Medizin infomed-screen Was bedeuten die Symbole? Randomisiert-kontrollierte Studie Kohortenstudie R K Nihil novi? „Gestagene erhöhen Brustkrebsrisiko“ K Schairer C, Lubin J, Troisi R et al. Menopausal estrogen and estrogen-progestin replacement therapy and breast cancer risk. JAMA 2000 (26. Januar); 283: 485-91 Studienziele In einer großen Metaanalyse konnte gezeigt werden, dass eine längerdauernde Hormonverabreichung nach der Menopause das Brustkrebsrisiko erhöht. Die bisherigen Untersuchungen beziehen sich aber fast ausschließlich auf Frauen, die nur Östrogene erhielten. In der vorliegenden Arbeit wurde untersucht, ob die zusätzliche Verabreichung von Gestagenen das Brustkrebsrisiko beeinflusst. Methoden Es handelt sich um eine Nachfolgeuntersuchung bei Frauen, die zwischen 1973 und 1980 an einem amerikanischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramm teilgenommen hatten. Die Untersuchung wurde 1979 gestartet und dauerte bis 1995. Nach der Menopause wurden die Frauen mehrmals telefonisch oder schriftlich befragt, ob und welche Hormonpräparate sie einnehmen würden. Frauen, die Hormoninjektionen, -pflaster und -cremen verwendeten, wurden nicht in die Studie einbezogen. Die Daten der Brustkrebserkrankungen beruhen auf den Angaben der Patientinnen selbst oder auf Todesbescheinigungen. Ergebnisse 46.355 Frauen konnten während durchschnittlich etwa 10 Jahren nachbeobachtet werden, entspre16 | BDI Rundschreiben 07·2000 chend 473.687 Frauenjahren. 42% der beobachteten Frauenjahre entsprachen Jahren ohne Hormonersatztherapie, 38% solchen mit ausschließlicher Östrogenbehandlung und 10% solchen mit kombinierter Östrogen-Gestagenbehandlung. Die übrigen Jahre konnten nicht eindeutig zugeordnet werden. Insgesamt traten in dieser Kohorte zwischen 1980 und 1995 2.082 Fälle von Brustkrebs auf. Frauen, deren Hormontherapie nicht länger als 4 Jahre zurücklag, hatten im Vergleich mit Frauen ohne Hormonersatz ein signifikant erhöhtes Brustkrebsrisiko: Unter Östrogenen allein betrug das relative Risiko (RR) 1,2 und unter einer Östrogen-Gestagen-Kombination 1,4. Unter Östrogenen nahm das RR jedes Jahr um 0,01, unter kombinierter Therapie um 0,08 zu. Eine separate Analyse der Daten für schlanke Frauen und solche mit einem Körper-Massen-Index über 24,4 kg/m2 zeigte nur für die schlanken Frauen eine signifikante jährliche Risikozunahme (unter ÖstrogenGestagen um jährlich 0,12). Schlussfolgerungen Die Zugabe von Gestagenen zu einer Östrogensubstitution erhöht wahrscheinlich das Brustkrebsrisiko. (Franz Marty, CH-Wil) Kommentar Auch eine neue Fall-Kontroll-Studie zeigt, dass die kombinierte Östrogen-Gestagen-Substitution mit einem erheblich höheren Brustkrebsrisiko verbunden ist als die Substitution von Östrogenen allein.1 Andere Studien lassen wie die hier rapportierte vermuten, besonders die schlanken Frauen und solche, die aktuell oder in der nahen Vergangenheit Hormone erhielten, seien gefährdet. Eine adäquate Einschätzung dieser Therapie wird erst möglich sein, wenn einmal bessere Daten zu den vermuteten Vorteilen der Hormonsubstitution vorliegen. (Etzel Gysling) 1Ross RK, Paganini-Hill A et al. Effect of hormone replacement therapy on breast cancer risk: estrogen versus estrogen plus progestin.J.Natl Cancer Inst 2000; 92:328-32 Medizin screen-telegramm R The Heart Outcomes Prevention Evaluation Study Investigators. Vitamin E supplementation and cardiovascular events in high-risk patients. N Engl J Med 2000 (20. Januar); 342: 154-60 Bei Personen mit Diabetes mellitus und/oder koronarer Herzkrankheit schützte Vitamin E (400 IE täglich) nicht vor Herzinfarkten oder zerebrovaskulären Insulten. K Seeff LB, Miller RN, Rabkin CS et al. 45-year follow-up of hepatitis C virus infection in healthy young adults. Ann Intern Med 2000 (18. Januar); 132: 105-11 Die spätere Analyse von Blutproben aus den Jahren 1948-1954 auf Anti-Hepatitis-C-Antikörper lässt annehmen, dass Personen mit einer Hepatitis-C-Infektion eine geringe leberbedingte Morbidität und Mortalität aufweisen. K Gregg EW, Yaffe K, Cauley JA et al. Is diabetes associated with cognitive impairment and cognitive decline among older women? Arch Intern Med 2000 (24. Januar); 160: 174-80 Über 65-jährige Frauen mit einem seit mehr als 5 Jahren bestehenden Diabetes mellitus hatten schlechtere kognitive Funktionen als gesunde Frauen. Stichwort Confounding u.a. bei klinischen Studien Zwischen zwei Variablen besteht Confounding, wenn sie sich miteinander im gleichen Sinn verändern, so dass es nicht möglich ist festzulegen, welche der beiden Variablen für ein bestimmtes Resultat verantwortlich ist. Mit anderen Worten: ▼ Confounding ist vorhanden, wenn eine Intervention zu einem Unterschied gegenüber der Kontrolle führt, dieser Unterschied jedoch nicht durch die Intervention, sondern durch eine weitere Variable verursacht ist. Daraus können Fehlschlüsse entstehen, indem ein bestimmtes Resultat fälschlicherweise der Intervention zugeschrieben wird, tatsächlich aber durch eine andere Variable bedingt ist. In der Studie zu den Zusammenhängen zwischen Antidepressiva und Herzinfarkt könnte Confounding eine Rolle spielen, da sehr wenig Einzelheiten zu den individuellen Risikofaktoren bekannt sind. Die Studie lässt vermuten, dass Personen, die trizyklische Antidepressiva einnehmen, mehr Herzinfarkte erleiden. Es wäre aber denkbar, dass dieselben Personen z. B. auch häufiger rauchten oder übergewichtig waren als diejenigen der Kontrollgruppe. Wir wissen es nicht. ▼ In epidemiologischen Studien stellt Confounding ein wichtiges und häufiges Problem dar. Viele verschiedene Variablen können für dieses Phänomen verantwortlich sein. Da es so schwierig ist, ‘confounding variables’ zu vermeiden, sollten wir uns nach Möglichkeit auf Studien mit zufälliger Zuteilung von Interventionen (randomisierte Studien) stützen. (Etzel Gysling) aus: infomed-screen, 3/00 (März 2000) ISSN 1422-0059 Eine pharma-kritik-Publikation, herausgegeben von Etzel Gysling und Thomas Weissenbach, Infomed-Verlags-AG, Blumenaustr. 7, CH-9500 Wil/Schweiz Telefon: 071-910-0866, Telefax: 071-910-0877 E-Mail: [email protected] ■ BDI Rundschreiben 07·2000 | 19