Geld Vorlesung Ökonomie 1 20.12.2004 Was ist Geld? Geld umfasst alle Arten von Gütern und Vermögenswerten, die allgemein zur Zahlung angenommen werden. Salz Felle Vieh (Ochsen) Stockfisch Zigaretten Münzen Papier mit besonderem Aufdruck elektronisch gespeicherte Daten 2 Königreich Lydien, Krösus (561-546 v. Chr.), schwerer Goldstater Quelle: www.moneymuseum.com vorne hinten EC Karte, Zentraleuropa (2002 n. Chr.) vorne hinten 3 Was ist Geld? Geld ist nicht Einkommen oder Reichtum. Was Geld ist, kann auch gesetzlich festgeschrieben werden. Die entscheidende Eigenschaft ist das Vertrauen in das Geld als Tauschmittel. 4 Die drei Funktionen des Geldes Tauschmittel Recheneinheit, Wertmassstab Wertaufbewahrungsmittel 5 Zwei Hauptakteure des Geldangebots Zentralbank Schweizerische Nationalbank (SNB) ist weitgehend unabhängig von Regierung und Parlament. Aufgaben: 1. Sicherung der primären Geldversorgung, 2. Sicherung des inneren Werts der Währung (= Preisstabilität), 3. Sicherung des Aussenwerts der Währung (= Wechselkurs des Franken) Problem: möglicher Zielkonflikt mit Preisstabilität 4. Bank der Banken (Lender of Last Resort), Schutz der Kreditinstitute vor allgemeiner Vertrauenskrise (bank run): Möglichkeit in Zahlungsschwierigkeiten geratene Geschäftsbanken unbegrenzt mit Zentralbankgeld versorgen (lend freely!) Problem: Moral Hazard 6 Zwei Hauptakteure des Geldangebots Geschäftsbanken Vermitteln zwischen Geldgebern und Kreditnehmern (= Finanzintermediation). Multiplizieren so das Zentralbankgeld und schaffen Geld. Überschusseinheiten Private Haushalte Einlagen Banken Kredite Defiziteinheiten Unternehmen 7 gesamtwirtschaftlicher Kreislauf mit Staat und Ausland Verwendung Ausland Gesamtnachfrage nach inländischen Gütern inländische Endnachfrage Importe Einkommen gesamtwirtschaftliche Produktion Löhne verfügbares Einkommen Zinsen Gewinne inländische Nachfrage nach inländischen Gütern Exporte Produktion Steuern Staat Defizit Sparen Staatsausgaben Investitionen privater Konsum internationaler Kapitalverkehr 8 Funktionen der Finanzintermediation Transfer von Kaufkraft zwischen Überschuss- und Defiziteinheiten (und damit das volkswirtschaftliche Investitionsvolumen) durch: Verringerung von Informationskosten (Vermittlung zwischen Gläubigern und Schuldnern) Kreditgrössentransformation (Kreditvolumen der Titel) Risikotransformation (Sicherheit der Titel) Fristentransformation (Laufzeit der Titel) 9 Was ist Geld in der Schweiz? Bargeld (Noten und Münzen) + Guthaben auf Bankkonten. Die SNB veröffentlicht Statistiken zu verschiedenen Geldaggregaten. 10 Zwei wichtige Geldaggregate Geldmenge M1 = Bargeld des Publikums + sofort verfügbare Guthaben des Publikums bei Geschäftsbanken M1 entspricht den unmittelbar verfügbaren Tauschmitteln des Publikums. Notenbankgeldmenge NGM = Bargeld bei Publikum und Geschäftsbanken + Guthaben der Geschäftsbanken bei der SNB Die Notenbankgeldmenge ist unter der direkten Kontrolle der Nationalbank. 11 Verschiedene Geldaggregate Notenbankgeldmenge NGM NGM = Notenumlauf + Guthaben der Banken bei der Nationalbank (Giroguthaben) M1 = Bargeldumlauf (Noten und Münzen) + Sichteinlagen + Einlagen auf Transaktionskonti M2 = M1 + Spareinlagen M3 = M2 + Termineinlagen die Aggregate sind nach ihrer Liquidität geordnet 12 M1 und NGM in der Schweiz 1985-2004 Mio. Fr. 300'000 250'000 200'000 M1 150'000 100'000 50'000 NGM 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 13 Geldaggregate in der Schweiz 1985-2004 Mio. Fr. M3 500'000 400'000 M2 300'000 200'000 M1 100'000 NGM 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 Quelle: SNB 14 Geldmultiplikator Beziehung zwischen Geldmenge M1 und Notenbankgeldmenge NGM: M1 = m·NGM m>1 Was bestimmt die Grösse von m ? 15 Geldmultiplikator Banken halten einen Teil der einbezahlten Gelder als Reserven. Reserven Reservesatz r = Einlagen Das Publikum behält einen Teil des Geldes im Portemonnaies, Kassen und Tresoren. Bargeld bei Publikum Kassenhaltungskoeffizient cu = M1 16 Zentralbank bestimmt Notenbankgeldmenge r cu Geschäftsbanken multiplizieren Einlagen Reserven Geschäftsbanken Kassenhaltung Haushalte & Unternehmen 17 Beispiel Geldmultiplikator: 1. Die Zentralbank kauft für Fr. 1‘000.- Dollar bei einem Devisenhändler. 2. Der Devisenhändler deponiert die Fr. 1‘000.- bei der Bank 1. 3. Da kaum alle Bankkunden ihre Guthaben auf einmal auflösen werden, kann die Bank 1 Fr. (1 - r)· 1‘000.- ans Publikum ausleihen. 4. Das Publikum behält „Bargeld“ und zahlt Fr. (1 - cu)(1 - r)· 1‘000.- bei der Bank 2 ein. 5. Die Bank 2 vergibt nach Abzug der Reserven Fr. (1 - cu)(1 - r)2· 1‘000.- als Kredit usw. 18 Reservesatz r r = 0.1 cu = 0 Bank 1 (10% Reserven) Einlagen 1‘000 Reserven Kredite 100 900 Bank 2 (10% Reserven) Einlagen 900 Reserven 90 Kredite 810 Bank 3 (10% Reserven) Einlagen 810 Reserven 81 Kredite 729 19 Wenn wir die Einlagen bei den einzelnen r = 0.1 Banken summieren, erhalten wir die cu = 0 gesamthaft geschaffene Geldmenge. Einlage Bank 1 1‘000 Einlage Bank 2 900 Einlage Bank 3 810 Summe Einlagen 10’000 insgesamt geschaffene Geldmenge In diesem Fall ist der Geldmultiplikator m = 1 / r = 1 / 0.1 = 10 20 Multiplikator Notenbankgeldmenge 1 M1 = m·NGM = NGM cu + r (1-cu) Kassenhaltungskoeffizient Reservesatz 21 Der Geldmultiplikator in der Schweiz 1985-2004 m m= M1 NGM lockere Geldpolitik 7 6 5 4 3 Strukturbruch Ende 1987 2 1 0 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 Quelle: SNB, eigene Berechnung 22 Freiwilliger Reservesatz der Geschäftsbanken r= Reserven Einlagen 1987 Strukturbruch des Multiplikators durch Halbierung des Reservesatzes. Einführung des Swiss Interbank Clearing (SIC) Neue Liquiditätsvorschriften 0.14 0.12 0.10 0.08 0.06 r 0.04 Die sinkende Reservehaltung erhöht den Geldmultiplikator. 0.02 0.00 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 Quelle: SNB, eigene Berechnung 23 Entwicklung der Notenbankgeldmenge Mio. Fr. 40'000 35'000 30'000 25'000 Notenumlauf 20'000 15'000 10'000 5'000 0 Giroguthaben 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 Quelle: SNB 24 Kassenhaltungskoeffizient cu = Bargeld Publikum M1 0.30 Die sinkende Kassenhaltung erhöht den Geldmultiplikator. 0.25 0.20 cu 0.15 0.10 0.05 0.00 85 87 89 91 93 95 97 99 01 03 Quelle: SNB, eigene Berechnung 25 Instrumente der Geldpolitik Die Zentralbank steuert die Geldmenge; Direkt über die Notenbankgeldmenge Repo-Geschäfte: Bei Kauf von Wertpapieren wird Vertrag für Rückverkauf abgeschlossen (wichtigstes Instrument der SNB) Devisengeschäfte: An- und Verkauf von Devisen Der Gesetzgeber steuert die Geldmenge indirekt durch den Mindestreservesatz rmin in der Schweiz heute 2,5% 26 Repo-Geschäfte und Devisen-Swaps der SNB 1990-2003 Mio. Fr. 25'000 Forderungen aus Repo-Geschäften 20'000 Devisen-Swaps 15'000 10'000 5'000 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 Quelle: SNB 27 Repo-Geschäfte steuern die Kurzfristzinsen 10 9 Kurzfristzins SNB (3 Monate) 8 7 6 5 4 3 2 1 0 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: SNB 28 Preisindizes messen die Inflation Inflation ist ein andauernder Anstieg des Preisniveaus Ein Preisindex zeigt, wie sich der Wert eines Güterkorbs in der Zeit verändert. Die Güter im Güterkorb werden nach ihrem Anteil an den gesamten Ausgaben im Basisjahr gewogen. 29 Beispiel: Ein „ungesunder“ Preisindex Preise Mai 94 Mai 95 Mai 96 Anzahl pro Monat Ausgaben pro Monat Gewichte Cervelat, 1 Stück Lagerbier inländisch, 5.0 dl Zigaretten, Paket Index 1.03 1.08 1.10 1.19 1.19 1.20 3.13 3.46 3.59 100.00 104.72 106.90 100 100 330.80 315.90 30 Total Mai 94 Mai 95 Mai 96 103.00 108.00 110.00 119.00 119.00 120.00 93.90 103.80 107.70 315.90 330.80 337.70 33% 38% 30% 100% Quelle: BfS 30 Beispiel: Ein „ungesunder“ Preisindex Fr. Preisindex 4.42 Zigaretten 112.25 4.00 111.30 3.13 109.31 110.00 3.00 Preisindex 106.90 2.00 1.00 0.00 106.17 104.72 1.19 Lagerbier 1.03 Cervelat 105.00 1.14 1.08 100.00 1994 1995 100.00 1996 1997 1998 1999 2000 2001 Quelle: BfS 31 Gewichte einzelner Gütergruppen im Landesindex der Konsumentenpreise Gewichtung 2004 Übrige Waren Nahrungsmittel, Getränke, 14% Tabakwaren 13% Unterhaltung, Erholung, Bildung und Kultur 10% Verkehr und Kommunikation 4% Bekleidung und Schuhe 12% 26% 16% Gesundheit Wohnungsmiete und Energie 5% Wohnungseinrichtung Quelle: BfS 32 Preisentwicklung einzelner Güter im Landesindex der Konsumentenpreise Heizöl Zigaretten 140 120 Kino Landesindex der Konsumentenpreise 100 Milch 80 Fernseh- und Videogeräte 60 40 Heim- und Personal computer 20 0 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 Quelle: BfS 33 Konsumentenpreisindex für die Schweiz 1950-2004 (2000 = 100) März 2000 = 100 110 100 90 Das Preisniveau in der Schweiz hat sich seit 1950 beinahe verfünffacht 80 70 60 50 Landesindex der Konsumentenpreise 40 30 20 10 0 50 54 58 62 66 70 74 78 82 86 90 94 98 02 Quelle: BfS 34 Vorjahresveränderung des LIK als Mass der Inflation (1990-2004) Vorjahresveränderung in % 7 6 5 4 3 2 1 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 04 Quelle: BfS 35 Ist Inflation schädlich? Bei Hyperinflation verliert das Geld seine wichtigste Funktion: Es wird nicht mehr als Tauschmittel akzeptiert. Gesamte wirtschaftliche Aktivität wird gelähmt. Ausländische Währungen dienen als Tauschmittel (z.B. Dollar, Euro) Bei niedrigeren Inflationsraten sind die Kosten nicht so eindeutig. Man muss hier unterscheiden zwischen: vollständig antizipierter Inflation nicht oder nur unvollständig antizipierter Inflation 36 Die Quantitätsgleichung M V = PY Geldmenge Preisniveau Umlaufsgeschwindigkeit reales Einkommen bzw. Produktion 37 Die Quantitätsgleichung M V = PY Geldstrom Güterstrom Diese Gleichung muss per Definition gültig sein. 38 Die Quantitätsgleichung konstante Umlaufgeschwindigkeit gegebenes Einkommen M V=P Y Eine Geldmengenerhöhung führt zu einer proportionalen Preiserhöhung. Aber: Ist die Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes tatsächlich konstant? 39 Umlaufsgeschwindigkeit in der Schweiz 1990 - 2003 V= nominales BIP M1 4 3 - 40% 2 1 0 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 00 01 02 03 Quelle: BfS, SNB, eigene Berechnung 40 Inflation und Quantitätsgleichung MV=PY Ausgedrückt in Wachstumsraten: gM + gV Veränderung GeldmengenUmlaufsgewachstum schwindigkeit = p Inflation + gY BIPWachstum 41 Inflationsraten und Wachstumsraten der Geldmenge für 75 Länder Durchschnitte 1980-1990 Inflationsrate in % 1000 Korrelation: 0.9907 Bolivien Peru Israel Mexiko 100 Argentinien 10 Schweiz USA Deutschland Singapur Japan 1 1 10 100 Wachstumsrate der Geldmenge in % 1000 42 Vorjahresveränderungen LIK und M1 (1986-2004) 22 M1 18 14 10 LIK 6 2 -2 Steigenden Preise bei steigendem Geldangebot? -6 -10 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 43 Die Quantitätsgleichung Die Quantitätsgleichung zeigt aber auch, dass bei realem Wirtschaftswachstum und konstanter Umlaufsgeschwindigkeit ... oder die Preise sinken müssen M V=P Y entweder das Geldangebot wachsen muss 44 Preisentwicklung in Grossbritannien unter dem Gold Standard (1873-1913) Quelle: Eichengreen (1996) 45 Allgemeine Geldnachfragefunktion + Geldnachfrage Preisniveau MD = L(Y, P, i ) reales Einkommen + nominaler Zinssatz - 46 Zinssätze Schweiz (1984-2004) % 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 Kurzfristzinsen (3-Monatssatz) Restriktive Geldpolitik Ende 80er Jahre: innerhalb von zwei Jahren Anstieg von 2 auf 9.5% 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 Quelle: SNB 47 Zinssätze Schweiz (1984-2004) % 9 8 7 Langfristzinsen reagieren weniger stark auf die Geldpolitik der Nationalbank. Erwartungen und Risiko spielen hier eine wichtige Rolle. Kurzfristzinsen (3-Monatssatz) Langfristzinsen (10-jährige Bundesobligationen) 6 5 4 3 2 1 0 84 86 88 90 92 94 96 98 00 02 04 Quelle: SNB 48 Zinssätze Schweiz (1984-2004) Wegen dem höheren Risiko sollten Langfristzinsen über Kurzfristzinsen liegen % 9 8 7 Kurzfristzinsen (3-Monatssatz) Langfristzinsen (10-jährige Bundesobligationen) 6 5 4 3 2 1 0 wenn Kurzfrist- höher als Langfristzinsen: inverse Zinsstruktur 84 86 88 90 92 94 restriktive Geldpolitik 96 98 00 02 04 49