KRANKENBERICHT über einen Patienten der Klinik für Geburtshilfe, Gynäkologie, Andrologie der Großund Kleintiere mit tierärztlicher Ambulanz. Die Untersuchung erfolgt am 19.04.00 zwischen 11.00 und 12.00 Uhr. Bei dem untersuchten Tier handelt es sich um ein männliches Warmblutfohlen und die 8-jährigen Mutterstute Radina aus dem Zuchtgebiet Rheinland. Der Vater des Fohlens ist Ajanus. Die Kliniksnummer der Stute ist 1040/443/00, die des Fohlens 1040/442/00. Der Besitzer der Tiere ist Anamnese: Der Patient wird am 11.04.00 vorgestellt. Das Fohlen ist am selben Tag um 6.00 Uhr geboren. Die termingerechte Spontangeburt verlief komplikationslos. Lage, Stellung und Haltung des Fohlens waren physiologisch. Der Nabel ist an der präformierten Stelle gerissen. Intra partum konnte kein Mekoniumabgang beobachtet werden. Die Nachgeburt ging 2 Stunden später ab. Das Fohlen richtete sich erst nach mehr als 30 Minuten in Brustlage auf. Erste Aufstehversuche zeigte es 2 Stunden post natum. Ebenfalls 2 Stunden post natum konnte die erste Tränkeaufnahme beobachtet werden. Die Länge des spontan abgegangenen Mekoniums betrug mehr als 50 cm.Die Erstversorgung des Fohlens bestand in der Gabe eines Tetanus- und eines Fohlenlähmeserums. Ab der sechsten Lebensstunde war das Fohlen schwach und zeigte eine verminderte Tränkeaufnahme. Der Haustierarzt Dr. Natthesen behandelte das Tier daraufhin mit Penicillin und überwies es in die Klinik. Die Stute hat bisher drei Fohlen geboren und aufgezogen. Die letzte Geburt war 1997. Hier wurde aufgrund einer Retentio Secundinaria eine Abnahme der Secundinaria und eine entsprechende antibiotische Therapie durchgeführt. Das Fohlen vom 11.04.00 entstand durch künstliche Besamung aus dem Hengst Ajanus. Die Rossen der Stute waren regelmäßig und dauerten 7 Tage. Die Stute ist nicht geimpft. Die Stute zeigte acht Wochen vor der Geburt des Fohlens Husten, Nasenausfluß sowie eine inspiratorische Dyspnoe. Diese Erkrankung verlief akut über drei Wochen und klang dann ab. Bis zum Zeitpunkt der Geburt war jedoch Nasenausfluß beobachtet worden. Während der Gravidität war kein Ausfluß aus der Vulva beobachtet worden. Ebenso trat kein vorzeitiger Milchabfluß auf. Bei der gynäkologischen Eingangsuntersuchung der Stute am 11.4.00 waren leichte Einrisse im dorsalen Bereich des Perineums zu erkennen. Die Labien waren ödematisiert, die Rima vulvae stellte sich ohne besonderen Befund dar. Sekret war nicht vorhanden. Bei der vaginalen Untersuchung war die Cervix für 4 Finger passierbar, Vestibulum und Vagina waren unauffällig. Das Vaginalsekret war rötlich und abbindend. Rektal stellte sich die Cervix formiert und der Uterus tonisiert dar. Das Euter war palpatorisch ohne besonderen Befund. Bei den Allgemeinuntersuchungen der folgenden 3 Tage konnten geringgradig gerötete Konjunktiven und ein geringgradig verschärftes Atemgeräusch festgestellt werden. Diese Symptomatik klang bis zum 14.4. komplett ab. Aus der Vulva trat wenig hell-gelbliches Sekret aus. Bei einer rektalen Untersuchung am 18.4. war der Uterus anteriopelvin, umfaßbar, tonisiert und ohne Inhalt. Die Sonographie zeigte ebenfalls keine besonderen Befunde. Das Fohlen zeigte bei der Eingangsuntersuchung als auffällige Befunde eine gerötete Mund- und Nasenschleimhaut, injizierte Episkleralgefäße sowie ein beidseitig tracheobronchial verschärftes Atemgeräusch. Außerdem fielen verdickte Tarsalgelenke auf. Fieber war in der gesamten Zeit in der sich das Fohlen in der Klinik befindet nicht beobachtet worden. Die Untersuchungen an den folgenden Tagen zeigten weiterhin ödematisierte Gliedmaßen von Carpus und Tarsus an distalwärts. Das Fohlen konnte erst ab dem 13.04.00 selbständig aufstehen. Ab dem 14.04.00 war der Nabel geringgradig gerötet und vermehrt warm. Die Ödematisierung der Gliedmaßen ging in den folgenden Tagen zurück. Signalement: Bei dem untersuchten Tier handelt es sich um ein 9 Tage altes braunes Warmbluthengstfohlen aus dem Zuchtgebiet Rheinland. Hinten links ist der Fuß unregelmäßig halb weiß. Die ebenfalls braune Warmblutstute ist 8 Jahre alt und stammt auch aus dem Zuchtgebiet Rheinland. Die Stute hat als Abzeichen eine Flocke. Beide Hinterfesseln sind unregelmäßig halbweiß. Allgemeine klinische Untersuchung: Stute: Die Stute steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Das Tier ist aufmerksam und hat das Fohlen angenommen. Das Allgemeinbefinden ist ungestört. Der Ernährungs- und Pflegezustand sind gut. Die Atemfrequenz beträgt 14 Atemzüge pro Minute bei einem costo-abdominalen Atemtyp, die Herzfrequenz liegt bei 40 Schlägen in der Minute und die Körperinnentemperatur liegt bei 37,8°C. Die Körperoberflächentemperatur ist zu den Akren hin abnehmend Die Mundschleimhaut ist blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen, die kapilläre Rückfüllungszeit liegt unter 3 Sekunden. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet, die Skleren ohne besonderen Befund. Der Hautturgor ist geringgradig reduziert. Die Lnn. Mandibulares sind verschieblich, weder vergrößert noch vermehrt warm oder schmerzhaft. Die Darmperistaltik ist auf allen 4 Quadranten gut. Eine Untersuchung des Euters ergibt keinen besonderen Befund.Fohlen: Das Fohlen steht aufrecht und belastet alle vier Gliedmaßen gleichmäßig. Es ist lebhaft und aufmerksam. Das Allgemeinbefinden ist ungestört. Der Ernährungs- und Pflegezustand sind gut, das Fohlen ist matur und eutroph. Die Herzfrequenz beträgt 108 Schläge pro Minute, die Atemfrequenz liegt bei 70 Atemzügen in der Minute. Der Atemtyp ist costo-abdominal mit deutlich abdominaler Betonung. Die Körperinnentemperatur liegt bei 38,6°C. Die Körperoberflächentemperatur nimmt zu den Akren hin ab, ist aber im Bereich der Wunden an den Tarsalgelenken lokal geringgradig erhöht. Die Mundschleimhaut ist blaßrosa, feucht, glatt glänzend und ohne Auflagerungen. Die kapilläre Rückfüllungszeit liegt bei 3 Sekunden. Die Untersuchung der Lnn. Mandibulares ergibt keinen besonderen Befund. Beiderseits lateral an den Sprunggelenken befinden sich ca. 3 x 3 cm große Wunden. Rechtsseitig im mittleren Drittel des Halses ist ca. 3cm dorsal der V. jugularis externa eine 2 x 3cm große, nicht verschiebliche, nicht vermehrt warme oder gerötete aber geringgradig schmerzhafte, derbe Verdickung zu finden. Spezielle Untersuchung des Neonaten: Kopf: Die Kopfform des Fohlens zeigt keine Hinweise auf Prämaturität. Verletzungen sind nicht zu erkennen. Bei Perkussion der Stirnhöhle kann keine Schmerzreaktion ausgelöst werden. Augen / Ohren: Die Augenstellung ist parallel, die Konjunktiven sind blaßrosa, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Die Episkleralgefäße sind fein gezeichnet. Die Skleren sind nicht vermehrt gelb gefärbt. Droh-, Lid- und Pupillarreflex sind vorhanden, wobei der Pupillarreflex rechts geringgradig verzögert ist. Ein Entropium ist nicht vorhanden. Ein Lidödem oder Verletzungen sind nicht vorhanden. Die Cornea ist nicht getrübt. Die Sensibilität im Ohr ist vorhanden, ebenso Geräusche.Nasolabiale Gegend: Die Nüstern sind symmetrisch und normal weit gestellt. reagiert das Fohlen auf Es ist kein Nasenausfluß zu erkennen. Verletzungen sind nicht vorhanden. Die Nüsternschleimhaut ist dunkelrot gefärbt, feucht, glatt, glänzend und ohne Auflagerungen. Mund / Mundhöhle: Die Kieferstellung ist physiologisch. Die Prämolaren sind durchgebrochen, Mißbildungen sind keine zu erkennen. Saug- und Schluckreflex sind vorhanden. Hals: Der Hals ist frei beweglich, ein positiver Venenpuls ist nicht zu beobachten. Die Schilddrüse ist in physiologischer Größe palpierbar. Thorax: Der Rippenbogen ist gleichmäßig, es können keine Hinweise auf Frakturen gefunden werden. Die Atemfrequenz liegt bei 70 Atemzügen pro Minute, der Atemtyp ist costoabdominal mit abdominaler Betonung. Die Auskultation Lunge ergibt ein mittelgradig inspiratorisch tracheobronchial verschärftes Atemgeräusch. Herz: Die Auskultation des Herzens ergibt eine Frequenz von 108 Schlägen pro Minute. Das Herz schlägt kräftig und regelmäßig. Die Herztöne sind gut voneinander abgesetzt. Nebengeräusche sind keine zu hören. Abdomen: Das Abdomen ist bei Palpation nicht schmerzhaft, die Bauchdecke ist locker. Das Abdomen ist mäßig gefüllt. Darmgeräusche sind auf allen vier Quadranten zu hören. Der Nabel zeigt keine Anzeichen einer Entzündung, ist jedoch geringgradig feucht. Anogenitalbereich: Eine Afteranlage ist vorhanden, der Kot ist pastös und gelb. Der Schließmuskelreflex ist vorhanden. Extremitäten: Die Gliedmaßenstellung ist physiologisch, die Gelenke sind normal beweglich. Es kann keine Hyperextension der Beugesehnen festgestellt werden. Oberflächen- und Tiefensensibilität sind vorhanden. An den Vordergliedmaßen sind Carpal- und Fesselgelenke umfangsvermehrt, jedoch nicht vermehrt warm, schmerzhaft oder gerötet. Die rechte Gliedmaße ist stärker betroffen. Die Hintergliedmaßen weisen beiderseits lateral am Sprunggelenk Verletzungen der Haut auf. Sprung- und Fesselgelenke sind geringgradig umfangsvermehrt. Anzeichen einer Entzündung können auch hier nicht festgestellt werden. Skelettmuskulatur: Die Muskulatur ist gut ausgebildet, der Muskeltonus ist physiologisch. Weiterführende Untersuchungen: Es werden am 11.4. und am 14.4. Blutuntersuchungen durchgeführt. Hier aufgeführt sind nur die außerhalb des Referenzbereiches liegenden Werte. 11.04.00 Rotes Blutbild: 14.04.00 Referenzbereich MCHC (mmol/l): Weißes Blutbild: Gesamtleukozyten (G/l): Neutrophile Granulozyten (%): Lymphozyten (%): Monozyten (%): Thrombozyten (G/l): 22,7 22,5 19-22 8,49 80,2 7,41 72,6 5-10,5 45-76 14,9 0,221 15 11,1 20-45 0-5 347 261 90-300 9,2 1,5 0,5-3,1 6,7-11,1 <1 Klinische Chemie: Gesamtbilirubin (mg/dl): 6,01 Glucose (mmol/l): 11,4 Lactat (mmol/l): 1,4 Elektrolyte: Na+ (mmol/l): Cl- (mmol/l): K+ (mmol/l): Ca2+ (mmol/l). Pa (mmol/l): 133 91 3,6 1,47 1,2 136 92 3,4 1,58 126-135 95-105 3,6-5,6 2,5-3,6 1,3-3,0 Blutgase (venös): HCO3- (mmol/l): 32,4 31,5 23-31 Enzyme: CK (U/l): 1800, später 1230 <220 Bei der Stute werden am 11.04.00 Milchproben für eine bakteriologische Untersuchung entnommen. Die Milch ist makroskopisch ohne besonderen Befund. Ein Bakterienwachstum kann auch nach Serumboullionanreicherung nicht festgestellt werden. Des weiteren werden am 12.04.00 sowohl von der Stute als auch vom Fohlen Serumproben für eine virologische Untersuchung auf EHV und EAV entnommen. Die Untersuchung ergibt bei beiden Tieren keine Antikörper gegen EAV. Der Antikörpertiter gegen EHV beträgt bei der Stute 1:10, beim Fohlen 1:20. Diagnose: Neonatales Lebensschwächesyndrom Fohlenseptikämie Urachus patens persistens Differentialdiagnosen: Infektion mit EHV Infektion mit Erregern einer Pneumonie Nutritive Muskeldystrophie Ikterus haemolyticus neonatorum Fehlanpassungssyndrom Verletzungsbedingte Periarthritiden Epikrise: Die Diagnose eines neonatalen Lebensschwächesyndroms (LSS) ist rein symptomatisch. Sie wird bei Fohlen gestellt, deren Vorbericht diffus und deren Krankheitssymptomatik nicht deutlich ausgeprägt ist. So sind dies Fohlen, die keinen der Norm entsprechenden Reaktionsablauf unmittelbar post natum aufweisen oder die nach anfänglich normaler Entwicklung innerhalb der ersten Lebensstunden oder –tage an Vitalität progredient abnehmen. Die Ursachen des LSS können in verschiedenen Körperregionen lokalisiert sein. Die Erkrankung ist meist polyfaktoriell. Eine Fohlenseptikämie (auch: Bakterielle Allgemeininfektion des neonatalen Fohlens, neonatale Septikämie, Fohlenlähme) ist eine häufige, in der Regel systemische, oft tödlich verlaufende Erkrankung. Sie ist zu den klassischen Faktorenkrankheiten zu zählen. Als Ursache spielen sowohl infektiöse als auch nichtinfektiöse Faktoren eine Rolle. Die Infektion kann sowohl pränatal als auch intrapartal und postnatal erfolgen. Hierbei ist der Zeitpunkt der Keimkontamination entscheidend dafür, wann es zur Ausbildung des Krankheitsbildes der Septikämie kommt: Entweder, wie im beschriebenen Fall, 24 bis 72 Stunden post natum („Frühlähme“) oder aber erst einige Tage bis 4 Wochen nach der Geburt („Spätlähme“). Bei der Frühlähme ist davon auszugehen, daß die Infektion bereits pränatal oder spätestens intrapartal erfolgt ist. Eintrittspforten für die Erreger sind bei einer pränatalen Infektion die Plazenta und die Nabelgefäße, bei einer Infektion intra partum die Cervix. Eine postnatale Infektion kann über den Nabelstumpf, nasal, über die Schleimhäute des Auges sowie oral (hier ist zu bedenken, daß der Fohlendarm innerhalb der ersten 24 Lebensstunden eine nahezu unbegrenzte Permeabilität aufweist) erfolgen. Eine Infektion über die Milch kann in vorliegendem Fall aufgrund des negativen Ergebnisses der bakteriologischen Untersuchung ausgeschlossen werden. Es wird postuliert, daß virale Erreger bereits pränatal übertragen werden und so die Vektoren für eine spätere bakterielle Erkrankung darstellen. Eine pränatale Infektion des Fohlens mit EHV kann hier vermutet werden, da beide Tiere einen Antikörpertiter im Blut aufweisen.Bei der neonatalen Septikämie handelt es sich in der Regel um Mischinfektionen. Als virale Erreger kommen hier vor allem EHV 1 und 2 , sowie Adenound Rotaviren in Frage. Als bakterielle Erreger werden E. coli, Streptococcus spp. (v.a. Strep. zooepidermicus), Actinobacillus equuli, Salmonella spp. (hier vor allem S. typhimurium, S. abortus equi), Corynebakterium equi, Klebsiella spp. und Staphylococcus aureus beschrieben. Bei einer Infektion intra partum spielen bei stark keimbelastetem Geburtsweg (Vaginitis, Vestibulitis) vor allem Streptokokken, Staphylokokken, E. coli und Chlamydia psittaci eine Rolle. Das Fohlen, welches durch die Plazenta epitheliochorialis completa diffusa intrauterin nicht mit maternalen Antikörpern versorgt wird und auch nur in begrenztem Umfang gegen Ende der Trächtigkeit in der Lage ist, selbst Immunzellen zu synthetisieren, ist so bereits vor der Kolostrumaufnahme massiv mit Keimen besiedelt. Dadurch können, wie in diesem Fall, schon in den ersten 24 Lebensstunden des Tieres septikämische Erscheinungen auftreten. Allerdings zeigt die Stute hier keine Anzeichen einer Entzündung der Geburtswege. Die Schwere des Krankheitsbildes wird von der Keimdosis, der Pathogenität und Virulenz der Erreger sowie dem synergistischen Effekt der verschiedenen Keime und deren Toxinbildung bestimmt. Auch exogene Faktoren nehmen Einfluß auf die Ausbildung des Krankheitsbildes. Hier sind Stallhygiene und damit die Keimzahlen in der Umgebung des Fohlens, neonatale Atemdepression und Retentio secundinarum genannt. Auch Früh- und Schwergeburten können als prädisponierende Faktoren angesehen werden. Geburtsverletzungen, Nabelblutungen oder Mekonium- und Harnverhalten schwächen die körpereigenen Abwehrmechanismen des Fohlens und können so an der Entstehung der neonatalen Septikämie beteiligt sein. Auch ein Fehlanpassungssyndrom und Frühreife sind Faktoren, die an der Ausbildung einer Fohlenlähme beteiligt sein können. Wichtigster prädisponierender Faktor für die Ausbildung einer Fohlenseptikämie ist jedoch eine verzögerte und / oder ungenügende Kolostrumaufnahme oder die Aufnahme von Kolostrum mit qualitativ oder quantitativ nicht adäquatem Globulingehalt. Hier ist zu Bedenken, daß ein Umstallen der Stute kurz ante partum immer eine andere Keimflora mit sich bringt, gegen die das Fohlen dann nicht mehr adäquat geschützt ist. Als weitere exogene Einflüsse sind Kolostrumverlust ante partum sowie resistenzmindernde Erkrankungen der Stute während der Trächtigkeit oder im Puerperium wie Placentitis, Vaginalausfluß, Fieber oder gastrointestinale Störungen als Beispiele genannt. Es sind vor allem alte Stuten betroffen. Die altersbedingte Grenze der Fruchtbarkeit bewirkt einen Resistenzverlust der Uterusschleimhaut und prädisponiert sie somit für latente Infektionen. Außerdem wird bei älteren Stuten häufig ein Kolostrumverlust ante partum beobachtet. Bei der hier vorgestellten 8jährigen Stute kann dieser Aspekt jedoch außer Acht gelassen werden. Ein Kolostrumverlust ante partum war nicht beobachtet worden. Die Stute zeigte jedoch während der Trächtigkeit Husten und Nasenausfluß. Dies kann auf eine Infektion mit EHV1 oder EHV4 hinweisen.Bei der Fohlenseptikämie können hinsichtlich des klinischen Verlaufes zwei verschiedene Formen unterschieden werden. Beiden Formen gemeinsam sind die bevorzugten Absiedlungsorte im Respirationstrakt, dem Intestinum (zum Teil werden nekrotisierende Enteritiden beobachtet), Knochenmark und in den Gelenken. Eine ätiologische Untersuchung der Gelenks- und Knochenmanifestationen ergab, daß hier vor allem E. coli, Streptokokken und Salmonellen hierfür der Auslöser sind. Auch die Pneumonie wird in der Regel von E. coli verursacht. Eine häufig beobachtete Mitbeteiligung der Niere äußert sich in beiden Verlaufsformen in Harndrang und Pollakisurie. Auch die Leber kann im Krankheitsverlauf mitbetroffen sein. Die Erkrankung kann sowohl mit als auch ohne Fieber verlaufen. Im vorliegenden Fall kann kein Fieber beobachtet werden. Die Unterscheidung der Verlaufsformen erfolgt anhand des Zeitpunktes des Auftretens der Symptome. Bei vor der Geburt infizierten Fohlen können sich bereits wenige Stunden nach der Geburt Symptome der Lebensschwäche zeigen. Diese äußern sich in verzögerten frühpostpartalen Reaktionen und mangelnder Milchaufnahme. Auch ein lethargisches Verhalten, Stehunvermögen und verminderte Sauglust können Hinweise auf eine Infektion sein. Wenig später sind die Kardinalsymptome einer Fohlenseptikämie wie gerötete Schleimhäute, Bronchopneumonie, Diarrhö, eventuell neurologische Ausfallserscheinungen mit einer Meningovertriculitis sowie im weiteren Verlauf Polyarthritis (vor allem Knie-, Hüft-, Karpal- und Tarsalgelenke sind betroffen) und Osteomyelitis zu diagnostizieren. Die Mortalitätsrate liegt bei dieser Verlaufsform in der Regel bei ungefähr 75%: Im vorliegenden Fall können mit verzögerter Einnahme der Brustlage und verzögerten Aufstehversuchen sowie dem verzögerten ersten Aufsuchen des Euters bereits direkt nach der Geburt erste Anzeichen für eine pränatale Infektion im Prodromalstadium festgestellt werden. Die verminderte Sauglust und zunehmende Schwäche ab 6 Stunden nach der Geburt weisen ebenfalls auf eine solche Infektion hin. Auch die folgenden Gelenksaffektionen, die geröteten Schleimhäute und die injizierten Episkleralgefäße deuten auf ein septisches Geschehen hin. Das verschärfte tracheobronchiale Atemgeräusch des Fohlens ist ebenfalls ein Hinweis auf eine generalisierte Infektion. Die zweite Form der Fohlenseptikämie entwickelt sich bei Tieren, die erst post natum infiziert worden sind. Hier verläuft die erste und die frühe zweite Adaptationsphase unauffällig. Dann verlieren die Tiere an Vitalität und zeigen Symptome wie Bronchopneumonie, Diarrhö, Nabelentzündungen und Polyserositis. Auch hier gehört eine Polyarthritis zum typischen Symptomenkomplex. Die Fohlen sind jedoch häufig lange Zeit klinisch unauffällig und werden dann mit Polyarthritis dem Tierarzt vorgestellt. Labordiagnostisch lassen sich eine Leukozytose und Neutropenie sowie die Anwesenheit toxisch veränderter neutrophiler Granulozyten nachweisen. Bei schweren Fällen zeigt sich nach einer anfänglichen Leukozytose ein plötzlicher Abfall der Leukozytenzahlen. Im Allgemeinen sind außerdem eine metabolische Azidose und Hypoxämie sowie eine Hypoglycämie und eventuell eine, vor allem in ungenügender Kolostrumaufnahme begründete, Hypogammaglobulinämie festzustellen. Abnorm erhöhte Fibrinogenspiegel gelten als Hinweis auf intrauterine Infektionen. Im vorliegenden Fall kann eine Neutrophilie und Lymphopenie bei normaler Gesamtleukozytenzahl festgestellt werden. Bei der Blutuntersuchung vom 14.04. kann außerdem eine vermehrte Zahl von Monozyten festgestellt werden. Diese Werte zeigen, daß es sich um eine akute Infektionskrankheit durch Bakterien, Protozoen oder Pilze handelt. Bei einer viralen Infektion läge eine Neutropenie bei gleichzeitiger Lymphozytose vor. Daher kann die Beteiligung von EHV am Infektionsgeschehen eventuell vernachlässigt werden. Die Erhöhung der Monozyten bei der zweiten Blutuntersuchung weist darauf hin, daß der Organismus sich in der Heilphase befindet. Insgesamt zeigt das weiße Differentialblutbild, daß der Organismus in der Lage ist, auf die Infektion zu reagieren. Bei einer ausgeprägten Sepsis würden die neutrophilen Granulozyten verbraucht und daher eine Neutropenie vorliegen. Auch die anderen Laborparameter passen nicht zu einem typischen Befund der Fohlenlähme. So sind weder die Gammaglobuline im Blut erniedrigt (sie liegen bei 800 U/l), noch liegt eine Hypoglycämie oder eine metabolische Azidose vor. Als Differentialdiagnose kommt nicht zuletzt wegen dem nachgewiesenen Antikörpertiter und der nicht erfolgten Impfung der Stute eine Infektion mit EHV in Frage. Hier sind vor allem EHV1 und EHV4 zu nennen. Beide Viren können Symptome im Respirationstrakt, wie sie auch bei der untersuchten Stute während der Trächtigkeit beobachtet werden konnten, hervorrufen. EHV1 kann auch als Abortform vorkommen, die als Folge der respiratorischen Form entstehen kann. Erfolgt die Infektion des Fohlens erst zu einem sehr späten Zeitpunkt der Trächtigkeit, kann es zur Geburt lebender Fohlen kommen, welche Symptome des Lebensschwächesyndroms zeigen. Allerdings sterben diese Fohlen auch unter intensiver tierärztlicher Betreuung spätestens nach zwei Wochen. Eine Infektion mit EHV2 verursacht ebenfalls Symptome des Respirationstraktes, allerdings erst nach Abbau der Kolostralimmunität. Bei dieser Erkrankung treten dann auch purulenter Nasenausfluß und eitrige Abszesse der Lnn. pharyngeales auf. Eine intrauterine Infektion mit EHV kommt, auch aufgrund der labordiagnostischen Parameter, nicht als Ursache für das LSS des Fohlens in Betracht. Sie kann höchstens als prädisponierender Faktor für ein Fohlenlähmesyndrom angesehen werden. Auch eine Infektion mit anderen Erregern einer Pneumonie wie Adenoviren, Influenzaviren, Equines Arteritis-Virus, Klebsiella spp., Pasteurella spp., Actinobacillus equuli, -hämolysierende Streptokokken, E. coli und Rhodococcus equi kommt als Differentialdiagnose in Frage, da in fortgeschrittenen Stadien auch Anzeichen einer allgemeinen Septikämie auftreten können. Auch das bei der klinischen Untersuchung diagnostizierte verschärfte Atemgeräusch und die Erkrankung des Muttertiers während der Trächtigkeit weisen auf diese Differentialdiagnose hin. Allerdings fehlen in diesem Fall Symptome wie Nasenausfluß, geschwollene Lnn. pharyngeales, Dyspnoe und Husten. Daher spielen die genannten Keime eventuell im Rahmen einer Septikämie eine Rolle aber sicher nicht im Zusammenhang mit einer, hier nicht vorhandenen Pneumonie. Als weitere Differentialdiagnose kommt eine nutritive Muskeldystrophie (NMD) in Betracht. Hier kommt sicher nur die intrauterin präformierte und unmittelbar post natum ins akute Stadium übertretende Form in Frage. Bei dieser durch einen Mangel an Vitamin E / Selen verursachten Erkrankung ist allerdings eine auch im Liegen unverminderte Sauglust sowie Schmerzhaftigkeit, Verdickungen und Verhärtungen der Muskulatur zu erkennen. Der Urin ist bei diesen Tieren bräunlich verfärbt. Die Diagnosestellung erfolgt durch die Bestimmung der Creatinkinase im Blutplasma. Diese ist auch beim vorgestellten Fohlen deutlich erhöht. Da sich in vorliegendem Fall die Symptomatik jedoch auf den erhöhten CK-Wert beschränkt und ansonsten eher Zeichen einer allgemeinen Lebensschwäche bemerkbar sind, die nicht mit Veränderungen an der Muskulatur einhergehen, ist ein Vitamin E / Selen-Mangel als Ursache für die Erkrankung des Fohlens weniger wahrscheinlich. Auch ein Ikterus haemolyticus neonatorum kommt als Differentialdiagnose in Frage. Die durch Isoerythrozytolyse nach Aufnahme der Kolostralmilch entstehende Erkrankung kann in einen perakuten, einen akuten und einen subakuten Verlauf eingeteilt werden. Sie nimmt bei anfangs vitalen Fohlen 8-72 Stunden nach der ersten Kolostrumaufnahme ihren Anfang. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch Apathie, Anorexie, ikterische Verfärbung der Schleimhäute, Festliegen sowie durch eine Anämie. Da das untersuchte Fohlen jedoch bereits vor der ersten Kolostrumaufnahme lebensschwach war und keine Anämie vorliegt, kann trotz der anfangs leicht ikterischen Schleimhäute ein Ikterus haemolyticus neonatorum als Krankheitsursache ausgeschlossen werden. Ein Fehlanpassungssyndrom als Ursache für die Erkrankung des neugeborenen Fohlens kann aufgrund der guten Bindung des Fohlens an die Mutter und des Fehlens typischer Symptome wie zielloses Umherwandern, abnorme Lautäußerung und neurologische Ausfallserscheinungen ausgeschlossen werden. Verletzungsbedingte Periarthritiden kommen ebenfalls als Differentialdiagnose nicht in Betracht, da diese isoliert an einem Gelenk auftreten würden, nicht aber, wie in diesem Fall, generalisiert. Als die wahrscheinlichste Diagnose kann im vorliegenden Fall also eine bakterielle Allgemeininfektion des neonatalen Fohlens gelten. Die Erkrankung hat hier einen milden Verlauf, die Diagnose der Gelenksentzündungen ist jedoch pathognomisch. Der bei der Untersuchung festgestellte feuchte Nabel ohne Anzeichen einer Entzündung ist vermutlich in einem Urachus patens persistens begründet. Dieser kann angeboren oder erworben sein. In diesem Fall ist die Urachusfistel sicher erworben, da der Nabel nach anfänglich physiologischer Abtrocknung plötzlich wieder feucht wird. Die Ursache liegt in einer Infektion, die sich in den Nabelgefäßen oder im Urachus selbst ausbreitet. Dadurch kann sich der Urachus nach einer Phase des Sich-Schließens wieder öffnen. Die Folge können Omphalourachitiden, eventuell auch eine Zystitis und eine Nephritis sein. Auch nach einer Harnblasenrupturoperation kann Urinabgang aus dem Urachus beobachtet werden. Da eine solche Operation jedoch nicht durchgeführt worden ist, kann diese Ursache hier ausgeschlossen werden. Die Erhöhung des Gesamtbilirubin im Blut kann durch Hepatopathien, Hämolysen und Cholestasen entstehen. Da die Leberenzyme jedoch nicht erhöht sind und keine Anämie vorliegt, ist die Erhöhung des Bilirubins sicher mit einer Erhöhung des primären Bilirubins, entstanden durch Hunger aufgrund der mangelnden Tränkeaufnahme in der Phase der Schwäche des Fohlens, zu erklären. Die Erhöhung des Bilirubins erklärt auch die ikterischen Schleimhäute bei der Eingangsuntersuchung.Die niedrige Calcium-Konzentration im Blut kann eine endokrinologische Ursache wie Hypoparathyreoidismus, sekundärer Hyperparathyreoidismus oder Hyperkalzitonismus haben. Desweitern können Tetanie, Eklampsie oder Malabsorptionssyndrom eine Hypocalcämie auslösen. Stimulationstests können hier weitere Auskünfte geben. Tetanie und Eklampsie kämen aufgrund des erhöhten Laktatspiegels als Ursache in Frage, sind aber aufgrund der fehlenden klinischen Symptomatik definitiv auszuschließen. Die noch nicht angesprochenen übrigen veränderten Laborwerte weichen nur sehr wenig von den Referenzbereichen ab und spielen daher für das Krankheitsgeschehen sicher keine Rolle. Therapie: Die Therapie einer neonatalen Septikämie gilt zum einen der Verhinderung einer Keimvermehrung. Zum anderen muß sie auf die toxischen Prozesse wie erhöhte Gefäßpermeabilität und Vasodilatation / Vasokonstriktion gerichtet sein. Da das Keimspektrum sowohl von grampositiven als auch von gramnegativen Bakterien geprägt ist, sind Breitspektrumantibiotika, die einen möglichst hohen Gewebespiegel erreichen, hier das Mittel der Wahl. Diese müssen darüber hinaus in der Lage sein, die Gelenkkapsel und die Meningen zu durchdringen. So kommen vor allem halbsynthetische Penizilline, Ampicillin, Gentamycin, Tetracyclin, Sulfonamide und Cephalosporine der dritten Generation zur Anwendung. Sie werden hochdosiert und in 8- bis 12-stündigen Abständen verabreicht. Die Therapie wird über mindestens 5, besser jedoch 7-10 Tage durchgeführt. In vorliegendem Fall wird eine antibiotische Behandlung mit 150mg Ceftiofur (Excenel) (entspricht ungefähr 3mg/kg) i.m. oder s.c. ein mal täglich vorgenommen. Es handelt sich hier um ein Cephalosporin mit erhöhter -Lactamasestabilität und breitem Wirkspektrum das zur Behandlung von Atemwegserkrankungen bei Schweinen und Kälbern (Dosierung Kalb: 1mg/kg, Schwein: 3mg/kg 3 bis 5 mal im Abstand von 24 Stunden) zugelassen wurde. Als Nebenwirkungen werden Reaktionen an der Injektionsstelle beschrieben, was die Veränderungen am Hals des Fohlens erklärt. Cortison kann bei septikämischer Verlaufsform zur Verminderung eines septischen Schockes eingesetzt werden. Desweiteren kann ein Ausgleich der Gammaglobuline im Blut durch Plasmagaben, eine Vollblutübertragung bei Leukopenie oder schweren toxischen Prozessen, sowie die Zufuhr von Energie erfolgen. Ferner ist eine symptomatische Therapie entsprechend der klinischen Symptomatik wie Ausgleich des Wasser- und Elektrolythaushaltes oder einer Azidose angezeigt. Gelenksaffektionen können durch Lavage versuchsweise behandelt werden. Im vorliegenden Fall wird außer der Antibiose eine Behandlung mit 500mg Thiasel , einem Vitamin B1-Präparat, i.v. (das entspricht in etwa 10mg/kg) 1 mal täglich über 5 Tage (am 5. Tag 20 ml) sowie eine einmalige Gabe einer Dosis Baypamun als Paramunitätsinducer durchgeführt. Außerdem werden 5000 I.U. Tetanusserum verabreicht. Dies soll grundsätzlich bei Fohlen deren Mutter keine belastungsfähige Immunität gegenüber Tetanus besitzt vorgenommen werden und ist in diesem Fall, da die Mutter nicht geimpft ist, auf jeden Fall angebracht. Desweiteren erfolgt eine einmalige prophylaktische Gabe von 5ml Vitamin E / Selen (das entspricht 500mg Vitamin E und 5mg Selen und somit ungefähr 10mg/kg Vitamin E und 0,1mg/kg Selen). Der erworbene Urachus patens persistens kann durch chirurgische Resektion behandelt werden. Hierbei wird der Urachus vom Blasenscheitel gelöst und die Blase in zwei Schichten genäht. Zusätzlich ist eine Antibiotikatherapie erforderlich. Prävention: Als Präventionsmaßnahmen sind vor allem eine Optimierung der Deck-, Haltungs-, Geburt- und Zuchthygiene zu nennen, um eine Infektion des Fetus sowohl pränatal, als auch intra- und postnatal zu vermeiden. Desweiteren muß auf eine frühzeitige Versorgung des Fohlens mit Kolostrum geachtet werden. Durch die Gabe von Paramunitätsinducern (wie hier geschehen mit Baypamun können die körpereigenen Abwehrmechanismen des Fohlens stimuliert werden. Die Gabe von Fohlenlähmeserum und Muttertiervaccinierung als Präventivmaßnahme ist umstritten, da das Keimspektrum beim Fohlenlähmekomplex sehr mannigfaltig ist. Prognose: Bedeutsam für den Behandlungserfolg ist die möglichst frühzeitige Erkennung des Zustandes der Septikämie. Die Prognose ist dann abhängig von den Laborwerten, den Organmanifestationen und der Ausprägung der Gelenksaffektionen. So sind Fohlen mit ausgeprägter Polyarthritis und Polyserositis in der Regel kaum zu retten. Im vorliegenden Fall ist die Prognose günstig, zumal sich das Tier in Hinblick auf die Gelenksaffektionen sicher auf dem Weg der Besserung befindet. Auch die Laborparameter weisen auf eine Genesung hin. Mit Ausnahme des Respirationstraktes sind keine anderen Organsysteme betroffen. Das Allgemeinbefinden des Fohlens ist ungestört und bei der klinischen Untersuchung sind keine Anzeichen einer Sepsis zu erkennen.