Gewitter-Broschüre RZ final 28.10.2003 12:23 Uhr Seite 1 Deutscher Wetterdienst Hochspannung! Beim nächsten Gewitter wissen Sie, was da passiert! Gewitter-Broschüre RZ final 28.10.2003 12:23 Uhr Seite 2 Unsere Welt ist voller Gewitter: Im Jahresmittel ereignen sich stündlich etwa 3000 Gewitter mit ca. 100.000 Blitzen In Deutschland werden jährlich mehr als 2 Millionen Blitze registriert. Allein der 20. Juni 2003 brachte es auf knapp 200.000. Wir wissen das relativ genau, weil wir seit 1995 über Messsysteme zur Gewittererfassung verfügen, welche die elektromagnetischen Signale (Atmospherics) über eine Entfernung von 1500 km registrieren und orten. Gewitter sind die Folge des Ausgleichs großer Spannungen zwischen unterschiedlichen elektrischen Feldern in der Atmosphäre – oder zwischen Atmosphäre und Erdoberfläche. Blitze sind die optischen Erkennungsmerkmale, Donner die akustischen. Meist erkennen wir heranziehende Gewitter an der So baut sich ein Gewitter auf Die zur Entstehung eines Gewitters erforderlichen gewaltigen elektrischen Spannungen können nur in Wolkentürmen enormer Vertikalstreckung entstehen, den Cumulonimbus-Wolken. Im oberen Teil dieser Wolke besteht meist eine positive Überschussladung, in der Mitte und unten tritt eine etwa gleich große negative Ladung auf. Das positive Ladungszentrum Die Sonne erhitzt die unteren Luftschichten. typischen Gewitterwolke, dem Cumulonimbus (Cb). Sie türmt sich von etwa 800 m über Grund in bis zu 12 km Höhe und mehr, oft von bedrohlich schwarz-blauer Farbe. Der Wetterbeobachter meldet Gewitter, wenn er Blitz und Donner, oder auch nur Donner, wahrnimmt. Weiter entfernte Gewitter werden nur als Aufleuchten der Wolken wahrgenommen (Wetterleuchten), da die Schallwellen in der Atmosphäre absorbiert werden und daher der Donner nur etwa 18 km weit hörbar ist. Die Intensität eines Gewitters richtet sich nach der Anzahl der elektrischen Entladungen, der Blitze. Also einfach: wenige Blitze – schwaches Gewitter, regelmäßige Blitze in Minutenabstand – mäßiges Gewitter, Blitze in unaufhörlicher Folge und Donner, der nicht mehr einzelnen Blitzen zugeordnet werden kann – schweres Gewitter. liegt bei etwa –30°, das negative bei etwa –15°. Diese Temperaturunterschiede bewirken starke Auf- und Abwinde mit Geschwindigkeiten bis zu 250 km/h. Die hierbei auftretenden Zusammenstöße der Wassertröpfchen und Eisteilchen und die andauernden Aggregatswechsel des Wassers zwischen gasförmig, flüssig und fest spielen eine Hauptrolle beim Elektrisierungsprozess und der Ladungstrennung. Positiv und negativ geladene Tropfen trennen sich. Die Wolke lädt sich auf. Luft steigt auf und kühlt sich ab. Es bilden sich Wolken. Die schweren Eiskristalle fallen als Hagel oder Regen zur Erde. Die Spannung entlädt sich als Blitz. So entstehen elektrische Spannungen ■ Unterkühlte Wassertropfen gefrieren von außen nach innen. Dabei ist die äußere Schicht, die Eiskruste, positiv, der innere, flüssige Teil, negativ geladen. Beim Zusammenstoß werden positiv geladene Eisteilchen abgerissen und mit den Aufwinden nach oben transportiert. Der größere, negativ geladene Rest bleibt in niedrigeren Höhen. Platzen Wassertropfen, dann sind die größeren Teile negativ, die kleineren Teile positiv geladen. Die so aufgebaute elektrische Spannung zwischen positiv und negativ geladenen Teilchen kann enorme Werte erreichen. ■ Gewitter-Broschüre RZ final 28.10.2003 12:23 Uhr Seite 3 Jetzt wird’s spannend Da die Luft ein guter Isolator ist (das Durchschlagspotenzial liegt bei 30.000 Volt/cm), kommt es erst bei gewaltigen Spannungen zwischen zwei Polaritäten zu einem Spannungsausgleich, einem Blitz. Ist dieses Durchschlagspotenzial der Luft erreicht bzw. überschritten, beginnt der Blitzvorgang mit einer Vorentladung: Aus einzelnen, 10-50 m langen Stücken wird ruckartig ein Blitzkanal von 12 mm Durchmesser geschlagen. In ihm wird bei einem Erdblitz negative Ladung Richtung Erde transportiert. Hat diese Vorentladung die Nähe der Erde erreicht, fließt ihr von der Erdoberfläche eine so genannte Fangladung entgegen. Über den mit ionisierter Luft gefüllten Blitzkanal gibt es dann einen Rückschlag, der positive Ladung in die Wolke bringt. Die ionisierten Luftmoleküle im Blitzkanal und im angrenzenden Bereich werden zum Leuchten angeregt. Diese Vorgänge laufen in wenigen Millisekunden ab, sodass unser Auge sie als einen einzigen Vorgang wahrnimmt. Stromstärken bis zu 400.000 Ampère Im Blitzkanal fließt im Normalfall ein Strom zwischen 20.000 und 60.000 Ampère, er kann aber auch Stromstärken bis 400.000 Ampère aufweisen. Mit der Folge, dass sich die Luft im Blitzkanal innerhalb von Mikrosekunden auf ca. 30.000 °C erhitzt und sich explosionsartig ausdehnt. Die so erzeugte Schallwelle nehmen wir als Donner wahr, in unmittelbarer Nähe des Blitzes als scharfen Knall, in größerer Entfernung als dumpfes Grollen. In den Tropen gibt es keine Blitzableiter ■ Erdblitze treten auf, solange die Wolkenuntergrenze unter 3000 m liegt. Da in den Tropen diese Untergrenze grundsätzlich höher liegt, sind dort Erdblitze ausgeschlossen. Und wo keine Erdblitze möglich sind, braucht man auch keine Blitzableiter. ■ 90% unserer Gewitter sind Frontgewitter Gewitter treten das ganze Jahr hindurch auf. Wir unterscheiden zwischen Wärme- und Frontgewittern. Bei Wärmegewittern entstehen die Gewitterwolken durch das Aufsteigen der durch Sonneneinstrahlung überhitzten Luft. Bei Frontgewittern schiebt sich kältere Luft aus einer Kaltfront aufgrund ihrer größeren Dichte unter die wärmere Luft. Oder die warme, feuchte Luft wird durch Bodenhindernisse, z.B. Berge oder Gebirgsketten, zum Aufsteigen gezwungen. Diese Gewitter, meist im Vorfeld einer herannahenden Kaltfront, sind oft am intensivsten. Gewitter-Broschüre RZ final 28.10.2003 12:23 Uhr Seite 4 Naturgewalt Gewitter können Flächenbrände entstehen. Manchmal kommt es auch zu Sturmböen bis zu Orkanstärke, Hagelschlag oder Starkregen mit zum Teil katastrophalen Folgen. Kein Wunder also, dass viele Menschen panische Angst vor Gewittern plagt. Durch vernünftiges Verhalten lässt sich jedoch zumindest die Gefahr, vom Blitz getroffen zu werden, weitgehend ausschalten. Von Gewittern können erhebliche Gefahren ausgehen, zunächst vom Blitzschlag selbst. Er sucht sich frei stehende, hohe Objekte (Türme, Masten, Bäume), aber auch aufrecht stehende Personen. Durch die hohe Temperatur im Blitzkanal So sind Sie auf der sicheren Seite ■ Stellen Sie fest, wie weit das Gewitter von Ihnen entfernt ist: 3 Sekunden Zeitunterschied zwischen Blitz und Donner bedeuten 1 km Abstand. Wenn möglich, begeben Sie sich umgehend an einen sicheren Ort. Am sichersten sind Sie in einem geschlossenen Raum, im Auto oder in einem Haus. Im Haus sollten Sie Radio- und Fernsehgeräte vom Netz und der Antenne trennen und Abstand zu Strom- und Wasserleitungen halten. Befinden Sie sich auf freiem Feld, machen Sie sich so klein wie möglich, hocken Sie sich in eine Mulde und halten Sie die Füße ganz dicht beieinander. Keinesfalls sollten Sie sich unter Bäume stellen, da Sie dort bei einem Blitzeinschlag in den Baum von abstürzenden Ästen verletzt werden können. Im Abstand von etwa 10 Metern vom Stamm sind Sie jedoch relativ sicher. ■ Falsch! Richtig! Bei Gewitter im Freien nicht unter einen Baum stellen. Mindestens 10 m von Bäumen entfernt so klein wie möglich machen. Besondere Phänomene Im Vorfeld von Gewittern kann es zu hohen Feldstärken in der Atmosphäre kommen. Dann nehmen die Ionen so viel Energie auf, dass sie die Luftmoleküle ionisieren, was an den Spitzen von Masten, Kirchtürmen und Schiffsmasten zu Koronarentladungen führen kann (das so genannte Elmsfeuer). Sehr selten sind Kugel- und Perlschnurblitze zu beobachten. Perlschnurblitze leuchten nicht gleichmäßig in voller Länge, Deutscher Wetterdienst Zentrale Frankfurter Straße 135, 63067 Offenbach Telefon: +49 (0) 69/80 62-0, Telefax: +49 (0) 69/80 62-44 84 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.dwd.de sondern zerfallen in zahlreiche, perlenartige Leuchtpunkte. Manchmal gehen hiervon auch noch Schweife aus. Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit starkem Regen. Kugelblitze sind rund 20 cm große, in verschiedenen Farben glühende Luftkugeln eines elektrisierten Gemisches ionisierter Gase, die meist nach 3 bis 5 Sekunden explodieren. Beide Phänomene sind recht selten und geben den Experten nach wie vor Rätsel auf.