Zur Handhabung quantitativer und qualitativer Daten in

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tagung
9. Dezember 2011, Bonn
f o r s c h u n g s i n f r a s t r u kt u r e n i n d e n g e i s t e s - u n d s o z i a l w i s s e n s c h af t e n
s t e l l e n w e r t – fö r d e r u n g – z u k u n ft s p e r s p e kt i v e n
p e r s p e kt i v e n u n d b e d ar f e v o n f o r s c h u n g s i n fr a s t r u k t u r e n i n d e n ge i s t e s - u n d s o z i a l w i s s e n schaften | parallele sessions
Session 2
Zur Handhabung quantitativer und
qualitativer Daten in Forschungsinfrastrukturen der Sozialwissenschaften:
Ist eine Integration möglich?
Session 2 stand unter der Leitung von Professorin Regina Riphahn, zum Zeitpunkt
der Tagung Stellvertretende Vorsitzende der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates, Professorin Heike Solga, Direktorin der Abteilung „Ausbildung und
Arbeitsmarkt“ am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, und von Professor
Hubert Knoblauch, Leiter des Fachgebiets Allgemeine Soziologie an der Technischen
Universität Berlin. Die Expertenrunde skizzierte zunächst die Problemdimension der
Integration quantitativer und qualitativer Daten in der Sozialforschung:
_ Der vom BMBF seit Beginn der 2000er Jahre geförderte KVI-Prozess (Kommission zur
Verbesserung der informationellen Infrastruktur zwischen Wissenschaft und Statistik)
habe der Entwicklung von Forschungsinfrastrukturen in den quantitativen Sozialwissenschaften enormen Auftrieb gegeben. Mit dem Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten
(RatSWD) sowie den Forschungsdaten- und Datenservicezentren habe er zur Etablierung eines effektiven und nahe an den Fachgemeinschaften operierenden Infrastrukturkomplexes geführt. In diese positive institutionelle Entwicklung gelte es nun auch
die qualitativ arbeitenden Sozialwissenschaften einzubeziehen.
_ Die Integration von qualitativen und quantitativen Daten sei derzeit eine der zentralen
methodologischen Herausforderungen und Chancen (z.B. Grundverständnis von Kausalität und Verstehensleistungen) auf internationaler Ebene. Integration heiße dabei in
erster Linie, die Arbeit der qualitativen Sozialwissenschaften mit Forschungsinfrastrukturen grundsätzlich zu stärken und eine Forschung zu fördern, die beide Datensorten
und Forschungsmethoden verwendet und kreativ verbindet.
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_ Mit Ausnahme einzelner Archive gebe es bisher keine Infrastrukturen für qualitative
Daten und eine immer noch zu schwache Koordination der quantitativen Daten.
_ Methodische Differenzen im Umgang mit quantitativen und qualitativen Daten führten
dazu, dass es kaum möglich sei, die jeweils andere Art der Daten einzuschätzen
(Mangel an Metadaten und Standards).
_ Bisherige Publikationsmedien – insbesondere Aufsätze in referierten Fachzeitschriften
mit ihren Spezialisierungen und Längenlimitationen – setzten keine Anreize, die Integration qualitativer und quantitativer Forschungsansätze zu befördern.
_ Für die Sekundäranalyse und vor allem auch für die Integration qualitativer mit quantitativen Daten existiere ein großer Bedarf an qualitativen Datenbanken, deren Verwendung zu gänzlich neuen Forschungserkenntnissen führen könnte (Anwendung von
Mixed Methods, Triangulation etc.).
An diese Problem- und Bedarfsanalyse anschließend wurden mit den Teilnehmerinnen
und Teilnehmern der Session verschiedene Lösungsvorschläge diskutiert, um die Integration zwischen den verschiedenen Datensorten im Rahmen neuer Forschungsinfrastrukturen voranzutreiben. Folgende konkrete Vorhaben wurden vorgeschlagen:
_ Für die Datenintegration könne man sich an internationalen Best Practice-Modellen,
wie z. B. dem Schweizer Kompetenzzentrum Sozialwissenschaften (FORS) oder dem
britischen Economic and Social Data Service UK (ESDS) orientieren. Hier bestehe aber
für verschiedene Sorten sozialer Forschungsdaten auch noch erheblicher Klärungsbedarf, z. B. Fragen der (Zweit-)Nutzung, Anonymität und Vertraulichkeit betreffend.
_ Thematisch orientierte „Leuchtturm-Projekte“ wären wünschenswert. Sie könnten für
die Verbindung von ansonsten getrennt laufenden qualitativen und quantitativen Forschungsprojekten sorgen. Personell und institutionell sollten Leuchtturm-Projekte nicht
mit den großen Trägern der sozialwissenschaftlichen Infrastruktur identisch sein, aber
die Möglichkeit bieten, letztere als Plattformen zu nutzen. Ziel wäre es, integrierte Forschungsansätze mit den Infrastrukturen verstärkt zu koppeln. Dies trüge auch dazu bei,
die Infrastrukturen weiter zu entwickeln, Standards und Methoden beispielhaft auszuarbeiten und eine Kommunikationskultur zwischen der qualitativen und quantitativen
Sozialforschung auszubauen.
_ Parallel bedürfe es der Etablierung weiterer Datenservicezentren, die auch mit entsprechender Methoden- und Archivkompetenz ausgestattet sein sollten. Die Datenzentren sollten eine datensortenspezifische Ausrichtung haben - also nicht wesentlich
nach Bereichen, sondern nach Arten von Daten und damit verbunden den spezifischen
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Softwareanforderungen für die Speicherung und Analyse der Daten - organisiert sein.
Datensorten integrierende Zentren sollten in einem Verbund sozialwissenschaftlicher
Datenservicezentren eine herausgehobene Rolle spielen. Differenzen zwischen Fächern
und methodologischen Ansätzen könnten in einer Grid-Struktur, das heißt durch die
Verteilung auf mehrere Einrichtungen, abgebildet werden. Die Einrichtung eines gemeinsamen Thesaurus und von Standards für Metadaten solle die Basis für eine Kooperation zwischen quantitativen und qualitativen Datenzentren bilden. Der Thesaurus sei
als ein Kodierschema zur Bestimmung der Inhalte qualitativer Daten zu begreifen, das
als thematisches Suchsystem funktionierte, nicht jedoch als Instrument zur „Standardisierung“ qualitativer Daten.
_ Die Förderorganisationen sollten nachdrücklicher als bisher dazu auffordern, die Forschungsdaten im Anschluss an Projekte verfügbar zu machen und dies systematisch in
den Anträgen und bei den Begutachtungen berücksichtigen. Optional sollten Antragsteller angeben können (aber nicht müssen), ob a) schon bestehende Daten im Projekt genutzt werden können und ob/wie sie b) selbst generierte Daten nach
Projektende anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen verfügbar machen
wollen. Des Weiteren sollte die Forschungsförderung – insbesondere im Rahmen der o.
a. „Leuchtturmprojekte“ – verstärkt Anreize für methodisch integrierte Projekte setzen
und deren höheren Mittel- und Laufzeitbedarf angemessen berücksichtigen.
_ Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) sowie der Unterausschuss für Datenzentren sollten um zwei qualitative Forscher/innen erweitert werden. Deren Aufgabe sollte unter anderem sein, zusammen mit den quantitativ arbeitenden Kollegen an
konzeptionellen Fragen der Datenintegration, der Entwicklung von Standards für Metadaten, dem Thesaurus und weiteren Suchsystemen zu arbeiten.
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