JUNIOR-8-GIPFEL St. Petersburg 2006 ABSCHLUSSERKLÄRUNG AN DIE REGIERUNGSCHEFS DES G8GIPFELS Einleitung Wir, die Jugendlichen und Kinder der G8-Staaten, haben uns zum Junior-8-Gipfel 2006 in St. Petersburg versammelt. Auch wenn wir wegen unseres Alters noch nicht wählen dürfen, heißt dies nicht, dass wir uns nicht für die Probleme in unseren Ländern und in der Welt interessieren. Unser Ziel ist es, der jungen Generation Gehör zu verschaffen und Lösungen für die wichtigsten globalen Probleme zu finden. Wir haben ein gemeinsames Dokument verfasst, in dem wir unsere Vorschläge zu den zentralen Themen Bildung, Infektionskrankheiten, Extremismus und Energie zusammenfassen. Diese Themen – die dieses Jahr auch von den G8-Regierungschefs besprochen wurden – sind gerade für die jüngere Generation von großem Interesse, da sie unsere Zukunft beeinflussen. Wir möchten auf einem sauberen Planeten leben. Wir möchten eine friedliche Welt ohne Drogen, Krankheiten und Diskriminierung. Wir wissen, dass wir die Welt verändern können. Und dabei fängt man am besten bei sich selbst an. Wir hoffen, dass wir unsere Ideen verwirklichen und so ein großartiges Beispiel für die Kinder und Jugendlichen in aller Welt sein können. Hiermit legen wir Ihnen die Ergebnisse einer komplizierten, aber spannenden Arbeit vor, die Diskussionen, Expertengespräche und Videokonferenzen mit Kindern aus Entwicklungsländern umfasst hat. Dabei haben wir unterschiedlichste Sichtweisen und Standpunkte berücksichtigt. Bildung Bildung ist unserer Meinung nach das zentrale Thema. Daher möchten wir, dass sie allen Menschen zugänglich und von guter Qualität ist. Um mehr Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und Ethnien zu erzielen, müssen wir die Menschen von der Bedeutung einer guten Bildung überzeugen. Dies kann über Radioprogramme geschehen, denn über das Radio kann man alle Menschen erreichen. Männer und Frauen müssen gleichermaßen motiviert werden, nach einer guten Bildung zu streben. Dabei können Vorbilder helfen, an denen sich die Menschen orientieren können. Wir wollen Organisationen schaffen, die sich speziell für Bildung einsetzen und Kindern die Notwendigkeit von Bildung erklären. Um möglichst viele Kinder zum Besuch einer Schule zu bewegen, sollten Anreize, wie beispielsweise eine kostenlose Schulspeisung, Untersuchungsgutscheine für den Arztbesuch (für Kinder und Erwachsene), Schutzimpfungen und der Bau von Trinkwasserbrunnen in Schulnähe, geschaffen werden. Dadurch bekämen Kinder nicht nur Bildung, sondern auch Essen und Trinken und eine medizinische Grundversorgung. Jedes Kind sollte eine gute und ausgewogene Bildung erhalten. „Grenzenloses Lernen“ ist dafür nötig. Dabei handelt es sich um ein Programm, in dem Kindern Fachwissen, ethische Werte, Fähigkeiten zur Konfliktvermeidung und praktische Fertigkeiten vermittelt werden. Wir setzen uns für die Schaffung eines Programms namens „Lehrer unterrichten Lehrer“ ein, das Lehrern aus Entwicklungsländern die Möglichkeit gibt, von Lehrern aus entwickelten Ländern zu lernen und Lernmethoden auszutauschen. Wir brauchen die Unterstützung von Unternehmen, damit genügend Geld in die Bildung fließt. Wir schlagen daher eine „Globale Industrie-Olympiade“ (GIO) vor, an der sich entsprechend der olympischen Idee zahllose Unternehmen in aller Welt beteiligen und einen Prozentsatz ihres Umsatzes in einen Fonds einzahlen. Das gesammelte Geld wird dann eingesetzt, um die Ärmsten der Armen zu ernähren, Kranke zu pflegen, Schulen zu bauen, Lehrer besser zu bezahlen, Kindern eine Ausbildung zu ermöglichen und nachhaltige Wirtschaftsentwicklungsprojekte zu finanzieren. Während der Arbeit an den G8-Themen kamen wir zu dem Schluss, dass die Hauptursache für alle weltweiten Probleme die fehlende Bildung ist. Hier müssen wir etwas tun! Infektionskrankheiten Ein großes Problem der Menschheit sind Infektionskrankheiten. Wir sind davon überzeugt, dass wir sie jedoch mit Bildung, Vorbeugung, Behandlung und Akzeptanz bekämpfen können. Unser Hauptziel ist eine grundlegende medizinische Versorgung für jeden Menschen. Wir sehen zwei Wege dies zu erreichen: 1) Ausweitung der wissenschaftlichen Forschung und Bereitstellung kostenloser ärztlicher Untersuchungen; und 2) keine Grenzen im medizinischen Bereich durch vereinfachte Visaverfahren für Ärzte und einen freien, weltweiten Erfahrungsaustausch. Alle Länder müssen zusammenarbeiten, um durch Bildungsinitiativen die Ausbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern. Wir benötigen Programme zu HIV-Prävention mit Experten an Schulen, und wir müssen die Zusammenarbeit von Krankenhäusern und Schulen entwickeln (Krankenhäuser haben eine Verantwortung für die Schulen vor Ort). Zudem sollten Fachleute die Menschen in ländlichen Gegenden über Schutzmaßnahmen und die Gefahren beim Stillen von Babys informieren. Wir setzen uns dafür ein, dass Männer und Frauen einen freien Zugang zu Verhütungsmitteln haben. Gleichzeitig muss die Bevölkerung über die Verwendung und die Vorteile von Verhütungsmitteln aufgeklärt werden. Die Stigmatisierung von kranken Personen kann durch mehr Information über Infektionskrankheiten vermieden werden. Außerdem sind für eine größere gesellschaftliche Akzeptanz von erkrankten Menschen Vorbilder wichtig, die mit HIV oder anderen ansteckenden Krankheiten leben. Diese Personen mit Vorbildwirkung können zeigen, dass auch erkrankte Menschen Respekt verdienen. Malaria zählt mit der dritthöchsten Sterberate bei Krankheiten zu einer äußerst gefährlichen Infektionskrankheit, die sich aber ganz einfach durch die kostenlose Verteilung von Moskitonetzen bekämpfen ließe. Durch kostenlose Schutzimpfungen für alle könnte man zudem gegen eine andere tödliche Krankheit – die Tuberkulose – vorgehen. Energie Wir wollen Energie, die zuverlässig, sicher, sauber und für alle zugänglich ist. Durch eine umfassendere Wiederverwertung von Rohstoffen kann in Zukunft noch mehr Energie eingespart werden. Da gerade uns Jüngere dieses Thema noch lange beschäftigen wird, fordern wir eine weitere Erhöhung des Einsparpotenzials. Das Kyoto-Protokoll muss ausgeweitet und aktualisiert werden, wobei die stärkere Nutzung verschiedener Energiequellen und die Entwicklung von Energiepartnerschaften festgeschrieben werden sollte. Die G8Staaten werden aufgefordert, dieses neue Protokoll gemeinsam zu unterstützen, damit andere Länder sich ebenfalls zur Unterzeichnung entschließen. Um einen Anreiz zur Einsparung von Energierohstoffen zu schaffen und die Förderung alternativer Energien finanziell zu unterstützen, schlagen wir eine spezielle Steuer auf Elektrizität und Ölprodukte vor. Eine unabhängige Behörde soll geschaffen werden, die sich weltweit um den Handel, die Forschung und um Partnerschaften im Energiesektor kümmert. Die Finanzierung dieser Behörde sollen, nach unseren Vorstellungen, die G8-Staaten übernehmen. Wie unterstützen den Einsatz alternativer und erneuerbarer Energien aus Windkraft, Wasserkraft und Biomasse und die Nutzung der Atomenergie. Wir denken, dass diese Energien die globale Erwärmung verringern helfen. Dennoch sind wir uns der Gefahren durch Atomterroristen und atomare Abfälle bewusst. Daher fordern wir noch strengere Sicherheitsstandards für die Reaktoren und den radioaktiven Müll. Größere Anstrengungen sollten dabei unternommen werden, neue, umweltfreundlichere Wege zur Beseitigung der atomaren Abfälle zu finden. Wir sind davon überzeugt, dass wir Entwicklungsländern am besten bei der Bewältigung ihrer Energieprobleme helfen, indem wir technische Innovationen und Know-how, wie beispielsweise Sonnenkollektoren und Windparks, weitergeben, in die Infrastruktur dieser Länder investieren und die selbstständige Schaffung eigener Anlagen fördern. Extremismus Wir sollten niemals vergessen, dass wir alle Menschen sind. Daher ist jede Person unabhängig von ihrer Religion, Volkszugehörigkeit, Kultur, sozialen Stellung oder körperlichen Verfassung zu respektieren. Zuerst einmal muss der Missbrauch und die Ausbeutung von Kindern durch Erwachsene beendet werden. In einigen Ländern werden Kinder zur Arbeit gezwungen oder gefoltert. Sämtliche G8-Staaten müssen die UN-Kinderrechtskonvention unterzeichnen und andere Länder dazu bewegen, dasselbe zu tun. Nach der Unterzeichnung der Konvention sind alle Länder aufgefordert, ein spezielles Team zusammenzustellen, das den Kindesmissbrauch bekämpft. Außerdem sollten die G8-Staaten Länder unterstützen, die bei der Bekämpfung finanzielle Hilfe benötigen. Als Zweites ist es wichtig, dass Kinder ein Interesse für andere Menschen entwickeln und Toleranz lernen. Hierzu sollen Schulen für Eltern dienen, die von den Regierungen aller Staaten – vorne weg die G8Staaten – einzurichten sind. Außerdem müssen die G8-Staaten dafür Sorge tragen, dass die Medien sich für mehr Toleranz und gegen Gewalt einsetzen. In Ländern mit unzureichender Stromversorgung sollten die G8-Staaten prominente bzw. erfahrene Redner schicken, die den Menschen das Thema näher bringen. Gruppen und Bevölkerungskreise, die sich gegenseitig mit Gewalt und Intoleranz begegnen, können nach unserer Meinung nur durch intensive Kommunikation zwischen den Gruppen dazu gebracht werden, die Ansichten, Traditionen und die Religion der anderen zu verstehen und zu respektieren. Eine Möglichkeit für ein solches Kennen- und Verstehenlernen sind Begegnungen zwischen jungen Leuten aus aller Welt. Für mehr Verständnis sind Schulen notwendig, in denen Kinder einerseits mit anderen Ländern und mit fremden Sitten und Gebräuchen vertraut gemacht werden und andererseits mehr über ihre eigene Kultur erfahren und lernen, die eigene kulturelle und soziale Identität besser auszudrücken. Wir denken zudem, dass Kinder, die zu mehr Toleranz erzogen werden, Menschen mit Behinderungen oder körperlichen Einschränkungen nicht diskriminieren. Als Drittes sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es in vielen Ländern eine starke Kluft zwischen Immigranten und Einheimischen gibt. Um diese Kluft zu überwinden, sollten wir beide Gruppen dazu motivieren, einander besser kennen zu lernen. Dies kann durch Treffen oder gemeinsame Aktivitäten innerhalb und außerhalb von Schule und Beruf passieren. Fazit Damit wir unsere Ideen umsetzen können, müssen wir möglichst viele Kinder und Jugendliche in unseren Ländern davon begeistern – denn wir alle sind die Erwachsenen von morgen. Wir müssen für unsere Ziele immer und überall eintreten. Das heißt, wenn der Gipfel beendet ist, müssen wir unsere Ideen auch im Alltag vorleben. Um wirksame und nachhaltige Lösungen für die anstehenden Probleme zu finden, müssen an zukünftigen Gipfeln junge Menschen aus noch mehr Ländern, vor allem aus Entwicklungsländern, teilnehmen. Wir bemühen uns, für globale Probleme Lösungen zu finden, daher ist auch eine globale Sicht auf die Dinge wichtig. Wir können und wollen nicht für andere Menschen mitentscheiden. Wir freuen uns, dass wir unsere Ansichten und Vorstellungen den Regierungschefs der führenden Staaten der Welt vorstellen dürfen, und wir hoffen aufrichtig, dass die Regierungen der G8-Staaten unsere Ideen berücksichtigen werden. Wir sehen uns selbst als Weltbürger, denen es wichtig ist, was auf unserem Planeten passiert. Wir versprechen, dass wir auch nach diesem Gipfel leidenschaftlich weiterarbeiten werden, und wir freuen uns über jeden, der sich uns anschließt. Wir glauben daran, die Welt verändern zu können.