Universität Augsburg Seminar: Soziologie und Praxis SS 06 Dozent: Dr. Oliver Dimbath Referentin: Nina Rathbauer 24. Mai 2006 Profession, Professionalität, Professionalisierung und professionelle Selbstdarstellung bzgl. der Soziologie …das sind Stichworte, mit denen ich mich auseinandergesetzt habe. Wir hörten ja bereits von und über die Professionalisierungstheorie und ich will nun weiter darauf eingehen inwiefern diese Theorie Einfluss auf die Soziologie nimmt. Und was genau macht nun das Besondere einer Profession aus? Wie kann ein Beruf das Etikett einer Profession erhalten? Hierfür bin ich auf fünf Bedingungen gestoßen, die es gilt einzuhalten: * Einerseits sollte es einen eigenen Berufsverband geben, der sich nun mal für die Interessen und Möglichkeiten der Berufstätigen einsetzt. In Deutschland gibt es gleich zwei, jedoch sehr unterschiedliche Verbände: Zum einen den Berufsverband Deutscher Soziologinnen und Soziologen. Dieser ist mehr auf außeruniversitäre Belange konzentriert, das heißt bezugnehmend auf die Soziologie als Beruf beziehungsweise auf den Soziologen, der nicht innerhalb des Wissenschaftsbetriebs beschäftigt ist. Die Mitglieder des BDS sind in den verschiedensten Arbeitsfeldern und Arbeitspositionen wie zum Beispiel öffentliche Verwaltungen, Unternehmen der Privatwirtschaft, gewerbliche Unternehmen oder als freiberuflich Beschäftigte verstreut. Der Verband sieht seine Ziele und Aufgaben in der sozialwissenschaftlichen Kompetenz, das heißt ein vielfältiges Anwendungspotential in der Arbeitswelt zu schaffen, wie zum Beispiel in der Organisationsentwicklung, in der systematischen Beratung, in der Personalentwicklung, in Sachen Marketing, Politikberatung sowie in der Markt- und Sozialforschung und in der Gesundheitsvorsorge. Jedoch primär setzt sich der Berufsverband für den Austausch zwischen akademischer Soziologie und der Praxis ein. Es gilt auch diesen zu intensivieren und gesellschaftliche Innovationen zu fördern. Der BDS sieht sich selbst als einen Organisator von kooperativen Netzwerken, sprich für eine praxisorientierte Aus- und Weiterbildung. * Der andere Verband nennt sich die Deutsche Gesellschaft für Soziologie – DGS – oder auch die wissenschaftliche Vereinigung zur Förderung soziologischer Anliegen. Deren Ziele liegen zum einen bei Erörterungen sozialwissenschaftlicher Probleme sowie bei der Förderung einer wissenschaftlichen Kommunikation zwischen den Mitgliedern. Die DGS setzt sich außerdem noch für eine Verbreitung und eine Vertiefung soziologischer Kenntnisse ein. Sie beteiligt sich an der Klärung von Fach- und Studienfragen der Soziologie und pflegt auch die Beziehungen zur Soziologie im Ausland. Die DGS sieht ihre Hauptaufgabe allerdings bei der Etablierung der Soziologie in der Lehre und Forschung. Eine Zusammenarbeit zwischen dieser akademischen und dieser berufspraktischen Soziologie findet teilweise überhaupt nicht statt. Wenn es dann aber doch zu einem Zusammenspiel kommt, gestaltet sich das als äußerst schwierig, weil beide Verbände doch eine unterschiedliche Klientel besitzen. Ein so genannter „Dachverband“ fehlt, der auf beide Verbände eingeht und auch eventuell vermittelt. Siegfried Lamnek meinte: Es solle eigentlich heißen „Getrennt marschieren – vereint schlagen.“ „Die Soziologie prägt die Gesellschaft und den beruflichen Alltag stärker als dies im Fach oder in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Begriffe und Konzepte werden aus der Wissenschaft in andere gesellschaftliche Bereiche übertragen, so dass die ursprünglich dahinter stehenden soziologischen Konzepte oft vergessen oder in den Hintergrund gedrängt werden. Das gilt beispielsweise für die Thesen zur Individualisierung, Modernisierung und Globalisierung der Gesellschaft oder für Strategien systematischen Denkens und Handelns in der Organisationsentwicklung und Managementberatung.“ (Gernand/Zinn o.J.:3) Und genau solche Meldungen sollten Selbstdarstellung unablässige und Botschaften auch der der professionellen professionspoltischen Öffentlichkeitsarbeit der soziologischen Verbände sein. Denn eine wissenschaftliche Disziplin, die nicht nur ein akademischer Beruf, sondern eine bedeutende Profession sein will, muss schließlich ihre Vorzüge in der Öffentlichkeit darstellen, um eine Unentbehrlichkeit zu erzeugen. Aber natürlich spielt auch die Berufsethik eine wichtige Rolle, daher haben die beiden Verbände einen Ethik Kodex verfasst. Dieser ist gleich einmal ein positives Beispiel für die Zusammenarbeit der beiden Verbände. „Die Erarbeitung und Verbreitung soziologischen Wissens sind soziale Prozesse, die in jedem Stadium ethische Erwägungen und Entscheidungen erfordern“ sind die einleitenden Worte der Präambel dieses Kodex. Er ist geprägt von seiner Anwendung durch Soziologen und soll dazu beitragen, die Soziologie in Deutschland weiter zu professionalisieren. Er zeigt die Grundlagen auf, auf denen die Arbeit der Ethik-Kommission beruht. Somit können sich die Verbände auch einer Fremdkontrolle entziehen und sich gleichzeitig selbst überwachen. Diese Ethik-Kommission besteht aus fünf Personen. Die beiden Verbände, also BDS und DGS entsenden jeweils zwei Mitglieder, die die jeweiligen Verbände für sich festlegen. Dazu kommt jährlich alternierend, der jeweilige Vorsitzende der DGS oder des BDS. Die Amtszeit der EthikKommission dauert drei Jahre. Stellt nun diese Kommission im Verlauf einer Anhörung fest, dass ein Verstoß gegen den Ethik-Kodex vorliegt, informiert sie alle davon betroffenen Seiten und gibt einen Bericht an die Vorstände. Es können dann Maßnahmen wie zum Beispiel Sanktionen auszusprechen oder einen öffentlichen Tadel in den Fachzeitschriften der Verbände zu veröffentlichen oder auch einen freiwilligen Austritt eines Mitgliedes anzuregen bis hin zum Ausschluss eines Mitgliedes empfohlen werden. Weiters möchte ich noch einige Auszüge des Ethik-Kodex vortragen: - Soziologinnen und Soziologen streben in Ausübung ihres Berufes nach wissenschaftlicher Integrität und Objektivität. Sie sind den bestmöglichen Standards in Forschung, Lehre und sonstiger beruflicher Praxis verpflichtet. Geben sie fachspezifischer Urteile ab, sollen sie ihr Arbeitsgebiet, ihren Wissensstand, ihre Fachkenntnis, ihre Methoden und ihre Erfahrungen eindeutig und angemessen darlegen. - In ihrer Rolle als Forschende, Lehrende und in der Praxis tätige tragen Soziologinnen und Soziologen soziale Verantwortung. Ihre Empfehlungen, Entscheidungen und Aussagen können das Leben ihrer Mitmenschen beeinflussen. Sie sollen sich der Situation und immanenten Zwänge bewusst sein, die zu einem Missbrauch ihres Einflusses führen könnten. Soziologinnen und Soziologen sollen geeignete Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass ein solcher Missbrauch und daraus resultierend nachteilige Auswirkungen auf Auftraggeber, Forschungsteilnehmer, Mitarbeiter vermieden werden. Kollegen, Studierende und - Besondere Anstrengungen zur Gewährleistung einer angemessenen Information sind erforderlich, wenn die in der Untersuchung einbezogenen Individuen über einen geringen Bildungsgrad verfügen, einen niedrigen Sozialstatus haben, Minoritäten oder Randgruppen angehören. - Soziologen sollen unter Verweis auf entsprechende Regelungen für andere Professionen der Schweigepflicht unterliegen und für sich das Recht auf Zeugnisverweigerung beanspruchen, wenn zu befürchten steht, dass auf der Basis der im Rahmen soziologischer Forschung gewonnenen Informationen die Informanten irgendwelche – insbesondere strafrechtliche – Sanktionen zu gewärtigen haben. - Soziologen, die Lehraufgaben wahrnehmen, verpflichten sich, durch Art und Ausmaß ihres Einsatzes und ihrer Ansprüche für eine gute Ausbildung der Studierenden zu sorgen. Diese jetzige Fassung des Ethik-Kodex ist seit dem 27. November 1992 in Kraft. Um aus einem Beruf eine Profession zu machen, ist natürlich die besondere Qualität der Ausbildung bedeutend. Man sollte Soziologie studiert, seine Leistungsnachweise erbracht und zumindest einen akademischen Grad erworben haben, um als professioneller Soziologe zu gelten. „Der Rückbau von Lehrkapazitäten kann deshalb kaum als eine Reaktion auf mangelnde Studierendennachfrage interpretiert werden, sondern ist offensichtlich eine Folge hochschulinterner und/oder hochschulexterner politischer Entscheidungen. Dabei dürfen zum einen die günstige Gelegenheit – aus Altersgründen frei werdenden Professuren – aber zum anderen möglicherweise auch das dauerhaft negative Image der Soziologie eine Rolle spielen […]. (Stockmann 2002b: 245f.) Jedoch sind die Ausbildungsinhalte in Deutschland sehr verschieden. Sie unterscheiden sich je nach Studienort und Lehrangebot. Das Profil eines Soziologen bzw. sein Kompetenzbereich ist also abhängig von der Hochschule und natürlich welchen Schwerpunkt er wählt. Und das Vorurteil des „ewigen Studenten“ oder des „Sozialschmarotzers“ haben sich die Soziologen nicht verdient. Denn die Soziologie verfügt in der Regel weder über eine außergewöhnlich lange Studienfachdauer noch über einen besonders hohen Anteil an Langzeitstudenten – vor allem jetzt, wo die Studiengebühren eingeführt werden, kann ich mir nicht vorstellen, dass die Anzahl der Langzeitstudenten steigen wird. Eine Profession steht im Dienst der Allgemeinheit – so wie in der Medizin und in der Jura – sie soll also am öffentlichen Wohl orientiert und gleichzeitig ein Stabilisator der Gesellschaft sein. Vor allem in der Politik ist die Soziologie ein unumstrittenes Werkzeug, das der Allgemeinheit einen nützlichen Dienst in Form eines Beraters erweist. Denn sehr häufig kommt es vor, dass Politiker von ihrer Ausbildung her Soziologen sind und somit dieses soziologische Know-how für etwaige Entscheidungsfindungen und als Unterstützung politischer Vorhaben genutzt werden kann. Allerdings das wichtigste Merkmal einer Profession liegt bei der öffentlichen Anerkennung. Der Beruf, der eine Profession sein will, muss einen hohen gesellschaftlichen Status aufweisen, was sich sowohl auf den sozialen Einfluss und Qualifikation als auch auf das Prestige und das Einkommen beziehen kann. Jedoch gerade das öffentliche Image der Soziologen ist nicht gerade das Beste, was durchaus auf die nichtprofessionelle Selbstdarstellung zurückzuführen ist. Gerade in dieser Hinsicht zeigt sich, dass ein Dachverband fehlt, der sich für die Durchsetzung soziologischer Interessen beider Verbände stark macht. Um eben mehr Prestige und Einfluss zu erlangen, müssen Soziologen vielmehr vom gesellschaftlichen Nutzen ihrer Arbeit, auch in Sachen Aufklärung und Kritik, überzeugen. Und gerade hier mangelt es noch an Professionalität, daher kann man auch sagen, dass die „Soziologie auf dem Weg von der Berufsarbeit zur Profession auf halber Strecke stecken geblieben ist.“ Wenn man also die Professionalisierung als Ziel vor Augen hat, muss man das Typische, das Unverwechselbare, das Einmalige dieses Berufes hervorheben. Die Soziologen müssen zeigen, dass nur sie in der Lage sind, die nötigen und gebrauchten Leistungen ihres Faches zu erbringen. Gerade hier fehlt es an einer Berufsfeldprägnanz oder wie es in der Fachsprache so schön heißt: die Heterogenität. Denn eine typische berufliche Tätigkeit scheint es ja nicht wirklich zu geben. Der Laie weiß nämlich mit der Soziologie nichts anzufangen beziehungsweise kann er sich nicht vorstellen, wo man als Soziologe tätig werden kann. Gerade in diesem Hinblick kam mir ein sehr gutes Zitat unter: „Soziologie und soziologische Tätigkeit ist „the taking of what everyone knows and putting it into words that nobody can understand.““ (Horton/Hunt 1972, 3) Und oft kann ja nicht einmal ein Professor noch ein Studierender der Soziologie selbst erläutern, worin seine Aufgaben besteht. Um eine solche Kluft zu überwinden, müssen mehr Praktikumsstellen eingerichtet werden. Das Ziel sollte hier sein, mehr Kontakt zu außeruniversitären Betrieben zu schaffen. Diesen direkten Kontakt bietet zum Beispiel der BDS. Und wieder einmal kommt das Problem der Imagepflege zum Vorschein. Denn das schlechte Image verdankt die Soziologie nicht nur der politischen Instrumentalisierung sondern auch der unbedachten Selbstdarstellung von Soziologen. Aber auch der unprofessionellen Zusammenarbeit von BDS und DGS ist dies zu verdanken. Hier möchte ich Stockmann zitieren, der wie folgt schreibt: „ Soziologische Aufklärung über die Soziologie ist notwendig, um nicht nur ihre Probleme – die es ohne Zweifel gibt und die nicht ignoriert werden sollen – sondern auch ihre theoretische, empirische und analytische Leistungsfähigkeit zu demonstrieren […]. Wenn selbst prominente Mitglieder des Faches immer wieder gebetsmühlenartig die Defizite der Soziologie anprangern – ohne auch (!) ihre Leistungen zu würdigen, dann braucht sich niemand zu wundern, wenn sie beim Wort genommen und Stellen gestrichen werden […]. Die Soziologie muss den Diskurs mit der Öffentlichkeit suchen, um nicht nur wissenschaftliche Anerkennung, sondern auch öffentliche Beachtung erfahren zu können. Sie muss zeigen, dass sie nicht nur im Feuilleton glänzen oder visionäre, aber vage Gesellschaftsentwürfe skizzieren kann, sondern dass sie mit theoretisch und methodisch fundierten und empirisch abgesicherten Analysen zum Verständnis und möglicherweise sogar zur Lösung von gesellschaftlichen Problemen unserer Zeit etwas beitragen kann. Hierzu ist keine Leit- und auch keine Moralwissenschaft notwendig, sondern solide Professionalität gefragt.“ (Stockmann 2002b: 247f.) Ich finde, dieses Zitat trifft genau den Kern der Sache beziehungsweise zeigt es in einfachster Weise worin das Hauptproblem liegt. Literatur: - Lamnek, Siegfried: Zur Professionalisierung der Soziologie in Deutschland. In: Lamnek, Siegfried (Hrsg.): Soziologie als Beruf in Europa. Ed. Sigma. Berlin. 1993. - Lamnek, Siegfried: Professionalisierung, Berufsbild und Berufschancen von Soziologen. In: Soziologische Forschung: Stand und Perspektiven. Ein Handbuch. Leske + Budrich. Opladen. 2003 - Ethik Kodex der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) und des Berufsverbandes Deutscher Soziologen (BDS) (1992) - DGS (2006): www.soziologie.de - BDS (2006): www.bds-soz.de