Freitag · 15. Februar 2013 20 Uhr · Volkshaus 5. Philharmonisches Konzert Reihe C Poetische Schönheit Tobias Picker (*1954) Old and lost Rivers Samuel Barber (1910-1981) Konzert für Violine und Orchester op. 14 Allegro Andante Presto in moto perpetuo Pause Jean Sibelius (1865-1957) Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 43 Allegretto Andante ma rubato Vivacissimo Allegro moderato Dirigent: Niklas Willén Violine: Donata Sailer Der Dirigent Niklas Willén ist Chefdirigent des WDR Rundfunkorchesters in Köln. Zuvor war er von 2009 bis 2011 Generalmusikdirektor des Volkstheaters Rostock und Chefdirigent der Norddeutschen Philharmonie Rostock, von 2003 bis 2006 Chefdirigent des Sønderjyllands Symfoniorkester in Dänemark und von 1993 bis 1997 Chefdirigent des Sundsvall Chamber Orchestra. Darüber hinaus war er drei Jahre lang Principal Guest Conductor des Royal Stockholm Philharmonic. Er studierte am Royal Conservatory of Music in Stockholm Dirigieren bei Kjell Ingebretsen und Jorma Panula sowie Komposition bei Ingvar Karkhoff und Daniel Börtz. Niklas Willén gilt als der führende schwedische Dirigent seiner Generation. Er arbeitet regelmäßig mit den großen Orchestern von Norwegen, Schweden und Finnland; des Weiteren leitete er Orchester wie das Bournemouth Symphony, Royal Scottish National, BBC Scottish Symphony, RTÈ National Symphony Orchestra of Ireland, UNAM Philharmonic México, Nordwestdeutsche Philharmonie, Nürnberger Symphoniker, Stavanger Symphony, Trondheim Symphony, Malmö Symphony, Brabants Orkest, Noordhollands Philharmonisch Orkest und die Koninklijke Filharmonie van Vlaanderen. Durch sein Interesse an zeitgenössischer Musik ist Niklas Willén bei zeitgenössischen Komponisten als Dirigent sehr gefragt und hat viele Werke zur Uraufführung gebracht. Zahlreiche CD-Aufnahmen mit Orchestern wie dem Swedish Radio Symphony, dem Stockholm Royal Philharmonic, dem Göteborg Symphony, dem Stockholm Royal Opera, dem Sundsvall Chamber und dem Swedish Chamber Orchestra dokumentieren sein Schaffen. In Deutschland gastierte Niklas Willén mehrfach mit dem dänischen Sønderjyllands Symfoniorkester, unter anderem in der Berliner Philharmonie, im Konzerthaus Dortmund, in der Düsseldorfer Tonhalle und im Herkulessaal München. Mit dem norwegischen Stavanger Symfoniorkester war er im Rahmen des Festivals „Wege des Nordens“ in der Münchner Philharmonie und im Großen Sendesaal des RBB in Berlin zu Gast. Die Solistin Donata Sailer erhielt ihren ersten Violinunterricht im Alter von fünf Jahren. Mit acht Jahren nahm sie zum ersten Mal an einem internationalen Meisterkurs bei Prof. Wolfgang Marschner teil, der ab diesem Zeitpunkt bis zu ihrem 17. Lebensjahr ihr Lehrer war. Ihr Violinstudium absolvierte sie bei Prof. Jost Witter an der Hochschule für Musik „Franz Liszt“ in Weimar und schloss dieses mit der Note 1,0 ab. Anschließend studierte sie in der Meisterklasse von Prof. Jost Witter und beendete dieses Aufbaustudium mit dem Konzertexamen. Internationale Meisterkurse bei R. Kussmaul, R. Ricci, I. Ozim, V.Gradow, I. Haendel, S. Gawriloff, N. Brainin, T. Brandis u. a. ergänzten ihre Ausbildung. Bereits mit zehn Jahren gewann sie den Internationalen Spohr-Violinwettbewerb. Des Weiteren ist sie Gewinnerin des Stennebrüggen-Preises der Philharmonie Baden-Baden, des Eduard-Söring-Preises der Deutschen Stiftung Musikleben, des Leonberger Musikpreises, 1.Bundespreisträgerin bei „Jugend musiziert“ sowie 1. Preisträgerin internationaler und nationaler Violinwettbewerbe. Sie war Stipendiatin der Pflüger Stiftung Freiburg, der Internationalen Carl Flesch-Akademie und erhielt ein Graduiertenstipendium des Freistaates Thüringen. Rundfunk- und Fernsehaufnahmen beim SWR, BR, Arte, 3sat, MDR und Deutschlandradio Berlin belegen des Weiteren ihr Können. Donata Sailer war Konzertmeisterin verschiedener Jugend- und Festivalorchester und wurde als Konzertmeisterin zur Aushilfe bei den Hofer Symphonikern, der Staatskapelle Weimar, des Philharmonischen Orchesters Altenburg-Gera u.a. verpflichtet. Außerdem spielt sie in Kammerorchestern wie dem Mahler Chamber Orchestra und der Camerata Bern. Als Dozentin war sie u.a. am Musikgymnasium "Schloss Belvedere" Weimar und als Mentorin der Thüringer Orchesterakademie tätig und hat seit 2008 einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar inne, wo sie mittlerweile eine eigene Violinklasse betreut. Donata Sailer gewann im Alter von gerade 24 Jahren bei ihrem ersten Probespiel die Stelle der Stellvertretenden 1. Konzertmeisterin der Jenaer Philharmonie. Die Komponisten und ihre Werke In Klang verwandelte Landschaftsbilder bilden den Einstieg in eine musikalische Welt voller poetischer Schönheit und Schlichtheit. Tobias Pickers Tondichtung Old and lost Rivers deutet bereits im Titel auf einen geheimnisvollen und rätselhaften Kosmos hin. Poetischer kann für Picker ein Name nicht sein. Samuel Barber hat sich in seinem gesamten Schaffen der poetischen Gefühlswelt verschrieben und vereint melodische Begabung, einen ausgeprägt lyrischen Stil mit poetischem Empfinden. Um die musikalische Gestaltung des Poetischen geht es Jean Sibelius, dem es nach dem Sibelius-Forscher, Musikwissenschaftler und Pianist Tomi Mäkelä nicht um das einfache Erzählen, sondern um die poetischen Ideen und Andeutungen in der Musik geht. Tobias Picker, 1954 in New York City geboren, zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Komponisten unserer Zeit. Seine Werke werden weltweit von führenden Musikern, Orchestern und Opernhäusern aufgeführt. Bereits im Alter von acht Jahren begann Picker mit dem Komponieren und studierte an der Manhattan School of Music, The Julliard School und an der Princeton University unter Charles Wuorinen, Elliott Carter und Milton Babbitt. Erste Kompositionsaufträge datieren aus seiner späten Jugendzeit - schnell avanciert Tobias Picker zur Komponistenelite in den USA, wovon zahlreiche Preise und Auszeichnungen zeugen, darunter der Bearns Prize der Columbia University und ein Stipendium der Guggenheim Foundation sowie der Award in Music verliehen von der American Academy of Arts and Letters. Als erster Composer-in-Residence gastierte er von 1985 bis 1990 beim Houston Symphony Orchestra. Picker ist regelmäßiger Gast des Santa Fe Chamber Music Festival und des Pacific Music Festival. Die Santa Fe Opera war es auch, die Tobias Pickers erste Oper Emmeline uraufführte, welche vom Publikum und der Kritik gleichermaßen gefeiert und unter die zehn bedeutendsten musikalischen Ereignisse des Jahres 1996 gewählt wurde. Opernproduktionen wie Fantastic Mr. Fox, Thérèse Raquin und An American Tragedy folgen. Neben Opern umfasst sein Œuvre alle Gattungen: Seine sinfonische Musik, wie beispielsweise seine beliebte Tondichtung »Old and Lost Rivers«, wurde von allen bedeutenden Orchestern zur Aufführung gebracht. Als Hommage an seine Wahlheimat Houston komponiert, kommentiert Tobias Picker sein Werk wie folgt: »Wenn man auf der Interstate 10 von Houston Richtung Osten fährt, kommt man an eine hohe Brücke, die über viele gewundene Bayous führt. Diese Bayous sind über einen langen Zeitraum entstanden, als sich der Trinity River verschiedene Wege durch das Land bahnte. Wenn es regnet, füllen sich die Bayous mit Wasser und fangen an zu fließen. Zu anderen Zeiten, d.h. wenn es trocken ist, trocknen sie in der Sonne aus und wachsen zu. Die beiden wichtigsten Bayous heißen 'Old River' und 'Lost River'. Wo sie zusammenfließen, findet sich ein Schild am Rande des Highways, auf dem steht: 'Old and Lost Rivers'.« Um sich der Umgebung und der Atmosphäre vollständig zu nähern, arbeitete Tobias Picker mit Geologen zusammen und zog Landschaftskarten zu Rate. Dabei herausgekommen ist eine Musik, die ganz langsam die Veränderungen der Natur widerspiegelt – ein subtiles, komplexes und emotionales Meisterwerk. Samuel Barber studierte Komposition, Dirigieren, Klavier und Gesang am Curtis Institute in Philadelphia sowie in Wien bei Rosario Scalero, Fritz Reiner, George Szell und Emilio de Gorgoza und wurde sogleich mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Bearns Preis der Columbia University, dem Pulitzer-Preis (diese Auszeichnung wurde ihm als erster Komponist zwei Mal zu Teil) sowie dem amerikanischen Rom-Preis. Schnell fand er große Anerkennung in den USA und in Europa. Sein Konzert für Violine und Orchester op. 14 entstand in den Jahren 1939/1940 und kennzeichnet einen Wendepunkt seines Schaffens: Komponierte er bis 1939 traditionell tonal und lyrisch, erweitert er anschließend seine musikalischen Ausdrucksmittel durch rhythmische Komplizierungen, Chromatik und Häufung dissonanter Elemente; zeitweise verlässt Barber die Tonalität. Gekonnt verbindet er eine ausgeklügelte Form mit kantabler Melodik und kontrapunktischer Stimmführung. Samuel Fels, ein amerikanischer Industrieller, beauftragt Samuel Barber, seinem Adoptivsohn ein Violinkonzert zu komponieren. Während der Entstehungsphase kam es zum Streit über die Spielbarkeit des Werkes: Einmal war dieses nicht virtuos genug, ein anderes Mal wurde das Finale als unspielbar deklariert. Letztendlich einigte man sich auf die Bezahlung und Samuel Fels beziehungsweise sein Sohn verzichteten auf das Recht der Uraufführung, welche im Februar 1941 mit dem Philadelphia Orchestra unter der Leitung von Eugene Ormandy statt fand; Albert Spalding war der Solist. Beinahe unbemerkt eröffnet die Solovioline den ersten Satz mit einem lyrischen Thema, welches sich in der Folge zu elegisch aufschwingenden Melodien entwickelt. Diskret gesellt sich das Orchester hinzu und kontrastiert die poetische Grundstimmung, Diese wird wiederum von dem Soloinstrument aufgegriffen und verarbeitet. Dezent kann sich der Solist artikulieren – auf eine Solokadenz verzichtet Barber ganz bewusst, gedämpft klingt das Allegro aus. Bevor die Solovioline in das musikalische Geschehen eingreift erklingt die Oboe mit einem wehmütigen Thema – beide treten in einen poetischen Dialog. Der kurze, durch dissonante Einschübe geprägte Finalsatz, ein perpetuum mobile, ermöglich der Solovioline die gesamte Bandbreite sich brillant und virtuos zu entfalten. Samuel Barber zeigt hier seine gesamte musikalische Ausdruckskraft sowie die für ihn charakteristische melodische Weite. »Ich schreibe, was ich fühle. Ich bin kein unsicherer Komponist. Mit wird nachgesagt, dass ich überhaupt keinen eigenen Stil hätte, aber das macht nichts. Ich mache einfach, (...), mein Ding weiter. Ich glaube, dazu braucht man eine gewisse Courage.« Während seines Aufenthaltes im Jahre 1901 in Italien beginnt »Jean Sibelius« mit den Skizzen seiner »2. Sinfonie«, welche sich nach ihrer Uraufführung ein Jahr später großer Beliebtheit erfreut, projiziert man in Finnland doch starke nationale Gefühle auf das beeindruckende und mystische Werk. Der erste Satz bildet die Grundlage für die drei weiteren. In der Struktur weicht Sibelius zum ersten Mal von der klassischen Sonatenform ab. Ein wesentlicher Aspekt besteht in der so genannten thematischen Energie, die nach Sibelius vor dem Thema selbst steht. Der Beginn ist geprägt von einem rhythmischen Motiv in den tiefen Streichern. Daran schließt sich eine eher pastoral anmutende Melodie in den Oboen und den Klarinetten an, die Flöten kommen hinzu. Der Komponist äußerst sich hierzu wie folgt: »Dieses Thema ist das schönste, das ich je geschrieben habe.« Nach einer Generalpause wendet sich Sibelius in den Flöten, Klarinetten und Oboen einem finnischen Rhythmus zu. Das Thema wird wiederholt, variiert, gesteigert und in den Trompeten in nervöser und unruhiger Art und Weise wiedergegeben. In der Folge spaltet Sibelius zunächst die einzelnen musikalischen Elemente, um sie dann anschließend neu zu ordnen. Ein Orgelpunkt führt zurück zum Anfangsthema, welches drei Mal aufgegriffen und mit weiteren Motiven immer wieder aufs Neue angereichert wird. Die Züge von Programmmusik sind im zweiten Satz unverkennbar. Ein Pizzicato in den Celli und Bässen führt zum Thema hin. Eine Temposteigerung setzt ein und die Streicher artikulieren ein aggressiveres Motiv – es kommt zur Eruption. Das Geschehen hellt sich für kurze Zeit auf, während sich in den Streichern ein gesangliches Motiv, welches Sibelius selbst als »Christus« bezeichnet, in den Vordergrund schiebt. Nach den ruhigen Einleitungen der beiden ersten Sätze beginnt das Scherzo schlagartig. Ein dreitöniges, sehr lebhaftes Motiv ist einmal im Vordergrund, ein anderes Mal nur im Hintergrund vernehmbar. Fünf Paukenschläge leiten das Trio ein, die pastorale Stimmung des Beginns wird aufgegriffen. Kurz vor Ende herrscht Stille, bevor Sibelius die Themen in einer enormen Dichte anzuordnen beginnt. Das breit angelegte Finale greift das Hauptthema sogleich in den Violinen, den Bratschen und Celli auf und wird begleitet von der rhythmischen Figur in den Posaunen und Pauken. Eine prächtige Trompeten-Fanfare führt ins Orchester-Tutti, woraufhin sich das musikalische Geflecht deutlich verdünnt. Eine Melodie wandert durch die gesamten Holzbläser mit marschhaftem Charakter. Erneut wird das Fanfaren-Motiv aufgegriffen – der Satz klingt triumphal und choralartig aus. Text: Markus Pietrass