Pilotprojekt “Gender Mainstreaming in der Ressortforschung” Diskussionsentwurf Implementierung von Gender Mainstreaming in Forschungsvorhaben des BMFSFJ I. Einleitung Das Prinzip des Gender Mainstreaming, als gleichstellungspolitischer Querschnittsaufgabe auf Verwaltung angewandt, hat das Ziel, die geschlechterspezifischen Unterschiede zwischen den Lebensverhältnissen von Frauen und Männern bzw. die geschlechterspezifischen Auswirkungen auf Frauen und Männer im Verwaltungshandeln in Bezug auf ihre Wirkung auf die Gleichstellung systematisch zu berücksichtigen. Die formale (de jure) Gleichstellung ist dabei als erster Schritt zur materiellen (de facto) Gleichstellung zu verstehen. Zur Bewertung von geschlechterbezogenen Unterschieden bzw. Auswirkungen bedarf es nach Geschlecht aufgeschlüsselter qualitativer und quantitativer Daten. Sie sind Ausgangspunkt und Grundlage dafür, bestehende Ungleichbehandlung erkennen, Diskriminierung abbauen und die Gleichstellung von Frauen und Männern fördern zu können. Auch um Benachteiligungswirkungen auszuschließen und neue Potenziale nutzbar zu machen, werden geschlechtsdifferente Daten und Erkenntnisse benötigt. II. Was bedeutet Gender Mainstreaming in der Ressortforschung? Gender Mainstreaming in der Ressortforschung hat zum Ziel, die im Auftrag des Ressorts durchgeführten Forschungsaufgaben grundsätzlich auch unter der Gender - Fragestellung zu prüfen, d. h. dafür zu sorgen, dass die mit dem Projekt verfolgten Fragestellungen, Daten und Erkenntnisse auch geschlechterspezifische Unterschiede und Auswirkungen in der Weise ermitteln und zur Verfügung stellen, dass damit Benachteiligungen erkannt und die Gleichstellung von Frauen und Männern gefördert werden können. 2 Gender Mainstreaming in der Ressortforschung hat u.a. auch die Identifizierung und Vermeidung von geschlechtsspezifischen Verzerrungseffekten (gender bias) zum Gegenstand. Die zentralen Grundfragen hierbei heißen: · Wie werden in der Analyse vor Beginn einer politischen Maßnahme die geschlechtsspezifischen Unterschiede benannt oder definiert? · Wie sehen die geschlechtsspezifischen Auswirkungen nach Durchführung der politischen Maßnahme aus? III. Ziele Mit dieser Handreichung werden vier konkrete Ziele verfolgt: 1. Ein Ablaufschema für die Planung, Vergabe und Betreuung von Forschungsvorhaben soll die Durchführung eines Forschungsprojektes in allen Bearbeitungsstadien systematisieren und erleichtern (siehe Anlage 1). 2. Es soll durch Memo-Punkte im Ablaufschema sichergestellt werden, dass Gender Mainstreaming durchgängig berücksichtigt wird. Diese Memo-Punkte haben hierbei primär eine unterstützende Funktion. 3. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aller Abteilungen und aller Laufbahngruppen, die Forschungsvorhaben initiieren, planen und durchführen, sollen letztendlich in die Lage versetzt werden, bei Forschungsvorhaben Gender Mainstreaming selbstständig, d.h. ohne Unterstützung der Abteilung Gleichstellung, anzuwenden. 4. Forschungseinrichtungen können die Memo-Punkte als Orientierung nutzen, um Forschungsanträge und Forschungsdesigns unter Gender-Aspekten zu konzipieren. Dabei sollten die in Anlage 2 aufgeführten Schlüsselfragen schon von Anfang an mitgedacht werden, um ein späteres zeit- und kostenintensives Nachbessern zu vermeiden. 3 Zeitphase 1 Entstehung der Grundidee, Definition der Forschungsfrage und des Forschungsziels Charakterisierung Beschreibung der Erkenntnislücken und des Erkenntnisbedarfs, erste Design-Elemente Gender Fragestellung Aufschlüsseln der Forschungsfrage nach Frauen und Männern, Konzeptformulierungen suchen Gender-Verfahren Recherchen durchführen, Literaturrecherchen, Gender-Forschung beachten Memopunkte M1 Schließt die Forschungsfrage Frauen oder Mädchen aus, auch wenn die Schlussfolgerungen auf beide Geschlechter anwendbar sein sollen? M2 Schließt die Forschungsfrage Männer oder Jungen aus Bereichen aus, die üblicherweise als besonders wichtig für Frauen angesehen werden? M 3 Nimmt die Forschungsfrage direkt oder indirekt ein Geschlecht (Männer) als Norm und schränkt insofern das Spektrum der möglichen Antworten ein? M 4 Wird in der Forschungsfrage direkt oder indirekt Familie bzw. Haushalt als kleinste Analyseeinheit angenommen, obwohl unterschiedliche Auswirkungen für Frauen und Männer innerhalb der Familien oder Haushalte zu erwarten sind? M 5 Wird die leitende Forschungsfrage für die Geschlechter unterschiedlich formuliert? 4 Zeitphase 2 fachliche Konzeptentwicklung, informelle Vorabstimmungen Ausschreibungskonzept überlegen Charakterisierung Design entwickeln, Konzept-Elemente vervollständigen Ausschreibungstext vorbereiten Gender-Fragestellung unterschiedliche Betroffenheit von Männern und Frauen aufarbeiten geschlechtsspezifische Daten und Erkenntnisse sammeln Gender-Verfahren gezielt Fachleute (Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler) befragen; evtl. Recherchenauftrag an IZ, Bonn Memopunkt M 6 Sind in dem fachlichen Forschungskonzept / in dem Ausschreibungskonzept beide Geschlechter angemessen berücksichtigt? 5 Zeitphase 3 formeller Abstimmungsprozess Leitungsentscheidung Ausschreibung Charakterisierung Finanzierung klären, Beteiligungen beachten (Ref. 206, bedingt Ref. Z 2) Ausschreibungstext abstimmen Gender-Fragestellung Gender-Fragen im Ausschreibungstext integrieren Gender-Verfahren (frühzeitig) fachlich/inhaltliche Beteiligungen einbeziehen Memopunkt M 7 Ist der Ausschreibungstext in einer geschlechtergerechten Sprache formuliert? 6 Zeitphase 4 Angebotseingang Auswertung und Vergabeentscheidung Charakterisierung Prüfen der Angebote hinsichtlich fachlicher und wissenschaftlicher Qualität und Wirtschaftlichkeit. Gender-Fragestellung Werden die geschlechtsspezifischen Fragestellungen der Ausschreibung im Angebot berücksichtigt? Wird im Angebot eine Gender-Kompetenz sichtbar? Gender-Verfahren ggf. Korrekturen/Erweiterungen des Designs anfordern Projektbeirat vorsehen (adäquate Beteiligung von Frauen und Männern) Memopunkte M 8 Gibt das Forschungsdesign beide Geschlechter angemessen wieder (in den Hauptvariablen/Themen; in unterschiedlichen Situationen)? M 9 Werden Standardindikatoren verwendet, die anerkanntermaßen einen geschlechtsspezifischen Verzerrungseffekt beinhalten? M 10 Werden Forschungsblickwinkel, -methoden oder –zugänge nach Geschlechtern differenziert? Wenn nicht, wird dies begründet? M 11 Nimmt das Forschungsinstrument ein Geschlecht (in der Regel Männer) als Norm für das andere? Ist das Forschungsinstrument nur für ein Geschlecht validiert, wird aber für beide verwendet? M 12 Ist das Konzept so angelegt, dass wichtige Informationen verloren gehen und es nicht möglich ist, Frauen und Männer gesondert zu betrachten, dies aber sozial oder kontextabhängig wichtig ist? 7 M 13 Sind die Daten für beide Geschlechter getrennt und dargestellt erhoben worden? Wenn nur ein Geschlecht betrachtet wird, sind die Schlussfolgerungen dann auch nur auf dieses bezogen? Werden alle Untergruppen nach Geschlecht analysiert? 8 Zeitphase 5 Vergabe des Auftrags, Bewilligung, Vertrag Charakterisierung Vertrag bearbeiten, Zuwendungen erteilen, ggf. Auflagen vorsehen Gender-Fragestellung --Gender-Verfahren Berücksichtigung von Gender-Aspekten mittels Auflagen, Absprachen, Zwischenberichten vorsehen. 9 Zeitphase 6 Begleitung des Forschungsvorhabens Charakterisierung beobachten, ob die Aufträge, Auflagen und Vereinbarungen umgesetzt und eingehalten werden ggf. intervenieren Gender-Fragestellung Werden die Gender-Fragestellungen im Forschungsprozess beachtet, bearbeitet und ausgewertet? Gender-Verfahren Kontinuierliche Prüfung und Begleitung unter GM-Aspekten, Beiratsitzungen Memopunkt M 13 Sind die Daten für beide Geschlechter getrennt und dargestellt erhoben worden? Wenn nur ein Geschlecht betrachtet wird, sind die Schlussfolgerungen dann auch nur auf dieses bezogen? Werden alle Untergruppen nach Geschlecht analysiert? 10 Zeitphase 7 Ergebnisse Bericht Abnahme Charakterisierung Prüfung der Berichterstattung, Prüfung der fachlichen und politischen Konsequenzen Gender-Fragestellung geschlechtsspezifische Ergebnisdarstellung aufgearbeitet und hinreichend gewichtet? Gender-Verfahren ggf. Nacharbeit verlangen, ggf. Abnahme versagen Memopunkte M 14 Erhalten weibliche und männliche Antworten die gleiche Aufmerksamkeit? M 15 Werden beide Geschlechter betrachtet, sind die Schlussfolgerungen in verallgemeinernden Begriffen ausgedrückt oder korrekterweise nach Geschlecht differenziert? M 16 Haben bestimmte Situationen / Ereignisse in der Untersuchung potentiell unterschiedliche Implikationen für beide Geschlechter? Wurde dies bei möglichen Umsetzungsempfehlungen berücksichtigt? M 17 Ist der Abschlussbericht in einer geschlechtergerechten Sprache abgefasst (Werden durch verwendete Begriffe Assoziationen ausgelöst, die geschlechtsspezifisch sind? Werden allgemeine Begriffe für geschlechtsspezifische Situationen benutzt? Werden Männer und Frauen in vergleichbaren Situationen mit nicht vergleichbaren Begriffen beschrieben?) M 18 Sind in Grafiken und / oder Tabellen beide Geschlechter entsprechend ihrer Bedeutung dargestellt? 11 M 19 Erwecken Titel oder Zusammenfassung den Eindruck, auf beide Geschlechter zuzutreffen? Oder werden beide Geschlechter korrekterweise angeführt? M 20 Enthalten Titel oder Zusammenfassung eine geschlechtsverzerrende Sprache, Konzepte oder Begriffe? 12 Zeitphase 8 Verwertung, Umsetzung a) Öffentlichkeitsarbeit b) Fachliche und politische Umsetzung Charakterisierung öffentliche Präsentation, Presse, Tagungen etc. fachpolitische Konsequenzen, Trägerkonferenzen, Gesetzgebung Gender-Fragestellung Unterschiedlichkeit der Ergebnisse bei Frauen und Männern benennen und erläutern Gender-Verfahren genderrelevante Ergebnisse für Bewusstseinsbildung nutzen Fachliche Konzeptentwicklung, informelle Vorabstimmungen. Ausschreibungskonzept überlegen. Formeller Abstimmungsprozess. Leitungsentscheidung. Ausschreibung Angebotseingang, Auswertung und Vergabeentscheidung. Vergabe der Auftrags, Bewilligung, Vertrag Begleitung des Forschungsvorhabens Ergebnisse, Bericht, Abnahme Verwertung, Umsetzung a) Öffentlichkeitsarbeit b) Fachliche und politische Umsetzung 3 4 5 6 7 8 Zeit/Phase Entstehung der Grundidee, Definition der Forschungsfrage und des Forschungsziels 2 1 Öffentliche Präsentation, Presse, Tagungen etc. Fachpolitische Konsequenzen, Trägerkonferenzen, Gesetzgebung Prüfung der Berichterstattung, Prüfung der fachlichen und politischen Konsequenzen Beobachten, ob die Aufträge, Auflagen und Vereinbarungen umgesetzt und eingehalten werden. Ggfls. intervenieren. Vertrag bearbeiten, Zuwendungen erteilen, ggfls. Auflagen vorsehen Prüfen der Angebote hinsichtlich fachlicher und wissenschaftlicher Qualität und Wirtschaftlichkeit. Finanzierung klären, Beteiligungen beachten (Ref. 206, bedingt Ref. Z 2). Ausschreibungstext abstimmen. Design entwickeln, Konzept-Elemente vervollständigen. Ausschreibungstext vorbereiten Charakterisierung Beschreibung der Erkenntnislücken und des Erkenntnisbedarfs, erste Design-Elemente Werden die GenderFragestellungen im Forschungsprozess beachtet, bearbeitet und ausgewertet? Geschlechtsspezifische Ergebnisdarstellung aufgearbeitet und hinreichend gewichtet? Unterschiedlichkeit der Ergebnisse bei Frauen und Männern benennen und erläutern --- Werden die geschlechtsspezifischen Fragestellungen der Ausschreibung im Angebot berücksichtigt? Wird im Angebot eine Gender-Kompetenz sichtbar? Gender-Fragestellung Aufschlüsseln der Forschungsfrage nach Frauen und Männern, Konzeptformulierungen suchen Unterschiedliche Betroffenheit von Männern und Frauen aufarbeiten, Geschlechtsspezifische Daten und Erkenntnisse sammeln. Gender-Fragen im Ausschreibungstext integrieren Anlage 1 Genderrelevante Ergebnisse für Bewusstseinsbildung nutzen Ggfls. Nacharbeit verlangen, ggfs. Abnahme versagen Berücksichtigung von Gender-Aspekten mittels Auflagen, Absprachen, Zwischenberichten vorsehen. Kontinuierliche Prüfung und Begleitung unter GMAspekten, Beiratssitzungen, Ggfls. Korrekturen/ Erweiterungen des Designs anfordern. Projektbeirat vorsehen (adäquate Beteiligung von Frauen und Männern) (Frühzeitig) fachlich/inhaltliche Beteiligungen einbeziehen. Gezielt Fachleute/Wissenschaftlerinnen/Wissenschaftler befragen. Evtl. Recherchenauftrag an IZ, Bonn Gender-Verfahren Recherchen durchführen, Literaturrecherchen GenderForschung beachten Arbeitsablauf bei Vorbereitung, Vergabe, Begleitung und Umsetzung unter Berücksichtigung von Gender Mainstreaming-Aspekten Typischer Verlauf von Forschungsprojekten Anlage 2 Diese Anlage soll durch die Wissenschaftliche Begleitung Gender Mainstreaming noch durch Beispiele ergänzt und damit insbesondere für Externe verständlicher werden. Schlüsselfragen für Forschungseinrichtungen Sind die Daten für beide Geschlechter getrennt und dargestellt erhoben worden? Wenn nur ein Geschlecht betrachtet wird, sind die Schlussfolgerungen dann auch nur auf dieses bezogen? Werden alle Untergruppen nach Geschlecht analysiert? Erhalten weibliche und männliche Antworten die gleiche Aufmerksamkeit? Werden beide Geschlechter betrachtet, sind die Schlussfolgerungen in verallgemeinernden Begriffen ausgedrückt oder korrekterweise nach Geschlecht differenziert? Haben bestimmte Situationen / Ereignisse in der Untersuchung potentiell unterschiedliche Implikationen für beide Geschlechter? Würde dies bei möglichen Umsetzungsempfehlungen berücksichtigt? Ist der Abschlussbericht in einer geschlechtergerechten Sprache abgefasst? (Werden durch verwendete Begriffe Assoziationen ausgelöst, die geschlechtsspezifisch sind? Werden allgemeine Begriffe für geschlechtsspezifische Situationen benutzt? Werden Männer und Frauen in vergleichbaren Situationen mit nicht vergleichbaren Begriffen beschrieben?) Sind in Grafiken und / oder Tabellen beide Geschlechter entsprechend ihrer Bedeutung dargestellt? Erwecken Titel oder Zusammenfassung den Eindruck, auf beide Geschlechter zuzutreffen? Oder werden beide Geschlechter korrekterweise angeführt? Enthalten Titel oder Zusammenfassung eine geschlechtsverzerrende Sprache, Konzepte oder Begriffe?