Dr. Denis Nosnitsin Asien-Afrika Institut Forschungsstelle Äthiopistik Universität Hamburg Edmund-Siemers-Allee 1 20146 Hamburg Deutschland Tel.: 040-42838-7777 Fax: 040-42838-3330 e-mail: [email protected] Darstellung des Lehrvorhabens „Theoretische Grammatik des Amharischen“ („Theoretical Grammar of Amharic“) Staatliche Universität Sankt Petersburg, Russland. Das Lehrvorhaben, das ich an der Orientalischen Fakultät, Staatliche Universität Sankt Petersburg durchzuführen beabsichtige, besteht im wesentlichen aus Seminaren zur Grammatik der amharischen Sprache, sowie aus wissenschaftlicher Betreuung der Studierenden und dortigen Mitarbeiter in den Bereichen theoretische und praktische Grammatik des Amharischen, einer der wichtigsten Sprache Ostafrikas. Die Zielgruppe der Vorlesungen sind Studierende der Abteilung „Afrikanistik“ (Studiengang “Äthiopische Philologie”), sowie Lehrkräfte und Wissenschaftler (insgesamt 12-14 Personen). Der Kurs beinhaltet ca. 5 Lehrwochen, zu jeweils 4 Vorlesungen (bei 5 Wochen insgesamt 17 Vorlesungen, 34 Wochenstunden). Darüber hinaus wird intensive Beratung in den Bereichen der äthiopischen/orientalischen Philologie und sonstigen relevanten Disziplinen angeboten. Wissenschaftliche Unterstützung in den obengenannten Bereichen (insbesondere: Lehre der theoretischen Grammatik des Amharischen) ist an der Orientalischen Fakultät aus dem folgenden Grund sehr gefragt. Bekanntlich ist die Sprachkompetenz bei den Studenten der orientalischen Philologien eines der Hauptziele des Studiums; in Petersburg ist diese Kompetenz wegen Mangel an Spezialisten gerade im Bereich des Amharischen, Hauptsprache der Studierenden der „Äthiopische Philologie“, schwierig zu erreichen. Ohne konsequente grammatische Lehre bleibt der Sprachunterricht mit dem „native speaker“ nicht effektiv. Das allgemeine Ziel des Lehrvorhabens ist es, den Studenten die theoretische Grammatik des Amharischen möglichst konsequent und strukturiert sowie auf einem guten wissenschaftlichen Niveau zu vermitteln. Die voraussichtlichen Themen der Vorlesungen sehen wie folgt aus: 1) Einführung. Klassifikation des Amharischen als semitische Sprache. Angaben über die heutige Verbreitung des Amharischen; Anzahl der Sprecher, im Lande und im Diaspora; soziale Rolle des Amharischen als lingua franca; Amharisch als Amtssprache, in der Vergangenheit und heute. Amharisch als verschriftete Sprache; erste amharische schriftliche Denkmäler und amharische Literatur. Genesis des Amharischen; Altamharisch. Geschichte der Erforschung des Amharischen: erste Grammatik von Lexikon von H. Ludolph (1698), die Rolle von A. d’Abbadie, Ch. W. Isenberg, J. L. Krapf usw. die Grammatik von F. Prätorius (1878); Grammatik (1889) und Lexikon (1901) von I. Guidi. Weitere Grammatiken und Lexika. Äthiopische Grammatiken und Lexika. Erforschung des Amharischen in Russland; russische Grammatiken und Lexika des Amharischen. 2) Zum Lautsystem. Zur Schrift und Orthographie. Pronomen. Unabhängige Personalpronomen; Possessivpronomen; Possessiv- und Objektsuffixe; Demonstrativpronomen der Nähe (yéh…), der Ferne (ya…), substantivisch (yéhéññaw…); Interrogativpronomen (persönliche und sachliche Frageworte); Indefinitpronomen; Reflexivpronomen (ras + Possessivpronomen); Reziprokpronomen (érs bärs + Possessivpronomen); Relativpronomen. Nomen. Kategorien (Genus, Numerus, Determination, Kasus); 3) Substantivische Nominaltypen und ihre Bildung: Nichtverbale Nomen und ihre Bildung: zweiradikalige Nomen; dreiradikalige Nomen; vierradikalige Nomen; fünfradikalige Nomen; sechsradikalige Nomen; Nomen mit Präformativen (tä-, te, a-, é-, én-, mä-/wä-); Nomen mit Afformativen (-a, -an, -at, -äñña/-täñña, -e, -et, eta, -énna, -énnät, -ét, -ät, -éta,-t, -éta, -ta, -i, -it, -o, -ot, -oš, -te, -u, -we, -ya); Verbalnomen (Infinitiv; Nomen agentis [Partizip I]; Nomen instrumenti; Modalnomen). 4) Adjektiv. Stellung und semantisch-/morphologische Kriterien des amharischen Adjektivs; nichtverbale Adjektive und ihre Bildung: zwei- bis sechsradikalige Adjektive; Adjektive mit Suffixen (-awi, -täñña, -äñña/éñña, -am, - amma, -émma); einige wenige Deverbaladjektive; Relativformen als und Nomen-agentis-Formen 1 als Adjektive. Substantiviertes Adjektiv und adjektiviertes Nomen. Komparative und superlative Attributivstufen bei den Adjektiven. Zahlwörter. Kardinalzahlen; Ordinalzahlen; Bruchzahlen; Distributivzahlen. Zum Syntax der Nominalphrase (Kongruenz, Position des Nomen regens, Possession) und des Nominalsatzes. 5) Verb. Kategorien von Genus, Numerus, Tempus, Modus, Transitivität/Intransivität. Morphologie des amharischen Verbs: Wurzel und Radikale. Vier Typen: Grundtyp (0/A), Geminationstyp (B), Augmentationstyp (C), Reduplikationstyp (D). Acht Verbklassen: Klassen 1 (zweiradikalige ohne Verdoppelung) bis 8 (fünfradikalige), „Subklassen“ und ihre Entstehung (kurz verglichen mit den Verben in Ge’ez und Tigrigna). 6) Stämme und Stammpräformativen: 01-4, A 1-4 (A-Stämme; kausativ-transitive Aspekt), As 1-4 (As-Stämme; kausative Aspekte), T1-4 (T-Stämme; reflexive/passive-reflexive/reziproke/cohative Aspekte), At3-4 (At-Stämme; kausative/kausativ-reziproke/adjutative Aspekte), An1,3, Tän 1,3 (An- und Tän-Stämme; kausativ-transitiver Aspekt). Beschreibung der Morphologie des amharischen Verbalsystems durch die Tabelle mit Typen, Klassen/Subklassen und Stämme. Verwandtschaft des amharischen Verbalsystems mit anderen semitischen Sprachen. 7) Drei unregelmässigen Verben: alä, täwä, ša. Sonstige unregelmässigen Sonderverben: ébakkéh, énga, ayzoh, énka, allä, yälläm, näw, alä usw. „Expressive“ Verben oder Komposita: Wortstamm + alä/adärrägä/asäññä + Suffix; intensiver und reduktiver Aspekte. Zusätzliche Erklärung zum Grundtyp und Geminationstyp. Modi: Indikativ, Imperativ, Konjunktiv. Konjugation: Suffixkonjugation des Perfekts; Präfixkonjugation des Imperfekts und des Jussivs. Konjugation des Imperativs. Formen von verschiedenen Klassen der Verben. Imperativbasen, die mit den Jussivbasen identisch sind. 8) Herkunft und Konjugation des Gerundiums; Konjugation der unregelmässigen Verben: näw/aydälläm (Kopula)-näbbärä, allä, yälläm. Übersicht über die einfachen und zusammengesetzten Tempora: 1) Präteritum; 2) Imperfekt/Futurum (Imperfekt + all); 3) Perfekt (Gerundium + all); 4) Plusquamperfekt (Gerundium + näbbär); 5) Imperfekt in der Vergangenheit (Imperfekt + näbbär); 6) Form zum Ausdruck der Handlung in der unmittelbaren Zukunft l-+Imperfekt + Kopula (näw); 7) Form zum Ausdruck der nichtstattgefundene Handlung in der Vergangenheit l+Imperfekt + Kopula (näbbär). Interrogative und interrogative-negative Verbformen: Gerundium + yéhonall, Imperfekt + yéhonall, Gerundium + yälläm usw. 9) Negation des Verbes; affirmative und interrogative Verbformen. Negation des Infinitivs; Negation der zusammengesetzten Tempora. Objektsuffixe am Verb: Personalsuffixe – Akkusativform, „Benefaktiv“ ll-, „Malefaktiv“ bb-; Verkettung der Suffixe mit dem Auslaut der Formen; Suffixe zwischen dem Imperfekt/Gerundium und Hilfsverben. Relativaffixe am Perfekt und am Imperfekt, affirmative und negierte Formen. Relative Verbformen und Determinativsuffixe (-w/-äw/éw/t); relative Entsprechungen den Tempusformen und den unregelmässigen Verben. 10) Die Tempora im Einzelnen: 1) Präteritum; 2) Imperfekt/Futurum (Imperfekt + all); 3) Perfekt (Gerundium + all); 4) Plusquamperfekt (Gerundium + näbbär); 5) Imperfekt in der Vergangenheit (Imperfekt + näbbär); 6) Form zum Ausdruck der Handlung in der unmittelbaren Zukunft l-+Imperfekt + Kopula (näw); 7) Form zum Ausdruck der nichtstattgefundene Handlung in der Vergangenheit l+Imperfekt + Kopula (näbbär). Die Funktionen des Gerundiums. 11) Differenzierte zusammengesetze Formen zum Ausdruck der Phasen- und Aktionsarten („analytische Verbalkonstruktionen“): Anfang der Aktion, mit Verden gämmärä, gäbba, amätta; Infinitiv+Possessivsuffix + Kopula, Nomen agentis + Kopula; Verlauf einer Handlung, bä+Infinitiv+Kopula. Aktion der begrenzten Dauer: sé+Imperfekt, éyyä+Imperfekt, Gerundium und Funktionsverben (qoyyä, walä, aräffädä, amäššä, sänäbbätä usw.) (HofAmh. 208-212). Aktion der unbegrenzten Dauer: sé+Imperfekt, éyyä+Imperfekt, Gerundium und Funktionsverb norä. Konstruktionen zum Ausdruck der Endphase der Handlung und des wiederholten Charakters der Handlung, der Intensität und Frequenz sowie das Resultat der Handlung. 12) Modalverben und Ausdruck der Modalität: die Verben óalä/täóalä, Infinitiv+allä+bb+Suffix/ näbbärä+bb+Suffix; gäddädä+Suffix; gäbba+Suffix. Impersonale Verben. Adverbien. Genesis der Adverbien. Nomen im unmarkierten Akkusativ und im markierten Akkusativ, nominale Verbformen, Adverb als Gerundium oder éyyä+Perfekt, Präposition+Nomen. Partikeln. 13) Präposition. Einfache Präpositionen: lä-, bä-, kä-, sélä-, wädä-, yä-. Zusammengesetzte Präpositionen: Präfixe und postpositionale Substantive: lay, mäkkakäl, sér, hwala, aqrabiya, zuriya, atägäb, zänd, wést, wécc 2 usw.; Präfixe und postpositionale Verbformen: gämméro, yätänässa, qättélo usw. Yä- als Präposition des Genitivs. Lä- für die Bezeichnung des indirekte Objekts, des Dativs, des Zwecks, der Adressierung, des Dativus commodi. Sonstige Präpositionen: yalä, éskä, bästä-, kännä- usw. 14) Konjunktion. (1) Koordinierende Konjunktionen: Kopulative Konjunktionen/Konjunktionssuffixe: -énna, ém, ekko, -és, -a, -éssa, -mma. Kopulative Konjunktionswörter: bäzziyaum, dägmo, qärto, yéqér, énkwan usw.; kopulative Konjunktionen und Konjunktionsgefüge: -m dägmo, -m éndihu, -m -m, -énna -ém, -énna hwalam, béóóa sayhon -m usw.; gepaarte Konjunktionen und Konjunktionsgefüge: Kontrastive Konjunktionen: wäym/wäyném, wäyéss, alläziya(m), honä, yéhun, béóóa, éngi, gén, nägär gén, yähonä hono usw. 15) Kausale Konjunktionen: -énna, méknéyatu(m), usw. Konsekutive Konjunktionen: séläzzih, sélähonä(m), éngédih, éngédiya- usw. Zum Syntax. Der Verbalsatz. Der Einzelsatz: Subjekt, Objekt, Prädikat (Verbalprädikat, Nominalprädikat). Grundstellung der Satzglieder, der Casus pendens. Zusammengesetzter Satz mit koordinierenden Konjunktionen. 16) Konjunktion. (2) Subordinierende (einteilige, zweiteilige) Konjunktionen (éndä-, éskä, b-, l-, séllä- sé-, éyyä-: Übersicht). Zum Syntax. Der Hauptsatz und der Nebensatz. Typen der Nebensätze: der Umstandssatz: Temporalsatz, Modalsatz, Komparativsatz, Proportionssatz, Restriktivsatz, Kausalsatz, Konsekutivsatz, Konzessivsatz, Finalsatz, Adversativsatz. Attributsatz. 17) Konditionalsatz: Haupttypen der realen, hypothetischen und irrealen Konditionalsätze. Abschluss des Kurses, Referenzbibliographie zum Amharischen. Die erste Hälfte der ersten Woche wird für die allgemeine Einführung in die Problematik notwendig sein. Am Anfang des Kurses bekommen die Teilnehmer eine einschlägige Bibliographie. Da die Studenten über einen entsprechenden Umfang der Amharisch-Kenntnisse bereits verfügen, dürfte das oben ausgelegte Programm der theoretischen Grammatik gut wahrnehmbar sein und zur Verbesserung und wesentliche Strukturierung der Kenntnisse erfolgreich beitragen. Dass der Unterricht auf Russisch durchgeführt sein wird, soll auch dem Erfolg des Kurses dienen. Darüber hinaus werde ich für die Beratung im Bereich der äthiopischen Philologie (Ge’ez und amharische Literaturen, methodologische und praktische Fragen der wissenschaftlichen Arbeit mit schriftlichen Quellen) und Geschichte zur Verfügung stehen. D. Nosnitsin 10. September 2008 Hamburg 3