Essen mit geblockter Kanüle? - Hals-Nasen-Ohren-Klinik (HNO

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Hals-Nasen-Ohrenklinik
Logopädische Therapie:
Essen mit geblockter Kanüle?
Natascha Leisi, Logopädin MSc Neurorehabilitation
Kantonsspital St. Gallen, Hals-Nasen-Ohrenklinik
2014
Hals-Nasen-Ohrenklinik
Indikationen für Tracheotomie
 Sicherung der Atmung
 Prolongierte Beatmung, erschwertes Weaning
 Aspirationsschutz
2014
Hals-Nasen-Ohrenklinik
Kanülentypen
 Nicht geblockte Kanüle
(ohne Cuff)
 Sicherstellung der
Atmung
2014
Hals-Nasen-Ohrenklinik
Kanülentypen
 Geblockte Kanüle
(mit Cuff)


2014
Beatmungssituation
„Aspirationsschutz“
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Kanülentypen
 Blockbare Sprechkanüle
Entweder-Oder-Funktion
entweder
geblockt = „Aspirationsschutz“,
Beatmung
oder
entblockt = Sprechfunktion
2014
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Aspiration bei geblockter Kanüle
Situation bei Aspiration

Speichelaufstau

Kanüle muss geblockt
sein!
2014
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Auswirkungen der Trachealkanüle auf den
Schluckakt
 In Literatur kontrovers diskutiert
 Ding & Logemann (2005): Reduzierte Larynxelevation und
häufiger stille Aspiration bei geblockter Kanüle (vs ungeblockt)
 Jung et al. (2012): Signifikant grössere Hyoid- sowie
Larynxelevation nach erfolgter Dekanülierung
 Leder et al. (2005): Aspirationsstatus bei Pat. nach OP eines
Kopf-Hals-Tumors ist nicht beeinflusst durch Trachealkanüle
2014
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Amathieu et al. (2012): Influence of the cuff pressure on the
swallowing reflex in tracheostomized intensive care unit patients
Je höher Cuffdruck, desto längere
Latenz bis Auslösung des
Schluckreflexes und desto geringere
Larynxelevation und submentale
Muskelaktivität.
2014
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Auswirkungen der Trachealkanüle auf den
Schluckakt (Frank 2008)
 Ankereffekt:
Behinderung der Larynxelevation und der damit
zusammenhängenden passiven Öffnung des oberen
Ösophagussphinkters
 Kompression des Ösophagus durch Cuff:
Engstelle begünstigt Nahrungsaufstau mit möglicher
Regurgitation
 Verminderung der laryngealen Adduktion:
Fehlen des Respirationsstroms bewirkt Veränderung der
zentralen Kontrolle der laryngealen Schutz- und
Verschlussreflexe
2014
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Auswirkungen der Trachealkanüle auf den
Schluckakt (Frank 2008)
 Veränderung der Druckverhältnisse:
Verminderung der Husteneffizienz aufgrund verändertem
subglottischem Druck
 Desensitivierung des Larynx:
Fehlender Ausatmungsstrom → fehlender afferenter
sensorischer Impuls
 Muskelatrophie durch «Nicht-Gebrauch»
 Vermehrte Sekretproduktion: wichtig feuchte Nase
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Zusammenfassung
 Trachealkanüle per se verursacht in vielen Fällen keine
Schluckstörung, hat aber negativen Einfluss auf
Schluckphysiologie.
 Auswirkung auf Aspirationsstatus kann jedoch nicht
vorausgesagt werden.
 Dysphagie wird nicht besser aufgrund einer Trachealkanüle,
eher unterhalten oder gar verschlechtert.
 Cuff ist kein Aspirationsschutz, sondern mechanisches
Hindernis, damit aspiriertes Material nicht in die tiefen
Atemwege gelangt.
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Essen mit geblockter Kanüle?
 In Literatur finden sich einige Empfehlungen, aber keine
verbindlichen Richtlinien
 Konsens darüber, dass Cuff keinen 100%igen Aspirationsschutz
darstellt (vgl. Winklmaier 2006)
 In logopädischer Fachliteratur klares Nein, aber Klientel waren
neurologische Patienten, die aufgrund schwerer Dysphagie oder
prolongierter Beatmung tracheotomiert wurden (Franke 2008)
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Essen mit geblockter Kanüle?
 Nein, denn:
 Keine Schutzreflexe!
Husten, räuspern, Stimme sind bei geblockter Kanüle nicht
nutzbar und auch nicht erlernbar.
 Kein Cuff ist 100% dicht.
Für Wasser ist Cuff weniger dicht als für Speichel (Winklmaier
2006)
 Cuff behindert Larynxelevation  unzureichende Öffnung des
oberen Ösophagussphinkters (Ding&Logemann 2008)
 Fehlende Luft durch Larynx und Pharynx mindert die
Sensibilität. Gustatorische und olfaktorische Reize fehlen.
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Essen mit geblockter Kanüle?
 Ja, mit Vorbehalt:
Wenn KEINE Hinweise auf Dysphagie bestehen, kann
grundsätzlich mit geblockter Kanüle gegessen werden.
Aber Larynxelevation und Sensibilität bleiben reduziert.
Nutzbare Schutzreflexe fehlen!
Schlucken ist nur unter erschwerten Bedingungen möglich und
es besteht eine latente Aspirationsgefahr!
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Schlucken mit entblockter Trachealkanüle
 Mit entblockter Kanüle, um nutzbare Schutzreflexe zu haben
 Kanüle beim Schlucken verschliessen, um subglottischen Druck
für effektiven Hustenstoss aufzubauen und Larynxverschluss zu
unterstützen, was den pharyngealen Nahrungstransport
erleichtert. (Gross et al. 2003)
 Kompensatorische Massnahmen instruieren (Schlucktechnik,
Husten, Rachenclearing), apparativ überprüfen
 Schlucken beobachten, Speisereste am Tracheostoma?
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Und bei den HNO-Patienten?
 Indikation für Tracheotomie
Atemsicherung (im Rahmen OP oder Notfall)? Dysphagie?
Aspiration?
 Zeitpunkt der Tracheotomie im Behandlungsverlauf
 Behandlungsart (chirurgisch, radio-onkologisch)
 Primäres therapeutisches Ziel bei Kanülenträgern: möglichst
Dekanülierung anstreben, dann orale Ernährung
 Bei HNO-Patienten ist Trachealkanüle aber häufig eine
Langzeitlösung.
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Und bei den HNO-Patienten?
 Ziele: Kommunikation ermöglichen (Sprechkanüle), orale
Ernährung ermöglichen, Patientenwunsch respektieren,
Lebensqualität erhalten/verbessern.
 In gemeinsamem Gespräch Prioritäten diskutieren (Patient, Arzt,
Logopädin)
- Aspiration um jeden Preis vermeiden?
- Sprechen oder Essen?
- Patientenwille?
- Lebensqualität?
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Quintessenz
 Es gibt keine goldene Regel, v.a. nicht bei HNO-Patienten
 Jeden Fall individuell beurteilen
 Husten ist kein „Barrieresymptom“ – sondern Husten als
Reinigungstechnik nutzen
2014
Hals-Nasen-Ohrenklinik

Amathieu, R. et al., 2012. Influence of the cuff pressure on the swallowing reflex in
tracheostomized intensive care unit patients. British Journal of Anaesthesia, 109(4),
pp.578–583.

Ding, R. & Logemann, J.A., 2005. Swallow physiology in patients with trach cuff inflated
or deflated: a retrospective study. Head & Neck, 27(9), pp.809–813.

Frank, U., 2008. Die Behandlung tracheotomierter Patienten mit schwerer Dysphagie :
eine explorative Studie zur Evaluation eines interdisziplinären Interventionsansatzes,
Universitätsverlag Potsdam.

Gross, R.D., Mahlmann, J. & Grayhack, J.P., 2003. Physiologic effects of open and
closed tracheostomy tubes on the pharyngeal swallow. The Annals of Otology,
Rhinology, and Laryngology, 112(2), pp.143–152.

Jung, S.J. et al., 2012. Effect of decannulation on pharyngeal and laryngeal movement in
post-stroke tracheostomized patients. Annals of Rehabilitation Medicine, 36(3), pp.356–
364.

Leder, S.B. et al., 2005. Presence of a tracheotomy tube and aspiration status in early,
postsurgical head and neck cancer patients. Head & Neck, 27(9), pp.757–761.

Winklmaier, U. et al., 2006. Leakage of fluid in different types of tracheal tubes.
Dysphagia, 21(4), pp.237–242.
2014
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