Faradays Feldidee 1. Das elektrische Feld strukturiert den Raum um Ladungen Positive und negative Ladungen ziehen sich gegenseitig an. Ob dabei auch etwas im Zwischenraum geschieht, sehen wir mit unseren Augen nicht. Bringen wir aber geladene Wattestücke dorthin, mit der Probeladung q, so fliegen diese von einer Kugel zur anderen, auf gekrümmten Linien, elektrische Feldlinien genannt ‹ V 1 . Den sie erfüllenden Raum um Ladungen nennt man elektrisches Feld. Mit einem Hochspannungsnetzgerät werden zwei Kugeln entgegengesetzt aufgeladen. Im Umfeld ihrer Ladungen ±Q fliegen Watteflocken auf gekrümmten Bahnen hin und her. Bei +Q erhalten die Flocken kleine positive, bei −Q kleine negative Probeladungen q. V 1 Grießkörner in Rizinusöl: Durch das elek­ trische Feld werden in den Körnern Ladungen verschoben. Die entgegengesetzten Ladungen benachbarter Körner ziehen diese zu Ketten längs der Feldlinien zusammen. V 2 Dort erfahren eingebrachte Probeladungen Feldkräfte, und zwar tangential zur jeweiligen Feldlinie. Diese Linien geben dem Feld eine Struktur. Wir erkennen sie besonders gut an Grießkörnern, die wir nach ‹ V 2 in ein Feld bringen ‹ B 2 a , c . Nahe bei den felderzeugenden Ladungen liegen die Feldlinien dichter, dort sind die Feldkräfte größer. Feldlinien erlauben so, das Feld genauer zu beschreiben: Das Feld ist an Stellen größerer Feldliniendichte stärker, da die Probeladungen dort größere Kräfte erfahren, schneller fliegen. Nun stammen die Ladungen der Wattestücke in ‹ V 1 von den felderzeugenden Ladungen +Q und −Q. Wir folgern daraus: Kräfte, die an Ladungen angreifen, sind Feldkräfte, d. h. sie sind von einem Feld übertragen. Diese Feldvorstellungen entwickelte F araday 1830. Er verwies darauf, dass es der Raum zwischen Ladungen ist, der die Feldkräfte vermittelt, die diese aufeinander ausüben. Ladungen wirken nicht unvermittelt über den Raum hinweg, gemäß dem Satz: „Gleichnamige Ladungen stoßen sich ab“. Die Kraftübertragung braucht sogar eine gewisse Zeit, wie sich später zeigte. Nimmt man z. B. die eine Ladung weg, so entfällt die Kraft an der andern erst nach (sehr kurzer) Verzögerung; die Änderung wird mit Lichtgeschwindigkeit übertragen, was Radiowellen bestä­ti­ gen. Wir sehen: Das Feld ist Vermittler der Kräfte zwischen Ladun­ gen, kurz gesagt: Ladung ↔ Feld ↔ Ladung. Zeichnet man Feldlinienbilder, so gibt man mit Pfeilen die Richtung der Feldkraft auf eine positive Probeladung an. Beim radialen Feld ‹ B 2 c gehen die Feldlinien von der positiv geladenen Scheibe sternförmig zum Ring mit negativen Ladungen. Zwischen zwei parallelen, geladenen Kondensatorplatten verlaufen die Feldlinien senkrecht zu den Platten und zueinander parallel ‹ B 2 d . Es ist ein homogenes Feld. Am Rand biegen sich die Feldlinien nach außen. Im Feld zwischen den geladenen Ablenkplatten einer braunschen Röhre fliegen Elek­ tronen nach links. Sie werden entgegen der Richtung der Feldlinien (rot) zur positiv geladenen Platte beschleunigt. B 1 B 2 324 Auch im materiefreien Raum einer braunschen Röhre können wir ein elektrisches Feld nachweisen ‹ B 1 . Die geladenen Ablenk­ platten erzeugen ein homogenes Feld. In ihm erfahren Elektronen, sozusagen als Probeladungen, Kräfte und werden abgelenkt . a) und b) Feld zwischen zwei entgegengesetzt geladenen Kugeln, c) radiales Feld, d) homogenes Feld Das elektrische Feld Faradays Feldidee Merksatz Ladungen sind von elektrischen Feldern umgeben. In ihnen erfahren ruhende wie bewegte Probeladungen Feldkräfte tangential zu den elektrischen Feldlinien. Positive Ladungen erfahren Kräfte in Richn tung der Feldlinien, negative ihnen entgegen. 2. Felder verschieben Ladungen In all unseren Bildern enden Feldlinien auf Metalloberflächen senkrecht. Muss das immer so sein? In ‹ B 3 ist eine Feldlinie schräg zur Leiteroberfläche gezeichnet. Die__dort sitzende bewegliche Ladung __› › erfährt die schräg liegende Kraft F 1 . Ihre Komponente F p tangential zur Oberfläche verschiebt die Ladung. Solche Verschiebungen hören __› erst dann auf, wenn der Wert F p = 0 ist. Dann aber stehen alle die Feldlinien senkrecht zur Oberfläche, so wie die Feldlinie (3) in ‹ B 3 . Man nennt diesen Vorgang Influenz. Enden Feldlinien senkrecht auf Leiter­ oberflächen, so besteht ein Gleichgewicht. B 3 Im Innern eines Metallrings ‹ B 4 liegen die Grießkörner ohne Struktur. Feldkräfte haben negative Influenzladungen −Q auf die linke Ringseite gezogen. An ihnen enden die von links kommenden Feldlinien senkrecht. Rechts auf dem Ring sitzen die zugehörigen positiven Influenzladungen +Q. Von ihnen laufen andere Feldlinien nach rechts. Das Innere des Rings ist also feldfrei. Allgemein gilt: Das Innere eines Leiters, der in einem elektrischen Feld liegt, ist feldfrei, solange kein Strom fließt. Auto- und Flugzeughüllen aus Metall sind solche Faraday-Käfige. Sie schützen durch ihre feldfreien Räume die Insassen vor Blitzen. Im Experiment konnten wir die Feldlinien durch Grießkörner in Rizinusöl veranschaulichen. Dies geht für kompliziertere Anordnun­ gen oder für das elektrische Feld in Leitern nicht. Es gibt jedoch grundlegende Gleichungen, die den Verlauf des elektrischen Feldes und der Feldlinien beschreiben. Mit modernen mathematischen Methoden kann man damit für komplexere Fälle das elektrische Feld berechnen und in Bildern visualisieren. B 4 Das Innere des Rings ist feldfrei a) ‹ B 5 a zeigt einen Plattenkondensator, der mit einer Quelle verbunden ist. Das elektrische Feld wird mit Feldlinien dargestellt, Pfeile zeigen die Kraft auf eine positive Probeladung. Die Feldlinien enden senkrecht auf den Leiteroberflächen, es fließt kein Strom. Die Farbe des Feldes zeigt seine Stärke. In ‹ B 5 b ist der Verlauf der Feldlinien in einem Stromkreis mit Widerstand berechnet. Die Linien verlaufen vom Plus- zum Minuspol, teils im Leiter, teils im umgebenden Feld. Die Feldlinien enden nicht mehr exakt senkrecht auf den Leiteroberflächen wie in ‹ B 5 a . Ihre Längskomponente treibt den Strom im Leiter an. Die Ladungen fließen entlang der Feldlinien (natürlich nur im Leiter), da sie ent__› lang diesen eine antreibende Kraft F erfahren. b) Merksatz In Leitern können Feldkräfte Ladungen trennen und so auf der Oberfläche Influenzladungen bilden. Die Ladungen werden so lange verschoben bis die Feldlinien auf der Leiteroberfläche senkrecht enden und an den Feldlinienenden Ladungen sitzen. Im Innern stromführender Leiter besteht dagegen ein Feld, das die Ladungen bewegt.n An der linken Quelle liegt a) ein Kondensator, b) ein Widerstand. Elektrische Feldlinien (rot) mit steigenden Feldstärken von Dunkel- über Hellblau und Grün bis Gelb. B 5 Faradays Feldidee Das elektrische Feld 325