Vortrag von Heiner Keupp zum - SOS

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der (Un-)Möglichkeit
erwachsen zu werden
Prof. Dr.Von
Heiner
Keupp
Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden.
Was Heranwachsenden aus den Schattenbereichen unserer
Gesellschaft brauchen
Vortrag beim Fachgespräch „Identitätsfindung junger
Menschen in prekären Lebenslagen – Eine ganz besondere
Herausforderung“ der Freiburger StrassenSchule am 28.10.2011
Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie «
Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Einstiegsthese 1
Die Lebensphase Jugend soll Menschen die psychosoziale und qualifikatorische Basis für ein
gelingendes Erwachsenenleben schaffen. Von
einer sich dramatisch verändernden globalisierten kapitalistischen Gesellschaft ist auch das
Aufwachsen betroffen. Es kommt vor allem im
Bildungssystem (in Schule und Hochschule) zu
einer Beschleunigung und Verdichtung der
Jugendphase und zu einer Engführung durch
das Ziel „employability“.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Einstiegsthese 2
Das marktradikale Menschenbild bestimmt zunehmend
die Vorstellungen gelingenden Aufwachsens. Es ist die
Botschaft der vom einzelnen geforderten geistigen,
seelischen und körperlichen „Fitness“: Sei bereit, dich
auf alles einzulassen! Auch aus diesem Diskurs werden
Heranwachsende von der Botschaft erreicht, dass sie
bislang gesetzte Grenzen überschreiten können, ja
müssen, wenn sie erfolgreich an dem gesellschaftlichen
Wettbewerb um Chancen und Macht beteiligt sein
wollen. Wer diesen Erwartungen nicht entspricht, ist
von Exklusion bedroht.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Einstiegsthese 3
Diese gesellschaftliche Entwicklung hat zunehmend
die Spielräume für Experimentieren mit möglichen Identitätsentwürfen reduziert. Die wachsenden psychosoziale Problemen von Jugendlichen
und jungen Erwachsenen zeigen uns die „Kostenseite“ dieser Entwicklung. Wir brauchen eine Kultur des Aufwachsens, die die Verwirklichungschancen für ein selbstbestimmtes Leben fördert –
auch und gerade für Heranwachsende, die der
Mainstreamnorm nicht entsprechen können oder
wollen.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich
folgende Themenschritte
Jugend im gesellschaftlichen Strukturwandel
Jugendliche Entwicklungsaufgaben heute
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
Verwirklichungschancen für Jugendliche
Förderung der Verwirklichungschancen
Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie «
Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich
folgende Themenschritte
Jugend im gesellschaftlichen Strukturwandel
Jugendliche Entwicklungsaufgaben heute
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
Verwirklichungschancen für Jugendliche
Förderung der Verwirklichungschancen
Professor Heiner Keupp » Reflexive Sozialpsychologie «
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Wir leben in einer Gesellschaft
tief greifender kultureller, politischer und ökonomischer Umbrüche, die durch
einen global agierenden Netzwerkkapitalismus bestimmt werden;
dramatischer Beschleunigung und Verdichtung alltäglicher Abläufe;
sich ändernder biographischer Schnittmuster, die immer weniger aus bislang
bestimmenden normalbiographischen Vorstellungen bezogen werden können;
des Wertewandels, der einerseits neue Lebenskonzepte stützt, der aber zugleich
zu einem Verlust unbefragt als gültig angesehener Werte führt und mehr selbst
begründete Wertentscheidungen verlangt;
veränderter Geschlechterkonstruktionen, die gleichwohl untergründig wirksame
patriarchale Normen und Familienmuster nicht überwunden haben;
der Pluralisierung und Entstandardisierung familiärer Lebensmuster, deren Bestand immer weniger gesichert ist und von den beteiligten Personen hohe Eigenleistungen in der Beziehungsarbeit verlangt.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Wir leben in einer Gesellschaft
wachsender Ungleichheit im Zugang der Menschen zu materiellem, sozialem und
symbolischem Kapital, der gleichzeitig auch zu einer ungleichen Verteilung von
Lebenschancen führt;
zunehmender Migration und Erfahrungen mit kulturellen Differenzen und einem
Patchwork der Verknüpfung dieser Differenzen zu neuen Hybriditäten, die aber
von spezifischen Bevölkerungsgruppen als Bedrohung erlebt werden;
wachsenden Einflusses der Medien, die nicht nur längst den Status einer zentralen
Erziehungs- und Bildungsinstanz haben, sondern auch mit ihren Bilderwelten
Identitätsangebote machen;
hegemonialer Ansprüche, die die Mittel von Krieg und Terror einsetzen, um ihre
jeweiligen ideologischen Vorstellungen einer Weltordnung jenseits demokratischer Legitimation durchzusetzen.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Jugendspezifische Erfahrungswelten werden
in einer Gesellschaft erheblich komplexer
und risikoreicher, der zunehmend einheitliche Ziele und Werte abhanden kommen,
die von der Pluralisierung der Lebensstile
gekennzeichnet ist und in der sich die
sozialstrukturell gegebenen objektiven
Lebenschancen höchst unterschiedlich
bieten.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Erwachsenwerden ist ein Projekt, das in eine Welt
hineinführt, die zunehmend unlesbar geworden
ist, für die unsere Erfahrungen und unsere Begriffe
nicht ausreichen, um eine stimmige Interpretation
oder eine verlässliche Prognose zu erreichen. Für
diese Welt existiert kein Atlas, auf den Erwachsenen zurückgreifen könnten, um Heranwachsenden ihren möglichen Ort und den Weg dorthin
erklären zu können.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
„Wir selbst sind Gegenstand einer Transformation, die auf geheimnisvolle Weise in
uns wirkt. Die Verrücktheit der Außenwelt spiegelt sich in uns wider. Es gibt
kein richtiges Leben im falschen, sagte
einst Theodor Adorno. Heute müsste
man hinzufügen: Es gibt kein normales
Leben in Zeiten sich auflösender Normalität. (…) Wir erleben in unserer Gegenwart nicht das Ende der einen und den
Beginn einer anderen Normalität, sondern das Ende von Normalität.“
Quelle: Steingart, G. (2011). Das ist doch nicht normal. In: Der
Spiegel 10/2011, S.136/137
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Richtig leben – Wie geht das?
Normalitätskrise
In dieser objektiven „Normalitätskrise“ wird
uns das marktradikale „Employability“Menschenbild des „unternehmerischen
Selbst“ als neue Normalität ideologisch
aufgenötigt und es bestimmt auch längst
die Bildungs- und die Sozialpolitik. Hier ist
ein kritischer Gegendiskurs erforderlich, der
aufzeigt, dass viele psychosoziale Probleme
von Heranwachsenden die Folge dieser
„Normalität“ sind.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich
folgende Themenschritte
Jugend im gesellschaftlichen Strukturwandel
Jugendliche Entwicklungsaufgaben heute
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
Verwirklichungschancen für Jugendliche
Förderung der Verwirklichungschancen
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Entwicklungsaufgaben
Den Körper bewohnen lernen
den Umgang mit Sexualität lernen
den Umbau der sozialen Beziehungen
den Umbau der Leistungsbereitschaft:
Schule als Entwicklungsaufgabe
die Berufswahl
Bildung
Identitätsarbeit
Quelle: Helmut Fend (2001). Entwicklungspsychologie des Jugendalters. Ein Lehrbuch für pädagogische und
psychologische Berufe. Opladen.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Identitätsrelevante Entwicklungsthemen
12- bis unter 18-Jährige: Körper spüren, Grenzen suchen,
Identität finden
Um eine stimmige Identität auszubilden, suchen und brauchen Jugendliche
Herausforderungen und Grenzen. Sie benötigen genügend soziale Lernund Erfahrungsräume auch jenseits von Schule und Elternhaus, in denen
sie zum einen den eigenen Körper und die eigene Sexualität ausprobieren und spüren können, um so zu lernen, ihren Körper anzunehmen und
zu „bewohnen“. Sie brauchen weiterhin genügend Möglichkeiten, um in
ihrem Freundeskreis ihren jugendkulturellen Interessen und Praxen nachzugehen, die ihnen Abgrenzung und die Ausbildung von Eigenständigkeit
ermöglichen, wobei dies auch Mädchen und Jungen mit Behinderungen
mehr als bisher ermöglicht werden sollte.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Identitätsrelevante Entwicklungsthemen
12 - bis unter 18-Jährige: Körper spüren, Grenzen suchen,
Identität finden
Jugendliche bedürfen weiter der Unterstützung bei ihrer Auseinandersetzung
mit den gesellschaftlich und medial vermittelten Botschaften des „Alles
ist möglich“, denn Jugendliche in dieser Altersphase sind mit der unumgänglichen Herausforderung konfrontiert, eine für sie stimmige Balance
zwischen ihren Vorstellungen und Be-dürfnissen und den hierfür vorhandenen Möglichkeiten und Grenzen zu finden. Um mit den sich anbietenden riskanten Freiheiten zurechtzukommen, brauchen Jugendliche auch
hier Lebenskompetenzen, die ihnen neben dem Elternhaus in Settings
der (non-)formalen Bildung, z. B. in der Schule und in den Angeboten
der Kinder- und Jugendhilfe, vermittelt werden können.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich
folgende Themenschritte
Jugend im gesellschaftlichen Strukturwandel
Jugendliche Entwicklungsaufgaben heute
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
Verwirklichungschancen für Jugendliche
Förderung der Verwirklichungschancen
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
In einer individualisierten Gesellschaft, in der die
Menschen ihre Biographien immer weniger in den
gesicherten Identitätsgehäusen der Berufsarbeit
einrichten können, in der die traditionellen Geschlechterrollen ihre Facon verloren haben und in
der Lebenssinn zur Eigenleistung der Subjekte
wird, sind vermehrt Fähigkeiten zur Selbstorganisation in den sozialen Mikrowelten gefordert.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
These zur Identitätsarbeit heute
Identitätsarbeit hat als Bedingung und als Ziel die Schaffung von
Lebenskohärenz. In früheren gesellschaftlichen Epochen war die
Bereitschaft zur Übernahme vorgefertigter Identitätspakete
das zentrale Kriterium für Lebensbewältigung. Heute kommt
es auf die individuelle Passungs- und Identitätsarbeit an, also
auf die Fähigkeit zur Selbstorganisation, zum "Selbsttätigwerden" oder zur „Selbsteinbettung“. Das Gelingen dieser Identitätsarbeit bemisst sich für das Subjekt von Innen an dem Kriterium der Authentizität und von Außen am Kriterium der Anerkennung.
Identitäten werden immer mehr zu Patchwork- oder Hybrididentitäten.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Identitätsangebote
der Medien
Erfahrungen in der
Familie
Erfahrungen in derSchule/Beruf
+
-
-
-
-
-
+
+
+ +
-
+
+
+
+
+
+
+
- Identitätsrelevantes
-+
-+
Erfahrungsmuster
+
+ +
+
++ +
zum Zeitpunkt X
+
Erfahrungen im
+ +
Freundschaftsnetz
+ +
- +
-
-
Erfahrungen im
Engagement
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Biographische
Kernnarrationen
Ebene
Metaidentität
Wertorientierungen
Dominierende
Teilidentitäten
Identitätsgefühl
Authentizitäts- und
Kohärenzgefühl
Handeln
Ebene
Teilidentitäten
z.B.
Geschlecht
Unterhaltung/
Freizeit
Beruf/Arbeit
Konsum
Politik
Identitätsprojekte
Ebene
situative Selbstthematisierungen
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(= Viele einzelne situative Selbsterfahrungen)
Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Zwischenbilanz
Kindheit und Jugend sind Altersphasen, die immer häufiger von
einem pathogenetischen Verdacht diskursiv umkreist werden.
Kinder und Jugendliche wachsen in Deutschland jedoch in ihrer
großen Mehrheit gesund, selbstbewusst und kompetent auf. Sie
dürfen nicht unter einer generalisierten Risikoperspektive gesehen werden. Notwendig sind vielmehr der Blick auf die positiven Entwicklungsbedingungen der nachwachsenden Generationen und Antworten auf die Frage, wie solche Bedingungen
für alle Kinder und Jugendlichen gefördert werden können bzw.
welcher unterstützender Strukturen und gesellschaftlicher Investitionen es dazu bedarf.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich
folgende Themenschritte
Jugend im gesellschaftlichen Strukturwandel
Jugendliche Entwicklungsaufgaben heute
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
Verwirklichungschancen für Jugendliche
Förderung der Verwirklichungschancen
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Theoriebausteine für
Gesundheitsförderung
 Theorie Salutogenese
 Capability approach
 Modell positiver (Jugend-)
Entwicklung
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Erster Baustein: Salutogenese
Aaron Antonovsky 1923 - 1994
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Kohärenz ist das Gefühl, dass es Zusammenhang und Sinn im Leben
gibt, dass das Leben nicht einem unbeeinflussbaren Schicksal oder
Zufallsgenerator unterworfen ist.
Der Kohärenzsinn beschreibt eine geistige Haltung:
Meine Welt erscheint mir verständlich und stimmig; auch Probleme und
Belastungen, die ich erlebe, kann ich in einem größeren Zusammenhang sehen (Verstehbarkeit).
Das Leben stellt mir Aufgaben, die ich lösen kann. Ich verfüge über
Ressourcen, die ich zur Meisterung meines Lebens, meiner aktuellen
Probleme mobilisieren kann (Handhabbarkeit).
Für meine Lebensführung ist jede Anstrengung sinnvoll. Es gibt Ziele
und Projekte, für die es sich zu engagieren lohnt (Bedeutsamkeit).
Kohärenzfördernd sind die Widerstandsressourcen: Individuelle, soziale,
gesellschaftliche und kulturelle Ressourcen.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Zweiter Baustein: Capability approach
BegründerInnen des Befähigungs-(Capability)-Ansatzes: Amartya Sen und
Martha C. Nussbaum
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Unter Verwirklichungschancen (capabilities)
versteht Amartya Sen die Möglichkeit von
Menschen, „bestimmte Dinge zu tun und über
die Freiheit zu verfügen, ein von ihnen mit
Gründen für erstrebenswert gehaltenes Leben
zu führen.“
Amartya Sen (2000). Ökonomie für den Menschen
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Dritter Baustein: Thriving
Positive Jugendentwicklung: „Gedeihen“ (Thriving) von Richard M. Lerner und seinem Team
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Prekäre Lebenslagen Jugendlicher und Sucht als Bewältigungsversuch
Verwirklichungschancen für Heranwachsende
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Herstellung eines kohärenten Sinnzusammenhangs.
Die Fähigkeit zum „boundary management“.
Produktiver Umgang mit Ambiguität
„Einbettende Kulturen“.
Materielle Basissicherung.
Erfahrung der Zugehörigkeit.
Einen Kontext der Anerkennung.
Eine demokratische Alltagskultur durch Partizipation
Selbstwirksamkeitserfahrungen durch Engagement
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Aus diesen Fragestellungen ergeben sich
folgende Themenschritte
Jugend im gesellschaftlichen Strukturwandel
Jugendliche Entwicklungsaufgaben heute
Identitätsarbeit in der Spätmoderne
Verwirklichungschancen für Jugendliche
Förderung der Verwirklichungschancen
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Die Förderung von
„Befähigungsgerechtigkeit“
als zentrale Forderung
28.10.2011
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Befähigungsgerechtigkeit
Heranwachsende brauchen die Chance, Zugang zu den Ressourcen
gewinnen, die sie zu einer souveränen Handlungsbefähigung
benötigen.
Die institutionellen Angebote des Bildungs-, Sozial- und Gesundheitsystems müssen Heranwachsende in ihrer Handlungsbefähigung systematisch unterstützen.
Es sind professionelle Empowerment-Strategien zu entwickeln, die
auf dieses Ziel ausgerichtet sind.
Heranwachsende müssen über Partizipationsmöglichkeiten in ihren
Selbstwirksamkeitserfahrungen gefördert werden.
Solche Erfahrungen sind vor allem auch dann zu unterstützen, wenn
die eigene Handlungsfähigkeit durch Behinderung eingeschränkt ist.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Empfehlungen
Gesundheitsförderung im Schulalter
Die steigenden gesundheitlichen Belastungen (Ernährungsprobleme, Übergewicht, chronische Erkrankungen wie Allergien und psychosoziale Probleme wie
ADHS) dürfen nicht medikalisiert werden.
Weil in der Schule alle Kinder erreicht werden können, bedarf es einer verbesserten Kooperation von gesundheitsförderlichen Angeboten der Kinder- und
Jugendhilfe und der Schule durch den Ausbau der Schulsozialarbeit.
Speziell in den Ganztagesangeboten ist die systematische Förderung von altersspezifischen Gesundheitsthemen relevant.
Förderung der Elternselbsthilfe (etwa durch Projekte wie Elterntalk)
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Erwerb von Methylphenidat (z.B. Ritalin) durch Apotheken
Quelle: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM 2008
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Quelle: DER SPIEGEL
34/2010, S. 132
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Quelle: DIE ZEIT vom 30.07.2009
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Empfehlungen
Gesundheitsförderung im Jugendalter
Dringend erforderlich ist eine stärkere fachliche (und politische) Aufmerksamkeit für die gesundheitlichen Herausforderungen und Risiken des Jugendalters
(vor allem psychosoziale Probleme wie Sucht, Essstörungen, Depressionen).
Notwendig ist die Unterstützung bei der Erarbeitung realistischer und erreichbarer Lebensziele und der identitären Grenzziehung. Diese sind Voraussetzung
für Gewinnung von Lebenskohärenz.
Unterstützung ist vor allem bei der Bewältigung von Übergängen (z.B. Schule –
Beruf) relevant.
Jugendliche in ambulanten, teilstationären und stationären Hilfen zu Erziehung
bedürfen einer genügend intensiven, aber an ihre Lebenswelt anschlussfähige,
nicht ausgrenzende und mit dem Gesundheitssystem vernetzte Hilfen.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Empfehlungen
Arbeitsfeldübergreifende Herausforderungen
Verbindliche Netzwerkbildung
Netzwerke für eine verbesserte Kooperation von Kinder- und Jugendhilfe, Gesundheitssystem und
Eingliederungshilfe sind erforderlich. In diesen vernetzten Strukturen sind zielgenaue Handlungsstrategien bezogen auf den jeweiligen Sozialraum, die speziellen Problemkonstellationen und
unter Berücksichtigung der Erfahrungen und Kompetenzen der beteiligten Systeme zu entwickeln, durchzuführen und zu evaluieren. Diese Netzwerke sind von besonderer Bedeutung in
den Bereichen
Frühe Förderung,
Kindertagesbetreuung,
Schnittstelle Schule – Kinder und Jugendhilfe,
Jugendliche in belastenden Lebenslagen,
Kinder und Jugendliche mit Behinderung.
Die Koordination ist Aufgabe des Kinder- und Jugendhilfesystems und muss finanziert sein
In einem Bundesmodellverbund ist diese Netzwerkförderung anzuschieben und zu evaluieren.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Maßnahmen zur Herstellung von Befähigungsgerechtigkeit
 Gesundheitsförderung als fachlicher Standard in der Jugendhilfe
 Ausrichtung der Fördermaßnahmen an den spezifischen Bedürfnissen
Heranwachsender ausrichten (von der Anbieter- zur Nutzerperspektive)
 Orientierung an lebenslaufspezifischen Entwicklungsthemen
 Frühe Förderung von Familien und Kindern nicht als soziale Kontrolle
 Hilfsangebote für Kinder chronisch und psychisch kranker Eltern verbessern
 Mehr Aufmerksamkeit für traumatisierte Kinder („Traumasensibilität“)
 Verbindliche Netzwerke für die Kooperation von Jugendhilfe, Gesundheitssystem und Behindertenhilfe
 Entwicklung einer gesundheitsförderlichen Schule
 Gezielte Unterstützung alleinstehender junger schwangeren Frauen
 Die Verringerung ungleicher Gesundheitschancen als politische Zielvorgabe
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Herausforderungen I
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


28.10.2011
Die 2008 von der Bundesregierung vorgelegte „Strategie zur
Förderung der Kindergesundheit“ sollte unter Einbeziehung
der Empfehlungen des 13. KJB weiterentwickelt werden.
Wir brauchen dringend ein Präventionsgesetz, besser noch ein
Gesundheitsförderungsgesetz.
Die Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung muss
intensiviert werden. Hier ist ein besonders dringlicher Ansatz
für Gesundheitförderung und gesundheitsbezogene Prävention (z.B. durch eine Kindergrundsicherung).
In den Feldern der Jugendhilfe bedeutet Inklusion geschlechts-,
herkunfts- und migrationssensibel zu arbeiten.
Der Kinderschutz muss mit einer umfassenden Förderperspektive der frühen Entwicklungspotentiale verbunden werden.
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Von der (Un-)Möglichkeit erwachsen zu werden
Herausforderungen II



28.10.2011
Da die gesundheitsrelevanten Belastungswerte im Schulalter
besonders dramatisch sind, müssen gesundheitsförderliche
Kooperationen der Kinder- und Jugendhilfe mit der Schule
strukturell verbessert werden.
Die gesellschaftliche und politische Ignoranz gegenüber den
zunehmenden psychosozialen Problemen von Jugendlichen
und jungen Erwachsenen muss überwunden werden.
Die Förderung verbindlicher kooperativer Netzwerkstrukturen zwischen den Systemen der Jugend-, Gesundheits- und
Eingliederungshilfe bedürfen einer strukturellen Absicherung
und Förderung.
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