Philipp Siewert Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht Die Resonanz auf den Mord in der zeitgenössischen Presse Schule: Bergstadt-Gymnasium Lüdenscheid Kurs: 12 GE-GK1 Kurslehrer: Dr. Dietmar Simon Schuljahr 2011/2012 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... 2 Einleitung ................................................................................................................................. 3 Personen .................................................................................................................................. 3 Politische Vorgeschichte .......................................................................................................... 4 Spaltung der SPD................................................................................................................. 4 Die Politische Umwälzung während des Krieges und der Novemberrevolution .................. 5 Die Machtlage in Berlin während des Januaraufstandes 1919 ............................................ 6 Verhaftung und Mord ............................................................................................................... 7 Der Mord in der zeitgenössischen Presse ............................................................................... 8 Die Freiheit ........................................................................................................................... 8 Der Vorwärts ........................................................................................................................ 9 Vossische Zeitung ................................................................................................................ 9 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................... 11 Bedeutung des Mordes für die Weimarer Republik ............................................................... 11 Literatur- und Quellenverzeichnis .......................................................................................... 12 Erklärung über die selbstständige Anfertigung der Arbeit...................................................... 13 2 Einleitung In meiner Facharbeit möchte ich mich mit dem Mord an den beiden kommunistischen deutschen Politikern Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 in Berlin beschäftigen. Genauer möchte ich der Frage nachgehen, wie der Mord in der zeitgenössischen Presse aufgefasst wurde, um herauszufinden, welche Bedeutung der Mord in der damaligen Zeit hatte und wie er von den Zeitungen der verschiedenen politischen Richtungen und Parteien aufgefasst wurde. Dieses Thema ist für die Geschichte der Weimarer Republik von höchster Relevanz, da der Mord zur endgültigen Spaltung der deutschen Sozialdemokratie in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) führte und das Verhältnis der beiden Parteien langfristig belastete. Dieser Umstand führte auch zu der Tatsache, dass sich die beiden Parteien später nicht gemeinsam gegen die Nationalsozialisten wehrten und ihre Machtergreifung so ermöglichten. Der Regisseur und Autor Klaus Gietinger schrieb sogar, „dass mit dem Leichnam Rosa Luxemburgs auch schon die Weimarer Republik untergegangen war.“1 Personen Rosa Luxemburg (*5. März 1871 in Zamość, Russisches Kaiserreich) war eine Autorin und marxistische Theoretikerin der deutschen Sozialdemokratie. Anfangs linke Sozialdemokratin, war sie später Gründungsmitglied der KPD und zusammen mit Karl Liebknecht Herausgeberin der Zeitung Die Rote Fahne.2 Karl Liebknecht (*13. August 1871 in Leipzig) war ein deutscher Rechtsanwalt und linksrevolutionärer Politiker. Als Reichstagsabgeordneter der SPD lehnte er die Kriegskredite ab und gründete später die antimilitaristische KPD. Liebknecht rief 1918 die „freie sozialistische Republik“ aus. Am 15. Januar 1919 wurden er und Rosa Luxemburg von rechten Truppen ermordet.3 1 Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Die Ermordung Rosa Luxemburgs, Hamburg 2008, Seite 113 2 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg (abgerufen am 27.01.2012) 3 vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht (abgerufen am 27.01.2012) 3 Politische Vorgeschichte Um die Reaktionen auf den Mord genau erläutern zu können, muss die umfangreiche politische Vorgeschichte erläutert werden. Dazu gehören: 1. Die Bedeutung der beiden Akteure für die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie, 2. die politische Umwälzung während des Krieges und der Novemberrevolution, sowie 3. die Machtlage in Berlin während des Januaraufstandes 1919. Spaltung der SPD Anfang des 20. Jahrhunderts galt die deutsche Sozialdemokratie als die fortschrittlichste der Welt. Rosa Luxemburg war deswegen extra nach Berlin gereist und ist eine Scheinehe eingegangen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen und Mitglied der SPD werden zu können. In der SPD gab es bis zur Spaltung zwei bedeutende Strömungen: Die eine war die revolutionäre Strömung, zu der auch Luxemburg und Liebknecht gezählt werden und die später in den Spartakusbund bzw. die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) aufging. Die andere wichtige Strömung bildeten die Reformisten, die zur Durchsetzung ihrer Ziele den parlamentarischen Weg vorzogen. Diese bildeten die Mehrheit innerhalb der Sozialdemokratie. Die meisten prominenten SPD-Politiker wie z.B. Reichspräsident Ebert gehörten dieser Strömung an. Die Tatsächliche Spaltung der SPD begann mit dem Ersten Weltkrieg. Anfangs herrschte in Deutschland eine große Kriegseuphorie. Liebknecht als Mitglied des Reichstags für die SPD, unterstützte die Politik der SPD hinsichtlich des Krieges nicht. Der Großteil der Sozialdemokraten im Reichstag unterstützte die Kriegsziele der Regierung und des Kaisers. Die Kriegseuphorie wurde aufgegriffen und die Kriegskredite unterstützt. Nachdem Karl Liebknecht als erster Abgeordneter im Dezember 1914 gegen die Kriegskredite stimmte, wurde er aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Mit Rosa Luxemburg und anderen Kriegsgegnern der SPD bildete er die Gruppe Internationale, aus der später der Spartakusbund hervorging. Bereits seit 1916 gab es in Deutschland Tendenzen zur Gründung einer radikalen linken Partei. Ab 1917 bestand die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD), die zuvor eine Opposition innerhalb der SPD formte („Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“) und später unabhängig wurde. Um die Jahreswende 1918/1919 wurde die KPD gegründet. Das von Rosa Luxemburg verfasste Parteiprogramm wurde angenommen. Die jedoch wohl wichtigste Frage des 4 Gründungsparteitags war, wie die neue Partei zur verfassungsgebenden Nationalversammlung stehen würde. Dieses später in Weimar tagende Parlament (daher auch der Begriff Weimarer Republik) wurde auch von der SPD unterstützt. Durch deren Mehrheit auf dem Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte wurde die Wahl auch möglich, was die beiden Flügel der damaligen Sozialdemokratie abermals gut veranschalicht. Die Teilnahme an den Wahlen vom 19. Januar wurde von etwas ¾ der Delegierten auf dem Gründungsparteitag der KPD abgelehnt. Dies verdeutlicht auch, dass innerhalb der KPD die Spartakusgruppe dominierte, die sich „vom Gros der Unabhängigen […] durch ihr Bekenntnis zu einem konsequenten Internationalismus und zum revolutionären Kampf gegen den Imperialismus“4 absetzte. Die Politische Umwälzung während des Krieges und der Novemberrevolution Von Beginn des 1. Weltkrieges bis zum Ende 1918 und der Novemberrevolution gab es in Deutschland eine grundsätzliche Änderung des politischen Systems. Gab es zu Beginn noch die Monarchie mit Kaiser und Dreiklassenwahlrecht, bildete sich bis 1919 eine parlamentarische und demokratische Republik. Maßgeblich für diese Veränderung war auch die Sozialdemokratie, die, natürlicherweise gezwungenermaßen, während dieser Zeit eine erhebliche Veränderung durchmachte. Während die SPD und ähnliche Parteien durch allgemeine Zustände wie das Dreiklassenwahlrecht, aber auch durch konkrete Maßnahmen wie die Sozialistengesetze im Kaiserreich kontinuierlich benachteiligt wurden, erlangten sie mit dem (nahenden) Ende des bestehenden Machtgefüges immer mehr an Bedeutung. Die Novemberrevolution entwickelte sich aus dem Kieler Matrosenaufstand im Oktober 1918. Am 9. November, noch zwei Tage vor dem offiziellen Waffenstillstand, dankte Kaiser Wilhelm II. ab. Am gleichen Tag rief Philipp Scheidemann von der SPD in Berlin die deutsche Republik aus. Damit wollte die SPD Karl Liebknecht und dem Spartakusbund zuvorkommen, von denen bekannt war, dass sie am gleichen Tag ebenfalls die Republik ausrufen würden. Zwei Stunden später rief Liebknecht vor dem Berliner Stadtschloss die „freie sozialistische Republik Deutschland“ aus, mit der Niederschlagung Spartakusaufstandes war aber auch diese Idee schon wieder Geschichte. 4 Heinreich August Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, Berlin/Bonn, 2. Auflage von 1985, Seite 114 5 des Am folgenden Tag wurde von der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte5 die neue Regierung, der Rat der Volksbeauftragten, eingesetzt. Der Rat bestand anfangs aus je drei Mitgliedern von SPD und USPD. Die Mitglieder der USPD schieden jedoch im Dezember aus und wurden durch SPD-Anhänger ersetzt. Luxemburg versuchte daraufhin, die Revolutionäre innerhalb der USPD für die Gründung der KPD zu gewinnen, scheiterte aber.6 Die Machtlage in Berlin während des Januaraufstandes 1919 Der Januaraufstand (auch Spartakusaufstand) stellt das Ende der Novemberrevolution dar. Als Auslöser kann die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichkorn (USPD) am 4. Januar gesehen werden. Tags darauf begann der von der USPD, der KPD und den revolutionären Obleuten7 initiierte Generalstreik der sich zum Januaraufstand ausweitete. Zwischen Liebknecht und Luxemburg kam es daraufhin zu einer Auseinandersetzung, Luxemburg entschied letztendlich auch wie Liebknecht die kämpfenden Arbeiter zu unterstützen. „Die letzten Lebenstage von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren von der tragischen Entscheidung verdüstert, die sie wieder besseres Wissen an den verfehlten und aussichtslosen Berliner Aufstand fesselte.“8 Obwohl die in Berlin gebildeten Freiwilligen-Regimenter zu Niederschlagung des Aufstandes gereicht hätten, marschierte der Volksbeauftragte Gustav Noske (SPD) mit dreitausend Soldaten in Berlin ein, um die endgültige Ordnung wieder herzustellen. Dies geschah trotz der sicheren Niederschlagung des Aufstandes. Unter diesen Truppen befand sich auch die Garde-Kavallerie-Schützen-Division (GKSD) unter der Leitung Waldemar Papsts, die am 15. Januar den Mord an Liebknecht und Luxemburg durchführen ließ. 5 Die Arbeiter- und Soldatenräte wurden am Ende der 1. Weltkrieges nach Vorbild der Sowjets (deutsch: Räte) der Oktoberrevolution zur Selbstverwaltung der Städte gebildet. Sie bestanden hauptsächlich aus Anhängern von SPD und USPD. (vgl.: http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raete/index.html, aufgerufen am 4. Februar 2012) 6 vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Dokumentation eines politischen Verbrechens, Frankfurt am Main, 2. Auflage 1968, Seite 25 7 Von Gewerkschaften unabhängige Arbeitnehmervertreter. 8 vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Seite 27f 6 Die beiden wurden von den Sozialdemokraten und einmarschierten Truppen als verantwortliche Rädelsführer des Aufstandes gesehen. Todesdrohungen waren keine Seltenheit, angeblich war sogar ein Kopfgeld von 100.000 (!) Reichsmark ausgesetzt.9 Verhaftung und Mord Während des Januaraufstandes mussten Liebknecht und Luxemburg ihr Quartier immer wieder wechseln. Nachdem die Aufstände endgültig niedergeschlagen waren, befassten sich die Freikorps und zahlreiche Bürgerwehren mit der Suche nach den Anführer des Aufstandes, also auch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg. Am 15. Januar drangen fünf Mitglieder der Wilmersdorfer Bürgerwehr in eine Wohnung in der Mannheimer Straße 43 in Berlin ein. „Dort, so gaben sie später an, vermuteten sie eine spartakistische Zusammenkunft und Waffen, tatsächlich hatten sie aber Liebknecht und Luxemburg gesucht.“10 Die beiden Gesuchten wurden trotz fehlendem Haftbefehl verhaftet und schließlich in das Eden-Hotel gebracht, welches als Hauptquartier der GKSD diente. Darauf ging bei Noske ein Anruf von Papst ein. Dieser erkundigte sich, was mit den Gefangenen zu tun sei. Noske wies ihn an, bei General von Lüttwitz die Genehmigung zur Erschießung einzuholen. Auf die Aussage Papsts hin, er würde diese nicht bekommen, bekam eine Antwort, die er als Freibrief verstand: „Dann müssen Sie selbst verantworten, was zu tun ist.“11 Noch am selben Abend fingierte Papst einen Abtransport der Gefangenen in Berliner Gefängnisse. Rosa Luxemburg wurde kurz nach der Abfahrt, noch benommen von Schlägen mit einem Gewehrkolben, erschossen. Zuvor wurde Karl Liebknecht im Tiergarten „auf der Flucht“ erschossen. In den folgenden Jahrzehnten konnte nie tatsächlich aufgeklärt werden, wer der Schütze war. Trotz der Möglichkeit eines Zivilgerichts wurde ein Kriegsgericht einberufen. Als Richter bestimmte man Wilhelm Canaris, „weil ihm die Beteiligten ihr Vertrauen entgegenbrachten.“ Mit „Beteiligten“ sind seine Freunde Waldemar Papst und der Angeklagte Pflugk-Harttung gemeint. Canaris, Papst und der Kriegsgerichtsrat Jorns sorgten letztendlich auch dafür, dass niemand wegen Mordes oder Totschlag verurteilt wurde.12 9 vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Seite 29 10 Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 21 11 vgl.: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 108 12 vgl.: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 51-55 7 Der Mord in der zeitgenössischen Presse In den auf den Mord folgenden Tagen begann die Auseinandersetzung um den Mord vor allem in den Zeitungen der verschiedenen linken Parteien, andere Zeitungen zeigten weniger Interesse. Um die Vorgänge in der Presse interpretieren zu können, möchte ich verschiedene Artikel aus drei Zeitungen analysieren. Zuerst möchte ich mit mich der Freiheit, der damaligen Zeitung der USPD beschäftigen. Diese entwickelte eine Auseinandersetzung mit dem Vorwärts, der bis heute die Zeitung der SPD ist. Als Vergleich möchte ich Artikel aus der Vossischen Zeitung heranziehen, die dem liberalen Bürgertum zuzurechnen ist. Die Rote Fahne war seit dem Tod ihrer Herausgeber vier Wochen lang nicht erschienen. Da die interpretierten Artikel an den Tagen unmittelbar dem Mord veröffentlich wurden, werde ich die Artikel aus der Roten Fahne nicht berücksichtigen. Die beiden Parteizeitungen sind damals täglich erschienen sind, was in der heutigen Zeit eher ungewöhnlich ist und daher Erwähnung finden muss. Die Freiheit Am 17. Januar veröffentlichte die Freiheit einen Artikel, im dem sie die Regierung um Ebert und Scheidemann als die „wahren Urheber“ des Verbrechens bezichtigte. Der Mord wird somit als politscher Mord deklariert und nicht als Akt der Lynchjustiz angesehen. Mit der Überschrift „Die Schuldigen!“ wird die Intention des Artikels bereits ersichtlich. Es wird bezweifelt, dass die Regierung tatsächlich an der Aufklärung interessiert ist, da man von einem politischen Mord ausging. Mit der Vermutung bzgl. der Aufklärung sollte die Freiheit Recht behalten. Am Tag zuvor war in der Vossischen Zeitung eine amtliche Erklärung zu dem Mord erschienen. Auch deren Wahrhaftigkeit wird in der Freiheit stark angezweifelt. – Ebenfalls zurecht.13 In den Ausgaben der folgenden Tage wurden die Anschuldigungen gegenüber der Regierung bekräftigt. In der Abendausgabe des 17. Januars und in der folgenden Morgenausgabe wurden Gegendarstellungen zu den amtlichen Darstellungen des Mordes sowie Zeugenberichte abgedruckt. Auch diese widersprechen der amtlichen Darstellung, die aus heutiger Sicht an den relevanten Punkten als größtenteils falsch angesehen werden kann. In seiner Berichterstattung schlägt sich die Freiheit auf die Seite der Ermordeten, obwohl diese nicht der USPD angehörten. Dies kann jedoch damit begründet werden, dass USPD und KPD während des Januaraufstandes die aufständischen Arbeiter unterstützten und sich wie die KPD im sozialistischen Spektrum als Gegenpol zur SPD sahen. 13 vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 43-46 8 Der Vorwärts Am 17. Januar veröffentlichte der Vorwärts eine Rede Philipp Scheidemanns. Dieser versuchte sich möglichst sachlich über den Mord zu äußern. Sein Bedauern wird aber von der Kritik an der spartakistischen Handlungsweise überdeckt. In der gleichen Ausgabe kritisiert der Vorwärts jedoch die „Tägliche Rundschau“, die den Tod der beiden als gerecht ansieht und die Gewalt noch verherrlichte. Der Vorwärts, als Organ der Sozialdemokratischen Partei, interessierte sich nicht sonderlich für den Mord als solchen. Die Berichterstattung fokussierte sich dabei auf zwei Hauptaspekte: Die Rolle der Regierung sowie den daraus resultierenden Konflikt mit der Freiheit. Die Freiheit hielt die Regierung (und die SPD) für die Verantwortlichen an dem Mord. Seitens des Vorwärts wurde diese Berichterstattung negativ betrachtet. Der mit „Die Untersuchung. Die ,Freiheit’ hetzt und verleumdet.“ betitelte Artikel im Vorwärts befasste sich damit. Dabei werden auch Beschimpfungen nicht gescheut: „Die ,Freiheit’ schöpft ihre ,Überzeugungen’ aus dem unerschöpflichen Born ihrer schmutzigen Gesinnung.“14 Ob diese einfache Wertung die Leser überzeugen konnte, ist allerdings höchst fraglich. Das Interesse der SPD, den Mord aufzuklären, soll auch der Verweis auf die Meinung der Ermordeten bzgl. der Freiheit verdeutlichen. („Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die uns haßten, haben wohl gewusst, warum sie für die Unabhängigen nur Verachtung übrig hatten!“15) Die Regierung um Ebert und Scheidemann wurde vom Vorwärts in stets Schutz genommen. Deren Mittäterschaft wurde als Erfindung der Freiheit deklariert. Der Mordvorgang und die Aufklärung der tatsächlichen Täter hatte im Vorwärts keine große Relevanz, er nimmt somit voll und ganz die Rolle der Parteizeitung an, die die Regierung und Partei in ein gutes Licht stellen möchte. Vossische Zeitung Die Freiheit und der Vorwärts stehen nach dem Mord im Konflikt miteinander. Deshalb bietet es sich an, zum Vergleich Artikel einer dritten Zeitung zu interpretieren. Die Vossische Zeitung, die älteste Zeitung Berlins, kann nicht dem linken, sondern dem bürgerlichen Spektrum zugeordnet werden. Mit ihren Artikeln kann nachvollzogen werden, wie der Mord außerhalb von Parteizeitungen aufgefasst und der Bevölkerung berichtet wurde. 14 Vorwärts, Berlin, 18. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 48 15 Vorwärts, Berlin, 18. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 48 9 Am 16. Januar druckte die Vossische Zeitung eine amtliche Darstellung des Mordes ab. Diese enthielt eine detaillierte Beschreibung der Geschehnisse, die bereits in den Tagen danach stark angezweifelt wurden und aus heutiger Sicht große Fehler ausweist. Als Bespiel dafür kann die angebliche Menschenmenge genannt werden, die aufgrund der weiträumigen Absperrung des Eden-Hotels gar nicht möglich war. Die Tötung „aus der Menge heraus“ war eine Erfindung Papstes.16 Diese amtliche Darstellung wurde von der Vossischen Zeitung zwar erstmal hingenommen, jedoch wurde der Mord in der gleichen Ausgabe, also auch noch am Tag nach dem Mord, ausführlich vom moralischen Standpunkt betrachtet. In dem besagten, mit „Richter Lynch“ betiteltem Artikel übte die Vossische Zeitung deutliche Kritik an der Vorgehensweise der Lynchjustiz ohne ein legitimiertes Gericht. („Seine Aufgabe wäre es gewesen, sie für die Zukunft unschädlich zu machen, nicht aber grausame Rache an ihnen zu nehmen.“17) Dieser moralische Aspekt fehlt bei den anderen beiden Zeitungen grundsätzlich. Gleichzeitig werden Liebknecht und Luxemburg aber auch kritisiert. In dem Artikel wird die geistige Fähigkeit Liebknechts angezweifelt, während bei Luxemburg ihr „allzu heftige[s] Gefühlsleben“18 als Grund für ihre Tätigkeit beschrieben wird. Der Artikel greift die Aussagen des amtlichen Berichtes auf, in dem ein Angriff „aus der Menge heraus“19 geschildert wird: „Es ist nicht zu verkennen, dass an den beiden terroristischen Führern eine Art Volksgericht vollstreckt worden ist. Nicht Haß gegen ihre Personen, sondern gegen die von ihnen geführte Bewegung hat ihr Ende herbeigeführt. Der Spartakus-Schrecken hat durch diese Tat seine furchtbarste Ablehnung von Seiten des Volkes erfahren.“20 Eine kritische Betrachtung fehlt somit. Nach ihrem Tod werden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in der Vossischen Zeitung scharf kritisiert, die Abneigung des Autors gegenüber beiden wird deutlich. Trotzdem wird die ausgeübte Lynchjustiz abgelehnt und ein ordentliches Gericht, welche eine gerechte Strafe verhängen soll, als richtige Alternative angesehen. Die Vossische Zeitung vertritt somit eine aus heutiger Sicht übliche Denkweise. 16 vgl.: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 109 17 Vossische Zeitung, Berlin, 16. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 40 18 ebd. 19 vgl. Fußnote 16 20 Vossische Zeitung, Berlin, 16. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 40 10 Zusammenfassung der Ergebnisse Nach der Analyse der Artikel aus den drei Zeitungen kann festgestellt werden, dass eine große Diversität an Meinungen zu dem Mord und den Verantwortlichen bestand. Auch die Fokussierung der einzelnen Zeitungen war sehr unterschiedlich. Von den beiden Parteizeitungen, dem Vorwärts und der Freiheit, kann gesagt werden, dass sie sich in ihrer Berichterstattung der jeweiligen Parteilinie fügten. Der Mord als solcher hatte einen geringeren Stellenwert als die politische Verantwortung und die Berichterstattung der anderen Zeitungen. Bedeutung des Mordes für die Weimarer Republik Aus heutiger Sicht kann festgestellt werden, dass der Mord für die Geschichte der Weimarer Republik eine enorm hohe Bedeutung hat. Waren die beiden Parteien nach ihrer Spaltung schon alles andere als freundschaftlich verbunden, verschlechterte sich das Verhältnis im Zuge der Mordes immer weiter. Als die Machtergreifung der Nationalsozialisten näher rückte, konnte diese auch nicht verhindert werden, da das Verhältnis von Kommunisten und Sozialdemokraten einer Zusammenarbeit entgegenstand. Über die Frage, ob „mit dem Leichnam Rosa Luxemburgs auch schon die Weimarer Republik untergegangen war“21 kann sicherlich gestritten werden, jedoch ist klar, dass das Verhalten der damaligen Regierung dem Anspruch einer parlamentarischen Republik nicht gerecht werden konnte. 21 vgl. Fußnote 1 11 Literatur- und Quellenverzeichnis Literatur: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Die Ermordung Rosa Luxemburgs, Hamburg 2008 Hannover-Drück, Elisabeth / Hannover, Heinrich: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, Dokumentation eines politischen Verbrechens, Frankfurt am Main, 2. Auflage 1968 Kluge, Ulrich: Die deutsche Revolution 1918/1919, Frankfurt am Main 1985 Longerich, Peter: Deutschland 1918 – 1933, Die Weimarer Republik, Hannover 1995 Von Freyberg, Jutta / Fülberth, Georg / Harrer, Jürgen / Hebel-Kunze, Bärbel / Hofschen, Heinz-Gerd / Ott, Erich / Stuby, Gerhard: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, Von 1863 bis zur Gegenwart, Köln, 3. Auflage 1989 Winkler, Heinreich August: Von der Revolution zur Stabilisierung, Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, Berlin/Bonn, 2. Auflage 1985 Sonstige Quellen: http://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg (abgerufen am 27.01.2012) http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht (abgerufen am 27.01.2012) http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raete/index.html (aufgerufen am 4. Februar 2012) 12 Erklärung über die selbstständige Anfertigung der Arbeit Ich versichere, dass ich die Facharbeit einschließlich evt. beigefügter Anhänge selbstständig angefertigt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen sind, habe ich in jedem einzelnen Fall unter genauer Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung kenntlich gemacht. (Ort, Datum, Unterschrift) 13