Das Gänseblümchen (Bellis perennis) Von Brigitte Nagler, Kräuter- und Gesundheitspädagogin. Kaum vom Schnee befreit, erscheint ein allbekanntes Blümchen und erfreut uns mit seinem Anblick. Das Gänseblümchen. Erst die der Sonne zugewandten Blütenköpfchen mit ihren strahlend weißen, unterseits meist rötlich angelaufenen Zungenblüten und den gelben Röhrenblüten machen auf es aufmerksam, während die Blattrosette sich unscheinbar im Gras versteckt. Bei Nacht oder Regen verschließt sich das Gänseblümchen und senkt seine Blütenköpfchen. Es gehört in die Familie der Korbblütengewächse, wie auch Kamille oder Sonnenblume und blüht von den ersten Frühlingstagen bis weit in den Spätherbst hinein fast das ganze Jahr hindurch. Gänseblümchen kann man essen und wunderbar in Salaten und anderen Gerichten verwenden. Am schmackhaftesten sind die jungen Blätter aus dem Inneren der Rosette, die an Feldsalat erinnern und einen angenehm nussigen Geschmack haben. Die geöffneten Blüten schmecken selbst Kindern und finden vorrangig Verwendung als Salatbeigabe und Dekoration von Speisen. Kandiert man die Blüten, ähneln sie Marzipan und zieren dann vortrefflich Kuchen und Torten. Frisch gepflückt machen sie ein einfaches Butterbrot zu einem Augen- und Gaumenschmaus; in Salz und Essig eingelegt werden sie als Wiesenkapern zum Genuss. Das Tausendschönchen oder Maßliebchen, wie es auch genannt wird, besitzt eine starke Regenerationskraft, besonders in den Blättern, die es das ganze Jahr hindurch ständig neu bildet. Seine Zähigkeit und Widerstandskraft stellt das kleine Pflänzchen auf Wegen und Rasen unter Beweis, wo ihm ständiges Betreten und selbst der Rasenmäher nichts anhaben können. Beim Menschen findet man eine solch ausgeprägte Regenerationskraft in der Leber. Vielleicht ist diese Assoziation der Grund dafür, dass dieses kleine „Kraftwerk“ schon in früherer Zeit als Leberheilpflanze bekannt war. Die fest am Boden liegende Blattrosette drückt die direkte Erdverbundenheit des „Angerbleamerls“ aus und weist auf seinen hohen Mineralgehalt hin. Aufgrund seiner Inhaltsstoffe (Saponine, Schleimstoffe, Bitterstoffe, Gerbstoffe, Vitamine, Mineralstoffe) kennt man es in der Volksmedizin zur Blutreinigung, Stoffwechsel- und Appetitanregung wie als Magen-, Galle- und Lebermittel und steht damit so bekannten Heilpflanzen wie Arnika, Ringelblume (Calendula) und Schafgarbe in nichts nach. P.A. Matthiolus und Hieronymus Bock rühmen ganz besonders die Wundheilende Wirkung des Gänseblümchens. Die frisch gepflückten Blüten zerreibt man solange zwischen den Fingern bis der Saft austritt. Diesen Brei streicht man auf die Verletzung. Bei Kindern stoppt es so als Wiesenpflaster Tränen. Kräuterpfarrer Künzle empfahl das Gänseblümchen, jeder Kinderteemischung beizufügen. Eine bekannte Kosmetikfirma verwendet das Gänseblümchen in Gesichtspflegepräparaten. Auf keinen Fall darf es in der „Neunkräutersuppe“ fehlen. In der Biedermeierzeit galt es unschicklich, das lustige Blühen des Gänseblümchens dem Zufall zu überlassen. Man züchtete schmucke Exemplare in Weiß, Rot und Rosa, je größer desto schöner. Als üppige Bänder umrahmten sie die Beete. Und heute noch findet man die gezüchteten Sorten beim Gärtner. Auch bekannte Künstler der Malerei ließen sich vom Tausendschönchen inspirieren, wie u.a. die Darstellung in „ Das Wiesenstück“ von Albrecht Dürer beweist. 1-2 Von dem großen Pflanzenforscher Linné erhielt das Bellis perennis seine wohlklingende wissenschaftliche Bezeichnung: bellus (=hübsch, schön), perennis (=ausdauernd). Das Tausendschönchen war der Liebesgöttin Freya und der Frühlingsgöttin Ostara geweiht. Bei den nordischen Völkern wurde es auch als das „Auge Baldurs“ verehrt. Vermutlich geht der Name Gänseblümchens auf den keltischen Sonnenkult zurück. Für die Kelten war die Gans sinnbildlich eng mit der Sonne verbunden. Die Sonne kam der Gänsemagd gleich, die morgens mit dem Sonnenaufgang die Gänse auf die Weide und abends wieder in den dunklen Stall trieb. Als Teil solch heidnischen Gedankengutes versuchte man im 18. Jh. erfolglos die Pflanze auszurotten. Durch den Einzug in die christliche Symbolik war diese Gefahr gebannt. Einer Legende zufolge entsprangen die Blumen den Tränen Marias, als die Heilige auf der Flucht war. Als gutes Omen blieb das Maßliebchen bis heute in unserem Denken verankert und steht in der Blumensprache für Unschuld und Reinheit. Wer am Johannistag (24. Juni) zwischen 12 und 13 Uhr Gänseblümchen pflückt, dem sollen alle wichtigen Arbeiten gelingen, so besagt ein alter Aberglaube. Wer will, kann es ja einmal ausprobieren… 2-2