Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau Lebendiges Wissen aus früheren Zeiten Tilia cordata und Tilia platyphyllos – Die Winterlinde und die Sommerlinde Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau Über den Namen: Die Winterlinde wird als Tilia cordata, Tilia parvifolia, Tilia europea oder auch als Kleinblättrige Linde bezeichnet. Die Sommerlinde hat die Bezeichnungen Tilia officinarium, Tilia grandifloria, Tilia platyphyllos oder Früh- oder Graslinde. Tilia leitet sich wohl aus dem griechischem ptelea = Ulme oder tilos = Bast ab. Der deutsche Name Linde soll sich wohl vom lat. linum (Lein) ableiten, bei beiden Pflanzen wurde der Bast der Pflanze gebraucht. Weitere Namen: Linn, Lönn, Lin, Lingen, Bastholz. Wortverwandtschaft: Gelind, Lindern, Lind heißt geschmeidig, weich, biegsam, mild Ableitungen lindo hübsch Lenbus biegsam, zäh, langsam Linr nachgiebig, weich Lin Länge Linwes lau, matt Botanik: Beide Lindenarten haben herzförmige Blätter, die wechselständig und unsymmetrisch angeordnet sind. Sie sind gestielt, spitz und gesägt. Die Blüten bilden hängende Trugdolden. Der Stiel des Blütenstandes trägt ein zungenförmiges, fast pergamentartiges, angewachsenes grünlich- oder gelblichweißes Tragblatt, das den Früchten als Flugblatt dient. Die wohlriechenden Blüten haben einen fünfblättrigen Kelch, fünf Kronenblätter und viele Staubgefäße und einen einfächrigen Fruchtknoten, aus dem sich ein ledriges Nüsschen bildet. Die Blüten enthalten ein stark duftendes ätherisches Öl, von dem schon beim Trocknen der Blüten ziemlich viel verdunstet, und das nach etwa einem Jahr vollständig verschwunden ist. So steht es im Lehrbuch der biologischen Heilmittel von Gerhard Madaus. S2 Apr-17 Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau Der Unterschied der Beiden: Die Sommerlinde hat größere unterseits weichhaarige Blätter, die in den Nervenwinkeln weißlich gebartet sind (bei der Winterlinde findet man beiderseits kahle Blätter, die in den Nervenwinkeln rostrot gebartet sind). Die Blütenstände enthalten nur zwei bis fünf Blüten (im Gegensatz zur Winterlinde - sie hat fünf bis neun). Die Blütezeit der Sommerlinde ist etwa 2 Wochen eher als bei der Winterlinde. Die Nüsschen sind größer als bei der Winterlinde und mit fünf kräftigen Längsrippen versehen. Der Baumkult: Linden waren früher Thingplätze. Thing ist ein Kommunikations- und Ruheplatz, um Rats- und Stammesversammlungen abzuhalten. Die Heiden verehrten die Linde sehr. Es waren auch frühere Sammelplätze der Hexen, so heißt es. Die Linde steht für Liebe, Freude (Tanz) und Gerechtigkeit. Liebe und Freude: Der Maientanz unter der Linde wurde von unverheirateten Paaren getanzt. Im Tanzboden in einer Linde durften dann die zukünftigen Brautleute tanzen. Im Lindenduft mit herzförmigen Blättern eingehüllt, wie wunderbar! Außerdem gingen viele Hochzeitssitten und Bräuche mit Linden einher. Gerechtigkeit: Die Linde war auch ein Gerichtsbaum (so wie die Eiche). Es wurde unter ihr geurteilt und vollstreckt. Die Thingeichen wurden größtenteils abgeholzt. Schutzmagie: Die Dorflinde und Hauslinde als schutzmagischer Baum soll ganze Dörfer beschützt und gleichzeitig ein Kommunikationsbaum im Ortskern dargestellt haben. Hier sollten sich Jung und Alt treffen. Lindensprossen wurden den Kindern in den Brei getan und Lindenrinde als Amulett getragen. Die Tiere bekamen in der Johannisnacht Lindenbast als Schutz umgebunden. Verzauberte Kühe wurden mit Lindenblättern abgeräuchert, um den Zauber zu löschen. Als Park- und Alleebaum wurde die Linde gepflanzt, welche man heute noch gelegentlich bewundern kann. Ob die Bäume wohl auch aus Schutzgründen gepflanzt wurden, lässt sich bezweifeln. Heilmagie mit der Linde: Krankheiten wurden auf die Linde übertragen „Gichtfuß, du sollst stehen, du sollst vergehen, wie das Laub an den Linden. S3 Apr-17 Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau Bei den Toten sollst du`s finden, im Namen des Vaters. „ In Siebenbürgen stellt man am 1. Mai vor dem Hause Kranker Lindenzweige auf, aus deren Rinde man nach drei Tagen mit Zucker, Zwiebel und Hanfsamen einen Brei kocht, dessen eine Hälfte der Kranke verzehrt; die andere Hälfte wird in fließendes Wasser geworfen, damit die Krankheit wegfließe. Auch in Siebenbürgen glaubte man, die Heilkraft der Lindenblüten beruhe darauf, dass Jesus sich unter dem Baume ausgeruht hat. Auch heute noch sind Namen bekannt wie: Lindenstraße, unter den Linden, die drei Linden, Gasthaus zur Linde. Sie erinnern uns daran, welchen Wert die Linde einst hatte. Vielleicht beginnen wir wieder, diese Werte lebendig werden zu lassen. Siegfried Seligmann schreibt folgendes über die Linde: Die Linde war den Göttern heilig. Es war der Baum der Liebe. War der Aphrodite und der Freya geweiht. Später wurde die Linde im Marienkult übernommen. Aus Lindenholz wurden Heiligenbilder geschnitzt, als sog. Taferlbaum. Er schützt vor bösem Zauber. Lindenholz nutzte man, um Kräuter auszugraben, die gegen angezauberte Krankheiten helfen sollten. Lindenasche auf ein Grundstück gestreut, vernichtet das durch Zauber hervorgerufene Ungeziefer. Aus der Edigna Linde bei Puch soll heilendes Öl geflossen sein. Wallfahrer stecken von dem Baume Laub an den Hut und räuchern an 3 Donnerstagen Haus und Stall damit aus. Quellen, die unter einer Linde entspringen, sind heilkräftig. Z.B. beim Korbinian Bründl bei Freising. Unter Heiligen Linden leben Erdmännlein, die den Kranken helfen. Jacobus Theodorus Tabernaemontanus erwähnt in seinem „Neu vollkommen Kräuterbuch“ (1731) folgendes über die Heilkraft der Linde: Blätter - …“in Wein gesotten wider des Bauchgrimmen „ - …“in Wasser bei Mundfäule als Spülung“ - „Das Destillat: bei Epilepsie (Fallendsucht) der Kinder“ S4 Apr-17 Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau Blumen - „wider der Epilepsie“ - „bei Schwindel“ - „…und bei anderen Schwachheiten des Hauptes, die von Kälte ihren Ursprung haben, wie Kopfschmerzen“ Früchte - zerstoßen seien sie Blutstillend bei Nasenbluten - bei Ruhr und Bauchflüssen Blütendestillat - „Wen der Schlag getroffen hat der nimmt Lindenblütenwasser, Mayenblütenwasser und Schwarzkirschwasser, dieses Wasser hilft auch gegen versehrten Darm und es vertilgt die Flecken im Gesicht.“ Baumsaft - Vertreibt den Stein - „Auf das Haupt geschmiert, bringt es das ausgefallene Haar wieder zum wachsen“ Saft der frischen Blätter - im Wein ausgezogen solle man die Glieder damit einstreichen gegen Krämpfe. Inhaltsstoffe Schleim, Gerbstoffe, Flavonoide, ätherisches Öl, Farnesol, Wachs Heute wird Lindenblütentee vor allem bei Erkältungskrankheiten zu Schwitzkuren und bei grippalen Infekten verordnet. Naturheilkundlich werden Lindenblüten verordnet: - Bei Entzündungen - Magen- und Verdauungsbeschwerden S5 Apr-17 Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau - Bei geistiger Überanstrengung - Toxinausleitend v.a. Harnsäure - Bei Schlafstörungen - Bei fieberhaften Infekten - Zur Anregung des Schwitzens - Bei Krämpfen - Zur Unterstützung des Immunsystems - Bei Entzündungen der oberen Luftwege - Bei Husten - Bei Gelenkschmerzen - Zur Beruhigung Wunderbar lässt sich der Lindenblütentee mit HONIG (das Gold der Bienen) einnehmen. Denn die Lindenblüten stehen mit den Bienlein in engen Kontakt. Hier ein altes Rezept aus dem Lehrbuch der biologischen Heilmittel (schweißtreibend): Lindenblüten, Holunderblüten, Weißdornblüten und Kamillenblüten zu gleichen Teilen mischen. 3 Teel. mit ½ Liter heißem Wasser übergießen und 10 min. ziehen lassen. Auf dass die Linde wieder zum Kommunikationszentrum und zum Baum der Liebe wird. Ich wünsche Ihnen wunderbare Herzensbegegnungen unter Lindenbäumen. Sandra Kunz www.heilkunst-passau.de S6 Apr-17 Sandra Kunz | Kapuzinerstraße 22 | 94032 Passau Literaturnachweise: Jacobus Theodorus Tabernaemontanus Neu vollommen kräuter Buch 1731 Reprint 1975 by Verlag Konrad Kölbl Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, mediamed Verlag ISBN 3-922724-05-1 Siegfried Seligmann : Die magischen Heil- und Schutzmittel aus der belebten Natur, Reimer Verlag ISBN 3-496-02606-5 Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens, deGruyter Verlag ISBN 3-11-011194-2 S7 Apr-17