 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Kompaktheit
Beweis des Kompatkheitssatzes. Es genügt es zu zeigen:
Wenn jede endliche Teilmenge einer Formelmenge ∆ erfüllbar ist, dann ist ∆
erfüllbar.
Sei vn eine Funktion, die den ersten n (n ≥ 1) Aussagebuchstaben aus der Folge
p0 , p1 , p2 , . . . einen der Werte W oder F zuordnet. v0 = ∅. Die Eigenschaft E von
vn sei wie
folgt definiert:
E (vn )
gdw
Für jedes endliche Γ ⊆ ∆ existiert ein Modell
v , das mit vn in der Zuordnung von Wahrheitswerten zu p0 , p1 , . . . , pn−1 übereinstimmt
und v |= Γ
E (v0 ) besagt: Für jedes endliche Γ ⊆ ∆ existiert ein Modell v mit v |= Γ.
152 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Kompaktheit
Angenommen, wir haben vn mit E (vn ) konstruiert. Wir konstruieren vn+1 mit
E (vn+1 ) wie folgt. Wenn vn ∪ {(pn , W)} die Eigenschaft E besitzt, setzen wir
vn+1 = vn ∪ {(pn , W)}. Ansonsten setzen wir vn+1 = vn ∪ {(pn , F)} und zeigen
(*): dass vn+1 = vn ∪ {(pn , F)} die Eigenschaft E hat, wenn vn+1 = vn ∪
{(pn , W)} die Eigenschaft E nicht besitzt.
(*): Sei vn+1 = vn ∪ {(pn , W)} und gelte E (vn+1 ) nicht. Dann existiert eine
endl. Teilmenge Θ von ∆, wobei für jedes Modell v , das mit vn+1 übereinstimmt
gilt (**) v 6|= Θ. Sei Ψ eine beliebige endl. Teilmenge von ∆. Da Θ ∪ Ψ endlich
ist und E (vn ) gilt, existiert ein Modell v 0 , das mit vn (in der Zuordnung von
Wahrheitsw. zu p0 , p1 , . . . , pn−1 ) übereinstimmt und für das gilt: v 0 |= Θ ∪ Ψ.
Angenommen, v 0 (pn ) = W. Dann stimmt v 0 mit vn+1 überein und v 0 |= Θ:
Widerspruch zu (**). D.h., v 0 (pn ) = F, und für vn+1 = vn ∪ {(pn , F)} stimmt v 0
mit vn+1 in der Zuordnung von Wahrheitsw. zu p0 , p1 , . . . , pn überein, und es gilt
v 0 |= Ψ. Aber Ψ war eine beliebige Teilmenge von ∆. D.h., für jedes endl. Ψ ⊆ ∆
existiert ein Modell v 0 , das mit vn+1 in der Zuordnung von Wahrheitsw. zu
p0 , p1 , . . . , pn übereinstimmt und so dass gilt v 0 |= Ψ. M.a.W., E (vn+1 ).
153 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Kompaktheit
Wir können also eine Folge v0 , v1 , v2 , . . . konstruieren, so dass für jedes vn
gilt E (vn ) und vn+1 stimmt mit vn in der Zuordnung von Wahrheitswerten
zu p0 , p1 , . . . , pn−1 überein. Sei nun
v=
[
vn (= {a | a ∈ vn für mindestens ein n ∈ N}).
n∈N
Die Funktion v stimmt also mit allen vn in der Zuordnung von
Wahrheitswerten überein. Es zeigt sich, dass v |= ∆. Sei A irgendein
beliebiges Element von ∆. Sei pm derjenige Aussagebuchstabe in A mit
dem höchsten Index. Da E (vm+1 ) und v mit vm+1 in der Zuordnung von
Wahrheitswerten zu p0 , p1 , . . . , pm übereinstimmt, gilt v |= Γ für jedes
endliche Γ ⊆ ∆. Da {A} endlich ist, gilt v |= A, und da A ein beliebiges
gewähltes Element von ∆ ist, gilt v |= ∆.
q.e.d.
154 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Prädikatenlogik
Beispiele:
Aristotelische Syllogismen:
Jeder Parlamentarier ist intelligent.
Max ist Parlamentarier.
Max ist intelligent
Jeder P ist I .
m ist P.
m ist I .
Kein Professor ist vergesslich.
Arthur ist vergesslich.
Arthur ist kein Professor.
155 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Prädikatenlogik
Beispiele für Zuschreibungen von Eigenschaften und Beziehungen:
P 1 (a)
S 2 (p, m)
S 2 (m, p)
L2 (p, p)
L2 (p, p)
Z 3 (a, l, b)
Arthur ist Parlamentarier.
Peter sucht Marie.
Marie sucht Peter.
Peter liebt Peter.
Peter liebt sich selbst.
Amsterdam liegt zwischen London
und Berlin.
156 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Natürliche Sprache
Prädikatenlogische Sprache
Eigennamen
- Erik, Marie, Hans
Individuenkonstanten
- e, m, h
Verben, Prädikate
- . . . ist klug, . . . lacht
- . . . liebt−−− , . . . sucht−−−
- . . . liegt zwischen−−− und ∗∗∗
Prädikatsymbole
- K 1 , L1 , einstellig
- L2 , S 2 , zweistellig
- L3 , dreistellig
funktionale Ausdrücke
- die Hauptstadt von . . .
- der einzige Sohn von . . . und
Funktionssymbole
- h1 , einstellig
- s 2 , zweistellig
−−−
natürlichsprachliche Quantoren
- alle, jeder, jedes Ding
- ein, einige, irgendein, jemand, etwas
Quantoren
-∀
-∃
Individuenvariablen
- x, y , z
157 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Wenn die Stelligkeit von Prädikatsymbolen (Relationsausdrücken) klar ist,
schreiben wir statt R n (t1 , . . . , tn ) oft auch einfach R(t1 , . . . , tn ).
Sprachliche Ausdrücke vom syntaktischen Typ der Eigennamen heißen
Terme. Es gibt natürlichsprachliche Terme, die keine echten Eigennamen
sind:
“Maries Mutter”, “die Hauptstadt von Frankreich”
“das Fahrrad von Peters Mutter”
f 1 (m1 (p))
Quantoren:
- der Allquantor
- der Existenzquantor
∀
∀x
∃
∃x
“für jedes Objekt”
“für jedes Objekt x”
“es gibt mindestens ein
Objekt”
“es gibt mindestens ein
Objekt x”
158 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Beispiele:
(1)
Alles ist intelligent.
∀x I 1 (x)
(2)
Jeder Delphin ist intelligent.
∀x (D 1 (x) ⊃ I 1 (x))
(3)
Es gibt etwas intelligentes.
∃x I 1 (x)
(4)
Es gibt einen intelligenten Professor.
∃x (I 1 (x) ∧ P 1 (x))
(5)
Jemand sucht jemanden.
∃x ∃y S 2 (x, y )
(6)
Einige Menschen sind nett.
∃x (M(x) ∧ N(x))
159 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Beispiele:
(7)
Alle Delphine sind Fische.
∀x (D(x) ⊃ F (x))
(8)
Es gibt Menschen, die nicht nett sind.
∃x (M(x) ∧ ¬N(x))
(9)
Kein Politiker lügt.
¬∃x (P(x) ∧ L(x))
(10)
Jemand sucht sich selbst.
∃x S(x, x)
(11)
Jeder Mann liebt irgendeine Frau.
∀x (M(x) ⊃ ∃y (F (y ) ∧ L(x, y )))
(12)
Es gibt einen Mann, der von jeder Frau geliebt wird.
∃x (M(x) ∧ ∀y (F (y ) ⊃ L(y , x)))
160 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Was ist die Rolle der Individuenvariablen?
Wozu brauchen wir Individuenvariablen?
Unterscheidung von Aktiv- und Passivkonstruktionen
∃x∀yL(x, y ) versus ∃x∀yL(y , x)
Übersetzung von Sätzen mit Reflexivpronomia
∃xL(x, x)
Übersetzung von Relativsätzen
∃x (M(x) ∧ ¬N(x))
allgemein: Offenlegung von Quantifikationsmustern.
161 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Beispiele:
Jeder Mann liebt irgendeine Frau.
Jeder Mann wird von
irgendeiner Frau geliebt.
∀x (M(x) ⊃ ∃y (F (y) ∧ L(x, y)))
∀x (M(x) ⊃ ∃y (F (y) ∧ L(y, x)))
∀ (M( ) ⊃ ∃ (F ( ) ∧ L( , )))
∀ (M( ) ⊃ ∃ (F ( ) ∧ L( , )))
Individuenvariablen sind Platzhalter, die angeben, auf welche
Argumentstellen von Prädikat- und Funktionssymbolen sich Quantoren
beziehen.
162 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Das Alphabet der Sprache der Prädikatenlogik
Definition
Das Alphabet der Sprache der Prädikatenlogik besteht aus:
abzählbar unendlich vielen Individuenkonstanten:
a, b, c, . . . , r , s a1 , a2 , a3 , . . .
Prädikatsymbolen: An , An1 , An2 , An3 , . . .
Funktionssymbolen:
f n , f1n , f2n , f3n , . . .
den logischen Symbolen:
g n , g1n , g2n , . . .
¬, ∧, ∨, ⊃, ≡, ∃, ∀
Individuenvariablen: x, y , z
Hilfszeichen:
B n , B1n , B2n , . . .
x1 , x2 , . . .
(, ) und das Komma
dem Identitätssymbol (einem gesondert aufgeführten zweistelligen
Prädikatsymbol): =
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Terme der Sprache der Prädikatenlogik
Definition
Die Menge der Terme der Sprache der Prädikatenlogik ist wie folgt
induktiv definiert:
(i) Alle Individuenvariablen und –konstanten sind Terme.
(ii) Wenn f k ein k-stelliges Funktionssymbol ist und t1 , . . . , tk Terme
sind, dann ist auch f k (t1 , . . . , tk ) ein Term.
(iii) Nichts anderes ist ein Term.
Ein Term, in dem keine Variablen vorkommen, heißt geschlossen. Wir
verwenden die Symbole t1 , t2 , t3 , . . . als (metasprachliche) Variablen für
Terme.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Die Formeln der Sprache der Prädikatenlogik
Definition
Die Menge der Formeln der Sprache der Prädikatenlogik ist wie folgt
induktiv definiert:
(i) Wenn P n ein n-stelliges Prädikatsymbole ist und t1 , . . . , tn Terme
sind, dann ist P n (t1 , . . . , tn ) eine Formel.
(ii) Wenn t1 und t2 Terme sind, dann ist (t1 = t2 ) eine Formel.
(iii) Wenn A und B Formeln sind, dann sind auch ¬A,
(A ⊃ B), (A ∧ B), (A ∨ B), (A ≡ B) Formeln.
(iv) Wenn A eine Formel und x eine Individuenvariable ist, dann sind ∃xA
und ∀xA Formeln.
(v) Nichts anderes ist eine Formel.
Formeln der Gestalt P n (t1 , . . . , tn ) und (t1 = t2 ) heißen atomare Formeln.
165 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Prädikatenlogische Sprachen werden z.B. dadurch erhalten, dass nur eine
gewisse endliche Anzahl von Prädikat- und Funktionssymbolen mit
bestimmter Stelligkeit verwendet wird.
Eine prädikatenlogische Sprache L wird durch ihre Signatur σ(L)
festgelegt. Eine Signatur gibt an, wieviele Relationssysmbole und
Funktionssymbole welcher Stelligkeit und wieviele Individuenkonstanten in
L verwendet werden. Werden in einer Sprache L z.B. nur zwei zweistellige
Relationssymbole, ein einstelliges Funktionssymbol und drei
Individuenkonstatnen verwendet, ist die Signatur σ(L) = (2,2;1;3). Die
Interpretation der Relationssysmbole, Funktionssymbole und
Individuenkonstanten kann von Modell zu Modell variieren.
166 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Definition
Der Bereich (Skopus) des anfänglichen Vorkommens des Allquantors ∀ in
∀xA (des Existenzquantors ∃ in ∃xA) ist die Symbolreihe xA.
Ein Vorkommnis einer Variablen x in einer prädikatenlgischen Formel A
heißt frei, wenn dieses Vorkommnis von x nicht im Bereich eines
Vorkommnisses eines Quantors ∀ oder ∃ liegt. Ansonsten wird das
Vorkommnis von x als (durch ∀ oder ∃) gebunden bezeichnet.
Wenn x in A frei (gebunden) vorkommt, dann heißt x freie (gebundene)
Variable von A.
Eine prädikatenlogische Formel heißt offen, wenn sie mindestens eine freie
Variable enthält, ansonsten heißt sie geschlossen. Eine geschlossene Formel
wird gelegentlich auch als Satz bezeichnet.
167 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Beispiele:
Formel
∀y L(x, y )
∀x (M(x) ⊃ ∃y L(x, y ))
∀x M(x) ⊃ ∃y L(x, y )
freie Var.
x
keine
x
wahrheitsfähig
nein, da offen
ja, da geschlossen
nein
Wir schreiben A(x1 , . . . , xn ), um mitzuteilen, dass die Formel A die
Variablen x1 , . . . , xn als freie Variablen enthält.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Übersetzungen in die Prädikatenlogik
Definition
Geschlossene Formeln vom Typ ∀xA(x) heißen Allbehauptungen,
Geschlossene Formeln vom Typ ∃xA(x) Existenzbehauptungen.
Existenzbehauptungen, in denen der Bereich der Objekte, über die eine
Existenzbehauptung gemacht wird, eingeschränkt wird, sind verdeckte
Konjunktionen.
Beispiel: Einige Menschen sind sterblich. 7→ ∃x(M(x) ∧ S(x))
Semantische Erklärung: Wenn das Prädikatsymbol M interpretiert wird als die
Menge aller Menschen (= I(M)), d.h., wenn dem Ausdruck M die Menge aller
Menschen als bezeichneter Gegenstand zugeordnet wird, und wenn S interpretiert
wird als die Menge der sterblichen Objekte (= I(S)), dann besagt “Einige
Menschen sind sterblich” offenbar, dass die Menge der Objekte, die menschlich
und sterblich sind, nicht leer ist:
I(M) ∩ I(S) = {x | x ∈ I(M) und x ∈ I(S)} =
6 ∅
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Eine Einführung in die klassische Logik
Übersetzungen in die Prädikatenlogik
Allbehauptungen, in denen der Bereich der Objekte, über die eine
Allbehauptung gemacht wird, eingeschränkt wird, sind verdeckte
Implikationen.
Beispiel: Alle Menschen sind sterblich. 7→ ∀x(M(x) ⊃ S(x))
Semantische Erklärung: Wenn das Prädikatsymbol M interpretiert wird als
die Menge aller Menschen (= I(M)), d.h., wenn dem Ausdruck M die
Menge aller Menschen als bezeichneter Gegenstand zugeordnet wird, und
wenn S interpretiert wird als die Menge der sterblichen Objekte (= I(S)),
dann besagt “Alle Menschen sind sterblich” offenbar, dass jedes Objekt
sterblich ist, wenn es menschlich ist:
I(M) ⊆ I(S)
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Eine Einführung in die klassische Logik
Desambiguierung durch Übersetzung
Jeder Mann liebt eine Frau.
+
Jeder Mann liebt irgendeine Frau.
∀x (M(x) ⊃ ∃y (F (y ) ∧ L(x, y )))
Q
Q
Q
s
Q
Es gibt eine Frau, die
jeder Man liebt.
∃y (F (y ) ∧ ∀x (M(x) ⊃ L(x, y )))
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Eine Einführung in die klassische Logik
Übersetzungen in die Prädikatenlogik
Frage: Bedeuten in den folgenden Paaren von Formeln (a) und (b) intuitiv
jeweils dasselbe?
(a) ∀x (M(x) ⊃ ∃y L(x, y )) (b) ∀x (M(x) ⊃ ∃z L(x, z))
(a) ∀x (M(x) ⊃ ∃y L(x, y )) (b) ∀x (M(x) ⊃ ∃x L(x, x))
(a) ∀x M(x) ⊃ ∃y L(a, y )
(b) ∀x M(x) ⊃ ∃x L(a, x)
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Eine Einführung in die klassische Logik
Übersetzungen in die Sprache der Prädikatenlogik
Es gibt einen Typus von Sätzen natürlicher Sprachen, die, obschon sie auf
den ersten Blick unauffällig und unkompliziert zu sein scheinen, nicht der
Oberflächensyntax folgend angemessen in prädikatenlogische Formeln
übersetzbar sind. Diese Sätze heißen Eselssätze, weil die meistdikutierten
Beispiele für derartige Sätze Variationen auf folgende Beispiele sind:
Wenn eine Bäuerin einen Esel besitzt, dann schlägt sie ihn.
Eine Bäuerin, die einen Esel besitzt, schlägt ihn.
Die Übersetzungsprobleme mit diesen Sätzen entstehen durch die
anaphorische Verwendung von Personalpronomina. Hier ist ein etwas
einfacheres Beispiel, in dem nur ein Personalpronomen anaphorisch
verwendet wird.
(*) Wenn jemand von Rudolf beeinflusst wird, wird er
von Bertrand beinflusst.
173 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Übersetzungen in die Sprache der Prädikatenlogik
Die folgenden Übersetzungen sind inadäquat:
1. ∃xB(r , x) ⊃ B(b, x)
2. ∃x(B(r , x) ⊃ B(b, x))
3. ∃xB(r , x) ⊃ ∃xB(b, x)
Formel 1. ist eine offene Formel und deshalb kein deklarativer Ausdruck,
wohingegen (*) jedoch ein Deklarativsatz ist.
Die geschlossene Formel 2. ist eine Existenzbehauptung, aber (*) ist keine
Existenzbehauptung sondern eine Implikation.
Übersetzung 3. ist sowohl geschlossen als auch eine Implikation, aber trotzdem
keine angemessene Übersetzung von (*), weil 3. soviel besagt wie Wenn jemand
von Rudolf beeinflusst wird, dann wird jemand von Bertrand beeinflusst. Der
Rückbezug von er auf das durch den Quantor jemand als existent eingeführte
Individuum wird durch 3. nicht erfasst.
Korrekt ist offenbar die folgende, den Allquantor verwendende Übersetzung:
∀x(B(r , x) ⊃ B(b, x)).
174 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Prädikatenlogische Formeln werden interpretiert in Strukturen
D = hD, R, Oi,
wobei
D ein nicht-leerer Individuenbereich ist, d.h. eine nicht-leere Menge von
Gegenständen (alias Objekten, Individuen)
R eine Menge von Relationen zwischen Objekten aus D ist und
O eine Menge von Operationen (d.h. Funktionen) ist, die auf D definiert
sind.
Falls D unendlich ist heißt auch D unendlich.
175 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Prädikatenlogische Formeln werden in einer Struktur hD, R, Oi
interpretiert durch eine Interpretationsfunktion I:
I ordnet jeder Individuenkonstante a genau ein Objekt I(a) ∈ D zu,
I ordnet jedem einstelligen Prädikatsymbol P 1 eine
Teilmenge von D zu (die Objekte mit der durch P 1
bezeichneten Eigenschaft). I(P 1 ) ⊆ D,
I ordnet jedem k-stelligen Prädikatsymbol P k (k > 1) eine k-stellige
Relation zu (die Menge der k-Folgen von
Objekten, die in der durch P k bezeichneten Relation
zueinander stehen). I(P k ) ⊆ D k ,
I ordnet jedem k-stelligen Funktionssymbol f k eine
k-stellige Funktion zu, die über D definiert ist.
176 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Einstellige Prädikatsymbole, d.h., Ausdrücke zur Bezeichnung von
Eigenschaften, werden durch Mengen interpretiert. Eigenschaften werden
als Mengen aufgefasst. (Dies wird auch die extensionale Auffassung von
Eigenschaften genannt.) Allgemein werden n-stellige Prädikatsymbole,
d.h., Ausdrücke zur Bezeichnung n-stelliger Beziehungen, durch Mengen
von n-Tupeln interpretiert. (Mengen werden als einstellige Relationen
aufgefasst.)
Definition
Ein Paar M = hD, Ii wird ein prädikatenlogisches Modell genannt.
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Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Wenn die Menge der Relationen, der Operationen und der Funktionen
einer Struktur jeweils endlich ist und wenige Elemente enthält, werden
diese Elemente auch explizit aufgelistet.
Beispiele:
D = hN, <, +i
Diese Struktur ist geeignet, um eine zweistelliges Prädikatsymbol P und
ein zweistelliges Funktionssymbol f zu interpretieren. I(P) = <, I(f ) =
die Additionsoperation über N.
D = hFamilie Müller, {x | x wohnt in Bochum},
{hx, y i | x ist Mutter von y }, {hx, y i | x ist Bruder von y }i
Diese Struktur ist geeignet, um ein einstelliges und zwei zweistellige
Prädikatsymbole zu interpretieren.
178 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Gesucht ist eine Wahrheitsdefinition für prädikatenlogische Formeln, die
das Kompositionalitätsprinzip erfüllt.
Beispiel: Die Wahrheit von ∃xP(x) in einem Modell hängt allein und
eindeutig ab von der Wahrheit von P(x) in dem Modell.
Aber: P(x) ist eine offene Formel, und x bezeichnet nichts.
Lösung des Problems: Tarskis Wahrheitsdefinition
Da Individuenvariablen nichts bezeichnen, werden für jedes Modell
‘Hilfsinterpretationen’ der Variablen eingeführt, so dass relativ zu einer
solchen Hilfsinterpretation jede Variable ein Objekt aus dem
Individuenbereich denotiert.
179 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Definition
Eine Belegung α in D ist eine Funktion, die jeder Individuenvariable x ein
Objekt α(x) ∈ D zuordnet.
Mit α[d/x] (lies: “α mit d für x”) bezeichnen wir diejenige Belegung, die
sich von α höchstens dadurch unterscheidet, dass der Variablen x das
Objekt d zugeordnet wird.
Mit Hilfe von I und einer Belegung α können wir jetzt zunächst
definieren, was der semantische Wert eines beliebigen Terms t in einem
prädikatenlgischen Modell M unter der Belegung α ist. Wir schreiben
dafür:
VM,α (t).
180 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Definition
Sei M = hD, Ii ein Modell und α eine Belegung in D. Der semantische
Wert von Termen ist wie folgt induktiv definiert:
VM,α (x) = α(x), für Individuenvariablen x,
VM,α (b) = I(b), für Individuenkonstanten b,
VM,α (f (t1 , . . . , tn )) = I(f )(VM,α (t1 ), . . . , VM,α (tn )).
Beispiel:
Sei M = hD, Ii ein Model, D = hN, +i, I(f ) = die Addition über N, und
I(a) = 3. Sei α eine Belegung in D mit α(x) = 9. Dann gilt:
VM,α (f (x, a))
= I(f )(VM,α (x), VM,α (a))
= I(f )(α(x), I(a))
= +(9, 3)
= 9 + 3 = 12
181 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Definition
Sei M = hD, Ii ein Modell und α eine Belegung in D. Der Wahrheitswert
einer prädikatenlogischen Formel in M unter der Belegung α ist wie folgt
induktiv definiert:
(i) VM,α (P(t1 , . . . , tn )) = W gdw
I(P)(VM,α (t1 ), . . . , VM,α (tn )),
VM,α ((t1 = t2 )) = W gdw VM,α (t1 ) = VM,α (t2 ),
(ii) VM,α (¬A) = W
gdw VM,α (A) = F ,
(iii) VM,α (A ∧ B) = W
gdw
(iv) VM,α (∃xA) = W gdw
VM,α[d/x] (A) = W ,
VM,α (A) = VM,α (B) = W ,
es gibt ein d ∈ D, so dass
(v) VM,α (∀xA) = W gdw für alle d ∈ D gilt: VM,α[d/x] (A) = W .
Anstelle von VM,α (A) = W schreiben wir auch M, α |= A.
182 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Beispiel: Sei M = hD, Ii ein Model mit D = hN, <i und I(R) = <. Sei α eine
Belegung in D mit α(y ) = 5. Dann gilt:
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
M, α |= ∀x(R(y , x) ⊃ ∃zR(x, z))
für alle n ∈ N : M, α[n/x] |= (R(y , x) ⊃ ∃zR(x, z))
für alle n ∈ N : (wenn M, α[n/x] |= R(y , x), dann
M, α[n/x] |= ∃zR(x, z))
für alle n ∈ N : (wenn I(R)(VM,α[n/x] (y ), VM,α[n/x] (x)),
dann existiert m ∈ N, mit M, α[n/x][m/z] |= R(x, z))
für alle n ∈ N : (wenn < (5, VM,α[n/x] (x)), dann
existiert m ∈ N, mit
I(R)(VM,α[n/x][m/z] (x), VM,α[n/x][m/z] (z)))
für alle n ∈ N : (wenn < (5, VM,α[n/x] (x)), dann
existiert m ∈ N, mit < (n, m))
für alle n ∈ N : (wenn 5 < n, dann existiert m ∈ N, mit n < m)
∀x(R(y , x) ⊃ ∃zR(y , z)) ist wahr in M unter α:
M, α |= ∀x(R(y , x) ⊃ ∃zR(y , z)).
183 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Für alle Modelle M = hD, Ii und Belegungen α in D gilt:
M, α |= ∀xA ≡ ¬∃x¬A
M, α |= ∃xA ≡ ¬∀x¬A
Definition
Eine prädikatenlogische Formel A heißt gültig in einem Modell
M = hD, Ii (symbolisch M |= A) genau dann, wenn A wahr ist in M
unter jeder Belegung in D. Die Formel A heißt allgemeingültig (symbolisch
|= A) genau dann, wenn A gültig ist in jedem prädikatenlogischen Modell.
Definition
Zwei prädikatenlogische Formeln A und B heißen logisch äquivalent genau
dann, wenn |= A ≡ B.
184 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Eine Übersetzung des Syllogismus
Alle Menschen sind sterblich.
Platon ist ein Mensch.
Platon ist sterblich.
in prädikatenlogisches Vokabular macht eine Sprache L mit Signatur
σ(L) = (1, 1; −; 1) erforderlich.
In prädikatenlogischen Formeln lässt sich die Schlussfolgerung als
∀ x(M(x) ⊃ S(x)), M(a) / S(a)
übersetzen. Diese Schlussfolgerung ist gültig genau dann, wenn
((∀ x(M(x) ⊃ S(x)) ∧ M(a)) ⊃ S(a)) allgemeingültig ist.
185 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Sei M ein Modell passend zur Signatur σ(L) mit M =
(D, {I(S), I(M)}, ∅, I), wobei I(a) ∈ D und I(S), I(M) ⊆ D. Die Wahl
der Belegung β ist irrelevant, da es sich bei der betrachteten Formel um
einen Satz handelt. Dann gilt:
M, β|=((∀ x(M(x) ⊃ S(x)) ∧ M(a)) ⊃ S(a))
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
[wenn M, β|=∀ x(M(x) ⊃ S(x)) und M, β|=M(a)], dann M, β|=S(a)
[wenn für alle d ∈ D gilt, falls M, β[d/x]|=M(x), dann M, β[d/x]|=S(x),
und I(a) ∈ I(M)], dann I(a) ∈ I(S)
[wenn für alle d ∈ D gilt, falls β[d/x](x) ∈ I(M), dann β[d/x](x) ∈ I(S),
und I(a) ∈ I(M)], dann I(a) ∈ I(S)
[wenn für alle d ∈ D gilt, falls d ∈ I(M), dann d ∈ I(S), und I(a) ∈ I(M)],
dann I(a) ∈ I(S)
[wenn I(M) ⊆ I(S) und I(a) ∈ I(M)], dann I(a) ∈ I(S)
186 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Die letzte Aussage ist offensichtlich gültig unabhängig von dem gewählten
Modell, d.h. unabhängig von der Interpretation der auftretenden
Relationssymbole und Konstanten. Es handelt sich um eine
allgemeingültige Formel, also ist der betrachtete Syllogismus eine gültige
Schlussfolgerung.
Ein weiteres Beispiel: Die Signatur der Sprache ist σ(L) = (2; 2; −). Ein
Modell M sei mit M = (N, {<},{+}, I) gegeben, wobei I(R) = < (=
{(x, y )|x < y } ⊆ N × N) und I(f ) = + (= {(x, y )|x + y ∈ N}) und I(a)
= 0. Für die Belegung β gelte β(z) = 4.
187 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Dann kann die folgende Formel in M unter β ausgewertet werden.
M, β|=∀ x(R(z, x) ⊃ ∃ yR(x, f (z, y )))
gdw
gdw
gdw
gdw
für alle d ∈ D, wenn M, β[d/x]|=R(z, x), dann M, β[d/x]|=∃ yR(x, f (z, y ))
für alle d ∈ D, wenn I(R)(β[d/x](z), β[d/x](x)), dann existiert d 0 ∈ D mit
M, β[d/x][d 0 /y ]|=R(x, f (z, y ))
für alle d ∈ D, wenn 4 < d, dann existiert d 0 ∈ D mit
I(R)(β[d/x][d 0 /y ](x), I(f )(β[d/x][d 0 /y ](z), β[d/x][d 0 /y ](y ))
für alle d ∈ D, wenn 4 < d, dann existiert d 0 ∈ D mit d < 4 + d 0
Diess Aussage in wahr M unter β. Sie ist aber in M auch unter jeder
Belegung von z wahr, so dass ∀ x(R(z, x) ⊃ ∃ yR(x, f (z, y ))) in M gültig
ist. Die Formel ist jedoch nicht allgemeingültig. Im Modell M0 =
(N, {<}, {−}, I) mit I(f )(x, y ) = x − y ist sie falsch, da die Aussage,
dass für alle d ∈ D, wenn β(z) < d, dann existiert d 0 ∈ D mit
d < β(z) − d 0 , für mindestens eine Belegung β falsch ist. In M0 ist sie
sogar für alle Belegungen falsch.
188 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Sei M = hD, Ii ein Modell. Eine geschlossene Formel A ist wahr in M
unter jeder Belegung in D genau dann, wenn A wahr ist in M unter einer
Belegung in D.
Behauptung
Sei M = hD, Ii, seien x1 , . . . , xn die freien Variablen der
prädikatenlogischen Formel A, und seien α und β zwei Belegungen in D
mit α(xi ) = β(xi ); für i = 1, . . . , n. Dann gilt:
M, α |= A gdw M, β |= A.
189 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Behauptung
|= ∀x(A ∧ B) ≡ (∀xA ∧ ∀xB)
|= ∃x(A ∨ B) ≡ (∃xA ∨ ∃xB)
|= ¬∀xA ≡ ∃x¬A
|= ¬∃xA ≡ ∀x¬A
|= ∀x∀yA ≡ ∀y ∀xA
|= ∃x∃yA ≡ ∃y ∃xA
|= ∀xA ≡ A, falls x nicht frei in A.
|= ∃xA ≡ A, falls x nicht frei in A.
Die Anordnung von Quantoren derselben Art ist also irrelevant, und ein
Quantorpräfix Qx in QxA kann vernachlässigt werden, falls x in A nicht
frei vorkommt.
190 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Eine zentrale Rolle von Modellen ist ihre Rolle als Gegenbeispiele zu
ungültigen Schlussfolgerungen. Die folgenden Schlussfolgerungen z.B. sind
offensichtlich nicht gültig.
∀x(A(x) ∨ B(x))
∀xA(x) ∨ ∀xB(x)
∃xA(x) ∧ ∃xB(x)
∃x(A(x) ∧ B(x))
Ein Gegenbsp. zu beiden Schlussfolgerungen ist das Modell:
M = hD = {Hans, Fritz}, R = { {Hans}, {Fritz} }, O = ∅, Ii,
wobei I(A) = {Hans} und I(B) = {Fritz}.
Die Relationenmenge R enthält zwei 1-stellige Relationen, d.h. Eigenschaften,
d.h. Mengen von Objekten. Die durch das einstellige Relationssymbol A
bezeichnete Eigenschaft wird von Hans besessen; die andere, durch das einstellige
Relationssymbol B bezeichnete Eigenschaft hat Fritz.
191 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Auch die folgenden Schlussfolgerungen sind ungültig.
(∗)
∀xA(x) ⊃ ∀xB(x)
∀x(A(x) ⊃ B(x))
(∗∗) ∃xB(x) ⊃ ∃xA(x)
∃x(A(x) ⊃ B(x))
Ein Gegenbeispiel zu (∗) ist das obige Modell M.
Ein Gegenbeispiel zu (∗∗) ist:
M0 = hD = {Hans, Fritz}, R = { {Hans, Fritz}, ∅}, O = ∅, Ii,
wobei I(A) = {Hans, Fritz} und I(B) = ∅.
192 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Endliche Modelle hD, Ii, in denen prädikatenlogische Formeln mit nur
einem zweistelligen Prädikatsymbol (z.B. S) interpretiert werden, erlauben
eine einfache graphische Darstellung. Die Objekte des Individuenbereichs
können z.B. durch Punkte wiedergegeben werden, und die durch S
bezeichnete Relation I(S) kann durch Pfeile angedeutet werden, z.B.:
v
6
v
v
v
193 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Semantik der Prädikatenlogik
Die folgende Schlussfolgerung ist ungültig:
(∗ ∗ ∗) ∀x∃yS(x, y )
∃y ∀xS(x, y )
Ein Gegenbeispiel ist:
v
v
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Eine Einführung in die klassische Logik
Eigenschaften binärer Relationen
Definition
Eine zweistellige Relation
reflexiv
nicht-reflexiv
irreflexiv
symmetrisch
nicht-symmetrich
asymmetrisch
antisymmetrisch
transitiv
nicht-transitiv
intransitiv
seriell
euklidisch
konfluent
konnex (total)
R heißt
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
gdw
∀xR(x, x)
∃x¬R(x, x)
∀x¬R(x, x)
∀x∀y (R(x, y ) ⊃ R(y , x))
∃x∃y (R(x, y ) ∧ ¬R(y , x))
∀x∀y (R(x, y ) ⊃ ¬R(y , x))
∀x∀y ((R(x, y ) ∧ R(y , x)) ⊃ (x = y ))
∀x∀y ∀z((R(x, y ) ∧ R(y , z)) ⊃ R(x, z))
∃x∃y ∃z((R(x, y ) ∧ R(y , z)) ∧ ¬R(x, z))
∀x∀y ∀z((R(x, y ) ∧ R(y , z)) ⊃ ¬R(x, z))
∀x∃yR(x, y )
∀x∀y ∀z((R(x, y ) ∧ R(x, z)) ⊃ R(y , z))
∀x∀y ∀z((R(x, y ) ∧ R(x, z)) ⊃
∃u(R(y , u) ∧ R(z, u)))
∀x∀y ((R(x, y ) ∨ R(y , x)) ∨ (x = y ))
195 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Kann man in der Sprache der Prädikatenlogik ausdrücken, dass eine
zweistellige Relation über einer Menge eine Funktion ist?
Eine zweistellige Relation R über einer Menge X ist eine Teilmenge von
{hx, y i | x ∈ X und y ∈ X }. Die Relation ist eine Funktion, wenn für jedes
x aus X genau ein y aus X existiert, so dass hx, y i ∈ R.
Kann man “es gibt genau ein x” in der Sprache der Prädikatenlogik
ausdrücken? Und vielleicht auch “es gibt mindestens zwei x” und “es gibt
genau 2 x”? Kann man für jede natürliche Zahl n ausdrücken “es gibt
genau n x”?
196 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Die Sprache der Prädikatenlogik
Es gibt mindestens einen Philosophen.
∃xP(x)
Es gibt höchstens einen Philosophen.
∀x∀y ((P(x) ∧ P(y )) ⊃ (x = y ))
Es gibt genau einen Philosophen.
∃x(P(x) ∧ ∀y (P(y ) ⊃ (x = y )))
Abkürzung: ∃!xP(x)
Es gibt genau zwei Philosophen.
∃x(P(x) ∧ ∃y ((P(y ) ∧ ¬(x = y )) ∧ ∀z(P(z) ⊃ ((z = x) ∨ (z = y ))))
Definition
Eine zweistellige Relation R heißt funktional gdw ∀x∃!yR(x, y ).
197 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Klassen relationaler Strukturen
Einige wichtige Klassen von Strukturen sind durch die Kombination mehrerer
relationaler Eigenschaften definiert.
Definition
Eine nicht-leere Menge D mit einer zweistelligen Relation R über D heißt
Präordnung
partielle Ordnung
gdw
gdw
lineare Präordnung
lineare Ordnung
gdw
gdw
strikte Ordnung
gdw
R reflexiv und transitiv ist
R reflexiv, transitiv
und anti-symmetrisch ist
R reflexiv, transitiv und konnex ist
R reflexiv, transitiv, anti-symmetrisch
und konnex ist
R irrreflexiv und transitiv ist
198 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Klassen relationaler Strukturen
Jede irreflexiv transitive Relation ist asymmetrisch, d.h., die folgende
Schlussfolgerung ist gültig:
∀x¬R(x, x)
∀x∀y ∀z((R(x, y ) ∧ R(y , z)) ⊃ R(x, z))
∀x∀y (R(x, y ) ⊃ ¬R(y , x))
199 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Frage: Ist jede prädikatenlogische Formel logisch äquivalent zu einer
Formel, die aus einem Quantorpräfix gefolgt von einer quantor-freien
Formel besteht?
Definition
Eine prädikatenlogische Formel A ist in pränexer Normalform (PNF) genau
dann, wenn A aus einer endlichen (eventuell) leeren Folge von
Quantorpräfixen besteht, auf die eine quantorfreie Formel folgt. Wenn A
sich in pränexer Normalform befindet, heißt A auch pränex.
Pränexe Formeln sind zerlegt in eine Kette von Quantifikationen gefolgt
von einem quantorfreien, Booleschen Teil:
Q1 x1 . . . Qn xn A,
wobei Q ∈ {∃, ∀} und A quantorfrei ist.
200 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Wir hatten bereits gesehen, dass
|= ∀x(A ∧ B) ≡ (∀xA ∧ ∀xB)
|= ∃x(A ∨ B) ≡ (∃xA ∨ ∃xB)
Auch die folgenden Beispiele für allgemeingültige Formeln sind instruktiv
für ‘das Vorziehen’ von Quantoren.
Theorem
|= ∀x(A(x) ∨ B) ≡ (∀xA(x) ∨ B), falls x nicht frei in B vorkommt
|= ∃x(A(x) ∧ B) ≡ (∃xA(x) ∧ B), falls x nicht frei in B vorkommt
201 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Um von einer beliebigen Formel zu einer logisch äquivalenten Formel in
PNF zu gelangen, ist auch die folgende Beobachtung hilfreich, die erneut
verdeutlicht, dass die Variablen nur zu Festlegung von
Quantifikationsmustern verwendet werden.
Theorem
(Umbenennung gebundener Variablen)
Wenn z nicht in A vorkommt, dann gilt:
|= ∀xA(x) ≡ ∀zA(z)
|= ∃xA(x) ≡ ∃zA(z)
202 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Wir werden einen simplen Algorithmus angeben, mit dem jede beliebige
Formel in eine logisch äquivalente pränexe Formel umgeformt werden
kann. Diese Umformungen erfolgen, indem logisch äquivalente Formeln (in
Formeln) füreinander eingesetzt werden. Das ist zulässig, wenn die
wechselseitige Ersetzung logisch äquivalenter Formeln keinen Einfluß hat
auf die Wahrheitsbedingungen der Formeln, in denen ersetzt wird. M.a.W.,
wir benötigen ein Ersetzungstheorem.
Wir definieren induktiv den Begriff der Ersetzung eine Formel A für eine
atomare Formel p in einer Formel B (symbolisch [A/p]B).
Theorem
(Ersetzungstheorem)
|= A ≡ B impliziert |= [A/p]C ≡ [B/p]C
203 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Definition
Eine Formel A ist in Negationsnormalform (NNF) genau dann, wenn für
jede Teilformel ¬B von A gilt, dass B atomar ist.
Theorem
(Negationsnormalform) Zu jeder Formel A existiert eine logisch
äquivalente Formel A0 in NNF.
Beweis. Die Behauptung folgt mit dem Ersetzungstheorem und:
|= ¬∀xA ≡ ∃x¬A,
|= ¬∃xA ≡ ∀x¬A,
|= ¬¬A ≡ A
|= ¬(A ∧ B) ≡ (¬A ∨ ¬B)
|= ¬(A ∨ B) ≡ (¬A ∧ ¬B)
|= ¬(A ⊃ B) ≡ (A ∧ ¬B)
|= ¬(A ≡ B) ≡ ((A ∧ ¬B) ∨ (B ∧ ¬A))
204 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Die aufgelisteten Äquivalenzen liefern einen Algorithmus, um eine beliebige
Formel A in eine logisch äquivalente Formel A0 in NNF zu transformieren.
Theorem
(pränexe Normalform) Zu jeder Formel A existiert eine logisch äquivalente
Formel A∗ in PNF.
205 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Beweis. Zunächst eliminieren wir alle Vorkommnisse von ⊃ und ≡ in der
Formel A unter Verwendung des Ersetzungstheorems und folgender Fakten:
|= (A ⊃ B) ≡ (¬A ∨ B)
|= (A ≡ B) ≡ ((A ⊃ B) ∧ (B ⊃ A))
Dann bringen wir die so erhaltene Formel in Negationsnormalform und erhalten
eine Formel A0 . Nun verwenden wir Induktion über den Aufbau von A0 . Wenn A0
eine atomare Formel oder eine negierte atomare Formel ist, dann ist A0 pränex.
206 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Wenn A0 = (B ∨ C ), können wir mit der Induktionsannahme davon
ausgehen, dass B und C logisch äquivalent sind zu Formeln B ∗ und C ∗ in
PNF. D.h.,
B ∗ = Q1 x1 . . . Qn xn B1 , und
0 y C ,
C ∗ = Q10 y1 . . . Qm
m 1
wobei Q ∈ {∀, ∃} und B1 , C1 quantorfrei sind. Wir können alle
gebundenen Variablen so wählen, dass sie verschieden sind und dass keine
Variable sowohl gebunden als auch frei vorkommt. Wir erhalten:
0
ym (B1 ∨ C1 )
|= A0 ≡ Q1 x1 . . . Qn xn Q10 y1 . . . Qm
und sind fertig.
207 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Wenn A0 = (B ∧ C ), verfahren wir analog.
Wenn A0 = ∀xB or A0 = ∃xB, wählen wir ∀zB ∗ bzw. ∃zB ∗ für eine frische
Variable z.
q.e.d.
Beispiele. Wir transformieren die Formel:
¬∀x∃y ¬∃z(R(x, y ) ⊃ P(y , z)) ∧ ∃xR(a, x)
sukzessive in PNF:
¬∀x∃y ¬∃z(R(x, y ) ⊃ P(y , z)) ∧ ∃xR(a, x)
¬∀x∃y ¬∃z(¬R(x, y ) ∨ P(y , z)) ∧ ∃xR(a, x)
∃x∀y ∃z(¬R(x, y ) ∨ P(y , z)) ∧ ∃xR(a, x)
∃x∀y ∃z(¬R(x, y ) ∨ P(y , z)) ∧ ∃x1 R(a, x1 )
∃x∀y ∃z∃x1 ((¬R(x, y ) ∨ P(y , z)) ∧ R(a, x1 ))
208 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Wir transformieren die Formel:
∃xQ(z, x) ⊃ ∀x(R(x, y ) ⊃ P(x))
sukzessive in PNF:
∃xQ(z, x) ⊃ ∀x(R(x, y ) ⊃ P(x))
¬∃xQ(z, x) ∨ ∀x(¬R(x, y ) ∨ P(x))
∀x¬Q(z, x) ∨ ∀x(¬R(x, y ) ∨ P(x))
∀x¬Q(z, x) ∨ ∀x1 (¬R(x1 , y ) ∨ P(x1 ))
∀x(¬Q(z, x) ∨ ∀x1 (¬R(x1 , y ) ∨ P(x1 )))
∀x∀x1 (¬Q(z, x) ∨ (¬R(x1 , y ) ∨ P(x1 )))
209 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Pränexe Normalform
Wir transformieren die Formel:
∀yK (y ) ⊃ ∃xT (x)
sukzessive in PNF:
∀yK (y ) ⊃ ∃xT (x)
¬∀yK (y ) ∨ ∃xT (x)
∃y ¬K (y ) ∨ ∃xT (x)
∃y (¬K (y ) ∨ ∃xT (x))
∃y ∃x(¬K (y ) ∨ ∃xT (x))
Man beachte, dass ∀yK (y ) ⊃ ∃xT (x) und ∀y ∃x(K (y ) ⊃ T (x)) nicht logisch
äquivalent sind.
210 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Regel der ∃-Einführung
Motivation der ∃-Einführungsregel
∆
..
.
∆
..
.
∆
..
.
L(a, b)
∃xL(x, b)
L(a, b)
∃yL(a, y )
L(a, b)
∃yL(a, y )
∃x∃yL(x, y )
∆
..
.
∆
..
.
∆
..
.
L(c, c)
∃xL(x, c)
L(c, c)
∃yL(c, y )
L(c, c)
∃xL(x, x)
211 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
∆
..
.
∆
..
.
∆
..
.
∀xL(x, b)
∃y ∀xL(x, y )
∀xL(x, b)
∃x∀xL(x, x)
∀yL(y , y )
∃x∀yL(x, y )
nicht korrekt
nicht korrekt
Es muss vermieden werden, dass die Einführung des Existenzquantors
bestehende Quantifikationsmuster antastet.
212 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Definition
Mit [t/x]A bezeichnen wir das Ergebnis der Ersetzung jedes freien
Vorkommnisses der Variablen x in der Formel A durch den Term t.
Definition
Der Term t ist frei für x in A genau dann, wenn keine Variable von t in
einem substituierten Vorkommnis von t in [t/x]A gebunden vorkommt.
213 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Definition
(Alternative Definition von “frei für”) Der Begriff “Term t ist frei für x in
A” ist induktiv wie folgt definiert:
t ist frei für x in A, wenn A atomar ist.
t ist frei für x in ¬B, wenn t frei für x in B ist.
t ist frei für x in B]C (] ∈ {∧, ∨, ⊃, ≡}), wenn t frei für x in B ist
und frei für x in C .
t ist frei für x in ∃yB, wenn y nicht in t vorkommt und t frei ist für x
in B.
t ist frei für x in ∀yB, wenn y nicht in t vorkommt und t frei ist für x
in B.
214 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
∆
..
.
(∃E )
A(t)
∃xA
falls t frei ist für x in A(x), wobei A(t) = [t/x](A).
In dem Beispiel
∆
..
.
∀yL(y , y )
∃x∀yL(x, y )
haben wir ∀yL(y , y ) = [y /x]∀yL(x, y ), aber y ist nicht frei für x in
∀yL(x, y ).
215 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Auch das vorletzte Beispiel ist keine Einsetzung in die Regel (∃E ):
∆
..
.
∀xL(x, b) 6= [b/x]∀xL(x, x) = ∀xL(x, x)
∃x∀xL(x, x)
216 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Regel der ∀-Beseitigung
Motivation der ∀-Beseitigungsregel
∆
∆
..
..
.
.
∀x∃yL(y , x)
∀x∃yL(y , x)
∃yL(y , z)
∃yL(y , y )
(korrekt)
∆
..
.
(nicht korrekt)
(∀B)
∀xA(x)
A(t)
falls t frei ist für x in A(x).
217 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Regel der ∀-Einführung
Motivation der ∀-Einführungsregel
Alle F sind G
Alle G sind H
Alle F sind H
∀x(F (x) ⊃ G (x))
∀x(G (x) ⊃ H(x))
∀x(F (x) ⊃ H(x))
Eine informelle Ableitung:
Sei x ein beliebiges Objekt.
Angenommen x ist F .
Alle F sind G , also ist x G .
Alle G sind H, also ist x H.
Also, wenn x F ist, dann ist x H.
Aber x war beliebig gewählt.
Also gilt: Alle F sind H.
218 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
[F (x)]1
∀x(F (x) ⊃ G (x))
(∀B)
F (x) ⊃ G (x)
∀x(G (x) ⊃ H(x))
(⊃B)
(∀B)
G (x)
G (x) ⊃ H(x)
(⊃B)
H(x)
1
(⊃E )
F (x) ⊃ H(x)
(∀E )
∀x(F (x) ⊃ H(x))
An der Stelle
F (x) ⊃ H(x)
∀x(F (x) ⊃ H(x))
(∀E )
der Ableitung wird nichts Spezifisches über x angenommen. Die Annahme,
dass x F ist, wurde bereits als temporäre Annahme im (⊃ E ) Schritt
aufgegeben.
219 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Beispiele:
[F (x)1 ]
(∀E ) nicht korrekt
∀xF (x)
(⊃E )1
F (x) ⊃ ∀xF (x)
(∀E ) korrekt
∀x(F (x) ⊃ ∀xF (x))
(∀B)
F (a) ⊃ ∀xF (x)
[F (y )]1
(∀E ) nicht korrekt
∀xF (x)
(⊃E )1
F (y ) ⊃ ∀xF (x)
(∀E ) korrekt
∀x(F (x) ⊃ ∀xF (x))
(∀B)
F (a) ⊃ ∀xF (x)
220 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
∀-Einführungsregel:
∆
..
.
(∀E )
A(x)
∀xA(x)
falls x in keiner Annahme frei vorkommt, von der A(x) abhängt.
221 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Beispiele:
[∀x(A(x) ∧ B(x))]1
[∀x(A(x) ∧ B(x))]1
(∀B)
A(x) ∧ B(x)
A(x) ∧ B(x)
(∧B)
(∧B)
A(x)
B(x)
(∀E )
(∀E )
∀xA(x)
∀xB(x)
(∧E )
∀xA(x) ∧ ∀xB(x)
(⊃E )1
∀x(A(x) ∧ B(x)) ⊃ (∀xA(x) ∧ ∀xB(x))
(∀B)
In den (∀E )-Schritten hängt A(x) bzw. B(x) jeweils von einer Prämisse
ab, in der die Variable x allerdings nicht frei vorkommt.
222 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
[∀x∀yL(x, y )]1
(∀B)
∀yL(x, y )
(∀B)
L(x, y )
(∀E )1
∀xL(x, y )
(∀E )
∀y ∀xL(x, y )
(⊃E )
∀x∀yL(x, y ) ⊃ ∀y ∀xL(x, y )
223 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Regel der ∃-Beseitigung
Motivation der ∃-Beseitigungsregel
Jemand ist F
Alle F sind G
Jemand ist G
∃xF (x)
∀x(F (x) ⊃ G (x))
∃xG (x)
Eine informelle Ableitung:
Jemand ist F; nennen wir dieses Objekt y .
Alle F sind G , also ist y G .
Also ist jemand G .
Alles was wir über y angenommen hatten, war, dass y F ist.
M.a.W., y war ein beliebiges F . Da jemand F ist, hängt die
Konklusion (dass jemand G ist) also nicht von der Annahme ab,
dass y F ist.
224 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
[F (y )]1
∃xF (x)
∃xG (x)
∀x(F (x) ⊃ G (x))
(∀B)
F (y ) ⊃ G (y )
(⊃B)
G (y )
(∃E )
∃xG (x)
1
(∃B)
225 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
∃-Beseitigungsregel:
Γ ∆, [A(y )]
..
..
.
.
∃xA
(∃B)
B
B
wenn x 6∈ fv (B) und für alle C ∈ ∆ mit C 6= A(y ), x 6∈ fv (C ), wobei
fv (B) die Menge der in B frei vorkommenden Variablen ist.
226 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
Beispiele:
(a)
∃xG (x) [G (x)]1
G (x)
(∀E )
∀xG (x)
(∃B)1
‡
[F (x)]1 [G (x)]2
(∧E )
F (x) ∧ G (x)
(∃E )
∃xF (x) ∃x(F (x) ∧ G (x))
(∃B)1
∃xG (x)
∃x(F (x) ∧ G (x))
(∃B)2
∃x(F (x) ∧ G (x))
‡
‡: nicht korrekte Anwendung von (∃B)
227 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
(b) {∃x(F (x) ∧ G (x))} ` ∃xF (x) ∧ ∃xG (x)
[(F (x) ∧ G (x))]
[(F (x) ∧ G (x))]
F (x)
G (x)
∃x(F (x) ∧ G (x)) ∃xF (x)
∃x(F (x) ∧ G (x)) ∃xG (x)
∃xF (x)
∃xG (x)
∃xF (x) ∧ ∃xG (x)
228 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Natürliches Schließen für die Prädikatenlogik
(c) {∃x(A(x) ∧ B(x)), ¬∃x(B(x) ∧ C (x))} ` ¬∀x(A(x) ∧ C (x))
[∀x(A(x) ∧ C (x))]
[A(x) ∧ B(x)] (A(x) ∧ C (x)
B(x) C (x)
(B(x) ∧ C (x))
∃x(A(x) ∧ B(x))
∃x(B(x) ∧ C (x))
∃x(B(x) ∧ C (x))
¬∃x(B(x) ∧ C (x))
¬∀x(A(x) ∧ C (x))
229 / 230
Eine Einführung in die klassische Logik
Nicht korrekte Ableitung von (∀ xA(x) ≡ ¬∃ x¬A(x)).
Wo liegt der Fehler?
3
[¬A(x)]
∃ x¬A(x)
∀xA(x)
(∀E)
2
4
[¬∃ x¬A(x)]
[¬A(x)]
A(x)
∗ 3
(¬B)
(¬B )
A(x)
∃ x¬A(x)
¬∃ x¬A(x)
(∀E)
(∃B)4
∀xA(x)
¬∃ x¬A(x)
1,2
(≡E)
(∀ xA(x) ≡ ¬∃ x¬A(x))
(∃E)
230 / 230
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