Physik im Sport? Bewegungsausführung verstehen lernen!_Sek II_AK 34 Physik im Sport? Bewegungsausführung verstehen lernen! Axel Schnur Zutaten: • Matten (Turnmatten, Weichbodenmatten) • Keulen • Stäbe Zubereitung: Bei der Analyse einzelner Akrobatik-Elemente ist schnell zu erkennen, dass die limitierenden Faktoren, die über ein Ge- bzw. Misslingen entscheiden, aus physikalischer Sicht der Druck und die Position des Körperschwerpunkts (KSP) sind. Der Druck ist laut Definition Kraft (der Betrag einer Kraft , die senkrecht auf einer Fläche steht) pro Fläche (Flächeninhalt ): Wird also bei gleichbleibendem Druck die Fläche verkleinert, so steigt der Druck: Abb. 1: Vergrößerung des Drucks durch Verkleinern der Fläche Ebenfalls nimmt der Druck zu, wenn bei gleichbleibender Fläche die Kraft größer wird: Abb. 2: Vergrößerung des Drucks durch Vergrößerung der Kraft Aufgabenstellungen, die ein Erspüren der wirkenden Kraft ermöglichen, könnten lauten: „Begib Dich auf eine Weichbodenmatte und finde dort eine Position, so dass die Matte minimal bzw. maximal zusammengedrückt wird!“ Die Aufgabe kann sowohl von einzelnen Sportlern als auch von Gruppen gelöst werden. Ebenfalls gut geeignet, um den Druck erfühlbar zu machen, ist der sogenannte „Baumstammtransport“. Bei dieser Übung wird ein Sportler über die anderen auf dem Rücken liegenden Sportler transportiert. Auch hier kann die Transportfläche wieder vergrößert oder verkleinert werden (z.B. können leichte Baumstämme nur mit den Fingerspitzen transportiert werden…). Abb. 3: Übung: Baumstammtransport Physik im Sport? Bewegungsausführung verstehen lernen!_Sek II_AK 34 Die zweite Komponente, der KSP, soll die Betrachtung der Kraftwirkung auf einen Körper vereinfachen. Man geht bei dieser Modellvorstellung davon aus, dass sich die gesamte Masse des Körpers im KSP vereint befindet. Bei gleichmäßigen Körpern liegt der KSP in deren Symmetrieachse. Der KSP einer Kugel befindet sich somit im Kugelmittelpunkt, der eines Gymnastikstabes auf dem Streckenmittelpunkt. Bei akrobatischen Elementen ist es wichtig, einen „stabilen Stand“ zu erlangen. Biomechanisch bedeutet dies, dass sich der KSP senkrecht oberhalb der Unterstützungsfläche befindet. Die Unterstützungsfläche ist entweder die Bodenberührungsfläche des Körpers oder die Verbindungsfläche all seiner Bodenberührungsflächen. Abb. 4 veranschaulicht dies. Abb. 4: Unterstützungsflächen bei verschiedenen Bodenberührungsflächen Für den Sportler wird dies beim Versuch, verschiedene Gegenstände (Keulen, Stäbe, etc.) zu balancieren, sehr gut erfahrbar. Deutlich schwieriger wird dieser Sachverhalt beim Bau von menschlichen Pyramiden, da sich nun mehrere Körperschwerpunkte durch Arme und Beine verbunden zu einem Körperschwerpunkt vereinen, den es über der Unterstützungsfläche zu halten gilt. Abschließende Tipps für das Gelingen des Rezepts: Grundsätzlich sollte das Experimentieren mit praktischen Übungen und das damit verbundene Erleben dieser zeitlich vor der theoretischen Auseinandersetzung geschaltet werden. Dadurch bleibt einerseits die Attraktivität durch die eigene Handlung erhalten und andererseits werden mögliche Inhomogenitäten bezüglich des theoretischen Vorwissens der einzelnen Gruppenmitglieder so erst in der Diskussion relevant. Sämtliche Bildungs- und Lehrpläne fordern es, die meisten Schulen fördern es und viele Schüler wünschen es sich: Fächerverbindendes Lernen. Damit der Sportunterricht seinem Bildungsanspruch gerecht werden kann, darf er sich nicht nur auf die sportpraktische Ausführung beschränken, sondern muss er auch theoretische Hintergründe aufgreifen. Vor diesem Hintergrund erscheint die Verknüpfung der Fächer Sport und Physik für einen Außenstehenden eher ungewöhnlich, trifft man im Schulalltag doch deutlich häufiger auf Kombinationen zwischen Sport und Biologie, Kunst oder Musik. Betrachtet man den Sport jedoch durch die Brille der Physik, zeigt sich schnell, dass gerade der Sport hervorragend sämtliche Anwendungsfelder eines Teilbereiches der Physik - der Mechanik - bedient und eine solche Verbindung sehr sinnvoll erscheint. Nicht nur im Hochleistungssport hat sich die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit biomechanischen Modellen und Analysen von Athleten und Sportgeräten rasant entwickelt, auch im Freizeit- und Gesundheitssport ist die Biomechanik allgegenwärtig und dies nicht ohne Grund. Der mündige Sportler unserer Zeit möchte verstehen, warum er eine Bewegung in genau dieser Ausführung durchführen soll und inwiefern er davon profitieren kann. Physik im Sport? Bewegungsausführung verstehen lernen!_Sek II_AK 34 Wie können sich Bewegungen verändern und was sind limitierende Faktoren dafür? Auch der Schulsport bietet diesbezüglich enormes Potential, dass leider oft durch mangelndes Fachwissen, aber oft auch alleine durch die Angst vor der meist unbeliebten Physik, verschenkt wird. Dies gilt sowohl für Schüler als auch für Lehrer. Dabei ist eine Verknüpfung von Theorie und Praxis auch aus lernpsychologischer Sicht sinnvoll und macht zusätzlich auch noch Spaß, weil eine für die Schüler neue Dimension der kognitiven Betrachtung des eigenen Sporttreibens dadurch ermöglicht wird. Das Verstehen von dem, was wir tun, steht dabei im Mittelpunkt. Der Arbeitskreis soll den Teilnehmern anhand von verschiedenen Bewegungen aus unterschiedlichen schulrelevanten Sportarten und Disziplinen wie beispielsweise Akrobatik, Bodenturnen und Handball, Wege und Möglichkeiten aufzeigen, wie sich Bewegungen sinnvoll mittels einfacher physikalischer Zusammenhänge analysieren und verstehen lassen. Dabei steht das eigene Durchführen und Erleben der Bewegungen im Zentrum. Darüber hinaus werden parallel zur Sportpraxis sowohl lern- als auch fachtheoretische Hintergründe diskutiert, die den Teilnehmern schülergerechte Methoden vermitteln sollen. Ebenfalls wird ein übergeordnetes Lehr-Lernkonzept vorgestellt, das vom FoSS (Forschungszentrum für den Schulsport und den Sport von Kindern und Jugendlichen) wissenschaftlich begleitet, im Sportunterricht der gymnasialen Mittel- und Oberstufe in der Praxis evaluiert wurde.