Klimawandel in Norddeutschland, speziell in der Metropolregion Hamburg Hans von Storch Institut für Küstenforschung, Helmholtz Zentrum Geesthacht BALTEX programme of WCRP Exzellenzentrum CLiSAP, Universität Hamburg MS „Mein Schiff 1“, 21. Mai 2013 Hans von Storch •Klimaforscher •Spezialgebiet: Küstenklima, also Windstürme, Sturmfluten, Seegang, Nordsee, Ostsee, Nordatlantik •Kooperation auch mit Sozial- und Geisteswissenschaftlern Direktor des Instituts für Küstenforschung des Helmholtz Zentrums Geesthacht • Professor am Meteorologischen Institut der Universität Hamburg • Mitglied des Leitungsgremiums des KlimaExzellenzzentrums CLISAP an der Uni Hamburg • Ehrendoktor der Universität Göteborg • Der Klimawandel und die Notwendigkeit, diesen zu bekämpfen, sind in aller Munde. Laien in Sachen Klimawandel haben oftmals einen hohen Kenntnisstand über die allgemeinen Ursachen des globalen Klimawandels und über die möglichen Gefahren. Allerdings hat dieses Wissen zwei Einschränkungen. Zum einen die Vermischung von wissenschaftlich-konstruiertem Wissen und von medial-kulturell konstruiertem Wissen, und zum anderen der Mangel an Wissen über die regionale und lokale Dimension des Klimawandels. Dies ist keine gute Grundlage zur Ausgestaltung einer regionalen Klimapolitik in Hamburg und anders wo. Wir haben den wissenschaftlich anerkannten Kern des Wissens über den Klimawandel in der Metropolregion Hamburg und im Ostseeraum dokumentiert. Das mediale Konstrukt vom Klimawandel: Der Mensch ändert das Klima, auch durch Entwaldung. Das Wetter ist weniger zuverlässig als früher, die Jahreszeiten unregelmäßiger, die Stürme gewaltiger. Die Wetterextreme nehmen katastrophale, vorher nie da gewesene Formen an. Die Ursache ist „menschliche Gier“ und „Dummheit“. Die Gerechtigkeit, die Rache der Natur, schlägt zurück. Der Mensch verändert das globale Klima. Die Häufigkeitsverteilungen der Temperatur verschieben sich derzeit und in der absehbaren Zukunft fortgesetzt an fast allen Orten hin zu größerer Wärme; der Meeresspiegel steigt; die Regenmengen verändern sich. Auch einige extreme Wetterereignisse, wie etwa Starkniederschläge im Westwindgürtel der mittleren Breiten, werden sich in Häufigkeit und Intensität in Zukunft verändern. Diese Veränderungen sind verursacht vor allem durch die Freisetzung von insbesondere Kohlendioxid und Methan. Das wissenschaftliche Bild Entwicklung der global gemittelten Lufttemperatur – aus Thermometerdaten abgeleitet Dekonstruktion der Entwicklung der Lufttemperatur Only natural factors Additional ly manmade factors „observations“ IPCC 2007 Szenarien – mögliche Zukünfte, aber keine Vorhersagen Warum interessiert man sich für den regionalen Klimawandel? Weitgehendes Einvernehmen, dass das Klima sich auch aufgrund menschlicher Faktoren ändert IPCC (AR4 von 2007) Dieser Wandel ist ungleichmäßig in seiner regionalen Ausprägung Die Wirkung von Klima und Klimawandel ist regional sehr verschieden Wesentliche politische Entscheidungen fallen lokal (Anpassung) Öffentlichkeit, wirtschaftliche und politische Entscheider brauchen Wissen, das wissenschaftliche abgesichert ist → Regional Wissenszusammenschauen (Assessments) nötig. Was können wir tun? Vermeidung – Verminderte Emission von Treibhausgasen– Global Anpassung – an die unvermeidlichen Änderungen– Regional → Wissenschaftlich abgesichertes Wissen, das vollständig (Unsicherheit) und verständlich ist. Die Idee von Berichten über das Wissen von Klima, Klimawandel und Klimawirkung besteht darin, • dass das wissenschaftliche legitime Wissen über Klima, Klimawandel und Klimawirkung zusammengestellt und bewertet wird. • dass Wissen dadurch wissenschaftlich legitim wird, dass es in wissenschaftlichen Zeitschriften und in Berichten einschlägiger Einrichtungen dokumentiert ist, und daher in Bibliotheken zur Nachprüfung für Jedermann vorliegt. • dass aus diesem Wissen nicht unmittelbar politische, wirtschaftliche oder sonstwie praktische Folgerungen gezogen werden können, sondern • dass dies Wissen aber Randbedingungen für eventuelle derartige praktische Folgerungen bietet. Wissenschaftliche Erkenntnis ersetzt keine politischen Entscheidungen, die in erheblichem Maße von kulturellen Werten geprägt werden. Grundsätze • Der Bericht präsentiert nicht das beste Wissen über den den regionalen Klimawandel, sondern beschreibt das wissenschaftlich legitimierte Wissen über Klima, Klimawandel und Klimawirkung, einschließlich dessen Unsicherheit und Dissens. • Die Bewertungsgruppe stellt sich den Fragen von gesellschaftlichen und politischen Interessengruppen, zieht solche Gruppen aber bei der Bewertung des wissenschaftlich legitimen Wissens nicht zu Rate. BACC = BALTEX Bestandsaufnahme des wissenschaftlich belegten Wissens über Klima, Klimawandel und Klimawirkung im Einzugsbereich der Ostsee. 1. Bericht in 2008, 2. Bericht in 2013 Ein Versuch einer Politikberatung jenseits von Alarmismus und Politdominanz in Zusammenarbeit mit HELCOM. Klimawissen für die Metropolregion Hamburg In 2010 wurde ein Bericht zum Wissen über Klimawandel und Klimawirkung im Großraum Hamburg erarbeitet- unter der Federführung des Helmholtz Zentrums Geesthacht und des Klimaexzellenzzentrums CLiSAP in Hamburg Auf politischer Seite wird der Bericht genutzt vom der Freien und Hansestadt Hamburg und vom Land Schleswig-Holstein. Diese Kurzfassung liegt hier aus; bitte nehmen Sie sich je nach Bedarf. Die Ostsee und ihr Einzugsgebiet •Fläche: 2.13 Mill. km2 (~20% des Europäischen Kontinents), davon Ostsee: 380 000 km2 •85 Mio Menschen in 14 Ländern •Uralter wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Austausch in der Region •Räumlich variables Klima und Topographie; Erhebliche saisonale, Jahr/zehnt-zuJahr/zehnt und längerfristige Klimaveränderungen Lufttemperatur im Frühjahr im Bereich der Ostsee von 18712011 Norden in Blau: nördlich 60 °N; Süden in Rot: südlich 60 °N Linear Trends (K per decade) “Signifikante” Trends sind in dicken Zahlen abgegeben. 1 Data sets Year Winter Spring Summer Autumn Northern area 0.11 0.10 0.15 0.08 0.10 Southern area 0.08 0.10 0.10 0.04 0.07 Extreme im winterlichen Niederschlag + Anstieg der Anzahl von Ereignissen mit Starkniederschlag o Rückgang der Anzahl von Ereignissen mit Starkniederschlag Keine systematische Veränderung der Sturmtätigkeit Jährliche Anzahl niedriger täglicher Luftdrücke (oben) und kurzfristiger Abfälle des Luftdrucks (unten) IPCC: Konstruktion von Szenarien zukünftig möglicher globaler Klimate Aufbau plausibler, konsistenter, möglicher aber nicht notwendigerweise wahrscheinlicher Beschreibungen („Szenarien“) von Zukunft, insbesondere von Emissionen von Treibhausgasen bis zum Ende des 21. Jahrhunderts. Wenn umgesetzt in die Wirkungen solcher veränderter geochemischer Bedingungen auf das Klima und seine Wirkung, bieten diese Szenarien für Entscheider (inkl. Öffentlichkeit) eine Möglichkeit, mögliche Klima/anpassungs/politiken und Maßnahmenkataloge zu entwickeln . Szenarien für mögliche Änderungen der Bedingungen in 2071-2100 relativ zu 1961-1990 in verschiedenen Modellkonfigurationen. A2 Emissions-Szenario: Lufttemperaturen Winter Sommer Szenarien für mögliche Änderungen der Bedingungen in 2071-2100 relativ zu 1961-1990 in verschiedenen Modellkonfigurationen. A2 Emissions-Szenario: Saisonale Niederschlagssummen Winter Sommer Szenarien für mögliche Änderungen der Bedingungen in 2071-2100 relativ zu 1961-1990 in verschiedenen Modellkonfigurationen. A2 Emissions-Szenario: Saisonale Windmaxima Winter Sommer Ostseebericht: Zusammenfassung Derzeit geht eine Erwärmung im Ostseeraum vonstatten, Der Bericht bezeichnet es als plausibel, dass diese Änderungen zumindest teilweise auf menschgemachte Faktoren zurückzuführen ist. Daher ist zu erwarten, dass die derzeitige Erwärmung sich im Laufe des Jahrhunderts wahrscheinlich fortsetzen wird. Die bisherige Veränderung bezieht sich auf die Temperatur und damit direkt zusammenhängende Größen. Zu einem späteren Zeitpunkt sollte auch die Veränderung im Niederschlag manifest werden. Die regionale Erwärmung wird Wirkungen auf die terrestrischen und marinen Ökosysteme haben – einige davon sind vorhersagbar, andere sind derzeit kaum abschätzbar. Sind die derzeitigen Änderungen und die Szenarien der Klimamodelle miteinander “konsistent”? Mit anderen Worten: Wenn die derzeitige Entwicklung anhält, erreichen wir dann die von den Klimamodellen als möglich bezeichneten Zustände am Ende des Jahrhunderts? In Bezug auf die Temperatur sind die derzeitigen Trends tatsächlich grob vergleichbar mit den von den Modellen in Aussicht gestellten Trends. Im Falle des Niederschlages gilt dies nur eingeschränkt; die derzeitigen Niederschlagsänderungen sind entweder stärker als die Erwartung der Modelle (Winter) oder weisen anders als die Modelle auf trockenere Verhältnisse (Herbst). Änderung in oC pro Jahrhundert Änderungen der Lufttemperatur im Ostseeraum, 1978-2007 Änderung in % der 1961-90-Werte pro Jahrhundert Änderungen des Niederschlags im Ostseeraum, 1978-2007 Metropolregion Hamburg Einschätzung der Bedrohung in Hamburg durch den Klimawandel; Vergleich Hamburg 2008-2013 Das wissenschaftlich legitimierte und dokumentierte Wissen für die Metropolregion Hamburg ist nicht umfangreich. Es gibt nur wenige Studien, die sich spezifisch mit dem Klimawandel in der Region, den Wirkungen des Klimawandels und den Möglichkeiten des Umgangs damit befassen. Dies betrifft sowohl den Ist-Zustand, die gegenwärtigen Änderungen als auch die zukünftig möglichen Änderungen und deren Herausforderungen. In der Regel gibt es aber Studien, die andere Regionen oder größere Skalen betreffen und zumindest Hinweise geben, welche Möglichkeiten die Forschung in den kommenden Jahren in jedem Falle ausschöpfen kann Klima der Region - bisherige und mögliche zukünftige Entwicklungen 1. Das gegenwärtige atmosphärische Klima der Metropolregion und der Stadt Hamburg und seine Änderungen bisher (1800 bis 2006) 2. Mögliche atmosphärische Klimaänderungen in der Metropolregion Hamburg in Zukunft (bis 2100) Beobachtete Änderungen in der Metropolregion Temperatur: – Zunahme der Jahresmitteltemperatur in Hamburg seit 1901 um etwa 1oC. – Der Trend in den letzten drei Jahrzehnten ist deutlich verstärkt. Niederschlag: – Zunahme um etwa 8 mm pro Dekade des Niederschlag im Jahresmittel seit 1891. – Im Sommer eine geringe Abnahme, in den anderen Jahreszeiten eine Zunahme. – Stärkere Niederschläge leicht zugenommen. Wind: – Seit Beginn des 20. Jahrhunderts weder bei der mittleren Windgeschwindigkeit noch bei Stürmen eine Zunahme. Temperatur Jahresmittel Niederschlag – Abweichung der Jahresmittel vom Langzeitmittel Phänologie In Deutschland hat zwischen 1961 und 2000 die Vegetationsperiode um 2,3 Tage und der Beginn der Obstblüte um 2,0 bzw. 2,2 Tage pro Jahrzehnt früher eingesetzt. In Hamburg hat sich der Beginn der Forsythienblüte seit 1945 um etwa 4 Wochen verfrüht. Tage seit Jahresbeginn (60 = 1. März) Beobachtungen an der Lombardsbrücke durch Carl Wendorf und Jens Iska-Holtz 1945-2009 120 115 25.04.1970 110 105 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 15.02.2002 45 40 1945 1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 Wälder Kaum betroffen: Rotbuche, Sand-Birke, Spitz- und Bergahorn, Berg-Ulme, Winterlinde; positiv: wärmetolerante Baumarten wie Stiel- und Traubeneiche, Hainbuche, Sommerlinde und Gemeine Esche. Negativ: Fichte und Kiefer. Neben direkten Effekte des Klimawandels auch indirekte Änderungen durch Schaderregern. Norddeutscher Klimaatlas www.norddeutscher-klimaatlas.de Zukünftig mögliche Klimaänderungen laut Norddeutschem Klimaatlas Lufttemperatur Mögliche Änderung der durchschnittlichen Jahrestemperatur bis 2100 +2 °C bis +4,7 °C Lesung aus „Die Klimafalle“ (Februar 2013) am Freitag im Konferenzraum, Deck 6, 20:30 – 21:30. Buch kann erworben werden (20 EUR); zwei weitere Bücher des Autors liegen ebenfalls aus.