Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

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Philipp Siewert
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
Die Resonanz auf den Mord in der zeitgenössischen Presse
Schule: Bergstadt-Gymnasium Lüdenscheid
Kurs: 12 GE-GK1
Kurslehrer: Dr. Dietmar Simon
Schuljahr 2011/2012
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis..................................................................................................................... 2
Einleitung ................................................................................................................................. 3
Personen .................................................................................................................................. 3
Politische Vorgeschichte .......................................................................................................... 4
Spaltung der SPD................................................................................................................. 4
Die Politische Umwälzung während des Krieges und der Novemberrevolution .................. 5
Die Machtlage in Berlin während des Januaraufstandes 1919 ............................................ 6
Verhaftung und Mord ............................................................................................................... 7
Der Mord in der zeitgenössischen Presse ............................................................................... 8
Die Freiheit ........................................................................................................................... 8
Der Vorwärts ........................................................................................................................ 9
Vossische Zeitung ................................................................................................................ 9
Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................................................... 11
Bedeutung des Mordes für die Weimarer Republik ............................................................... 11
Literatur- und Quellenverzeichnis .......................................................................................... 12
Erklärung über die selbstständige Anfertigung der Arbeit...................................................... 13
2
Einleitung
In meiner Facharbeit möchte ich mich mit dem Mord an den beiden kommunistischen
deutschen Politikern Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg am 15. Januar 1919 in Berlin
beschäftigen. Genauer möchte ich der Frage nachgehen, wie der Mord in der
zeitgenössischen Presse aufgefasst wurde, um herauszufinden, welche Bedeutung der Mord
in der damaligen Zeit hatte und wie er von den Zeitungen der verschiedenen politischen
Richtungen und Parteien aufgefasst wurde.
Dieses Thema ist für die Geschichte der Weimarer Republik von höchster Relevanz, da der
Mord zur endgültigen Spaltung der deutschen Sozialdemokratie in die Sozialdemokratische
Partei Deutschlands (SPD) und die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) führte und
das Verhältnis der beiden Parteien langfristig belastete. Dieser Umstand führte auch zu der
Tatsache,
dass
sich
die
beiden
Parteien
später
nicht
gemeinsam
gegen
die
Nationalsozialisten wehrten und ihre Machtergreifung so ermöglichten. Der Regisseur und
Autor Klaus Gietinger schrieb sogar, „dass mit dem Leichnam Rosa Luxemburgs auch schon
die Weimarer Republik untergegangen war.“1
Personen
Rosa Luxemburg (*5. März 1871 in Zamość, Russisches Kaiserreich) war eine Autorin und
marxistische Theoretikerin der deutschen Sozialdemokratie. Anfangs linke Sozialdemokratin,
war sie später Gründungsmitglied der KPD und zusammen mit Karl Liebknecht
Herausgeberin der Zeitung Die Rote Fahne.2
Karl Liebknecht (*13. August 1871 in Leipzig) war ein deutscher Rechtsanwalt und
linksrevolutionärer Politiker. Als Reichstagsabgeordneter der SPD lehnte er die Kriegskredite
ab und gründete später die antimilitaristische KPD. Liebknecht rief 1918 die „freie
sozialistische Republik“ aus. Am 15. Januar 1919 wurden er und Rosa Luxemburg von
rechten Truppen ermordet.3
1
Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Die Ermordung Rosa Luxemburgs,
Hamburg 2008, Seite 113
2
vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg (abgerufen am 27.01.2012)
3
vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht (abgerufen am 27.01.2012)
3
Politische Vorgeschichte
Um die Reaktionen auf den Mord genau erläutern zu können, muss die umfangreiche
politische Vorgeschichte erläutert werden. Dazu gehören:
1. Die Bedeutung der beiden Akteure für die Spaltung der deutschen Sozialdemokratie,
2. die politische Umwälzung während des Krieges und der Novemberrevolution, sowie
3. die Machtlage in Berlin während des Januaraufstandes 1919.
Spaltung der SPD
Anfang des 20. Jahrhunderts galt die deutsche Sozialdemokratie als die fortschrittlichste der
Welt. Rosa Luxemburg war deswegen extra nach Berlin gereist und ist eine Scheinehe
eingegangen, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu erlangen und Mitglied der SPD werden
zu können.
In der SPD gab es bis zur Spaltung zwei bedeutende Strömungen: Die eine war die
revolutionäre Strömung, zu der auch Luxemburg und Liebknecht gezählt werden und die
später
in
den
Spartakusbund
bzw.
die
Unabhängige
Sozialdemokratische
Partei
Deutschlands (USPD) aufging. Die andere wichtige Strömung bildeten die Reformisten, die
zur Durchsetzung ihrer Ziele den parlamentarischen Weg vorzogen. Diese bildeten die
Mehrheit innerhalb der Sozialdemokratie. Die meisten prominenten SPD-Politiker wie z.B.
Reichspräsident Ebert gehörten dieser Strömung an.
Die Tatsächliche Spaltung der SPD begann mit dem Ersten Weltkrieg. Anfangs herrschte in
Deutschland eine große Kriegseuphorie. Liebknecht als Mitglied des Reichstags für die SPD,
unterstützte die Politik der SPD hinsichtlich des Krieges nicht. Der Großteil der
Sozialdemokraten im Reichstag unterstützte die Kriegsziele der Regierung und des Kaisers.
Die Kriegseuphorie wurde aufgegriffen und die Kriegskredite unterstützt. Nachdem Karl
Liebknecht als erster Abgeordneter im Dezember 1914 gegen die Kriegskredite stimmte,
wurde er aus der SPD-Fraktion ausgeschlossen. Mit Rosa Luxemburg und anderen
Kriegsgegnern der SPD bildete er die Gruppe Internationale, aus der später der
Spartakusbund hervorging.
Bereits seit 1916 gab es in Deutschland Tendenzen zur Gründung einer radikalen linken
Partei. Ab 1917 bestand die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD), die zuvor
eine Opposition innerhalb der SPD formte („Sozialdemokratische Arbeitsgemeinschaft“) und
später unabhängig wurde.
Um die Jahreswende 1918/1919 wurde die KPD gegründet. Das von Rosa Luxemburg
verfasste Parteiprogramm wurde angenommen. Die jedoch wohl wichtigste Frage des
4
Gründungsparteitags
war,
wie
die
neue
Partei
zur
verfassungsgebenden
Nationalversammlung stehen würde. Dieses später in Weimar tagende Parlament (daher
auch der Begriff Weimarer Republik) wurde auch von der SPD unterstützt. Durch deren
Mehrheit auf dem Reichskongress der Arbeiter- und Soldatenräte wurde die Wahl auch
möglich,
was
die
beiden
Flügel
der
damaligen
Sozialdemokratie
abermals
gut
veranschalicht. Die Teilnahme an den Wahlen vom 19. Januar wurde von etwas ¾ der
Delegierten auf dem Gründungsparteitag der KPD abgelehnt. Dies verdeutlicht auch, dass
innerhalb der KPD die Spartakusgruppe dominierte, die sich „vom Gros der Unabhängigen
[…] durch ihr Bekenntnis zu einem konsequenten Internationalismus und zum revolutionären
Kampf gegen den Imperialismus“4 absetzte.
Die Politische Umwälzung während des Krieges und der Novemberrevolution
Von Beginn des 1. Weltkrieges bis zum Ende 1918 und der Novemberrevolution gab es in
Deutschland eine grundsätzliche Änderung des politischen Systems. Gab es zu Beginn noch
die Monarchie mit Kaiser und Dreiklassenwahlrecht, bildete sich bis 1919 eine
parlamentarische und demokratische Republik. Maßgeblich für diese Veränderung war auch
die Sozialdemokratie, die, natürlicherweise gezwungenermaßen, während dieser Zeit eine
erhebliche Veränderung durchmachte. Während die SPD und ähnliche Parteien durch
allgemeine Zustände wie das Dreiklassenwahlrecht, aber auch durch konkrete Maßnahmen
wie die Sozialistengesetze im Kaiserreich kontinuierlich benachteiligt wurden, erlangten sie
mit dem (nahenden) Ende des bestehenden Machtgefüges immer mehr an Bedeutung.
Die Novemberrevolution entwickelte sich aus dem Kieler Matrosenaufstand im Oktober 1918.
Am 9. November, noch zwei Tage vor dem offiziellen Waffenstillstand, dankte Kaiser
Wilhelm II. ab. Am gleichen Tag rief Philipp Scheidemann von der SPD in Berlin die
deutsche Republik aus. Damit wollte die SPD Karl Liebknecht und dem Spartakusbund
zuvorkommen, von denen bekannt war, dass sie am gleichen Tag ebenfalls die Republik
ausrufen würden. Zwei Stunden später rief Liebknecht vor dem Berliner Stadtschloss die
„freie
sozialistische
Republik
Deutschland“
aus,
mit
der
Niederschlagung
Spartakusaufstandes war aber auch diese Idee schon wieder Geschichte.
4
Heinreich August Winkler: Von der Revolution zur Stabilisierung, Arbeiter und
Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, Berlin/Bonn, 2. Auflage von
1985, Seite 114
5
des
Am folgenden Tag wurde von der Vollversammlung der Arbeiter- und Soldatenräte5 die neue
Regierung, der Rat der Volksbeauftragten, eingesetzt. Der Rat bestand anfangs aus je drei
Mitgliedern von SPD und USPD. Die Mitglieder der USPD schieden jedoch im Dezember aus
und
wurden
durch
SPD-Anhänger
ersetzt.
Luxemburg
versuchte
daraufhin,
die
Revolutionäre innerhalb der USPD für die Gründung der KPD zu gewinnen, scheiterte aber.6
Die Machtlage in Berlin während des Januaraufstandes 1919
Der Januaraufstand (auch Spartakusaufstand) stellt das Ende der Novemberrevolution dar.
Als Auslöser kann die Absetzung des Berliner Polizeipräsidenten Emil Eichkorn (USPD) am
4. Januar gesehen werden. Tags darauf begann der von der USPD, der KPD und den
revolutionären Obleuten7 initiierte Generalstreik der sich zum Januaraufstand ausweitete.
Zwischen Liebknecht und Luxemburg kam es daraufhin zu einer Auseinandersetzung,
Luxemburg entschied letztendlich auch wie Liebknecht die kämpfenden Arbeiter zu
unterstützen. „Die letzten Lebenstage von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht waren von
der tragischen Entscheidung verdüstert, die sie wieder besseres Wissen an den verfehlten
und aussichtslosen Berliner Aufstand fesselte.“8
Obwohl die in Berlin gebildeten Freiwilligen-Regimenter zu Niederschlagung des Aufstandes
gereicht hätten, marschierte der Volksbeauftragte Gustav Noske (SPD) mit dreitausend
Soldaten in Berlin ein, um die endgültige Ordnung wieder herzustellen. Dies geschah trotz
der sicheren Niederschlagung des Aufstandes. Unter diesen Truppen befand sich auch die
Garde-Kavallerie-Schützen-Division (GKSD) unter der Leitung Waldemar Papsts, die am 15.
Januar den Mord an Liebknecht und Luxemburg durchführen ließ.
5
Die Arbeiter- und Soldatenräte wurden am Ende der 1. Weltkrieges nach Vorbild der
Sowjets (deutsch: Räte) der Oktoberrevolution zur Selbstverwaltung der Städte gebildet. Sie
bestanden hauptsächlich aus Anhängern von SPD und USPD. (vgl.:
http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raete/index.html, aufgerufen am 4. Februar
2012)
6
vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht, Dokumentation eines politischen Verbrechens, Frankfurt am Main, 2.
Auflage 1968, Seite 25
7
Von Gewerkschaften unabhängige Arbeitnehmervertreter.
8
vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht, Seite 27f
6
Die beiden wurden von den Sozialdemokraten und einmarschierten Truppen als
verantwortliche Rädelsführer des Aufstandes gesehen. Todesdrohungen waren keine
Seltenheit, angeblich war sogar ein Kopfgeld von 100.000 (!) Reichsmark ausgesetzt.9
Verhaftung und Mord
Während des Januaraufstandes mussten Liebknecht und Luxemburg ihr Quartier immer
wieder wechseln. Nachdem die Aufstände endgültig niedergeschlagen waren, befassten sich
die Freikorps und zahlreiche Bürgerwehren mit der Suche nach den Anführer des
Aufstandes, also auch Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.
Am 15. Januar drangen fünf Mitglieder der Wilmersdorfer Bürgerwehr in eine Wohnung in
der Mannheimer Straße 43 in Berlin ein. „Dort, so gaben sie später an, vermuteten sie eine
spartakistische Zusammenkunft und Waffen, tatsächlich hatten sie aber Liebknecht und
Luxemburg gesucht.“10 Die beiden Gesuchten wurden trotz fehlendem Haftbefehl verhaftet
und schließlich in das Eden-Hotel gebracht, welches als Hauptquartier der GKSD diente.
Darauf ging bei Noske ein Anruf von Papst ein. Dieser erkundigte sich, was mit den
Gefangenen zu tun sei. Noske wies ihn an, bei General von Lüttwitz die Genehmigung zur
Erschießung einzuholen. Auf die Aussage Papsts hin, er würde diese nicht bekommen,
bekam eine Antwort, die er als Freibrief verstand: „Dann müssen Sie selbst verantworten,
was zu tun ist.“11 Noch am selben Abend fingierte Papst einen Abtransport der Gefangenen
in Berliner Gefängnisse. Rosa Luxemburg wurde kurz nach der Abfahrt, noch benommen
von Schlägen mit einem Gewehrkolben, erschossen. Zuvor wurde Karl Liebknecht im
Tiergarten „auf der Flucht“ erschossen.
In den folgenden Jahrzehnten konnte nie tatsächlich aufgeklärt werden, wer der Schütze
war. Trotz der Möglichkeit eines Zivilgerichts wurde ein Kriegsgericht einberufen. Als Richter
bestimmte man Wilhelm Canaris, „weil ihm die Beteiligten ihr Vertrauen entgegenbrachten.“
Mit „Beteiligten“ sind seine Freunde Waldemar Papst und der Angeklagte Pflugk-Harttung
gemeint. Canaris, Papst und der Kriegsgerichtsrat Jorns sorgten letztendlich auch dafür,
dass niemand wegen Mordes oder Totschlag verurteilt wurde.12
9
vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und
Karl Liebknecht, Seite 29
10
Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 21
11
vgl.: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 108
12
vgl.: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 51-55
7
Der Mord in der zeitgenössischen Presse
In den auf den Mord folgenden Tagen begann die Auseinandersetzung um den Mord vor
allem in den Zeitungen der verschiedenen linken Parteien, andere Zeitungen zeigten weniger
Interesse. Um die Vorgänge in der Presse interpretieren zu können, möchte ich
verschiedene Artikel aus drei Zeitungen analysieren. Zuerst möchte ich mit mich der Freiheit,
der damaligen Zeitung der USPD beschäftigen. Diese entwickelte eine Auseinandersetzung
mit dem Vorwärts, der bis heute die Zeitung der SPD ist. Als Vergleich möchte ich Artikel aus
der Vossischen Zeitung heranziehen, die dem liberalen Bürgertum zuzurechnen ist. Die Rote
Fahne war seit dem Tod ihrer Herausgeber vier Wochen lang nicht erschienen. Da die
interpretierten Artikel an den Tagen unmittelbar dem Mord veröffentlich wurden, werde ich
die Artikel aus der Roten Fahne nicht berücksichtigen. Die beiden Parteizeitungen sind
damals täglich erschienen sind, was in der heutigen Zeit eher ungewöhnlich ist und daher
Erwähnung finden muss.
Die Freiheit
Am 17. Januar veröffentlichte die Freiheit einen Artikel, im dem sie die Regierung um Ebert
und Scheidemann als die „wahren Urheber“ des Verbrechens bezichtigte. Der Mord wird
somit als politscher Mord deklariert und nicht als Akt der Lynchjustiz angesehen. Mit der
Überschrift „Die Schuldigen!“ wird die Intention des Artikels bereits ersichtlich. Es wird
bezweifelt, dass die Regierung tatsächlich an der Aufklärung interessiert ist, da man von
einem politischen Mord ausging. Mit der Vermutung bzgl. der Aufklärung sollte die Freiheit
Recht behalten. Am Tag zuvor war in der Vossischen Zeitung eine amtliche Erklärung zu
dem Mord erschienen. Auch deren Wahrhaftigkeit wird in der Freiheit stark angezweifelt. –
Ebenfalls zurecht.13 In den Ausgaben der folgenden Tage wurden die Anschuldigungen
gegenüber der Regierung bekräftigt. In der Abendausgabe des 17. Januars und in der
folgenden Morgenausgabe wurden Gegendarstellungen zu den amtlichen Darstellungen des
Mordes sowie Zeugenberichte abgedruckt. Auch diese widersprechen der amtlichen
Darstellung, die aus heutiger Sicht an den relevanten Punkten als größtenteils falsch
angesehen werden kann.
In seiner Berichterstattung schlägt sich die Freiheit auf die Seite der Ermordeten, obwohl
diese nicht der USPD angehörten. Dies kann jedoch damit begründet werden, dass USPD
und KPD während des Januaraufstandes die aufständischen Arbeiter unterstützten und sich
wie die KPD im sozialistischen Spektrum als Gegenpol zur SPD sahen.
13
vgl.: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg
und Karl Liebknecht, S. 43-46
8
Der Vorwärts
Am 17. Januar veröffentlichte der Vorwärts eine Rede Philipp Scheidemanns. Dieser
versuchte sich möglichst sachlich über den Mord zu äußern. Sein Bedauern wird aber von
der Kritik an der spartakistischen Handlungsweise überdeckt. In der gleichen Ausgabe
kritisiert der Vorwärts jedoch die „Tägliche Rundschau“, die den Tod der beiden als gerecht
ansieht und die Gewalt noch verherrlichte.
Der Vorwärts, als Organ der Sozialdemokratischen Partei, interessierte sich nicht sonderlich
für den Mord als solchen. Die Berichterstattung fokussierte sich dabei auf zwei
Hauptaspekte: Die Rolle der Regierung sowie den daraus resultierenden Konflikt mit der
Freiheit. Die Freiheit hielt die Regierung (und die SPD) für die Verantwortlichen an dem
Mord. Seitens des Vorwärts wurde diese Berichterstattung negativ betrachtet. Der mit „Die
Untersuchung. Die ,Freiheit’ hetzt und verleumdet.“ betitelte Artikel im Vorwärts befasste sich
damit. Dabei werden auch Beschimpfungen nicht gescheut: „Die ,Freiheit’ schöpft ihre
,Überzeugungen’ aus dem unerschöpflichen Born ihrer schmutzigen Gesinnung.“14 Ob diese
einfache Wertung die Leser überzeugen konnte, ist allerdings höchst fraglich. Das Interesse
der SPD, den Mord aufzuklären, soll auch der Verweis auf die Meinung der Ermordeten bzgl.
der Freiheit verdeutlichen. („Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die uns haßten, haben
wohl gewusst, warum sie für die Unabhängigen nur Verachtung übrig hatten!“15)
Die Regierung um Ebert und Scheidemann wurde vom Vorwärts in stets Schutz genommen.
Deren Mittäterschaft wurde als Erfindung der Freiheit deklariert. Der Mordvorgang und die
Aufklärung der tatsächlichen Täter hatte im Vorwärts keine große Relevanz, er nimmt somit
voll und ganz die Rolle der Parteizeitung an, die die Regierung und Partei in ein gutes Licht
stellen möchte.
Vossische Zeitung
Die Freiheit und der Vorwärts stehen nach dem Mord im Konflikt miteinander. Deshalb bietet
es sich an, zum Vergleich Artikel einer dritten Zeitung zu interpretieren. Die Vossische
Zeitung, die älteste Zeitung Berlins, kann nicht dem linken, sondern dem bürgerlichen
Spektrum zugeordnet werden. Mit ihren Artikeln kann nachvollzogen werden, wie der Mord
außerhalb von Parteizeitungen aufgefasst und der Bevölkerung berichtet wurde.
14
Vorwärts, Berlin, 18. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover:
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 48
15
Vorwärts, Berlin, 18. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich Hannover:
Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 48
9
Am 16. Januar druckte die Vossische Zeitung eine amtliche Darstellung des Mordes ab.
Diese enthielt eine detaillierte Beschreibung der Geschehnisse, die bereits in den Tagen
danach stark angezweifelt wurden und aus heutiger Sicht große Fehler ausweist. Als Bespiel
dafür kann die angebliche Menschenmenge genannt werden, die aufgrund der weiträumigen
Absperrung des Eden-Hotels gar nicht möglich war. Die Tötung „aus der Menge heraus“ war
eine Erfindung Papstes.16 Diese amtliche Darstellung wurde von der Vossischen Zeitung
zwar erstmal hingenommen, jedoch wurde der Mord in der gleichen Ausgabe, also auch
noch am Tag nach dem Mord, ausführlich vom moralischen Standpunkt betrachtet. In dem
besagten, mit „Richter Lynch“ betiteltem Artikel übte die Vossische Zeitung deutliche Kritik an
der Vorgehensweise der Lynchjustiz ohne ein legitimiertes Gericht. („Seine Aufgabe wäre es
gewesen, sie für die Zukunft unschädlich zu machen, nicht aber grausame Rache an ihnen
zu nehmen.“17) Dieser moralische Aspekt fehlt bei den anderen beiden Zeitungen
grundsätzlich. Gleichzeitig werden Liebknecht und Luxemburg aber auch kritisiert. In dem
Artikel wird die geistige Fähigkeit Liebknechts angezweifelt, während bei Luxemburg ihr
„allzu heftige[s] Gefühlsleben“18 als Grund für ihre Tätigkeit beschrieben wird. Der Artikel
greift die Aussagen des amtlichen Berichtes auf, in dem ein Angriff „aus der Menge heraus“19
geschildert wird: „Es ist nicht zu verkennen, dass an den beiden terroristischen Führern eine
Art Volksgericht vollstreckt worden ist. Nicht Haß gegen ihre Personen, sondern gegen die
von ihnen geführte Bewegung hat ihr Ende herbeigeführt. Der Spartakus-Schrecken hat
durch diese Tat seine furchtbarste Ablehnung von Seiten des Volkes erfahren.“20 Eine
kritische Betrachtung fehlt somit.
Nach ihrem Tod werden Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg in der Vossischen Zeitung
scharf kritisiert, die Abneigung des Autors gegenüber beiden wird deutlich. Trotzdem wird die
ausgeübte Lynchjustiz abgelehnt und ein ordentliches Gericht, welche eine gerechte Strafe
verhängen soll, als richtige Alternative angesehen. Die Vossische Zeitung vertritt somit eine
aus heutiger Sicht übliche Denkweise.
16
vgl.: Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Hamburg 2008, Seite 109
17
Vossische Zeitung, Berlin, 16. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich
Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 40
18
ebd.
19
vgl. Fußnote 16
20
Vossische Zeitung, Berlin, 16. Januar 1919. In: Elisabeth Hannover-Drück und Heinrich
Hannover: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, S. 40
10
Zusammenfassung der Ergebnisse
Nach der Analyse der Artikel aus den drei Zeitungen kann festgestellt werden, dass eine
große Diversität an Meinungen zu dem Mord und den Verantwortlichen bestand. Auch die
Fokussierung der einzelnen Zeitungen war sehr unterschiedlich. Von den beiden
Parteizeitungen, dem Vorwärts und der Freiheit, kann gesagt werden, dass sie sich in ihrer
Berichterstattung der jeweiligen Parteilinie fügten. Der Mord als solcher hatte einen
geringeren Stellenwert als die politische Verantwortung und die Berichterstattung der
anderen Zeitungen.
Bedeutung des Mordes für die Weimarer Republik
Aus heutiger Sicht kann festgestellt werden, dass der Mord für die Geschichte der Weimarer
Republik eine enorm hohe Bedeutung hat. Waren die beiden Parteien nach ihrer Spaltung
schon alles andere als freundschaftlich verbunden, verschlechterte sich das Verhältnis im
Zuge der Mordes immer weiter. Als die Machtergreifung der Nationalsozialisten näher rückte,
konnte diese auch nicht verhindert werden, da das Verhältnis von Kommunisten und
Sozialdemokraten einer Zusammenarbeit entgegenstand. Über die Frage, ob „mit dem
Leichnam Rosa Luxemburgs auch schon die Weimarer Republik untergegangen war“21 kann
sicherlich gestritten werden, jedoch ist klar, dass das Verhalten der damaligen Regierung
dem Anspruch einer parlamentarischen Republik nicht gerecht werden konnte.
21
vgl. Fußnote 1
11
Literatur- und Quellenverzeichnis
Literatur:
Gietinger, Klaus: Eine Leiche im Landwehrkanal, Die Ermordung Rosa Luxemburgs,
Hamburg 2008
Hannover-Drück, Elisabeth / Hannover, Heinrich: Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl
Liebknecht, Dokumentation eines politischen Verbrechens, Frankfurt am Main, 2. Auflage
1968
Kluge, Ulrich: Die deutsche Revolution 1918/1919, Frankfurt am Main 1985
Longerich, Peter: Deutschland 1918 – 1933, Die Weimarer Republik, Hannover 1995
Von Freyberg, Jutta / Fülberth, Georg / Harrer, Jürgen / Hebel-Kunze, Bärbel / Hofschen,
Heinz-Gerd / Ott, Erich / Stuby, Gerhard: Geschichte der deutschen Sozialdemokratie, Von
1863 bis zur Gegenwart, Köln, 3. Auflage 1989
Winkler, Heinreich August: Von der Revolution zur Stabilisierung, Arbeiter und
Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1918 bis 1924, Berlin/Bonn, 2. Auflage 1985
Sonstige Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg (abgerufen am 27.01.2012)
http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_Liebknecht (abgerufen am 27.01.2012)
http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/revolution/raete/index.html (aufgerufen am 4. Februar
2012)
12
Erklärung über die selbstständige Anfertigung der Arbeit
Ich versichere, dass ich die Facharbeit einschließlich evt. beigefügter Anhänge selbstständig
angefertigt und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.
Alle Stellen, die dem Wortlaut oder dem Sinne nach anderen Werken entnommen sind, habe
ich in jedem einzelnen Fall unter genauer Angabe der Quelle deutlich als Entlehnung
kenntlich gemacht.
(Ort, Datum, Unterschrift)
13
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