Jüdische Kultur

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Eine Kippa (oder Kippot) ist eine Kopfbedeckung, die von orthodoxen männlichen Juden auf dem
Hinterkopf getragen wird. Sie soll zum Ausdruck bringen, dass der Träger vor Gott demütig seinen
Kopf bedeckt. Wer als nicht-jüdischer männlicher Besucher in eine Synagoge geht oder auf einen
jüdischen Friedhof, sollte aus Rücksicht auf die religiösen Gefühle anderer ebenfalls sein Haupt
bedecken.
witzige Kippas auf dem Flohmarkt
Insider Tipp: Wer in Krakau eine Synagoge besichtigt, bekommt eine Kippa geliehen, auf dem
Friedhof liegen ebenfalls Leih-Kippas aus. Irgendjemand muss die aber auch wieder waschen und
hinbringen. Ein Trinkgeld für diesen Service ist eigentlich selbstverständlich. Achtung: Frauen sollten
beachten, dass das Betreten der Synagoge oder des Friedhofs mit Shorts oder sehr freizügiger
Kleidung ebenfalls ein No-Go ist. In Krakau kann man sich an der Synagoge im Notfall ein Tuch leihen
und sich damit umhüllen. Wer das nicht so gerne machen möchte: bitte schon bei der Kleiderwahl
morgens beachten.
Vielleicht sollte man sich auch Gedanken machen welchen Eindruck man als Deutsche/Deutscher
macht, wenn man das Konzentrationslager Auschwitz besucht. Mit solchen Klamotten erzeugt man
nicht gerade den Eindruck, der passt:
Die jüdische Religion kennt bestimmte Speisegesetze. Koscher heißt übersetzt rein, tauglich. Koscher
ist eine Speise dann, wenn sie alle Regeln der Speisegesetze erfüllt. Das ist nicht ganz einfach. Es gibt
erlaubte und nicht erlaubte Speisen. Fleisch muss von Tieren kommen, die Wiederkäuer sind und
gespaltene Hufe haben (also: Rind und Lamm geht, Schwein aber nicht). Geschlachtet muss auf eine
ganz bestimmte Art werden (schächten). Das kann nur ein speziell ausgebildeter jüdischer Schlachter.
Ganz ähnliche Vorschriften kennt ihr vielleicht auch aus dem Islam.
Das Fleisch darf dann jedenfalls nicht mit Milch oder Milchprodukten zusammen zubereitet oder
konsumiert werden (aha – Sahnesauce geht nicht). Diese Trennregel muss auch beim Geschirr,
Besteck, Töpfen bis hin zu Kühlschränken und Spülbecken beachtet werden. Wie weitreichend die
Trennung gelebt wird, wird von praktizierenden Juden unterschiedlich gehandhabt. Ziel der
Vorschriften ist, dass man sich im Alltag immer wieder Gedanken über seinen Glauben machen muss.
Für den Alltag bedeutet das aber auch, dass gemeinsame Mahlzeiten von orthodoxen Juden und
Nichtjuden auf jeden Fall nicht ganz einfach zu handeln sind. Eier, Gemüse, Obst und Getreide sind
übrigens neutral (parve) und können mit allem kombiniert werden. Vermutlich könnten Veganer und
orthodoxe Juden prima gemeinsam kochen.
Tipp: in Krakau gibt es Restaurants, die koscher kochen. Vielleicht probiert ihr mal aus, wie es Euch
dort schmeckt. Vielleicht dürft ihr auch mal einen Blick in die Küche werfen? Die jüdische Küche hat
übrigens ganz leckere Gerichte. Einige typische Gerichte kennt ihr übrigens schon: den Bagel oder
auch Falafel.
Damit ihr schon mal etwas mehr über die spannende Religion der Juden erfahrt, hier die
wichtigsten Begriffe:
Die Tora ist der erste Teil der Jüdischen Bibel. Die Tora entspricht übrigens ungefähr den fünf
Büchern Mose, die die Christen aus der Bibel kennen. Weil die Juden aber immer großen Wert auf
den Erhalt der Originalfassung gelegt haben, konnten sich keine Übersetzungs- oder Abschreibfehler
eingeschlichen (wie leider wahrscheinlich in der heutigen Fassung der Bibel). Weil nur eine original
abgeschriebene Tora gültig ist und das Abschreiben nur von einem extra ausgebildeten Abschreiber
gemacht werden darf, was mindestens ein Jahr dauert, wird die Thora in der Synagoge besonders
vorsichtig behandelt. Sie besteht aus einem ewig langen Pergament, was an zwei Stangen aufgerollt
und gehalten wird. Klar, dass man nicht mit Fettfingern dran darf, wenn die Schrift so wertvoll ist. Es
gibt sogar extra Zeigestäbe wenn man auf dem Pergament verfolgen will, wo man beim Lesen gerade
ist. Es gibt Toras, die mehrere Jahrhunderte alt sind. Eine alte Tora wird auch nicht weggeworfen,
sondern beerdigt.
Der Talmud ist das Ergänzungswerk zur Tora. Er besteht aus zwei Teilen.
Der erste Teil ist eine Fassung von Erläuterungen und Gesetzen zur Tora, die nach der ersten
mündlichen Übermittlung original erst mal von Gott gesagt worden sein soll, später dann mündlich
von Generation zu Generation überliefert wurde, bis sie dann auch irgendwann schriftlich
festgehalten wurde. Sie heißt Mischna.
Der zweite Teil heißt Gemara und ist das Ergebnis von gelehrten Diskussionen zur Auslegung der
Tora. Hier findet man auch Geschichten und Fabeln und Bezüge oder Bezüge zu Medizin oder
Naturwissenschaft. Besonders spannend ist, dass hier im Text oft zwei unterschiedliche Meinungen
diskutiert werden, die dann zu einem Ergebnis führen (These, Antithese, Synthese). In der jüdischen
Tradition ist das Diskutieren und Analysieren ausdrücklich gewünscht und die Jugendlichen werden
darin gefördert. Kein Wunder, dass die Nazis damit nicht zurechtkommen.
Wenn ein Junge von einer jüdischen Mutter geboren ist oder vorschriftsmäßig(was nicht leicht ist)
zum Judentum übertritt, wird er zum Zeichen des Bundes mit Gott beschnitten. Das wird abgeleitet
aus der Tora, dem heiligen Buch der Juden. Darin bekam Abraham den Auftrag von Gott am achten
Tag nach der Geburt seinen Sohn Isaak zu beschneiden. Bei der Feier erhält der Junge dann auch
offiziell seinen Namen. Dieser Schritt ist für die Juden ganz wichtig. Daher hat es so heftige
Diskussionen im Parlament über ein mögliches Verbot der Beschneidung in Deutschland gegeben.
Würde die Beschneidung total verboten, könnten orthodoxe Juden in Deutschland ihren Glauben
nicht mehr ausleben. Eine wachsende Minderheit der orthodoxen Juden praktiziert aber auch schon
die Feier mit Namensgebung ohne Beschneidung.
Einige Psychologen überlegen sogar, ob die Beschneidung nicht ein unbewusster Grund für
Antisemitismus sein kann, weil die Beschneidung eventuell Ängste vor dem Verlust eines wertvollen
Körperteils erzeugt.
Mädchen erhalten ihren Namen am ersten Gottesdienst nach der Geburt in der Synagoge. Eine Brit
Mila wird also bei der Geburt eines Mädchens nicht gefeiert, schade.
Vielleicht kennt ihr die Feier aus amerikanischen Spielfilmen. Mit 13 Jahren wird ein Junge und mit 12
Jahren ein Mädchen als vollwertiges Mitglied der Gemeinde mit Rechten und Pflichten
aufgenommen. Dies ist Anlass für ein großes Fest, zu dem oft bis zu 100 Leute eingeladen werden. An
dem Feiertag liest der Junge zum ersten Mal aus der hebräischen Tora vor, was natürlich nicht ganz
einfach ist, wenn man zum Beispiel in Deutschland aufgewachsen ist und gar kein Hebräisch lesen
kann. Deshalb muss das natürlich vorher geübt werden. In den Reformgemeinden werden auch
Mädchen für das Vorlesen vorbereitet, es ist aber in den orthodoxen Gemeinden nicht gestattet. Bar
Mizwa ist der Name der Feier für die Jungen, Bat Mitzwa für die Mädchen.
Bat Mizwa
Die Trauung kann überall gefeiert werden, nicht nur in der Synagoge. Sie wird von einem Rabbiner
ausgeführt, man braucht zwei männliche Zeugen. Das Paar steht unter der Chuppa, einem schönen
Baldachin, die Frau umkreist den Bräutigam sieben Mal, das Paar trinkt gesegneten Wein, der
Bräutigam schenkt seiner Frau den Ring und zertritt oder zerschmettert dann das Trinkglas. Man soll
sich auch im Moment des größten Glücks an die Zerstörung des Tempels in Jerusalem erinnern.
Jüdische Beerdigungen sind betont schlicht. ein Holzsarg aus einfachen Brettern reicht. Im Tod sind
alle Menschen gleich, egal ob arm oder reich. Wegen der jüdischen Vorstellung von der Auferstehung
ist immer eine Erdbestattung notwendig. Die unbegrenzte Totenruhe ist unantastbar - es werden
also keine Gräber nach einer gewissen Zeit wieder geräumt. Ein jüdischer Friedhof wächst daher
immer. Wird der Platz knapp, wird höchstens Erde auf das Grab gelebt und sozusagen darüber eine
neue Etage angelegt. Besucher an Gräbern hinterlegen oft Steine auf/an dem Grabstein zum
Gedenken. Manchmal werden an Gräbern von bekannten Gelehrten auch kleine gerollte Briefchen
mit Wünschen hinterlegt.
Grabsteine v. Rabbis in Worms
Für die jüdische Religionsgemeinschaft ist es daher besonders tragisch, dass es nach den
Massenvernichtungen mit den anschließenden Verbrennungen keine Gräber für die Verstorbenen
gibt. Auch Grabschändungen durch Neonazis sind nach diesem Hintergrund keine „Dumme Jungen
Streiche“ sondern ein bewusster Angriff auf zentrale jüdische Werte.
Da der Erhalt von Friedhöfen viel Geld kostet und durch den Holocaust die Angehörigen von bereits
Verstorbenen umgekommen sind, sind leider viele jüdische Friedhöfe dem Verfall preisgegeben.
Aktivitäten, die sich um das Erhalten von jüdischen Friedhöfen kümmern, sind daher sehr wichtig und
können eine Möglichkeit sein, Zeichen gegen das Vergessen zu setzen.
Zur Erinnerung an den Auszug des Jüdischen Volkes aus Ägypten feiern heute noch orthodoxe Juden
das Laubhüttenfest. Das Fest dauert sieben Tage. Es wird eine mit Laub oder Stroh gedeckte Hütte
aufgebaut, in der die Familie (wenn das Wetter einigermaßen mitspielt) während der Tage isst, einige
ganz Hartgesottene übernachten auch in der Laubhütte (das Fest findet Ende September/Anfang
Oktober statt). Zum Abschluss gibt es am achten Tag den Tag der Gesetzesfreude/Simchat Thora. Der
Tag ist besonders nett für Kinder, da sie mit Süßigkeiten beschenkt werden, Fähnchen schwenken
dürfen und viel Aufmerksamkeit bekommen.
Der jüdische Sabbat beginnt am Freitagabend und endet am Samstagabend. Am Sonntag fängt die
neue Woche an. In den zehn Geboten, die Gott persönlich (sogar mit Zweitschrift) an Moses
ausgeteilt hat, steht, dass der Sabbat geheiligt werden soll. Wie genau, wird bei den Juden durch den
Talmud genau geregelt. Die christliche Religion hat den Feiertag am Sonntag verortet. Muslime
pflegen das Freitagsgebet. Wenn wir alle drei wöchentlichen Feiertage in unserer Gesellschaft
pflegen würden, hätten wir ein schönes langes Wochenende.
Der jüdische Sabbat braucht eine gute Vorplanung. Er beginnt am Freitagabend, wenn die Wohnung
gereinigt und Reinigungsbad, Mani- und Pediküre stattgefunden hat. Es wird feiertägliche Kleidung
getragen, gerne werden auch Gäste eingeladen, die an der rituellen Zeremonie mit Gesang, Gebet,
Wein und dem Brechen von Brot teilnehmen. Familienmitglieder übernehmen dabei bestimmte
Aufgaben. Das regelmäßige gemeinsame Begehen des Sabbats stärkt also den
Familienzusammenhalt.
Am Sabbat sind viele Dinge nicht gestattet: es ist nicht erlaubt sich körperlich anzustrengen oder
etwas Neues zu kreieren, Schreiben und Malen sind nicht erlaubt, Reparieren, Fotografieren,
Musizieren, Haus – und Gartenarbeit. Wer die Gebote einhalten will muss entsprechend vorkochen,
Zeitschaltuhren für Kühlschränke oder Herde programmieren oder mit etwas Glück nichtjüdische
Nachbarn haben, die eventuell erkennen, wo Hilfe gebraucht wird. Sie dürfen nämlich nicht direkt
instruiert werden. Für Nicht-Juden erscheinen die Auswirkungen der 39 Arbeitsverbote im Talmud
auf den gelebten Alltag von orthodoxen Juden exotisch. Da es zur Zeit des Talmud zum Beispiel noch
keine Elektrizität oder Autos gab, wird diskutiert, wie sich die Verbote in der heutigen Zeit umsetzen
lassen. So gibt es zum Beispiel ein Fernseh-, Rolltreppen-, Radio- und Autofahrverbot. Diskutiert
wurde, ob für den Sabbatgebrauch aufgeladene Batterien eine Möglichkeit sein könnte das
Feuerverbot auszuhebeln oder Steckdosen, die den Stromkreislauf für alle 3Minuten für 30 Sekunden
unterbrechen und wann Operationen stattfinden dürfen. Liberale Juden beschränken die
Arbeitsverbote schwerpunktmäßig auf ruhende Erwerbsarbeit und ruhenden Handel, etwa
vergleichbar mit der Art und Weise wie Christen den Sonntag begehen. Es geht bei den Verboten auf
jeden Fall darum, die gewonnene Zeit für die Besinnung auf religiöse Themen zu nutzen. Liberale
Juden handeln nach der Einstellung dass der Mensch sich nicht unnötig physische Beschränkungen
und Erschwernisse auferlegen soll, was gegen den eigentlichen Charakter des Sabbats als Tag der
Ruhe, Entspannung und Wonne wirken würde.
Ab 1933 missbrauchten die Nazis die Sabbatregeln um Juden besonders zu schikanieren, indem sie
sie gerade samstags zur Arbeit oder zum Schulbesuch zwangen. Manche orthodoxe Juden riskierten
damals durch das strikte Einhalten der Gesetze ihr Leben, obwohl dies ausdrücklich nicht gewollt ist.
Alle Werkverbote sind zeitweilig aufgehoben, wenn dies zur Errettung oder Erhaltung von
Gesundheit und Menschenleben notwendig ist (z.B. bei Krankheit, Unfall, Geburt, Kriegsgefahr).
Material zum Anfassen gibt es bei dem Verein Remid (Tel.: 06421-64270)/ [email protected] /
www.remid.de in Marburg, die eine Schatzkiste der Religionen zum Thema Juden ausleihen:
Zugehörige Unterlagen
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