Florian Adolphi #45436 Gök8 Global Change und das verfügbare Grundwasserdargebot 1. Einleitung Grundwasser ist eine der wichtigsten Trinkwasserquellen. Mehr als 1,5 Milliarden Menschen sind weltweit abhängig vom Grundwasser als primäre Süßwasserquelle. Zusätzlich stellt das Grundwasser eine bedeutende Größe im hydrologischen Kreislauf als Quelle und Senke von Wasser und Stoffen für Flüsse, Seen, Feuchtgebiete und andere aquatische Systeme dar (Alley et al. 2002). Die potentiellen Auswirkungen des Klimawandels auf das verfügbare Grundwasserdargebot sind seit längerem bekannt und doch vergleichsweise wenig erforscht (IPCC 2001). Im folgenden Text sollen klimawandelbedingte Einflussgrößen aufgezeigt und bewertet werden. Es wird ein Fallbeispiel aus Ostengland näher betrachtet werden und ein Ausblick auf zukünftige Forschungsziele und Unzulänglichkeiten der derzeitigen Studien gegeben. 2. Ermittlung der Einflussgrößen Um die zu untersuchenden Einflussgrößen zu ermitteln, soll eine Formel zur Berechnung des zukünftigen Grundwasserdargebots herangezogen werden. GWt+1 = GWt + GWNt+1,t – GWEt+1,t [Gleichung 1] GWt+1 – zukünftiges Grundwasserdargebot GWt – Grundwasserdargebot zum Zeitpunkt t (heute) GWNt+1,t – Grundwasserneubildung im Zeitraum t bis t+1 GWEt+1,t – Grundwasserentnahme/-abfluss im Zeitraum t bis t+1 Da es um zukünftige Trends des Grundwasserdargebots geht, kann das heutige Grundwasserdargebot als nicht oder nur gering klimawandelbeeinflusst angenommen werden. Die Grundwasserentnahme ist eine stark anthropogen geprägte Größe, welche zwar vom Klimawandel abhängt, jedoch zu einem weit größeren Teil von der Anpassung des Menschen im Bezug auf Entwicklung der Agrarkultur und der Wassernutzungs- und -aufbereitungstechniken. Zur Erfassung der Veränderung der Grundwasserentnahme bedarf es somit einer Kopplung der klimatologischen Modelle mit Agrar- und Sozioökonomischen Modellen. Als Haupteinflussfaktor der klimawandelbedingten Veränderung des Grundwasserdargebotes kann also die Grundwasserneubildung identifiziert werden. 3. Einflussgrößen auf die Grundwasserneubildung Die Grundwasserneubildung ergibt sich aus Gleichung 2. GWN = NS + F – R – ET [Gleichung 2] GWN – Grundwasserneubildung [mm/a] NS – Niederschlag [mm/a] F – Versickerung aus aquatischen Systemen ins Grundwasser [mm/a] R – Abfluss des NS welcher nicht das GW erreicht [mm/a] ET – Evapotranspiration [mm/a] Die Evapotranspiration ist nach der Gleichung von TURC abhängig von der Lufttemperatur und dem Niederschlag (s. Gleichung 3). ET = NS/(0,9+(NS/L)²)0,5 [Gleichung 3] NS – Niederschlag [mm] L = 300 + 25*T +0,05*T³ T – Temperatur [°C] (Krüger et al. 2001) Es ergeben sich somit neue Einflussgrößen auf das Grundwasserdargebot, nämlich NS, F, R und T. Zusätzlich ist die ET jedoch auch von der Bewuchsdichte, dem CO2-Gehalt der Atmosphäre und den vorherrschenden Pflanzengesellschaften abhängig, da diese Faktoren die Transpirationsrate beeinflussen (Leipprand und Gerten 2006). 3.1 Veränderung des Niederschlages im Zuge des Klimawandels Die momentanen GCM-Modellierungen gehen von einem globalen Trend der Niederschlagszunahme um 8% aus. Diese Zunahme findet jedoch hauptsächlich in den äquatorialen Regionen statt (Bouraoui et al. 1999). Die globalen Trends je nach Modell und Szenario sind in dargestellt. Die regionale Verteilung der Niederschläge ist in Abbildung 1 zu sehen. Es wird deutlich, dass die Niederschläge in den Subtropen und mittleren Breiten abnehmen, wogegen in den höheren Breiten und einigen Äquatorialregionen Niederschlagszunahme eine modelliert wird. Die Grundwasserneubildung wird also allem Anschein nach regional sehr stark variieren. subtropischen und In den mediterranen Regionen der Niederschlagsabnahme ist von einer verminderten GWN auszugehen (IPCC 2001). Für die tropischen Regionen Niederschlagszunahme mit starker ist eine Erhöhung der GWN wahrscheinlich (IPCC 2001). In den höheren nördlichen Breiten ist die Entwicklung der GWN schwer Abb. 1 verschiedene Modellierungen der Globalen Veränderung allgemein zu erfassen. Einfluss- des Niederschlages für das A2 und B2 Szenario (IPCC2001) faktoren wie innerjährliche Verteil- ung und Intensität der Niederschläge spielen eine große und schwer zu erfassende Rolle (Krüger et al. 2001). 3.2 Veränderung der Temperatur im Zuge des Klimawandels In sind die durch unterschiedliche Modelle erhaltenen globalen Temperaturtrends für das A2 und das B2 Szenario dargestellt. Alle Modelle gehen von einer Erwärmung aus, auch wenn die Intensität dieser Erwärmung sehr unterschiedlich stark ausgeprägt ist. In Abbildung 2 ist die räumliche Verteilung und Intensität der Erwärmung dargestellt. Beide Szenarien gehen von der stärksten Erwärmung in den hohen nördlichen Breiten aus. Dies sind die Gebiete, in denen auch der modellierte Niederschlag um 5-20% zunimmt. Abbildung 1: regionale Niederschlagstrends für das A2 und B2 Szenario, beide Szenarien zeigen den Zeitraum 2071-2100 relativ zu dem Zeitraum 1961-1990 (IPCC 2001) Es wäre also zu untersuchen, wie die Veränderung der Größen T und NS in der ET zusammenspielt und die Grundwasserneubildung beeinflusst. 3.3 Veränderung der Evapotranspiration im Zuge des Klimawandels Die klimawandelbedingte Veränderung der Evapotranspiration variiert regional sehr stark. Generell kann davon ausgegangen werden, dass die ET den Verläufen von T und NS nach der Beziehung in Gleichung 3 folgt. Zusätzlich zu Temperatur und Niederschlag spielt auch der physiologische Effekt der erhöhten CO2 Konzentration in der Luft eine Rolle. Erhöhte CO2 Konzentrationen bewirken einerseits eine verminderte Transpirationsrate von Pflanzen, andererseits aber auch in ariden Gebieten mit geringer Vegetationsdichte eine Zunahme der Pflanzenpopulation und damit auch der ET (Gerten et al 2006). Die Modellierungen dieser Effekte schwanken von Modell zu Modell sehr Abb. 3: modellierte globale Temperaturtrends für die stark (Gerten et al. 2007). In ariden Szenarien A2 und B2 (IPCC 2001) Gebieten, wo auf Grund des CO2- Effektes die Pflanzenpopulation zunimmt, wird auch die Evapotranspiration zunehmen (Leipprand und Gerten 2006). Dieser Effekt führt auch zu einer Abnahme der GWN (Ranjan et al. 2006). Ab einer Breite von 50°Nord nimmt zwar die Evapotranspiration zu - die Bodenfeuchte jedoch simultan auch. Dies ist dadurch zu erklären, dass die Zunahme der Niederschläge einen größeren Einfluss auf die ET hat als die Erhöhung der Temperatur, und die Pflanzen zusätzlich auf Grund der erhöhten CO2-Konzentration weniger transpirieren (Gerten et al. 2006). In wieweit diese Zunahme der Bodenfeuchte tatsächlich zur GWN beiträgt, muss noch untersucht werden. Die Studie von Kovalevskii 2007 im russischen Raum zeigt dagegen, dass dort nur die Wintertemperaturen zunehmen und die Veränderung der ET somit vernachlässigbar für die GWN ist, welche damit nur vom NS abhängig wäre. Gleichzeitig spielt in den nördlichen Abbildung 2: regionale Temperaturtrends für das A2 und B2 Szenario, beide Szenarien zeigen den Zeitraum 2071-2100 relativ zu dem Zeitraum 1961-1990 (IPCC 2001) Regionen eine Abnahme der Dicke der Permafrostschichten eine Rolle, welche zum einen zu einer Vermehrten GWN aber auch zu erhöhter Kontaminationsgefahr beitragen (Kovalevskii 2007). Der Effekt des Klimawandels auf die ET und GWN ist also abhängig von vielen lokalen Faktoren, weshalb nun ein Fallbeispiel einer Studie vorgestellt werden soll. 4. Fallbeispiel anhand der Studie: „Climate change impacts on groundwater recharge – uncertainty, shortcomings, and the way forward?“ von I. P. Holman 2006 Die Studie stellt einen integrierenden Blick auf die Auswirkungen des Klimawandels und des sozioökonomischen Wandels auf die GWN dar. Das untersuchte Gebiet liegt in Ostengland im flachsten Teil von Großbritanien mit Geländehöhen von teilweise unter 0 mNN. Die Lage des Unersuchungsgebietes ist in Abbildung 5 dargestellt. Das Gebiet weist einen durchschnittlichen Niederschlag von 550-750mm/a auf. Es wird intensiv zum landwirtschaftlichen Anbau genutzt und ist bis auf die urbanen Zentren Cambridge und Northwick relativ dünn besiedelt. Die Aquifere im Gebiet sind vornehmlich marine Kreide und Grünsand, aber auch pleistozän überprägtes Festgestein. Abb. 5: Lage des Untersuchungsgebietes 4.1. Methoden In der Studie wurden GCM (Had2CM, Szenario UKCIP high und low), Landwirtschaftsmodelle (SFARMOD – Modell zur Profitmaximierung landwirtschaftlicher Flächen, ACCESS – Wachstumsmodell für Ackerpflanzen) und Wasserresourcenmodelle (SWANCATCH – Modellierung des hydrologisch effektiven Regens, HOST – Unterteilung des hydrologisch effektiven Regens in GWN und R) nach der RegIS-Methode gekoppelt. Die RegIS-Methode soll hier nicht näher erläutert werden, ist aber in Holman et al. 2005 nachzulesen. Es wurde der Zeitraum 2040-2069 modelliert. Die Bodeneigenschaften wurden als konstant angenommen. 4.2 Ergebnisse Im Zuge des mit dem Klimawandel verbundenen Meeresspiegelanstiegs werden in dem flachen, tief gelegenen Untersuchungsgebiet zunehmend Überschwemmungen auftreten. Das dadurch eingeführte Salzwasser und der Meerespiegelanstieg an sich können zu einer Verschiebung des Salz- Süßwasserinterfaces und somit zu salinen Intrusionen in Küstennähe führen. Die Zunahme der Bewässerungsintensität auf Agrarkulturflächen führt zu einer Absenkung des GW-Spiegels. Durch die steigenden Temperaturen wird die Vegetationsperiode verlängert. Dies führt zu einer Steigerung der ET und einer Verkürzung der GWN-Periode (s. Abb. 6). Somit nimmt der hydrologisch effektive Niederschlag ab, obwohl der jährliche Gesamtniederschlag zunimmt (s. Abbildung 3). Eine genaue Veränderung der GWN kann nicht quantifiziert werden, da es Unzulänglichkeiten Modellierung hydrologisch der in der Aufteilung des effektiven Regens in GWN und R gibt, welche auf Abb. 6:Veränderung der jährlichen GWN-Periode mangelnder Datengrundlage zur Kalib- verglichen mit dem Ist-Zustand (high -Szenario) rierung des Modells auf der Untersuchungsfläche beruhen. Abbildung 3: Beitrag zur prozentualen Veränderung des durchschnittlichen jährlichen hydrologisch effektiven Regens (high-Szenario) vom Klimawandel und Sozioökonomischen Veränderungen 5. Unsicherheiten und Forschungsbedarf Aufgrund der begrenzten Ausdehnung von Aquiferen und der großen räumlichen Variabilität von NS-Ereignissen ist die GWN ein lokal sehr variables Phänomen. Somit entstehen Probleme bei der Verwendung von GCMs, welche mit einem sehr groben Raster arbeiten (Holman 2006). Es wurden verschiedene Downscalingverfahren entwickelt, doch ein angemessenes Verfahren fehlt bislang (Holman 2006), um auf eine für hydrogeologische Anwendungen angemessene Rastergröße von 0,5x0,5 km zu kommen. Ohne eine solche Rastergröße ist auch die räumliche Variabilität von Niederschlagsereignissen nicht klar zu ermitteln. Auch die zeitliche Diskretisierung der GCMs ist unzureichend, um Starkregenereignisse zu erkennen, welche trotz großer Wassermenge einen verhältnismäßig geringen Anteil zur GWN beitragen (Krüger et al. 2001). Zusätzlich ist anzunehmen, dass sich die Bodenstruktur und somit die Infiltrationseigenschaften in Zukunft durch Nutzungs- und Klimabedingungen verändern (Holman et al. 2006). Eine Annahme von konstanten Bodeneigenschaften birgt also eine zusätzliche Unsicherheit. Auch der von Gerten et al. (2007) und Leipprand und Gerten (2006) beschriebene physiologische Effekt einer CO2-Konzentrationszunahme in der Atmosphäre auf die Transpiration von Pflanzen bleibt in den derzeitigen Studien unberücksichtigt. Auf Grund der Vielzahl dieser Unsicherheiten ist es empfehlenswert, die Einwirkungen des Klimawandels auf das Grundwasserdargebot lokal an unterschiedlichen Standorten integrativ zu erforschen. Auf der Basis dieses Verständnisses könnten die Ergebnisse mit Hilfe einer Clusteranalyse auf andere Standorte übertragen werden, um ein globales Bild zu erhalten. Die derzeitigen globalen Ansätze (z. B. IPCC 2001), welche ausschließlich auf dem T und NSOutput der GCMs beruhen, sind allenfalls als grobe Approximation zu nutzen. Literatur: Alley WM et al. (2002) Flow and storage in groundwater systems. Science 296:1985-1997 Bouraoui F et al. (1999) Evaluation of the impact of climate changes on water storage and groundwater recharge at watershed scale. Climate Dynamics 15:153-161 Gerten D et al. (2007) Potential future impacts in water limitations of the terrestrial biosphere. Climatic Change 80:277-299 Holman IP (2006) Climate change impacts on groundwater recharge-uncertainty, shortcomings, and the way forward?. Hydrogeology Journal 14:637-647 Holman IP et al. (2005) A regional, multi-sectoral and integrated assessment of the impacts of climate change in the UK: Part I Methodology. Climatic Change 71:9-41 IPCC-International Panel on Climate Change (2001) Climate change impacts 2001: Impacts Adaptation and Vulnerability – Contribution of Working Group II to the Third Assessment Report of IPCC Kovalevskii VS (2007) Effects of climate changes on groundwater. Water Resources 34:140-152 Krüger A, Ulbrich U, Speth P (2001) Groundwater recharge in Northrhine-Westfalia predicted by a statistical model for greenhouse gas scenarios. Phys. Chem. Earth 26:853-861 Leipprand A, Gerten D (2006) Global effects of doubled CO2 content on evapotranspiration, soil moisture and runoff under potential natural vegetation. Hydrological Sciences 51:171-185 Ranjan PS, Kazama S, Sawamoto M (2006) Effects of landuse changes on groundwater resources in coastal aquifers. Journal of Environmental Management 80:25-35