Hirnrinde spielt wichtige Rolle bei emotionalen Lernprozessen

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Medienmitteilung vom 8. Dezember 2011
Hirnrinde spielt wichtige Rolle bei emotionalen Lernprozessen
Ein Team von Neurobiologen um Andreas Lüthi am Friedrich Miescher Institute for
Biomedical Research (FMI) der Novartis Forschungsstiftung konnte erstmals
nachweisen, dass die Hirnrinde, welche für gewöhnlich mit höheren Funktionen wie
Wahrnehmung und Denken in Verbindung gebracht wird, auch wichtig ist für das
emotionale Lernen. Mit einer Reihe von neuen Methoden beobachteten die Forschenden
welche neuronalen Schaltkreise in den verschiedenen Hirnregionen beim Lernen
aktiviert werden. Die in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie zeigt eine klare
Verbindung zwischen Mustern neuronaler Aktivität und dem Verhalten auf und leistet
Pionierarbeit im Bereich der Forschung zu Emotionen im Gehirn.
Sandra Ziegler Handschin
Communications
Maulbeerstrasse 66
CH-4058 Basel
T +41 61 696 15 39
F +41 61 697 39 76
[email protected]
www.fmi.ch
Rund 10% aller Erwachsenen sind von Angststörungen betroffen. Eines der Hauptmerkmale
dieser Erkrankungen ist, dass die Patienten «gelernt» haben, Situationen oder Objekte in
einem Ausmaß zu fürchten, das in keinem Verhältnis zur wirklichen Gefahr steht. Die
Amygdala, ein Kerngebiet des Gehirns, spielt bei der Verarbeitung von Ängsten eine zentrale
Rolle; ihre Funktion kann bei Angststörungen beeinträchtigt sein.
Angst entsteht jedoch nicht ohne Sinneseindrücke: Wir hören, sehen, riechen, schmecken oder
fühlen etwas, das Angst in uns auslöst. Diese sensorischen Signale werden nicht in der
Amygdala sondern in der Hirnrinde verarbeitet, dem Teil des Gehirns der mit höheren
Funktionen wie Wahrnehmung und Denken in Verbindung gebracht wird. Wie diese
Gehirnregion an emotionalem Lernen beteiligt ist, ist jedoch kaum untersucht.
Erstmals konnten Forscher im Team von Andreas Lüthi, Gruppenleiter am FMI und Professor
an der Universität Basel, einen Sinneseindruck beim Lernen auf seinem zellulären Pfad durch
das Gehirn verfolgen. Ihre Ergebnisse, die einen Schaltkreis in der Hirnrinde als entscheidend
für das Lernen von Angst beschreiben, wurden heute in der renommierten Forschungszeitschrift Nature veröffentlicht.
Das Gehirn beim Lernen beobachten
In Lüthis Experimenten lernten Mäuse, einen Ton mit einem unangenehmen Reiz zu
assoziieren, so dass in der Folge dem Tier schon der Ton an sich unangenehm wurde.
Während diesem Lernprozess visualisierten die Forschenden die neuronale Aktivität im Gehirn
mittels 2-Photonen-Kalzium-Imaging.
Normalerweise wird die Aktivität neuronaler Netze über ein ausgefeiltes Gleichgewicht von
synaptischer Anregung und synaptischer Hemmung streng kontrolliert. Ein Reiz führt so nur
kurz zu einer Aktivierung des Netzwerkes bevor dieses rasch wieder gehemmt wird. Im
Gegensatz dazu fanden die Autoren heraus, dass der beschriebene Lernvorgang für ein kurzes
Zeitfenster diese Hemmung drosselt. Diesen Vorgang bezeichnen sie als «Disinhibition».
Wenn das Tier also beim Lernen einen Ton wahrnimmt, wird dieser weitaus stärker verarbeitet
als unter Normalbedingungen. Diese erhöhte Aktivität löst wahrscheinlich erst die
Neuverschaltung einzelner Synapsen aus, die der Gedächtnisbildung zugrunde liegt.
Schaltkreis in der Hirnrinde für das Lernen notwendig
In der Folge wies Lüthi nach, dass dieser disinhibitorische Mikroschaltkreis auch in anderen
Regionen der Hirnrinde vorhanden ist, zum Beispiel in dem Teil, der für die Verarbeitung
visueller Reize zuständig ist. «Ein wirklich interessanter Aspekt unserer Beobachtungen ist,
dass die Disinhibition für das Lernen anscheinend notwendig ist, das Lernen an sich jedoch
nicht auslöst. Vielmehr nimmt das, was wir in einem Zustand erhöhter Erregung und
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Aufmerksamkeit wahrnehmen, Einfluss darauf, was wir tatsächlich lernen», so Lüthi.
Um ihre Erkenntnisse weiter zu untermauern, machten sich Johannes Letzkus und Steffen
Wolff, beides Mitglieder der Gruppe von Lüthi, die Optogenetik zunutze. Sie verwendeten das
noch relativ junge Verfahren, um die Disinhibition während des Lernvorgangs zu stören. Dies
hatte zur Folge, dass das Lernen bei den betreffenden Mäusen erheblich beeinträchtigt war.
So konnten sie direkt nachweisen, dass die Disinhibition für das Lernen unerlässlich ist.
«Dank der Entwicklung neuer neurobiologischer Methoden können wir zum ersten Mal in die
„Black Box“ schauen und tatsächlich nachweisen, was in neuronalen Schaltkreisen beim
assoziativen Lernen auf der Ebene einzelner Nervenzellen geschieht. So können wir einen
erklärenden Beitrag zu den lernpsychologischen Konzepten von Erregung und Aufmerksamkeit
beim Lernen leisten», so Lüthi weiter.
Kontakt
Dr. Andreas Lüthi, [email protected], Tel. +41 61 697 82 71
Dr. Johannes Letzkus, [email protected], Tel. +41 61 697 78 94
Originalpublikation
Letzkus JJ, Wolff SBE, Meyer EMM, Tovote P, Courtin J, Herry C, Lüthi A. (2011) A
disinhibitory microcircuit for associative fear learning in auditory cortex. Nature
DOI: 10.1038/nature10674
Über das FMI
Das Friedrich Mischer Institute for Biomedical Research (FMI) in Basel ist ein weltweit
anerkanntes Spitzenforschungsinstitut für Grundlagenforschung in den biomedizinischen
Wissenschaften. Es wurde 1970 von zwei in Basel ansässigen Pharmakonzernen initiiert und
ist heute ein Teil der Novartis Forschungsstiftung. Die Forschung am FMI fokussiert sich auf
die Bereiche Neurobiologie, Wachstumskontrolle und Signalwege, sowie Epigenetik. Zurzeit
arbeiten rund 320 Mitarbeitende am FMI. Das FMI leistet einen wichtigen Beitrag zur Aus- und
Weiterbildung von Forschenden: Sein PhD Student Programm und sein Postdoctoral Training
gehören zu den besten auf der Welt. Das FMI ist ausserdem der Universität Basel
angegliedert. Seit 2004 leitet Prof. Susan Gasser das Institut.
Part of the Novartis Research Foundation
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