Charakterisierung und Optimierung der Ligand-Rezeptor-Interaktion von Oligosacchariden, Glycokonjugaten und Peptiden sowie deren Mimetika We use an in-house developed NMR based technique, the so-called STD NMR spectroscopy, to characterize ligand binding to protein receptors and to use this information together with docking techniques to synthesize optimized ligands. The STD NMR technique has been expanded to be also capable of analyzing binding of ligands to membrane bound receptors in living cells: the so-called STDD NMR can be used to analyze binding events of ligands with only about 30 pmols of receptor protein present. In this way we have characterized and optimized ligands to protein receptors involved in infectious diseases especially of receptors involved in infection with HIV. Prof. Dr. Bernd Meyer Research topics: Glycoscience, Bioorganic Chemistry, NMR Spectroscopy Zusammenfassung Meine Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Interaktion von Kohlenhydraten und Glycokonjugaten mit Rezeptorproteinen und Enzymen. Hierzu haben wir ein NMR basiertes Verfahren entwickelt, das so genannte STD NMR, mit dem es möglich ist, die Wechselwirkung von Liganden mit Proteinen zu beschreiben und verschiedene Parameter des Liganden zu untersuchen. Unter anderem können wir das Bindungsepitop des Liganden am Protein identifizieren, die Bindungskinetik quantifizieren und auch herausfinden, welche Moleküle aus einer Mischung überhaupt mit einem Rezeptor wechselwirken. Durch den permanenten Austausch zwischen gebundenem und gelöstem Zustand werden in einem großen Bereich von Bindungsaffinitäten die Liganden nach kurzer Kontaktzeit mit dem Rezeptor wieder in Lösung abgegeben. Dadurch können wir es erreichen, dass die Information, wie ein Ligand an das Rezeptorprotein bindet, vielfach verstärkt wird, da während der Messoperation viele Liganden diesen Zyklus durchlaufen und dann in Lösung ihre Information über den gebundenen Zustand erhalten. Das führt dazu, dass wir bei normaler Bindungskinetik nur etwa 100 pmol des Rezeptors benötigen. Im optimalen Fall lassen sich diese Experimente auf einem 700 MHz NMR mit Cryoprobenkopf sogar mit 30 pmol des Rezeptors durchführen. Der Ligand liegt dann in einem etwa 100fachen Überschuss vor. Als Ergebnis erhalten wir die funktionellen Gruppen des Liganden, die mit dem Protein in Interaktion stehen. In Optimierungsschritten werden dann aus diesen Kohlenhydrat-, Glycokonjugat- oder Peptidliganden Substanzen optimiert und synthetisiert, die in Kombination von Docking-Verfah- ren und den Ergebnissen der STD NMR Spektroskopie dazu führen, dass innerhalb kurzer Zeit die Bindungsaffinität eines schwachen Liganden drastisch verbessert werden kann. So ist es uns unter anderem gelungen, für den CD4 Rezeptor, der bei der HIV Infektion eine wesentliche Rolle spielt, einen Liganden innerhalb kurzer Zeit von 6 mM durch Modifikationen auf 6 mM zu optimieren. STD NMR Verfahren Das STD NMR Verfahren kann, wie oben bereits beschrieben, Liganden in ihrer Interaktion mit einem Rezeptor charakterisieren. Eine Besonderheit des Verfahrens ist, dass wir das Protein direkt nicht beobachten, sondern nur die NMR Spektren der Liganden in Lösung aufnehmen. Dadurch ergeben sich viele Vorteile gegenüber den üblichen NMR-spektroskopischen Verfahren, die eine Charakterisierung des Proteins erfordern. Dadurch wird das STD NMR Verfahren (Sättigungs-Transfer-Differenz-NMR) sehr leistungsfähig - auch bei sehr großen Proteinen, oder Proteinaggregaten und insbesondere bei membranständigen Proteinen. Membranständige Proteine bilden etwa 80 Prozent der Targets, auf die die momentan verfügbaren Medikamente ausgerichtet sind. Die Hauptsubstanzklasse, um die es hier geht, sind die G-Protein gekoppelten Rezeptoren, die im Inneren der Zelle Signalkaskaden anschalten. Selbst diese GProtein gekoppelten Rezeptoren sind mit Hilfe der STD-NMR-Spektroskopie auf ihre Interaktionen mit Liganden hin zu untersuchen. Es ist uns gelungen, hierbei den CCR5-Rezeptor, der mit dem HI-Virus eine Interaktion eingeht, bevor eine humane Makrophagenzelle Chemiedozententagung 2006 Institut für Organische Chemie Universität Hamburg Martin-Luther-King-Platz 6 20146 Hamburg E-Mail: [email protected] Telefon: +49-(0)40-42838-5913 Telefax: +49-(0)40-42838-2878 Beruflicher Werdegang: 1970-79 Studium der Chemie und Promotion in Hamburg; 1979-80 Postdoc in Lyngby, Technical University of Denmark; 1980-86 Habilitation an der Universität Oldenburg; 1988 -1993 Assistant and Associate Professor, Complex Carbohydrate Research Center, University of Georgia; 19932001 C3-Professor an der Universität Hamburg; seit 2001 C4-Professor an der Universität Hamburg infiziert wird, hinsichtlich seiner Wechselwirkung mit dem Rezeptor-Glycoprotein zu charakterisieren (vgl. unten). Das STD-NMR-Verfahren basiert auf einer Sättigung des Proteins, die selektiv nur Proteinsignale treffen darf. Hier- 47 zu wird die maximale Leistung auf ein Proteinsignal selektiv eingestrahlt. Diese Signale liegen typischer Weise im Bereich von etwa -1 ppm oder, falls die Liganden keine aromatischen Signale haben, auch im Bereich von etwa 8 – 10 ppm. Diese Einstrahlung führt dazu, dass das Protein innerhalb von wenigen Millisekunden vollständig gesättigt wird. Wenn jetzt Liganden an das Protein binden, führt das zu einer Interaktion mit einem gesättigten Protein, das die Sättigung an den gebundenen Liganden ebenfalls mit einer Zeitskala von etwa 10 – 20 Millisekunden weitergibt. Hier werden jetzt im Liganden vorzugsweise die Protonen gesättigt, die einen engen Kontakt mit dem Protein haben. Nach Dissoziation dieses Liganden in den gelösten Zustand sind diese Signale normal im NMR Spektrum als Signale eines kleinen Moleküls, jetzt aber mit variabler Intensität, die durch die Sättigung, die vom Protein übertragen worden ist, entstand. Während einer typischen Sättigungszeit von einigen Sekunden wird üblicher Weise bei Verweildauern von etlichen Millisekunden eines Liganden eine Vielzahl von Liganden gesättigt. Da diese Liganden die Sättigung in Lösung erst langsam wieder verlieren (mit der normalen T1-Relaxation), ist es möglich, Sättigung im Liganden in Lösung zu akkumulieren. Diese Akkumulierung ist besonders effizient, wenn ein großer Überschuss des Liganden vorhanden ist, da dann statistisch gewährleistet ist, dass mit großer Wahrscheinlichkeit immer wieder ungesättigte Liganden in die Bindungstasche hineingehen. Es ist uns dabei gelungen, so genannte STD Amplification Factors bis zu 120 zu erhalten, das heißt, dass die Proteinkonzentration um den Faktor 120 im Ligandspektrum verstärkt worden ist, so dass wir mit sehr geringen Proteinmengen auskommen können. Typischer Weise sind bei 700 MHz im Cryoprobenkopf 30 pmol Protein notwendig, was in etwa nur einigen Mikrogramm an Proteinmenge entspricht, um die Interaktion mit Liganden zu charakterisieren. Liganden können in etwa bis zu einer Molmasse von einigen Kilodalton haben, beim Protein gibt es keine Obergrenze hinsichtlich der Molmasse, allerdings eine Untergrenze, die besagt, dass Proteine in etwa > 10 kDa sein sollten. Das Protein sollte mindestens um einen Faktor 10 größer sein als der Ligand, das heißt, wenn große Liganden von einigen Kilodalton untersucht werden sollten, muss auch das Protein 48 mindestens einige 10 Kilodalton Molmasse haben. Selbst Proteine, die Membran-gebunden sind und in lebenden Zellen existieren, können mit einer Variante des STD NMR Verfahrens, dem STDD Verfahren, untersucht werden. die Hauptbindungsaffinität an das CCR5 tragen. Hierbei ist die Glycosylierung von besonderer Bedeutung, die die Bindungsaffinität in etwa um den Faktor 10 relativ zu der peptidischen Struktur verbessert. Durch Kombination von synthetischen Arbeiten, die den Austausch von Zuckern und Aminosäuren zum Ziel hatten, und von STD-NMRUntersuchungen ist es uns gelungen, eine Leitstruktur für die Interaktion des GP120 mit dem CCR5 zu finden. Diese Struktur hat im einfachen DockingModell eine interessante Wechselwirkung mit dem CCR5, das in seiner N-terminalen Loop drei sulfatierte Tyrosine trägt. Charakterisierung des Bindungsepitops des GP 120 aus dem HIV mit humanen Rezeptoren CD4 und CCR5 Mit Hilfe der STD-NMR-Spektroskopie ist es uns gelungen, Liganden an die beiden humanen Rezeptoren, die das HIV benutzt, um humane Zellen zu infizieren, nämlich CD4 und CCR5 zu untersuchen. Im Fall des CD4 ist es uns gelungen, aus einem Leitpeptid, das eine Bindungskonstante von 6 Millimolar hatte, ein Peptidomimetikum herzustellen, das sowohl in seinen proteolytischen Eigenschaften wesentlich besser ist, als das Leitpeptid, als auch in der Bindungskonstante um einen Faktor 1000 besser an das CD4 bindet und mit 6 Mikromolar eine interessante Struktur darstellt. Zur Zeit sind wir dabei, durch Kombination von STD-NMR- und Docking-Untersuchungen diese Leitstruktur weiter in ihrem KD-Wert zu verbessern. Literatur [1] A Fast and Sensitive Method to Characterize Ligand Binding by Saturation Transfer Difference NMR Spectra. M. Mayer & B. Meyer, Angew. Chem. Int. Ed. 38, 17841788 (1999); Angew. Chem. 111, 19021906 (1999). [2] Detecting Binding Affinity to Immobilized Receptor Proteins in Compound Libraries by HR-MAS STD NMR. Jens Klein, Robert Meinecke, Moriz Mayer & Bernd Meyer, J. Am. Chem. Soc. 121, 5336-5337 (1999). [3] Determination of the Binding Specificity of an Integral Membrane Protein by STD NMR: RGD Peptide Ligands’ Binding to Integrin aIIbb3. Robert Meinecke and Bernd Meyer, J. Med. Chem. 44, 3059-3065 (2001) [3] Group Epitope Mapping (GEM) by STD NMR to Identify Segments of a Ligand in Direct Contact with a Protein Receptor. Moriz Mayer and Bernd Meyer, J. Am. Chem. Soc. 123, 6108-6117 (2001). [4] NMR Spectroscopy Techniques for Screening and Identifying Ligand Binding to Protein Receptors, Bernd Meyer and Thomas Peters, Angew. Chem. 2003, 42, 864– 890. Die Interaktion des CCR5 mit dem HIV lässt sich anhand von STD-NMRUntersuchungen und OberflächenPlasmonenresonanz (Biacore)-Messungen bestimmen und charakterisieren. Wir haben hierbei gezeigt, dass Glycopeptide aus dem viralen GP120 Chemiedozententagung 2006 [5] A New Peptidomimetic HIV Entry Inhibitor Directed Against the CD4 Binding Site for the Viral GP120, Axel T. Neffe & Bernd Meyer, Angew. Chemie 2004, 116, 2997 – 3000. [6] Direct observation of ligand binding to membrane proteins in living cells by STDD NMR, Birgit Claasen, Marko Axmann, Robert Meinecke & Bernd Meyer, J. Am. Chem. Soc. (2005), 127, 916-919.