Grundlage von Teilchendetektoren Ralph Steinhagen im Rahmen des Seminars: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen und Astroteilchenphysik SS 2002 Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 1 Gliederung A. Einleitung B. I. Grundlagen Absorption geladener und ungeladener Teilchen in Materie II. Beispiele Nebel- und Blasenkammer Gasgefüllte Detektoren Halbleiterdetektoren Szintillatoren Kalorimeter III. Anwendung in der E-Teilchenphysik allgemeine Beispiele Anwendungsbeispiel: LHC C. Resumé Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 2 Einleitung - Ziel Vom Menschen nicht direkt beobachtbare Teilchenreaktionen sollen qualitativ und quantitativ meßbar gemacht werden. In der Teilchenphysik ist in der Regel ein Teilchen als Produkt einer Wechselwirkung dann bestimmt, wenn folgende Meßgrößen nach der Reaktion gemessen wurden: •Ort •Impuls •Energie •Grob- bzw. Feinklassifizierung Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 3 Einleitung - Kenngrößen Die behandelten Detektoren unterscheiden sich durch folgende Meßgrößen: •Orts- bzw. Energieauflösung: Maß für die Präzision mit der ein Teilchenbahn bzw. Energie bestimmt werden kann •Nachweiswahrscheinlichkeit bzw. Rauschen: Wahrscheinlichkeit „echte“ bzw. ein „falsche“ Teilchen zu detektieren •Zeitverhalten: Totzeit: Zeit nach einer Messung in der Detektor „blind“ ist bis zur nächsten Messung Reaktionszeit: Zeit zwischen Eintreffen des Teilchens bis zum Meßsignal Ein Detektor mit „eierlegende Wollmilchsau“-Qualitäten ist nicht realisierbar, deshalb werden in der Regel verschieden Detektortypen kombiniert. Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 4 Grundlagen - Magnetfelder Bewegte geladene Teilchen werden in einem B-Feld abgelenkt! Semiklassisch: => ->Impuls ->Art der Ladung (Teilchen wird links- oder rechtshändig abgelenkt) Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 5 Grundlagen a) Energieverlust geladener Teilchen in Materie: Bethe-Bloch: (Formel nur gilt für einfach geladene, hinreichen schwere Teilchen) •wichtigster Parameter: ρ ->Angabe des Energieverlust modulo Dichte •weitere Materialparameter: Z, A , •mittlere Ionisierungsenergie: I •max. Energieaustausch (elastischer Stoß): Qa Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 6 Grundlagen – Energieverlust in Materie Bremsstrahlung: •dominant für hochenergetische Elektronen (zusätzlich zu Bethe-Bloch) wobei -> •wegen dem m2 Term nur für sehr leichte Teilchen relevant •schwere Kerne (Eisen,Blei...) erzeugen stärker Bremsstrahlung (wegen ~Z) •exponentieller Abfall der Gesamtenergie des Elektrons Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 7 Grundlagen – Energieverlust in Materie b) Energieverlust ungeladener Teilchen in Materie: Beersche Absorption: I(x) = I0 exp(-µx) mit µ = Σ µi Photonen: •Photoeffekt (µp): Hüllelektronen werden aus dem Absorbermaterials herausgeschlagen •Comptoneffekt (µc): WW (Stöße) mit Hüllelektronen des Absorbermaterials •Paarbildung (µpaar): WW mit den Kernen des Absorbermaterials und Erzeugung von e+-e- Paaren Neutronen und andere neutr. Teilchen: hauptsächlich Kerneffekte, die geladene bzw. ungeladenen Photonen erzeugen QII Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 8 Grundlagen - Schauer elektromagnetische Schauer: Photonen der Bremsstrahlung können sehr hohe Energien (>>Ec) haben -> Paarbildung ->Bremsstrahlung usw. Ec (>> 2me) ist die kritische materialabhängige Energie, ab der Paarbildung im Absorbermaterial wahrscheinlicher wird als Bethe-Bloch Qb Parametrisierung durch Strahlungslänge: Maximale Reichweite des Schauers: Moliere-Radius (Breite) des Schauers (t95%): Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 9 Grundlagen - Schauer hadronische Schauer: Entstehung durch starker Wechselwirkung hadronischer (schwerer) Teilchen mit den Kernen des Absorbermaterials. Produkte dieser Kernreaktionen sind wieder Hadronen Qb Parametrisierung der Strahlungslänge durch : ( σi: elastischer Wirkungsquerschnitt der Kernreaktion) Maximale Reichweite des Schauers: „Moliere“-Radius (Breite) des Schauers (t95%): Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 10 Grundlagen - Materialkonstanten elm. und hadronische Strahlungslängen: Material Z Dichte (g/cm3) Ec (MeV) X0 (cm) X0/ρ (g/cm2) λ / (g/cm2) 52,4 H2 (flüssig) 1 0,071 340 887 62,8 He (flüssig) 2 0,125 220 745 93,1 C 6 1,5__ 103 28 43,3 38,1 Al 13 2,7__ 47 8,9 24,3 106,4 Fe 26 7,87_ 24 1,77 13,9 131,9 Pb 82 11,35_ 6,9 0,56 6,4 193,7 1___ 93 36,4 36,4 84,9 H2O Daten aus Qa & Qf Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 11 Nebel- und Blasenkammer •Wilson 1912, Glaser 1952 •Ausnutzung metastabiler Zustände von Gasen bzw. Flüssigkeiten bei adiabatischer Druckänderung •Ionenspur bildet Kondensationsbzw. Siedekeime an denen Tröpfchen bzw. Blasen entstehen •Verwendete Medien: Wasserdampf in Luft, Freon, H2 bei ~6bar Blasenkammer Qb Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 12 Nebel- und Blasenkammer Aufnahme aus einer Blasenkammer, QI •sehr hohe Ortsauflösung: 8 µm (mit holographischen Methoden), dreidimensional! •direktes Bild ohne „große“ Berechnung •Blasenkammer: Möglichkeit der WW mit Kammermaterial •sehr kurze empfindliche Meßzeit (~min) • 0,1 s bis Spur sich gebildet hat Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 13 Gasgefüllte Detektoren QII •Arbeitsbereiche unterscheiden sich im wesentlich durch die angelegte Kathoden- bzw. Anodenspannung •hier: Argonfüllung, leicht unter Normaldruck Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 14 Gasgefüllte Detektoren – Geiger-Müller Zähler •Kathodenspannung sehr hoch! •Sekundärionisation im Meßgas erzeugt eine dauerhafte, fast verlustfreie Plasmaleitung •um weitere Teilchen zu detektieren und die Meßapparatur nicht zu beschädigen wird der Prozeß durch elektr. Schaltungen oder „Löschgase“ unterbrochen Qb •Wegen Durchschlag keine Energiemessung sondern nur noch Ereignisse bzw. Zerfallsraten meßbar Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 15 Gasgefüllte Detektoren - Proportionalzähler •hohe Feldstärke durch z.B. verkleinern des Anodendurchmessers, da •E = U/ ln(ra/ri) * 1/r •Primärionisation werden proportional durch Sekundärionisationen (Ladungslawinen) verstärkt Qb Qb Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 16 Gasgefüllte Detektoren – Vieldraht Proportionalkammer Charpak (>~1960) Multi-Wire-Proportional-Chamber •prinzipiell: viele parallele Proportionalkammern ohne Trennwand •Realisierung erst durch Mirkocontroller möglich •meist mehrlagig versetzt und zueinander verdreht um eine ortsauflösende Matrix zu erhalten und „blinde“ Stellen einer Lage zu kompensieren. Ortsauflösung: bis zu 500 µm (Abhängig vom Drahtdurchmesser und –Abstand) Feld und Sampling von Vieldraht-Proportionalkammern QIII & Qb Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 17 Gasgefüllte Detektoren – Driftkammer •ähnliche Konstruktion wie die MWPC •Die Zeitdifferenz zwischen Teilchendurchgang und Signalmessung ist bei konstanter Elektronendriftgeschwindigkeit ein Maß für den Abstand vom jeweiligen Anodendraht Driftkammer Qb Anodendraht •Potentialdrähte sorgen für ein homogenes elektrisches Feld und somit für nahezu konstante Driftgeschwindigkeiten Ortsauflösung: 50 - 200 µm typische Driftzeiten: ~ms (f. Elektronen) ~s (Ionen) Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 18 Gasgefüllte Detektoren – Driftkammer Nicht-Planar-Konstruktion: Jade Vieldraht-Proportionalkammer Jade Qb Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 19 Gasgefüllte Detektoren – Zeit-Projektionskammer (TPC) •Die vom zu detektierenden Teilchen erzeugte Primärionisation driftet mit bekannter Geschwindigkeit zum Anodendraht •In der Nähe des Anodendraht entstehen Sekundärionen •diese driften zu den orthogonal segmentierten Kathoden Qa •Zeitabstände der Meßsignale ermöglichen mit der Position des Anodendrahtes und der detektierenden Kathode eine Extrapolation des primär zu detektierenden Teilchens Bem.: Es reicht aus Influenzladungen nachzuweisen! Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 20 Gasgefüllte Detektoren – Zeit-Projektionskammer (TPC) Qa •genaue Ortsauflösung und Energieabsorptionsmessung •großes aktives Meßvolumen (hauptsächlich nur Gas) •nur geringe Teilchenraten zulässig Qa Ortsauflösung: 200 µm (Ebene) bzw. ~1mm (z-Richtung) Driftzeiten: ~ms (f. Elektronen) ~s (Ionen) Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 21 Halbleiterdetektoren •in Sperrrichtung betriebener npÜbergang •Die Energiebandlücke wird zur Ortsdetektierung •nur etwa 2eV für Bildung von Elektron-Lochpaaren nötig •hohe Ortsauflösung bei kleinem aktiven Volumen •kostenintensive und aufwendige Konstruktion •Ortsauflösung (im B-Feld): 10- 20 µm QI Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 22 Szintilatoren •Fluoreszierende Medien (kurzlebige Zustände im S.-Material •Photonen werden in der Regel durch Photomultiplier oder Halbleiterdioden detektiert •(hier:) keine Ortsauflösung •Reaktionszeiten liegen im ns Bereich Szintillator mit aufg. Photomultiplier Qb Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 23 Kalorimeter Sampling Technik: •Abwechselnde Detektorschichten und Absorberschichten •Absorberschichten bestimmen die Stärke und Art der Absorption •meist Fe oder Pb als Absorbermaterial •homogen: •Medium ist gleichzeitig Szintillator und Absorbermaterial •Dicke: elm.-Kalorimeter: t = ~20 Schematische Skizze, QI had.-Kalorimeter: t = 6 – 9 (Bem: i.d.R. 9λ > 10 X0) Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 24 Kalorimeter Ringkalorimeter des NA49 Experiment am Forschungszentrum CERN Betrachtung von Hadronen der Pb+Pb Reaktion bei 185 GeV/u Strahlenergie Antwortzeiten: ~µs Schematische Skizze, QI Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 25 Anwendung in Großdetektoren Myonenspurkammern prinzipieller Aufbau eines Großdetektors, QI •4π Geometrie •senkrecht stehendes H-Feld (Orts-Impuls Messung) •1.Spurdetektor: Siliziumdetektoren, (Spurkammern) hohe Ortsauflösung bei kleinem aktiven Volumen, relativ hoher Preis •2.Spurdetektor: Spurkammern, Vieldrahtproportionalkammern geringere Ortsauflösung jedoch durch größere Volumen günstiger in der Fertigung Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 26 Anwendung in Großdetektoren Myonenspurkammern prinzipieller Aufbau eines Großdetektors, QI •elektromag. Kalorimeter: Nachweis von Elektronen, Positronen und Quanten •hadronische Kalorimeter: Nachweis von z.B. Protonen, Neutronen bzw. Pionen •Myonenspurkammern: Ortsdetektoren im Magnetfeld früher: Szintillatoren, zum Nachweis der schwer absorbierbaren Myonen Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 27 Anwendung in Großdetektoren Myonenspurkammern prinzipieller Aufbau eines Großdetektors, QI qualitatives Beispielereignis: grün, schwarz: Elektronen oder Positronen braun: Entstehung zweier Quanten im Absorbermaterial des Kalorimeters rot: Hadron, genauere Bestimmung durch quantitative Messung nötig blau: Myon Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 28 Anwendung in Großdetektoren - LHC QIV Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 29 Anwendung in Großdetektoren - LHC QIV Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 30 Anwendung in Großdetektoren - LHC QIV Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 31 Resumé Überprüfung des Standardmodells: Teilchen-WW = „Black-Box“! Funktionsweise kann durch die Betrachtung der Ausgangssignale bei bekannten Eingangsparametern beschrieben werden. •Eingangsparameter: Beschleuniger (Energie) •Ausgangssignal: Detektoren ⇒ ¾ Energie: Kalorimeter ¾ Impuls: Spurdetektoren im Magnetfeld ¾ Art: (Kalorimeter) Die erzeugten Teilchen sind bestimmt Theorie gilt als bestätigt wenn die oben gemessenen Ausgangssignale mit den Vorhersagen der Theorie übereinstimmen! Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 32 Quellen und Literatur Literatur: a. K. Kleinknecht: „Detektoren für Teilchenstrahlung“, Teubner 1992 b. Prof. T. Hebbeker: „Detektoren in der Elementarteilchenphysik“, HUB SS 1997 c. Prof. A. Böhm: „Durchgang geladener Teilchen durch Materie“, III.phys. Inst. SS 2002 d. Dr. F. Eckhard: „Entwicklung und Bau eines Flugzeitdetektors zur Untersuchung der Hadronenemission in Pb+Pb-Reaktionen bei 158 GeV/u Strahlenergie“, http://eckhardt.home.cern.ch/eckhardt/phd/phd.html e. Grundlagen der Teilchenphysik: http://www.physik.uni-erlangen.de/Didaktik/grundl_d_tph/ f. H. Frauenfelder, E. Henley: „Teilchen un Kerne“, R.Ouldenbourg Verlag 1999 Bildquellen: I. http://www.physik.uni-erlangen.de/Didaktik/grundl_d_tph/exp_detek/exp_detek_00.html II. http://insti.physics.sunysb.edu/~allen/252/PHY251_Geiger.html III. Otter: „Atome-Moleküle-Kerne“ Bd. II, Teubner 1996 IV. http://cmsinfo.cern.ch/Welcome.html/ V. http://www.desy.de/f/jb99/desy99-090_096.pdf VI. http://tesla.desy.de/ Ralph Steinhagen , Seminar: Moderne Methoden/Experimente der Teilchen - und Astroteilchenphysik 33