Differenzialdiagnose der Uveitis

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M E D I Z I N
Christoph Fiehn1, 4
Manfred Zierhut 2
Matthias Becker3, 4
Zusammenfassung
Eine große Anzahl von internistischen Erkrankungen wie die Spondylitis ankylosans, die
Sarkoidose, der M. Behçet oder die chronisch
entzündlichen Darmerkrankungen können sich
am Auge manifestieren und eine Uveitis auslösen. Nicht selten ist dabei die Augenentzündung das erste Symptom und führt zur Diagnose der zugrunde liegenden Erkrankungen. Aufgrund der Vielzahl der klinischen Bilder am Auge und der Vielzahl der möglichen assoziierten
Erkrankungen stellt die Diagnostik der Uveitis
nicht nur für den Augenarzt, sondern auch für
den hinzugezogenen Internisten eine schwierige Herausforderung dar. In der folgenden Arbeit werden die Charakteristika der das Auge
betreffenden Systemerkrankung anhand typischer klinischer Befunde der Uveitis aufgezeigt. Ausgehend davon wird die diagnostische Strategie beschrieben, welche es erlaubt,
eine effektive, am klinischen Bild orientierte
Diagnostik durchzuführen. Ziel ist es dabei, in
Zusammenarbeit des Internisten mit dem Augenarzt die Genese der Uveitis zu klären und
mögliche zugrunde liegende Erkrankungen zu
identifizieren.
Schlüsselwörter: Differenzialdiagnose, Uveitis,
Sarkoidose, Diagnosestellung, Toxoplasmose
Summary
Differential Diagnosis of Uveitis
Uveitis can be the result of a multitude of disorders such as sarcoidosis, Behçet's disease
and inflammatory bowel disease. In a large
proportion of patients the ocular symptoms
are the initial symptom which then lead to
the diagnosis of the underlying disease. Therefore the differential diagnosis of uveitis is
a challenge for the ophthalmologist as well
as the consulting physician. In the following
paper the characteristic patterns of uveitis
and of associated systemic illnesses with ocular
inflammation are described and a systematic
strategy is outlined towards an effective diagnostic work-up of patients with uveitis. This
is orientated at the clinical picture of ocular
inflammation and is aimed to identify the
cause of the uveitis and possible underlying
systemic diseases.
Key words: differential diagnosis, uveitis, sarcoidosis, diagnosis, toxoplasmosis
A 2514
Differenzialdiagnose
der Uveitis
D
ie Uvea bildet das mittlere Blatt
der Schichten des Augapfels. Im
vorderen Augensegment bildet
es die Iris (Regenbogenhaut) und den
Ziliarkörper, im hinteren die Chorioidea (Aderhaut) (Grafik 1). Ausgelöst
durch Infektionserreger oder immunologische Vorgänge kann es zur Extravasation von mononukleären Zellen
und Proteinen in die Strukturen der
Uvea, die Vorderkammer und den
Glaskörper kommen. Diese intraokulare Entzündung wird Uveitis genannt. Sie ist mit einer Inzidenz bei
circa 8 000 bis 15 000 Neuerkrankungen pro Jahr, einer Prävalenz von circa
400 000 Personen in Deutschland,
nach altersbedingter Makuladegeneration, Glaukom und diabetischer Retinopathie die vierthäufigste Ursache
für Blindheit. Die verschiedenen klinischen Bilder können am Auge nicht
selten so charakteristisch sein, dass sie
Hinweise auf die zugrunde liegende
Erkrankung geben können. Dabei ist
die Frequenz des Auftretens, die Einoder Beidseitigkeit, der Verlauf und
das Auftreten bestimmter Komplikationen bei verschiedenen Erkrankungen unter Umständen typisch und
kann richtungsweisend für die Zuordnung sein. Wenn ein Teil der Uvea entzündet ist, werden benachbarte Strukturen häufig mitbetroffen. Aus der
anatomischen Lokalisation werden
die Begriffe Iritis und Iridozyklitis
(anteriore Uveitis), Chorioiditis, Chorioretinitis (posteriore Uveitis), intermediäre Uveitis (zum Beispiel Pars
Planitis, Vitritis) sowie Panuveitis abgeleitet. Die zugrunde liegenden Systemerkrankungen können in ihrer
Augenbeteiligung mehr als ein Kom-
1 Medizinische Klinik und Poliklinik V (Ärztlicher Direktor:
Prof. Dr. med. Anthony Dick Ho), Universität Heidelberg
2 Augenklinik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Karl Ulrich Bartz-Schmidt ) der Universität Tübingen
3 Augenklinik (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. med. Hans
Eberhard Völcker), Universität Heidelberg
4 Interdisziplinäres Uveitiszentrum der Universität Heidelberg
partiment des Auges betreffen. Die
anatomische Klassifikation ist ein
Hilfsmittel, welches gemeinsam mit
den typischen Charakteristika der Augenentzündung, die sich vor allem an
den morphologischen Veränderungen
und dem Verlauf der Entzündung orientiert, von Nutzen sein kann (35).
Trotzdem ist es empfehlenswert neben
der anatomischen Klassifikation den
okulären Befund einer Uveitis so deskriptiv und detailliert wie möglich zu
gestalten, um ein Maximum an Informationen dem interdisziplinären Team
mitzuteilen. Die Uveitis lässt sich von
der Pathogenese und der Assoziation
zu anderen Erkrankungen in die im
Textkasten beschriebenen Kategorien
einteilen.
Primär infektiöse
Erkrankungen
Eine Vielzahl von Infektionserregern
kann Entzündungen des Auges hervorrufen (Textkasten). Diese reichen
von Viruserkrankungen über bakterielle und fungale Endophthalmitiden
zu seltenen parasitären und Pilzerkrankungen, wobei eine bedeutende
Anzahl davon vor allem als opportunistische Infektionen bei immunsupprimierten Patienten, nach Trauma oder
postoperativ auftreten. Nicht selten
kann die Diagnose durch ein typisches
ophthalmologisches Bild und die
Anamnese gestellt werden. Jedoch ist
der Arzt häufig auf zusätzliche Laboruntersuchungen und gezielte mikrobiologische Testung nach Materialgewinnung aus der Vorderkammer oder
dem Glaskörper zur Identifizierung
der Erreger angewiesen. Leider versagen herkömmliche mikrobiologische
Methoden oftmals, und der Wert der
Serodiagnostik ist bei einem hohen
Durchseuchungsgrad durch fehlende
Spezifität in der Identifizierung aktiver Infektionen eingeschränkt. Mithilfe zum Beispiel der Polymeraseket-
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tenreaktion (PCR) lassen sich auch
aus kleinen Materialmengen, welche
durch Glaskörperbiopsien gewonnen
werden, spezifisch und schnell DNA
und RNA von Infektionserregern nachweisen (1, 9, 21, 39). Dies scheint insbesondere bei der Schnelldiagnose der
postoperativ, traumatisch oder endogen septisch bedingten Endophthalmitis eine immer größere klinische Relevanz bei der Erregersicherung einzunehmen. Die häufigsten der primär
durch Infektionserreger verursachten
Uveitiden werden im Folgenden etwas
näher beschrieben.
Toxoplasmose
Toxoplasmose ist die häufigste Ursache für eine Chorioiditis oder Chorioretinitis in immunkompetenten Patienten. Dieser Prototyp der posterioren Uveitis macht zwischen 5 und 12
Prozent der Uveitiden aus (24, 28, 34,
38) (Tabelle 1). Die okuläre Toxoplasmose tritt meistens akut und einseitig
auf und kann neben der Chorioiditis
oder Chorioretinitis eine begleitende
Iritis oder Iridozyklitis, welche sich
dann durch ein gerötetes und schmerzhaftes Auge äußern kann, verursachen. Die Chorioretinitis zeigt ein sehr
typisches ophthalmologisches Bild mit
weißlich-flauschigen retinalen Entzündungsherden, die in der Nähe von
retinalen, pigmentierten Narben als
Zeichen früherer Aktivität auftreten.
Diese typischen Befunde lassen fast
immer bereits eine eindeutige Zuordnung der Augenentzündung zu. In der
überwiegenden Mehrzahl der Fälle
liegt der okulären Toxoplasmose eine
Reaktivierung einer in utero oder in
der Kindheit erworbenen Infektion
zugrunde, wohingegen primäre Infektionen des Auges selten sind und häufig bei gleichzeitiger Infektion des
ZNS gesehen werden (23). Meist findet man nur bei primären Infektionen
oder Infektionen, welche mehr als nur
das Auge betreffen, serologische Zeichen einer aktuellen Infektion mit positiven IgM- und IgA-Titern gegen Toxoplasmen oder aber einem deutlichen Anstieg der IgG-Titer im Verlauf.
Eine solche Konstellation bei einer
okulären Toxoplasmose sollte daher
den Verdacht auf eine zusätzliche ze-
am Auge kann sich das hochdramatische Krankheitsbild
der akuten retinalen Nekrose
(ARN) entwickeln (17, 41),
welches durch eine steppenbrandartige von peripher nach
zentral fortschreitende Netzhautnekrose gekennzeichnet
ist und häufig zur Netzhautablösung führt. Im Gegensatz
zu den HSV- oder VZV-Infektionen, welche überwiegend
bei immunkompetenten Patienten auftreten, ist die Zytomegalievirusinfektion eine Erkrankung vor allem von immunkomprimierten Patienten
und verursacht eine Chorioretinitis mit weißlichen, cremeSchematische Darstellung des Auges und seiner anatoartigen retinalen Infiltraten,
mischen Strukturen
welche meist gefäßassoziiert
mit arteriellen Gefäßokklurebrale Toxoplasmose lenken. Isoliert sionen und retinalen Hämorrhagien bepositive IgG-Titer gegen Toxoplas- ginnen (18). Die HIV-Infektion, häufig
men, wie man sie bei der Reaktivie- die Ursache der opportunistischen Inrung der Toxoplasmose lokal am Auge fektion mit CMV, kann zwar eine retifindet, sind auch bei der Mehrzahl al- nale Manifestation mit so genannten
ler Gesunden vorhanden und somit Cotton-wool-Herden verursachen, diezur Diagnose der okulären Toxoplas- se beeinträchtigen aber den Visus nicht
mose wertlos. Jeder positive Toxoplas- wesentlich (18, 19). Allerdings wurde
mose-IgG-Titer ist bei Vorhandensein bei Patienten, welche eine antiretrovider genannten morphologischen Kri- rale Therapie wegen einer HIV-Infektiterien für die Diagnose eines Toxo- on erhalten, eine so genannte Immuneplasmose-Rezidivs richtungsweisend.
recovery-Uveitis beschrieben (13, 42).
Diese Form der Uveitis, welche sich
meist als eine zelluläre GlaskörperinfilViruserkrankungen
tration manifestiert, entsteht wahrViruserkrankungen sind für 2 bis 17 scheinlich durch eine plötzliche ImmunProzent der Uveitiden verantwortlich antwort auf intraokuläre CMV-Anti(24, 28, 34, 38). Hierbei spielen Her- gene, während sich das Immunsystem
pesviren die größte Rolle. Sie können erholt.
die Herpes-simplex-Keratouveitis, eine Komplikation der Herpeskeratitis,
sowie anteriore Uveitiden durch eine Vermutlich primär
okuläre Beteiligung eines Herpes zo- immunologisch vermittelte
ster (8) verursachen. Letztere treten
Systemerkrankungen
typischerweise bei immunkompetenten Patienten und dann streng einsei- Spondylarthropathien
tig und plötzlich auf. Häufig gehen sie
mit granulomatösen Hornhautpräzipi- Die Spondylarthropathien inklusive
taten und einem sekundären intra- dem Reiter-Syndrom und der Spondyokularen Druckanstieg meist im Rah- litis ankylosans sind die häufigsten
men eines Zoster ophthalmicus ein- Systemerkrankungen in Assoziation
her. Im Gefolge einer okulären Infek- mit einer Uveitis in westlichen Läntion einer Herpesvirus-Reaktivierung dern und werden bei 2 bis 21 Prozent
(Herpes-simplex-Virus, HSV; Varizel- der Patienten mit Uveitis gefunden
len-Zoster-Virus, VZV; Zytomegalie- (Tabelle 2). Die Spondylarthropathivirus, CMV; Ebstein-Barr-Virus, EBV) en, welche zu zwei Dritteln Männer
Grafik 1
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Textkasten
Diagnostische Kategorien der Uveitis
Infektiöse Erkrankungen
Viral
HIV
Herpes zoster
Epstein-Barr-Virus
Herpes simplex
Zytomegalievirus
Bakteriell
Tuberkulose
Brucellose
Propinibacterium acne
Lues
Lepra
Leptospirose
Borreliose
Morbus Whipple
Parasitär
Toxoplasmose
Acanthamoeba
Zystizerkose
Onchozerkose
Toxocariose
Pilz
Histoplasmose
Coccidioidomykosis
Candidiasis
Aspergillose
Sporotrichose
Blastomykose
Cryptokokkose
Vermutlich immunologisch vermittelte
Systemerkrankungen
Spondylitis ankylosans
Morbus Behçet
Morbus Crohn
Interstitielle Nephritis (TINU)
Juventile idiopathische Arthritis
Multiple Sklerose
Sarkoidose
Vogt-Koyanagi-Harada-Syndrom
Reiter-Syndrom
Psoriasisarthropathie
Colitis ulcerosa
Systemische Vaskulitiden z. B. M. Wegener
Kawasaki-Syndrom
Rezidivierende Polychondritis
Systemischer Lupus erythematodes
und andere Kollagenosen
Isolierte Augenerkrankungen
White-dot-Syndrome
Fuchssches Uveitissyndrom
Linseninduzierte Uveitis
Trauma
Sympathische Ophthalmologie
Birdshot-Choroidopathie
Glaukomzyklitische Krise
Multifokale Choroiditis
Serpiginiöse Choroiditis
Medikamenteninduzierte Uveitis
Masquerade-Syndrome
Leukämien
Retinitis pigmentosa
Intraokuläre Lymphome
Retinoblastom
A 2516
betreffen, verursachen charakteristische Veränderungen am Auge in Form
einer häufig fibrinösen Iritis oder Iridozyklitis bis hin zum Hypopyon (Abbildung 1). Die Erkrankung tritt akut
auf, geht mit Rötung, Schmerzen und
Lichtempfindlichkeit des Auges einher und neigt dazu, in periodischen
Schüben mit reizfreien Intervallen zu
rekurrieren. In 95 Prozent der Fälle
tritt die anteriore Uveitis im Rahmen
einer Spondylarthropathie zunächst
einseitig auf, kann dann aber auch am
anderen Auge, typischerweise wieder
meist einseitig, rezidivieren (30). Patienten mit einer akut aufgetretenen anterioren und einseitigen Uveitis tragen zu 70 Prozent das HLA-B27-Antigen. Zu 30 bis 90 Prozent haben diese
Patienten Spondylarthropathien, welche entweder bereits als periphere
Oligoarthritis, Sakroilitis oder als andere Manifestationen der Erkrankung
symptomatisch sind, oder sich in den
nächsten Jahren entwickeln werden.
Die HLA-B27-assoziierte anteriore
Uveitis kann auch isoliert ohne Gelenkbeteiligung vorkommen (2, 33).
Sarkoidose
Die Sarkoidose befällt das Auge fast
genauso oft wie die Lunge und kann
hier ein außerordentlich variables
Bild der Entzündung in allen Abschnitten des Auges verursachen (20,
31). Relativ typisch sind granulomatöse Hornhautpräzipitate, multifokale
perivenöse Einscheidungen mit chorioretinitischen Herden (Abbildung 2a)
und Aderhautgranulome, sodass bei
einem solchen Befund sofort an eine
Sarkoidose gedacht werden sollte. Wegen ihres variablen Bildes muss die
Sarkoidose aber auch bei allen anderen Manifestationen der Uveitis differenzialdiagnostisch erwogen werden.
Eine Röntgen-Thorax-Aufnahme zum
Nachweis der charakteristischen bihilären Lymphadenopathie (Abbildung 2b) oder einer interstitiellen
Lungenerkrankung gehört zum Standardprogramm einer jeden Uveitisabklärung. Gegebenenfalls kann ein
CT des Thorax helfen, diskrete Veränderungen im Röntgen-Thorax besser einzuordnen. Die Bestimmung
von „angiotensin converting enzyme“
(ACE) im Plasma hat als Screeningmethode für die Sarkoidose seine
Begründung, allerdings besitzt diese
Untersuchung wie auch die Lokalisation von granulomatösen Veränderungen in der Galliumszintigraphie nur
eine limitierte Sensitivität und Spezifität. Bei typischer bihilärer Lymphadenopathie und den entsprechenden
Augenbefunden kann die Diagnose einer Sarkoidose mit ausreichender Sicherheit angenommen werden, bei
weniger eindeutigen Fällen sollte aber
eine histologische Sicherung der Diagnose gegebenenfalls durch transbronchiale Biopsie oder mediastinoskopische Lymphknotenentnahme angestrebt werden.
Morbus Behçet
Der Morbus Behçet ist eine Systemerkrankung, die sich vor allem durch rezidivierende orale und genitale Aphthen auszeichnet, aber außerdem noch
eine Vielzahl von Manifestationen an
Haut, Gefäßen, zentralem Nervensystem, Gelenken und dem Auge verursachen kann. Die Häufigkeit der Augenbeteiligung liegt bei circa 60 Prozent (15), sie betrifft sowohl die vorderen wie auch die hinteren Anteile des
Auges und ist meist beidseitig. Die anteriore Uveitis beim M. Behçet kann
in circa 30 Prozent der Fälle (19) das
für diese Erkrankung relativ charakteristische Bild der Hypopyon-Iritis bieten und verläuft meist schubweise mit
inaktiven Phasen der Uveitis über längere Zeit. Am Augenhintergrund zeigt
der Morbus Behçet das typische Bild
der retinalen okklusiven Vaskulitis.
Diese Manifestation führt bei circa 15
Prozent der Patienten mit Morbus
Behçet nach herkömmlicher immunsuppressiver Therapie zur Erblindung
(15) und ist gekennzeichnet durch hämorrhagische und ödematöse Areale
an der Retina, welche von entzündlichen Veränderungen im Glaskörper
begleitet werden. Die damit einhergehenden vasookklusiven Veränderungen können am besten fluoreszenzangiographisch dargestellt werden. In
Europa und den USA hat der Morbus
Behçet eine Prävalenz von 0,1 bis 7,5
Patienten pro 100 000 Einwohner, ist
aber in den Mittelmeerländern erheb-
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´
Tabelle 1
´
Ursachen und Klassifizierung von Uveitiden in tertiären Uveitiszentren (Angaben in Prozent)
Diagnosen
Tran et al.
1995 (38)
Schweiz
Smit et al.
1993 (34)
Niederlande
Banares et al.
1997 (2)
Spanien
Pivetti-Pezzi et al.
1996 (24)
Italien
Rodriguez et al.
1996 (28)
USA
Becker & Fiehn 2002
(nicht publiziert)
Heidelberg
Anzahl der Patienten
435
750
407
1417
1237
405
Nicht zuordbar
28
41
24
38
35
33
HLA-B27-assoziierteanteriore Uveitis
17
7
6
3
–
5
15
21
1,4
10
6
Spondylarthropathie
Virale Infektion
17
2
3
6
7
2
Toxoplasmose
9
10
12
7
5
3
M. Behçet
1
2
3
6
3
3
Sarkoidose
7
7
2
0,4
10
5
Pars Planitis
7
n. a.
5
12
n. a.
3
Fuchssches Uveitissyndrom
6
10
n. a.
8
n. a.
9
Syphilis
–
0,3
1
0,1
2
0,2
Juvenile idiopathische
Arthritis
–
2
0,7
2
6
1
Systemischer Lupus
erythematodes
–
–
0,7
–
5
1
Sonstige
9
3
21
7
17
19,8
n. a., nicht angegeben
´
Tabelle 2
´
Typische augenärztliche und internistische Befunde bei den häufigsten entzündlichen Systemerkrankungen mit Augenbeteiligung*1
Erkrankungen
Augenärztliche Befunde der Uveitis
Internistische Befunde
Verlauf der Uveitis
Spondylarthropathien
(M. Bechterew,
M. Reiter u. a.)
Fibrinöse Iridozyklitis,
Hypopyon
Entzündlicher Rückenschmerz
periphere Oligoarthritis, radiologisch Sakroileitis, HLA-B27positiv, junges Erwachsenenalter, häufiger Männer
Plötzlicher, einseitiger Beginn,
rezidivierend
Sarkoidose
Variables Bild, granulomatöse keratitische
Präzipitate, Granulome, perivaskuläre
Einscheidungen und periphere chorioretinitische Herde sind charakteristisch,
in allen Augenabschnitten Befall möglich
Bihiläre Lymphadenopathie,
interstitielle Lungenerkrankung,
Erythema nodosum, histologisch epitheloidzellige Granulome, ACE-Erhöhung
Schleichender Beginn, chronisch,
meist beidseitig, oft einmaliger
Schub (bis 50 %)
Chronisch entzündliche
Darmerkrankungen
Anteriore Uveitis, evtl. Beteiligung intermediärer und posteriorer Segmente
Diarrhöen und abdominale Koliken, beweisende Befunde in
Endoskopie und Histologie
Akut oder chronisch verlaufend,
ein- oder beidseitig
Morbus Behçet
Retinale okklusive Vaskulitis, Hypopyoniritis, anterior/posteriore Uveitis,
Panuveitis
Orale und genitale Aphthen,
Oligoarthritis, Erythema nodosum
und Follikulitis, atypische venöse
Thrombosen
Schleichender Beginn, chronisch
Juvenile idiopathische
Arthritis (Oligoarthritis Typ I)
Anteriore Uveitis mit Bandkeratopathie,
häufig Sekundärkomplikationen
Periphere Mon- oder Oligoarthritis im Kleinkindalter, ANApositiv
Schleichender Beginn, chronisch
Systemischer
Lupus erythematodes
Multiple arterielle Verschlüsse und
Hämorrhagien der Retina, Papillitis
Typisches Schmetterlingserythem,
Arthritiden, Nephritis u. v. m.
ANA-positiv und dsDNA-Ak
Akut, beidseitig
Borreliose
Anteriore, intermediäre oder posteriore
Uveitis, Papillitis, Neuroretinitis
Mon- oder Oligoarthritis,
anamnestisch Erythema
chronicum migrans, BorrelienIgG positiv
Variabel
*1 Häufig werden die Befunde nur teilweise und in variabler Ausprägung gefunden; ANA, antinukleoärer Antikörper; dsDNA-AK, Doppelstrang-DNA-Antikörper
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lich häufiger und in der Türkei circa
10- bis 20mal so häufig als in Deutschland (15). In Japan machen Patienten mit M. Behçet sogar 20 Prozent aller Uveitispatienten aus. Insbesondere
bei türkischen Patienten sollte die
Diagnose daher immer erwogen werden, wenn eine beidseitige anteriore
Uveitis oder aber eine posteriore
Uveitis mit retinaler Vaskulitis diagnostiziert wird. Da spezifische Labortests nicht existieren, muss die Diagnose aus der klinischen Konstellation
gestellt werden, wobei Diagnosekriterien einen Anhalt geben können (7).
Ein Pathergietest der Haut, die so genannte Behçetin-Probe, bei dem das
Ausmaß der bei einem M. Behçet gesteigerten, papulösen Reaktion nach
der intradermalen Applikation von
isotoner, steriler Kochsalzlösung beurteilt wird, hat nur eine sehr variable
Sensitivität und Spezifität und ist daher nur von limitiertem Nutzen (15).
Beim M. Behçet existiert seit kurzem
mit der Interferon-alpha-Therapie eine nach den bisher vorliegenden Ergebnissen sehr wirksame Therapieoption (16).
Sonstige Systemerkrankungen und
Masquerade-Syndrome
Eine Vielzahl von anderen Systemerkrankungen kann mit einer Uveitis
einhergehen (Tabelle 2). Die juvenile
idiopathische Arthritis, typischerweise
ANA-assoziiert mit Krankheitszeichen
einer Mon- oder Oligoarthritis, verursacht bei circa 24 Prozent der Kinder
eine meist beidseitige, schleichend
verlaufende, anteriore Uveitis (14). Eine Vielzahl von Komplikationen (Synechien, Bandkeratopathie, Katarakt,
Glaukom) können diesen meist beschwerdefreien, kleinen Patienten das
Augenlicht nehmen, da diese typischen
Komplikationen oft erst spät entdeckt
werden. Engmaschige, das heißt in Abhängigkeit des Befundes unter Umständen wöchentliche augenärztliche
Untersuchungen sind bei diesen Kindern daher unbedingt notwendig.
Der systemische Lupus erythematodes (SLE) kann in circa 1,7 Prozent
der Fälle eine schwere vaskulitische
Retinopathie verursachen (5, 36), welche sich typischerweise durch zahl-
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reiche Cotton-wool-Herde, Gefäßverschlüsse und intraretinale Hämorrhagien manifestiert.
Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen wie auch Patienten mit
Psoriasis entwickeln in circa 1 bis 2
Prozent eine anteriore Uveitis (4,
22), welche sich ganz ähnlich wie bei
den Spondylarthropathien als einseitige, plötzlich auftretende und rekurrierende anteriore Uveitis oder aber
auch als eher chronische, die hinteren
Augenabschnitte mitbetreffende Uveitis äußern kann. Bei Patienten mit entzündlichen Darmerkrankungen muss
die Entzündungsaktivität des Darmes
nicht mit der des Auges korrelieren
(40).
Zu den neurologischen Erkrankungen, welche mit einer Uveitis assoziiert sind, gehört die multiple Sklerose,
welche in großen Uveitiskollektiven
bei circa einem Prozent der Uveitiden
gefunden wird (28, 45). Am häufigsten
manifestiert sich die okuläre Beteiligung neben der typischen Retrobulbärneuritis durch eine intermediäre
Uveitis (etwa 10 Prozent aller Patienten mit intermediärer Uveitis), oft mit
retinaler Vaskulitis oder selten mit
stärkerer anteriorer Komponente.
Eine zweite neurologische Erkrankung, welche bei Kaukasiern jedoch
sehr selten ist, ist das Vogt-KoyanagiHarada-Syndrom. Dieses äußert sich
neben einer überwiegend posterioren
Uveitis, die typischerweise mit einer
exsudativen Netzhautablösung einhergeht, durch meningitische Symptome, Schwerhörigkeit, Vitiligo und
Alopezie (26, 27). In den USA ist diese
Erkrankung deutlich häufiger (19).
Der Unterschied ist vermutlich auf die
differierenden ethnischen Populationen in Europa und den USA zurückzuführen.
Selten täuschen nicht primär entzündliche Erkrankungen eine Uveitis
vor. Ein solches Masquerade-Syndrom kommt bei den intraokulären
Lymphomen, bei Leukämien und bei
primären Augenerkrankungen wie
der Retinitis pigmentosa oder dem
Pigmentdispersionssyndrom vor (6,
10, 29, 32). Als Gemeinsamkeit haben
die Masquerade-Syndrome, dass sie
schlecht oder gar nicht auf Glucocorticoide ansprechen. Die Diagnose eines
intraokulären Lymphoms, welches sich
in der Regel außerhalb des Auges meistens intrazerebral manifestiert, kann
letztendlich nur durch eine diagnostische Vitrektomie mit zytologischer
und molekularbiologischer Beurteilung der gewonnenen Zellen gesichert
werden (6, 10, 29, 32).
Isolierte Augenerkrankungen
Ein klassisches Beispiel einer rein
okulären Uveitis-Entität wäre das
Fuchssche Uveitis-Syndrom (frühere
Bezeichnung: Fuchssche Heterochromiezyklitis), das durch einen fast immer einseitigen Befall mit milder,
chronischer Entzündung (Vorderkammer, Glaskörper), diffuser Verteilung
von sternförmigen Hornhautpräzipitaten, fehlenden hinteren Synechien
(Verklebungen von Iris und Linse),
diffuser Irisatrophie und Heterochromie (nur bei 30 Prozent der Patienten)
alleine aufgrund des ophthalmologischen Bildes diagnostiziert werden
kann.
Die sternförmigen Hornhautpräzipitate beim Fuchsschen Uveitis-Syndrom unterscheiden sich dabei durch
ihre charakteristische Form von den
granulomatösen Hornhautpräzipitaten zum Beispiel bei der Sarkoidose
oder den feinen, im so genannten Arltschen Dreieck verteilten Präzipitaten
bei der ankylosierenden Spondylitis.
Diagnostisches Vorgehen
Auch wenn bestimmte Krankheitsentitäten durch ihre Häufigkeit dominieren, ist die Liste der Erkrankungen,
welche theoretisch zu einer Uveitis führen können, außergewöhnlich lang
(Textkasten). Ein Versuch bei jedem Patienten alle diese Erkrankungen durch
entsprechende Untersuchungen gleichzeitig auszuschließen, muss zwangsläufig zu einer Fülle von falschpositiven
Ergebnissen und diagnostischen Irrwegen führen (3). Eine sinnvolle diagnostische Abklärung, welche dazu
beiträgt die Uveitis hinreichend zu
klassifizieren und mögliche, zugrunde
liegende internistische Systemerkrankungen zu erkennen, ist daher am er-
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a
a) Dieser Patient berichtete über eine plötzlich aufgetretene Rötung, Schmerz- und
Lichtempfindlichkeit mit Nebelsehen am linken Auge. Eine ähnliche Episode habe
sich vor 2 Jahren bereits ereignet. Seit Jahren habe er morgendliche, tiefsitzende
Rückenschmerzen, welche sich bei Bewegung besserten. Die Iliosacralfugen waren
druckschmerzhaft und der Mennellsche Test positiv (schmerzhafte Retroflexion des
Oberschenkels und des Beckens in Bauchlage bei durch die Hand des Untersuchers
fixiertem Sakrum). b) Im Röntgenbild der Lendenwirbelsäule mit IS-Fugen zeigte
sich das typische bunte Bild einer Sakroilitis mit Erosionen und Ankylosen (Pfeile).
Die HLA-B27 Bestimmung war positiv.
b
Abbildung 1: 27-jähriger Mann mit akuter, einseitiger Iridozyklitis und HLA-B27-assoziierter Spondylarthropathie
folgreichsten, wenn sie einer differenzialdiagnostischen Systematik folgt
(Grafik 2). Hierbei hilft vor allem der
ophthalmologische Befund und eine
am besten standardisierte Anamnese
(43). So wie bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen das Muster des
Gelenkbefalls für die Einordnung der
rheumatischen Erkrankung hilfreich
ist, so sind bei Patienten mit Uveitis
das klinische Bild der Manifestation
am Auge und die anamnestischen Angaben häufig charakteristisch für eine
bestimmte Erkrankung. Die Beantwortung folgender Fragen hilft dabei
bei der Planung des weiteren diagnostischen Vorgehens.
> Ist der ophthalmologische Befund
charakteristisch für eine auf das Auge
beschränkte Erkrankung oder entspricht er der typischen Manifestation
einer Systemerkrankung am Auge?
> Sind die Veränderungen am Auge
„granulomatös“ (typische Hornhautpräzipitate bei Sarkoidose, Zosteruveitis, multiple Sklerose) ?
> Wo ist die Erkrankung im Auge
lokalisiert (Uveitis anterior, intermedia, posterior)?
> Ist die Erkrankung plötzlich oder
schleichend aufgetreten, verläuft sie
chronisch oder remittierend?
> Ist die Uveitis ein- oder beidseitig ?
> Hat der Patient Schmerzen ?
> Spricht die Uveitis auf Glucocorticoide an ?
Wenn durch die ophthalmologische
Untersuchung nicht bereits eine defi-
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nitive Diagnose gestellt werden konnte, grenzen diese Informationen aber
meist die infrage kommenden Erkrankungen bereits deutlich ein. Ausgehend von den häufigen Krankheitsbildern bei der vorliegenden Form der
Uveitis kann eine gezielte diagnostische Abklärung erfolgen. Die weitere
Anamnese sollte neben den körperlichen Beschwerden wie zum Beispiel
tiefsitzenden, morgendlichen Rückenschmerzen bei den Spondylarthropathien unter anderem auch Tropenaufenthalte und den ethnischen Hintergrund des Patienten mit erfassen. Dies
ist in Deutschland umso wichtiger, als
vor allem die türkischstämmigen Bevölkerungsteile ein etwa 10- bis 20fach
erhöhtes Risiko für einen M. Behçet
haben. Die körperliche Untersuchung
kann Hautveränderungen wie zum
Beispiel Aphthen (Mund, Genitale)
und Follikulitiden beim Morbus
Behçet oder Gelenkveränderungen
wie bei den Spondylarthropathien
zeigen. Weitere Untersuchungen wie
Röntgen-Thorax können pathologische Befunde an inneren Organen wie
eine interstitielle Lungenerkrankung
bei der Sarkoidose oder spezifische
Veränderungen der Tuberkulose zu
Tage bringen. Laborchemische und
andere technische Untersuchungen
sollten auf die häufigen und wahrscheinlichen Grunderkrankungen fokussieren, gleichzeitig aber die Möglichkeit geben, seltene, aber gravierende Diagnosen nicht zu übersehen. So
ist die Durchführung einer RöntgenThorax-Aufnahme, eines Blutbildes
und einer kleinen Auswahl blutchemischer Parameter bei allen Patienten,
bei denen nicht von vornherein eine
primäre Augenerkrankung diagnostiziert wurde, sinnvoll. Hiermit kann einerseits die häufige und sich hinter
vielen Formen der Uveitis verbergende Sarkoidose diagnostiziert werden
und anderseits wird das Risiko reduziert, dass seltenere Erkrankungen
wie Tuberkulose oder aber Masquerade-Syndrome durch Leukämien oder
maligne Lymphome übersehen werden. Selbstverständlich sind bei konkretem Verdacht auf eine solche Erkrankung dann aber noch zusätzliche
Untersuchungen notwendig. Ausnahmen stellen Patienten dar, bei denen aufgrund des typischen ophthalmologischen Bildes eine primäre Augenerkrankung, wie zum Beispiel ein
Fuchssches Uveitissyndrom oder aber
eine okuläre Toxoplasmose diagnostiziert werden konnte, und bei denen keine zusätzlichen diagnostischen
Maßnahmen notwendig sind. Obwohl
die Syphilis als Ursache einer Uveitis
in allen Fallstatistiken nur sehr selten
in unseren Breiten gefunden wird, ist
doch die Durchführung eines FTAAbs-Tests (Fluoreszenz-TreponemaAntikörper-Absorptions-Test) bei allen Patienten sinnvoll, da die okuläre
Syphilis durch ihr äußerst variables
Bild (37) klinisch kaum diagnostiziert
werden kann und gleichzeitig der
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Deutsches Ärzteblatt
M E D I Z I N
a
a) Über Wochen aufgetretenes, zunehmendes Schleiersehen auf beiden Augen veranlasste diesen Patienten seinen Augenarzt aufzusuchen, der neben Entzündungszellen und Verdichtungen im Glaskörper
auch den retinalen Befund einer multifokalen Periphlebitis mit weißlichen perivenösen Einscheidungen feststellte. b) Eine Röntgenuntersuchung der
Lunge erbrachte eine bihiläre Lymphadenopathie
(siehe Pfeile), das ACE war erhöht.
b
Abbildung 2: 36-jähriger Mann mit retinaler Vaskulitis und Sarkoidose
Grafik 2
Der ophthalmologische Befund weist den Weg beim schrittweisen diagnostischen Vorgehen. Die Charakteristika der Entzündung (Tabelle 2) können primäre Augenerkrankungen identifizieren oder auch auf eine zugrunde liegende Systemerkrankung hinweisen (obere Reihen)
Differenzialdiagnose der Uveitis
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FTA-Abs-Test mit einer Spezifität von
99 Prozent und der Möglichkeit eines
VDLR-Bestätigungstests
(venereal
disease research laboratorytest) hinreichend selten falschpositive Ergebnisse produziert. Außerdem kann sich
die Syphilis oft durch eine rein okuläre
Symptomatik ohne ausgeprägte Systemmanifestation äußern und ihre
Diagnosestellung hat entscheidende
therapeutische Konsequenzen.
Dies trifft auch zu für die Diagnose
einer Borreliose, welche wie die Syphilis eine Spirochätose ist, aber über
Zecken übertragen wird und ebenfalls
verschiedene Formen der Uveitis sowie Optikusneuritis und Papillitis verursachen kann. Die Diagnose wird, neben der typischen klinischen Symptomatik wie einem Erythema chronicum
migrans im Frühstadium oder einer
Mon- oder Oligoarthritis beziehungsweise neurologischer Symptomatik in
späteren Stadien, durch die Serologie
gestellt. Charakteristisch sind positive
IgG-Antikörper gegen Borrelien. Die
Spezifität dieses Tests sollte bei einem
positiven Titer immer durch einen Westernblot, eine Untersuchung, die die
Bindung der Antikörper an spezifische, elektrophoretisch aufgetrennte
Antigene misst, überprüft werden. Die
Diagnose einer Borreliose kann sehr
schwierig sein, denn abhängig von der
Region werden in Untersuchungen
bei circa 5 bis 10 Prozent der Gesunden IgG-Antikörper gegen Borrelien
gefunden (12). Da die Borreliose in allen Übersichten für weit weniger als
einem Prozent der Uveitiden verantwortlich ist, ist das Risiko eines positiven Titers bei Uveitiden aus anderer
Ursache daher sehr hoch. Die Interpretation eines positiven Borrelientiters muss daher immer die klinische
Gesamtkonstellation miteinbeziehen.
Es wurde berichtet, dass die PCRUntersuchung auf Borrelien-DNA im
Urin bei Patienten mit Borreliose eine
neue eventuell noch sensitivere und
spezifischere Methode zur Diagnose
einer Borrelien-induzierten Uveitis
darstellt (25). Bisher sind die Erfahrungen mit dieser Nachweismethode
jedoch noch sehr gering, und sie wird
daher noch nicht empfohlen.
Vorsicht ist auch bei der Interpretation positiver antinukleärer Antikör-
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M E D I Z I N
per (ANA) geboten, welche bei der
Diagnose von juveniler Arthritis, dem
systemischen Lupus erythematodes
und dem Sjögren-Syndrom helfen
können.
Niedrigtitrige ANA-Werte sind häufig unspezifisch, und die Bestimmung
der Subspezifitäten wie Anti-Doppelstrang-DNA-Antikörper oder SS-ASjögren-Syndrom A (Ro) und SS-BSjögren-Syndrom B (La) Antikörper
ist zusammen mit der sonstigen klinischen Symptomatik entscheidend für
die Diagnose einer Kollagenose mit
Augenbeteiligung. Dies ist bei der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA)
etwas anders, welche Uveitiden und
einen positiven ANA-Befund ohne zusätzliche Subspezifizierungen der Autoantikörper verursachen. Hier hilft
oft die typische klinische Symptomatik der Arthritis der peripheren Gelenke und das Alter des Patienten bei
der Abgrenzung zur unspezifischen
Erhöhung der ANA.
Nicht selten kann im Rahmen der
Abklärung die Diagnose einer vorher
nicht bekannten Systemerkrankung
oder einer spezifischen Augenerkrankung gestellt werden und die Weichenstellung für eine wirkungsvolle Therapie vorgenommen werden. Trotz aller
diagnostischen Bemühungen wird
aber bei 20 bis 40 Prozent der Patienten weder eine spezifische Augenerkrankung noch eine der Uveitis zugrunde liegende Systemerkrankung zu
diagnostizieren sein (3, 43). Da die
Manifestation der Uveitis der Systemerkrankung vorausgehen kann, sollte
auch im weiteren Verlauf der Erkrankung immer an die Möglichkeit gedacht werden, dass eine zusätzliche
Erkrankung sich erst später offenbart.
Klassische Beispiele hierfür sind die
multiple Sklerose, die Sarkoidose und
der M. Behçet.
Fazit
Bei circa 20 Prozent der Patienten mit
Uveitis lassen sich zugrunde liegende
Systemerkrankungen diagnostizieren,
wobei in Deutschland die Spondylarthropathien, die Sarkoidose und der
M. Behçet die häufigsten Diagnosen sind. Bei der Differenzialdiagnose,
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welche eine multidisziplinäre Aufgabe
ist, führen vor allem der ophthalmologische Befund und das Erscheinungsbild einer Uveitis zu einer sinnvollen
und effektiven diagnostischen Prozedur. Eine standardisierte Anamnese
und klinische Untersuchung vonseiten
des Augenarztes und des Internisten
sowie wenige Basisuntersuchungen
wie Röntgen-Thorax, Blutbild, Blutchemie, Lues-Testung – und bedingt –
auch die Borrelienserologie, welche
dann bei Bedarf durch weitere Untersuchungen ergänzt werden können, erlauben in vielen Fällen die korrekte
Einordnung dieser Erkrankung und
führen zur entsprechenden Therapie.
Eine möglichst intensive und effektive Zusammenarbeit erfahrener Augenärzte und Internisten, wie sie optimalerweise in darauf spezialisierten
Zentren geschaffen werden kann, bietet
die Voraussetzung für die optimale Be-
Referiert
treuung von Patienten mit Uveitis. Solche Kompetenzzentren bestehen zum
Beispiel in Tübingen oder in Heidelberg wo ein neu eröffnetes interdisziplinäres Uveitiszentrum Rat suchenden
Augenärzten und Internisten für Patienten mit Uveitis zur Verfügung steht.
Manuskript eingereicht: 6. 12. 2003, revidierte Fassung
angenommen: 2. 6. 2003
❚ Zitierweise dieses Beitrags:
Dtsch Arztebl 2003; 100: A 2514–2522 [Heft 39]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet
unter www.aerzteblatt.de/lit3903 abrufbar ist.
Anschrift für die Verfasser:
Dr. med. Christoph Fiehn
Medizinische Klinik und Poliklinik V
und interdisziplinäres Uveitiszentrum
Universität Heidelberg
Hospitalstraße 3, 69115 Heidelberg
E-Mail: [email protected]
Kolonfermentation
verstärkt Refluxsymptome
Die Rolle diätetischer und LifestyleFaktoren bei der Pathogenese der Refluxkrankheit der Speiseröhre wird
kontrovers diskutiert. Da die Vergärung
unverdaulicher Kohlenhydrate in Form
von Pflanzenfasern die Beweglichkeit
von Speiseröhre und Magen beeinflusst, gingen die Autoren der Frage
nach, inwieweit Fructooligosaccharide
bei Patienten mit gastroösophagealer
Refluxkrankheit die Symptome zu beeinflussen vermögen.
Neun Patienten erhielten über je sieben Tage unter ballaststoffarmer Kost
von 10 g Fasern pro Tag zusätzlich entweder Placebo oder 6,6 g Fructooligosaccharide. Die Kolonfermentation
wurde durch einen H2-Atemtest erfasst,
ferner wurde die Plasmakonzentration
von Glucagon-like-Peptid-1, Peptid YY
und Cholezystokinin analysiert.
Im Vergleich zu Placebo führten
Fructooligosaccharide zu einem signifikanten Anstieg der transienten Er-
schlaffung des unteren Ösophagussphinkters und konsekutiver Refluxepisoden sowie zu einem Anstieg des
Symptomscores und der sauren Valenzen in der Speiseröhre. Parallel dazu
ließ sich eine exzessive Freisetzung von
Glucagon-like-Peptid-1 nachweisen. Die
Frage, ob sich allerdings diätetische Konsequenzen aus diesem Befund dahingehend ergeben, dass Patienten mit
Sodbrennen sich faserarm ernähren
w
sollen, lassen die Autoren offen.
Piche T, Bruley S, Galmiche P et al.: Colonic fermentation
influences lower esophageal sphincter function in
gastroesophageal reflux disease. Gastroenterology
2003; 124: 894–902.
Prof. Dr. J. P. Galmiche, CIC INSRERM and U 539-Centre
Hospitalier, Universitaire-Hôtel Dieu, 44093 Nantes Cedex 1, Frankreich. E-Mail: [email protected]
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