Lithium und Neuroleptika bei manisch

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Lithium, Schlafmedikamente, Neuroleptika, Nebenwirkungen
aus: Wer weiss was: http://www.wer-weiss-was.de/theme47/article1942033.html#1942033
Re: Therapie der manisch-depressiven Störung
Autor: O l i v e r W a l t e r Datum: 14.1.2004 22:05 Uhr
[Genetisch bedingter gestörter Stoffwechsel]
Hallo Risco,
gegen die manisch-depressive Störung (heute als Bipolar I Störung oder bipolar affektive Störung bezeichnet) ist eine
medikamentöse Therapie Pflicht, da es sich um eine schwere psychische Störung oft mit Selbst- und
Fremdgefährdung, die genetisch bedingt ist und die sich in einem gestörten Stoffwechsel im Gehirn bemerkbar macht.
[Maniker fühlen sich gesund - die Selbstgefährdung]
In der akuten Episode fühlen sich Maniker nicht krank und sind deshalb zu einer Behandlung meistens nicht bereit, so
daß eine Einweisung und Behandlung gegen deren Willen notwendig werden kann. Drogenmißbrauch, Straftaten,
Aggressivität, Verwahrlosung, Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten aufgrund exzessiver körperlicher Aktivität und
körperliche Austrocknung stellen nicht selten Begleiterscheinungen einer manischen Episode dar.
[Lithium: Wirkung nach 1-2 Wochen - oder Valproinsäure]
Das Mittel der Wahl in der Therapie ist Lithium (Konzentration: 1-1,2 mmol/l), das zwar eine sehr gute vorbeugende
Wirkung hat, aber dessen Wirkung im Akutfall erst 1-2 Wochen nach Beginn der Medikation einsetzt. In bestimmten
Fällen kann auch Valproinsäure (20 mg pro kg Körpergewicht) eingesetzt werden.
[Zusatzmedikamente zur Schlafkontrolle]
Zusätzlich zu allen bisher genannten Medikamenten werden Benzodiazepine (z.B. Diazepam) und/oder
niederpotente Neuroleptika empfohlen, da die Schlafinduktion / Sedierung das Grundprinzip der Therapie der
manischen Episode darstellt.
[Akut-Medikamente bei manischer Episode: Medis gegen Schizophrenie]
Im Fall einer akuten manischen Episode müssen deshalb hochpotente oder atypische Neuroleptika wie bei der
Schizophrenie (z.B. Haloperidol, 3x2 bis 3x3 mg pro Tag oral, oder Risperidon 4-6 mg pro Tag oral) gegeben werden.
Bei mittelschweren bis schweren Episoden ist fast immer eine höhere Dosierung notwendig.
[Akut-Medikamente bei manischer Episode: Notfallmedikamente]
Manische Episoden können sogar so schwer sein, daß Dosierungen der psychiatrischen Notfallmedizin notwendig
werden:
1. Levomepromazin (25-50 mg intramuskulär) oder Diazepam (10 mg intramuskulär oder intravenös) und/oder
2. Haloperidol (10-15 mg intramuskulär oder intravenös).
Falls die Wirkung nicht ausreicht, sollten die genannten Medikamente in regelmäßigen zeitlichen Abständen (30-60
min) bis zur Tageshöchstmenge eingesetzt werden. Zudem ist eine Sicherung und Überwachung des Patienten am
Krankenbett notwendig. Dies geschieht selbstverständlich zum Schutz des Patienten und seiner Mitmenschen.
Falls die medikamentöse Behandlung der manischen Episode ohne Erfolg bleibt, dann kann als ultima ratio die
Elektrokrampfbehandlung eingesetzt werden, die in diesem Fall eine Erfolgswahrscheinlichkeit von immerhin 50%
hat.
[Psychotherapie: Nach der manischen Episode zur Reflexion]
Psychotherapie ist in der manischen Episode - wie man sich aufgrund der oben genannten Symptome leicht vorstellen
kann - wirkungslos. Sie kann und sollte jedoch nach Abklingen der manischen Episode eingesetzt werden, damit die
Betroffenen die psychischen und sozialen Folgen der Episode verarbeiten können und um Verhaltensweisen zu
ändern, die im Zusammenhang mit der manisch-depressiven Erkrankung stehen (z.B. Drogenmißbrauch).
Gruß,
Oliver Walter
--
Wichtiger Hinweis: Die Gabe dieser Medikamente ist nur Ärzten gestattet.
-Datum: 15.1.2004 08:30 Uhr
[These: Unheilbarkeit der manisch-depressiven Störung - die Folge der Episoden - Rapid Cycler]
Hallo Risco,
die manisch-depressive Störung ist nicht heilbar, weil ihre Ursache nicht beseitigt werden kann. Im günstigsten
Fall geschieht es, daß die manischen und depressiven Episoden nicht mehr auftreten. Dies ist aber oft nicht der Fall.
Mehr als 90% der Betroffenen erleben nicht nur eine einzelne Manische Episode, [und] bei ca. 60-70% treten
unmittelbar vor oder nach der Manischen Episode depressive Episoden auf. Zu Beginn des Störungsverlauf treten bei
den meisten ungefähr 4 Episoden in 10 Jahren auf (ohne Behandlung mit Lithium), wobei zwischen den Episoden die
Symptome bei den meisten (ca. 90%) anfangs vollständig zurückgehen (Vollremission).
Im weiteren Verlauf nimmt die Anzahl der Episoden bei den meisten zu, die Häufigkeit von Restsymptomen und
chronischen Zuständen außerhalb der Episoden wächst (20-50% der Betroffenen). Im Alter kehrt sich der Trend dann
wieder um. Ein kleiner Teil der Betroffenen (5-15%) weist mehr als 4 Episoden im Jahr auf (sogenannte "Rapid
Cycler").
[Lithium zur Vorbeugung]
Zur Langzeitvorbeugung sollte Lithium eingesetzt werden (wirkt in 50-80% der Fälle), allerdings in geringerer
Konzentration als während der akuten Manischen Episode. Die Angabe mmol/l ist eine aus der Chemie stammende
Bezeichnung für die Anzahl der Teilchen eines Stoffes in einer Lösung. Hier sind es Lithiumteilchen pro Liter
Blutserum. Ein mol sind ca. 6*1023 Teilchen. Ein Millimol (mmol) ist ein Tausendstel dieser Menge.
[Antidepressiva können manische Episoden auslösen und sind untauglich]
Antidepressiva können bei Vorherrschen depressiver Symptome zusätzlich eingesetzt werden, obwohl Lithium bei
manisch-depressiver Störung auch gegen depressive Episoden wirkt. Allerdings ist der Einsatz von Antidepressiva bei
dieser Störung zweischneidig, weil diese Medikamente die Episoden auch auslösen können.
[Schlafinduktion: Medikamente für den Schlafrhythmus]
Schlafinduktion bedeutet, daß die Medikation bei den Betroffenen zum Einsetzen des Schlafes führen soll, denn
Maniker schlafen in der manischen Phase kaum, betätigen sich oft exzessiv und erschöpfen so ihren Körper, was sie
allerdings nicht merken, da sie trotz körperlicher Erschöpfung hellwach sind und sich aller bester Laune und eines
großen Tatendrangs "erfreuen". Allerdings entspricht die tatsächliche Leistungsfähigkeit eben nicht der Befindlichkeit.
[Starke Nebenwirkungen und Langzeitnebenwirkungen bei den Neuroleptika]
Die genannten Medikamente haben recht starke Nebenwirkungen, teilweise sehr schwere sowie schwere
Langzeitnebenwirkungen (v.a. die Neuroleptika, deren Einsatz u.a. deshalb v.a. für die mittelschweren und schweren
akuten manische Episoden beschränkt werden sollte). Sucht gehört, so viel ich weiß, nicht dazu. Die Nebenwirkungen
sind so unangenehm, daß die Medikamente von den Betroffenen eher gegen ärztlichen Rat abgesetzt werden.
Gruß,
Oliver Walter
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