Klausur 03.03.06 mit Lösungen - Institut für Plasmaforschung

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Institut für Plasmaforschung, Universität Stuttgart
Prof. Dr. Uwe Schumacher
Klausur in „Nukleare Elektrische Energiesysteme“ (03.03.2006) mit Lösungen
Aufgabe 1
a) Welche elektrische Leistung Pel liefern verschiedene Typen von Kraftwerken, für die jeweils
ein Netto-Wirkungsgrad von η = 35% angenommen werden soll, wenn sie entweder
α) als Kohlekraftwerk jährlich mit 3,0155 ⋅ 106 t (Tonnen) Kohle, die einen Heizwert
von HW = 8300 kWh/t besitzt, betrieben werden oder
β) als Druckwasser-Kernspaltungs-Reaktor mit jährlich 38,1064 t (Tonnen) Uran, von
235
dem 3 % dieser Masse aus dem spaltbaren Uran-Isotop 92 U besteht, das eine
verwertbare Energie von 192 MeV pro Spaltung liefert, oder
γ) als zukünftiger Fusionsreaktor mit 333,145 kg Deuterium und Tritium im 1:1 Gemisch mit der Energiefreisetzung von 14,1 MeV pro D-T-Paar betrieben werden.
δ) Man vergleiche und kommentiere bitte sowohl die unterschiedlichen einzusetzenden
Massen als auch die Ergebnisse in den vorstehenden Teilaufgaben.
Um welche primären Reaktionsprodukte bzw. Abfallstoffe handelt es sich jeweils in
diesen Kraftwerkssystemen? Woraus bestehen sie vor allem? Wie groß sind (in grober
Näherung) jeweils deren Massen? Gibt es auch sekundäre Abfallprodukte und wenn ja,
um welche handelt es sich?
b) Wieviele Menschen, die in Mitteleuropa pro Kopf im Mittel (allerdings natürlich auch aus
anderen Energiequellen) 5 kW verbrauchen, könnten mit einem derartigen Kraftwerk
versorgt werden? Falls keine Antwort zu a) vorliegt: Wieviele Menschen könnten von einem
Kraftwerk mit einer Leistung von Pel = 250 MWel versorgt werden?
c) Bestimmen Sie bitte die Radioaktivität (in Bq) allein des in obiger Aufgabe 1)a)β)
beteiligten Uran-Isotops 238U mit seiner Anzahl von nahezu 1029 Teilchen. Dieses Isotop hat
die Halbwertszeit TH von 4,47 Milliarden Jahren.
Aufgabe 2
a) Bitte stellen Sie die wesentlichen Eigenschaften und Aufgaben der Materialien von
Moderatoren, Absorbern und Kühlmitteln in einem Kernspaltungsreaktor dar und
vergleichen Sie sie bitte miteinander. Gibt es Unterschiede bei der Auswahl dieser
Materialien für verschiedene Reaktortypen? Bitte nennen Sie diese!
b) Für die folgenden Materialien (alphabetisch) sind in Klammern die verschiedenen
Wirkungsquerschnitte für thermische Neutronen (in b = barn = 10-28 m2) der Reihe nach für
Streuung, für Absorption und für Spaltung angegeben. Wofür (Absorber, Brennstoff,
Kühlmittel oder Moderator?) und für welche Reaktortypen würden Sie diese Materialien
einsetzen? Versuchen Sie bitte jeweils auch eine kurze Begründung zu geben!
B Bor (4,0; 759; 0), Be Beryllium (7,0; 0,0095; 0), C Graphit (4,8; 0,0034; 0), Cd
Cadmium (7,0; 2537; 0), D2O Schweres Wasser (14,5; 0,00118; 0), H2O Leichtes
Wasser (105; 0,664; 0), He Helium (0,73; 0,007; 0), Na Natrium (4,0; 0,531; 0), 241Pu
233
235
Plutonium (10,0; 1375; 950), 92 U Uran (13,0; 573; 525), 92 U Uran ( 15,0; 678;
577), 135Xe (5; 2720000; 0).
2
Aufgabe 3
a)
α) Mit der Ultrazentrifuge zur Isotopentrennung für die Uran-Isotope läßt sich im
praktischen Betrieb der Urananreicherung ein Trennfaktor von etwa αU ≅ 1,15
erreichen. Wieviele Ultrazentrifugen benötigt man zur Anreicherung natürlichen Urans
(mit 0,711 % 235U) auf 2,5 % ?
β)
Wieviele Trennstufen werden für diese Anreicherung bei Einsatz des
Gasdiffusionsverfahrens benötigt, bei dem der Trennfaktor nur αD ≅ 1,002 beträgt?
b)
α) Welche Kernspaltungsstoffe findet man in der Natur?
β) Wie kann man Kernbrennstoffe künstlich erzeugen? Bitte geben Sie Beispiele an!
c)
Auf welche der folgenden Größen: ν ( = 2,41) als Zahl der freigesetzten Neutronen pro
235
Spaltung von 92 U , wf als die Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein Neutron pro Sekunde
(s) eine Spaltung (fission) auslöst und wc als die Neutronen-Einfang-Wahrscheinlichkeit
(capture) pro s,
kommt es vor allem bei den Kettenreaktionen in einem
Spaltungsreaktor an? Wie lautet damit die ganz einfache kritische Bedingung für die
Neutronendichte n bei der Kettenreaktion?
d)
α) Bitte skizzieren Sie qualitativ grob den Verlauf der Anzahlen der Spaltprodukt235
Ausbeuten für die Spaltung des 92 U über der Massenzahl der Spaltprodukte!
β) Wie sieht der Verlauf der Energien dieser Spaltproduktausbeuten qualitativ über der
Massenzahl aus?
235
γ) Wie verteilen sich die 192 MeV, die bei der Spaltung des 92 U freigesetzt werden,
auf ein Bruchstück mit einem Drittel der Ursprungsmasse und auf das andere
Bruchstück?
e)
Welchen Ursprung und welche Bedeutung haben die verzögerten Neutronen in einem
Kernspaltungsreaktor?
Aufgabe 4
a) Ein Plasma sei in einem homogenen Magnetfeld, dessen Induktion im Innern einer sehr
langen Spule (Solenoid) B = 5 T betrage, eingeschlossen und bestehe aus einem
Deuterium-Tritium-Gemisch.
α) Wie lautet die zugehörige Fusionsreaktion?
β) Welcher Anteil der gesamten mit dieser Reaktion freigesetzten Energie von 17,6
MeV wird dabei von dem schwereren Teilchen näherungsweise übernommen?
γ) Wie groß ist der Gyrationsradius dieses Teilchens, das unter diesen
Temperaturbedingungen vollständig ionisiert ist, im Feld von 5 T, wenn seine
Geschwindigkeit senkrecht zum Magnetfeld gerichtet ist?
δ) Genügt es zum Teilcheneinschluß, den Radius der Solenoid-Spule zu 1 m zu wählen,
oder müßte er deutlich größer sein?
ε) Wie groß muß man die Linien-Stromdichte (A/m) in dieser langen Solenoid-Spule
von 1 m Radius wählen, um das (homogene) Magnetfeld in deren Innerem auf 5 T zu
bringen? Man nehme die Länge der Spule als sehr viel größer als ihren Durchmesser an
3
und erinnere sich zur Lösung dieser Frage bitte der Durchflutungsregel und der (unter
den Konstanten zu findenden) magnetischen Feldkonstante µ0.
ζ) Wie hoch ist der magnetische Druck B2/2µ0 auf die Innenfläche der Solenoidspule?
η) Wie groß wäre ein azimutales Magnetfeld (magnetische Induktion Ba in T) in der
Nähe der Solenoid-Innenfläche (R = 1 m), wenn man einen Strom von 1 MA parallel
zur Spulenachse durch das Plasma fließen ließe?
b)
α) Bitte erläutern Sie qualitativ, warum sich eine selbst sehr lange Solenoid-Spule für
einen notwendigen Plasmaeinschluß eines Fusionsplasmas nicht eignet, sondern dafür eine
toroidale Magnetfeldkonfiguration gewählt werden muß.
β) Wie groß ist die Leistung eines Fusionsreaktors mit einem Deuterium-TritiumFusionsplasma von 177,32 m3 Volumen bei der Fusionsreaktionsrate (gemittelt)
1
−3 −1
R [ m s ]= n D nT σv¿
mit dem Reaktionsparameter (Ratenkoeffizienten) von
2
¿
etwa <συ> ≈ 4 ⋅ 10-22 [m3s-1] bei der Temperatur von etwa 20 keV und bei gleicher
Dichte nD = nT = 1020 m-3 von Deuteronen und Tritonen? Die pro Deuterium-TritiumFusionsreaktion freigesetzte Energie beträgt 17,6 MeV.
γ) Bitte erläutern Sie qualitativ das Zündkriterium für einen Deuterium-TritiumFusionsreaktor!
c)
Die spezifische elektrische Leitfähigkeit σL eines Plasmas in Ω-1m-1 beträgt (als
Zahlenwertgleichung) σL [Ω-1m-1] = 3,10559 ⋅ 107 (Te [keV])3/2 mit der Temperatur Te der
Elektronen in keV. Wie groß wird näherungsweise der Plasma-Strom Ip eines 9 keV heißen
Plasmas in einem schlanken Torus mit 10 m großem und 0,5 m kleinem Radius bei Anlegen
einer Umfangsspannung von U = 0,2 V? Man berücksichtige das Ohmsche Gesetz.
d) Welche Ohmsche Gesamtheizleistung ergibt sich damit?
e)
Wie groß sind die Zyklotronfrequenzen fc = ωc/2π von Elektronen und Protonen für ein
Magnetfeld von 5 T?
f) Erläutern Sie bitte qualitativ das Prinzip der Laserfusion!
Aufgabe 5
a) Wie weist man freie Neutronen nach? Wie schirmt man sie ab?
b) Wie sieht sehr grob das Energiespektrum der Neutronen in einem thermischen,
quasihomogenen Spaltungsreaktor aus? Bitte fertigen Sie eine ganz einfache Skizze an!
Welche Energien haben etwa thermische Neutronen, epithermische und schnelle
Neutronen?
c) Was versteht man unter Nachwärme? Wie berechnet man sie und welche Konsequenzen
kann sie haben?
d) Was versteht man unter der Energiedosis 1 Gray [Gy] ?
e) Was bedeutet der RBW-Faktor (Relative Biologische Wirksamkeit)?
f) Wobei und wozu wird Radioaktivität in der Medizin eingesetzt? Bitte geben Sie Beispiele!
4
Konstanten
Lichtgeschwindigkeit
c = 2,9979 ⋅ 108 m/s
Elementarladung
e = 1,6022 ⋅ 10-19 As
Plancksches Wirkungsquantum
h = 6,6262 ⋅ 10-34 Ws2
Masse des Elektrons
me = 9,109 ⋅ 10-31 kg = 0,511 MeV/c2
Masse des Protons
mp = 1,6726 ⋅ 10-27 kg = 938,272 MeV/c2
Masse des Neutrons
mn = 1,6749 ⋅ 10-27 kg = 939,565 MeV/c2
Atomare Masseneinheit
1u = 1,66054 ⋅ 10-27 kg = 931,494 MeV/c2
Umrechnung von Energieeinheiten
1 eV = 1,6022 ⋅ 10-19 J
Faraday - Konstante
F = 9,650 ⋅ 104 As/mol
Avogadrosche Konstante
NA = 6,022 ⋅ 1023 /mol
Boltzmann-Konstante
kB = 1,380662 ⋅ 10-23 JK-1
Magnetische Feldkonstante
µ0 = 4π ⋅ 10-7 ( = 1,25663706 ⋅ 10-6) Vs/(Am)
Ionisierungsenergie des Wasserstoffs WI,H = 13,56 eV
Z
0
1
2
3
4
5
6
8
7
9
10
11
15
18
48
54
60
90
91
92
94
Auszug aus der Isotopentabelle
Element
Massenzahl A Relative Häufigkeit [%]
n Neutron
1
-H Wasserstoff
1
99,9885
(D) Deuterium
2
0,0115
(T) Tritium
3
10-15
He Helium
3
0,000137
4
100
Li Lithium
6
7,59
7
92,41
Be Beryllium 9
100
B Bor
10
19,9
11
80,1
C Kohlenstoff
12
98,93
13
1,07
14
O Sauerstoff
16
99,757
N Stickstoff
14
99,632
15
0,368
F Fluor
19
100
Ne Neon
20
90,48
Na Natrium
23
100
P Phosphor
31
100
Ar Argon
40
99,6
Cd Kadmium
112
24,13
Xe Xenon
132
26,89
Nd Neodym
143
12,2
Th Thorium
232
100
Pa Protactinium 231
100
U Uran
233
235
0,72
238
99,2745
Pu Plutonium
239
Isotopenmasse [u] (incl. e-)
1,0086654
1,007825032
2,01410178
3,01604927
3,0160293
4,0026032
6,015122
7,016004
9,0121821
10,0129370
11,0093055
12,0000000
13,0033544
14,003242
15,99943
14,0030740
15,0001089
18,9984032
19,9924402
22,9897697
30,9737612
39,9623831
111,9027572
131,9041545
142,90981
232,0380504
231,03588
233,039628
235,043923
238,050783
239,0521565
5
Lösungen:
Aufgabe 1:
a) α) Pel = 1 GW
235
β) W 92 U = 9,01029 · 1016 Ws; Pel = 1 GW
γ) NDT-Paar = 3,9884 · 1028; WDT-Paar = 9,01029 · 1016 Ws; Pel = 1 GW
δ) mC » mU » mDT ; mC / mDT = 9,05 · 106 ; mU / mDT = 114; Pel C = Pel U = Pel DT
Kohlekraftwerk: C + 2 O → CO2 ; MCO2 = 1,10568 · 107 t
MSpaltprodukte = 1,1432 t
(Vergleich: 0,03 · 38,1064 t = 1,1432 t; Weitere
Aktivierungsprodukte entstehen durch Neutronenbeschuß der anderen Materialien und
in angebrannten Brennstäben.
MHe = 266,516 kg (Edelgas). Aber als Sekundär-Abfälle entstehen durch die Neutronen
aktivierte Materialien der Struktur.
b) N1 = 200 000; N2 = 50 000.
c) A = 4,917· 1011 Bq = 13,289 Ci
Aufgabe 2:
a) Moderatoren sollen die Neutronenenergie reduzieren, ohne die Neutronen zu
absorbieren.
Absorber sollen die Neutronen absorbieren.
Kühlmittel sollen die Wärmeleistung abführen, ohne die Neutronen stark zu
absorbieren. Für den Hochtemperaturreaktor ist Natrium (Na) das geeignete ühlittel,
dafür werden keine Moderatoren verwendet.
b) B ist Absorber,
Be ist Moderator,
C ist Moderator,
Cd ist Absorber,
D2O ist idealer Moderator und Kühlmittel,
H2O ist Moderator und Kühlmittel,
He ist Kühlmittel,
Na ist Kühlmittel für den Schnellen Brüter,
241
Pu ist Brennstoff (wird erbrütet),
233
U ist Brennstoff (wird erbrütet),
235
U ist natürlich vorkommender Brennstoff,
135
Xe ist „Neutronengift“ (extremer Absorber für Neutronen).
Aufgabe 3:
a) α) Es werden 9 Zentrifugen benötigt.
β) Es werden etwa 630 Trennstufen nach dem Diffusionsverfahren benötigt.
235
b) α) 92 U
232
233
238
239
β) 90 Th + n → → 92 U ; 92 U + n → → 94 Pu
c) n · (ν – 1) wf –wc · n = 0 ist die kritische Bedingung.
d) α) Doppelhöckerige Verteilung der Anzahlen mit gleicher Höhe der Maxima und
Minimum bei etwa der Massenzahl 118.
β) Bei der Verteilung der Energien ist das rechte Maximum deutlich niedriger als das
(die kleineren Massenzahlen betreffende) linke.
γ) W1 = 64 MeV, W2 = 128 MeV.
e) Die verzögerten Neutronen entstehen durch radioaktive Zerfälle der Spaltprodukte mit
Neutronenüberschuß; diese verzögerte Neutronen-Emission ist ganz wesentlich für die
Regelung der Kettenreaktion in einem Spaltungsreaktor.
6
Aufgabe 4:
4
a) α) D + T → 2 He + n + 17,6 MeV
4
β) W 2 He = Wα = 0,2 · 17,6 MeV = 3,52 MeV
b)
c)
d)
e)
f)
γ) vα = 1,3027 · 107 m/s
mαvα = 8,65846 · 10-20 kg m/s
Rg = mαvα / (2eB) = 0,05404 m
δ) Rg « R ist erfüllt.
ε) B = µ0 · j → j = 3,9788 MA/m
ζ) pmax = B2 /2 µ0 = 9,94716 · 106 N/m2
η) Ba = µ0 · Iz /(2πR) = 0,2 T
α) Endverluste
β) Pfus = 1 GW
γ) Zündkriterium: s. Skript
Ip = 2,096 MA
PΩ = U · Ip = 0,419 MW
fce = 1,3997 · 1011 s-1 ≈ 140 GHz
fcp = 76,236 MHz
Laserfusions-Prinzip: s. Skript
Aufgabe 5:
10
7
a)
5 B (n, α ) 3 Li
b) s. Skript
c) Energiefreisetzung der Zerfallsprodukte → Kernschmelze
d) Einheit Gray: 1Gy = 1 J/kg
e) RBW = 1 für γ und eRBW = 20 für α und n
f) Zum Beispiel Röntgendiagnose, Strahlentherapie
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