Handbuch soziale Probleme

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Günter Albrecht
Axel Groenemeyer (Hrsg.)
Handbuch
soziale Probleme
Band 1
Band 2
2., überarbeitete Auflage
A
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A
BEIT GRENZEN POLITIK HANDLUNG METHODEN GEWALT SPRACHE WISSEN
HAFT DISKURS SCHICHT MOBILITÄT SYSTEM INDIVIDUUM KONTROLLE
IT ELITE KOMMUNIKATION WIRTSCHAFT GERECHTIGKEIT STADT WERRISIKO ERZIEHUNG GESELLSCHAFT RELIGION UMWELT SOZIALISATION
TIONALITÄT
VERANTWORTUNG
MACHT
PROZESS
LEBENSSTIL
DELIN
Handbuch soziale Probleme
Band 1
Band 2
Günter Albrecht • Axel Groenemeyer (Hrsg.)
Handbuch soziale Probleme
Band 1
Band 2
2., überarbeitete Auflage
Herausgeber
Günter Albrecht
Universität Bielefeld, Deutschland
ISBN 978-3-531-32117-2
DOI 10.1007/978-3-531-94160-8
Axel Groenemeyer
TU Dortmund, Deutschland
ISBN 978-3-531-94160-8 (eBook)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Inhalt
Teilband 1
Vorwort zur zweiten Auflage ................................................................................................ 9
Vorwort zur ersten Auflage ................................................................................................... 10
I.
Soziologie und Politik sozialer Probleme
Axel Groenemeyer
Soziologie sozialer Probleme –
Fragestellungen, Konzepte und theoretische Perspektiven .................................................. 17
Axel Groenemeyer – Christoph Hohage – Melanie Ratzka
Die Politik sozialer Probleme ............................................................................................. 117
II. Ausgewählte soziale Probleme
Michael T. Wright – Rolf Rosenbrock
Aids – Zur Normalisierung einer Infektionskrankheit ....................................................... 195
Axel Groenemeyer – Marion Laging
Alkohol, Alkoholkonsum und Alkoholprobleme ............................................................... 219
Hans-Joachim von Kondratowitz
Alter und Altern ................................................................................................................. 279
Jutta Allmendinger – Wolfgang Ludwig-Mayerhofer – Eugen Spitznagel
Arbeitslosigkeit .................................................................................................................. 320
Axel Groenemeyer – Melanie Ratzka
Armut, Deprivation und Exklusion als soziales Problem .................................................. 367
Axel Groenemeyer
Drogen, Drogenkonsum und Drogenabhängigkeit ............................................................ 433
Sandra Legge – Jürgen Mansel
Ethnische Diskriminierung, Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit ... 494
Ulla Knapp – Sigrid Metz-Göckel
Frauendiskriminierung ....................................................................................................... 549
Kurt Hammerich – Bettina Franke
Freizeit – oder ein Beispiel für fast beliebige Problemzuschreibungen ............................ 572
Elisabeth Wacker
Geistige Behinderung und Teilhabe an der Gesellschaft ................................................... 601
Gunnar Stollberg
Gesundheit und Krankheit als soziales Problem ................................................................ 624
Ursula Müller – Monika Schröttle
Gewalt gegen Frauen und Gewalt im Geschlechterverhältnis ........................................... 668
Hartmut M. Griese
Jugend ................................................................................................................................. 692
Anne Waldschmidt
(Körper-)Behinderung als soziales Problem ...................................................................... 716
Britta Bannenberg
Korruption und Wirtschaftskriminalität als soziales Problem ........................................... 752
Dietrich Oberwittler
Kriminalität und Delinquenz als soziales Problem ............................................................ 772
Teilband 2
Ekkart Zimmermann
Makrogewalt: Rebellion, Revolution, Krieg, Genozid ...................................................... 861
Michael Schetsche – Rüdiger Lautmann
Pornographie ...................................................................................................................... 886
Friedrich W. Stallberg
Prostitution ......................................................................................................................... 904
Reinhold Kilian
Psychische Krankheit als soziales Problem ........................................................................ 924
Rüdiger Lautmann
Sexuelle Auffälligkeit – Perversion ................................................................................... 958
Günter Albrecht
Suizid .................................................................................................................................. 979
Alfons Bora
Technologische Risiken ................................................................................................... 1174
Peter Preisendörfer Andreas Diekmann
Umweltprobleme .............................................................................................................. 1198
Melanie Ratzka
Wohnungslosigkeit ............................................................................................................ 1218
III. Soziale Probleme, soziale Kontrolle und Intervention
Helge Peters
Soziale Kontrolle .............................................................................................................. 1255
Franz-Xaver Kaufmann
Konzept und Formen sozialer Intervention ...................................................................... 1285
Fabian Kessl – Hans-Uwe Otto
Soziale Arbeit ................................................................................................................... 1306
Hans-Werner Bierhoff – Elke Rohmann
Helfer, Helfen und Altruismus ......................................................................................... 1332
IV. Soziale Probleme und empirische Forschung
Hans Hartwig Bohle
Angewandte Sozialforschung und soziale Indikatoren .................................................... 1349
Günter Albrecht
Probleme der Erforschung sozialer Probleme .................................................................. 1385
Helmut Kury – Joachim Obergfell-Fuchs
Evaluationsforschung ....................................................................................................... 1521
Verzeichnis der Autoren und Autorinnen ......................................................................... 1557
Ausführliches Inhaltsverzeichnis ...................................................................................... 1561
Vorwort zur zweiten Auflage
Nach mehr als einem Jahrzehnt liegt nun die zweite Auflage dieses Handbuches vor, das
seine bewährte Struktur im Wesentlichen beibehalten, aber auch neue Inhalte aufzuweisen
hat. An der Konzeption konnten wir nicht zuletzt deshalb festhalten, weil das Echo auf die
erste Auflage sowohl von Fachkolleginnen und -kollegen durchweg sehr positiv war und
die Leser trotz des nicht ganz unbeachtlichen Preises so interessiert waren, dass das Handbuch nach relativ kurzer Zeit nicht mehr lieferbar war. Andererseits ist nicht zu übersehen,
dass soziale Probleme ihre Karrieren haben und mit dem gesellschaftlichen Wandel sowohl
neue Sachverhalte auftauchen, die zum Gegenstand öffentlicher Debatten und zu Forderungen nach Maßnahmen und Interventionen führen, als auch schon seit längerer Zeit gegebene Zustände durch neue Sichtweisen und Bewertungen eine gesellschaftliche Problematisierung erfahren und unter Umständen als soziales Problem „Karriere“ machen. Ferner stellt
sich bei genauerer Betrachtung heraus, dass „altetablierte“ soziale Probleme durch die oben
genannten Prozesse in einem neuen Licht erscheinen, ihre scheinbare Bedrohlichkeit verlieren oder neue Aspekte an ihnen in den Vordergrund der öffentlichen Wahrnehmung treten
können. Der aufmerksame Leser wird dies zum einen erkennen, wenn er die Beiträge zu
bestimmten Themen aus den nun vorliegenden beiden Auflagen miteinander vergleicht,
zum anderen daran, dass in der neuen Auflage einige Themen hinzugekommen sind, die in
der öffentlichen Diskussion eine besonders große Rolle gespielt haben. Erwähnt seien unter
anderem die Problematiken von Korruption und Wirtschaftskriminalität sowie das Problem
der technologischen Risiken.
Auch die vorliegende Auflage kann nicht reklamieren, alle derartigen Veränderungen
in der Diskussion um soziale Probleme abzudecken. Dazu sind manche gesellschaftlichen
Entwicklungen zu schnell und die Herausgeber von Handbüchern und ihre Autoren nicht
schnell genug, vor allem wenn man dem Leser, dem Charakter eines Handbuches entsprechend, solides empirisch gesichertes Wissen und eine angemessene theoretische Aufarbeitung vorlegen möchte. Die vorliegende Auflage versucht daher, Konstanz in der Konzeption mit der notwendigen Anpassung an die gesellschaftliche Entwicklung zu verbinden. Das
war nicht einfach zu erreichen, weil zum einen der Alterungsprozess der Herausgeber und
der meist mehr oder weniger altersgleichen oder -ähnlichen Autoren seinen Tribut fordert
und die Reihen lichtet, zum anderen weil einige Autoren sich der Aufgabe, einen Handbuchtext zu schreiben nicht mehr stellen mochten. Wer die Arbeit an solchen Texten einmal
selbst durchlitten hat, kann das vermutlich gut verstehen. Auch die Gewinnung von sachkundigen Autorinnen oder Autoren zu den neu auftauchenden sozialen Problemen ist ein
schwieriges Unterfangen. Während die potentiellen Verfasser von Beiträgen zu den „alten“
Problemen vor der Aufgabe zurückschrecken, wieder einmal einen Kampf mit der enormen
Literatur aufzunehmen, die oft nicht viel Neues zu bieten hat, die man aber dennoch verarbeiten muss, und dann davon nur einen winzigen Bruchteil im Rahmen eines Handbuchartikels ausbreiten zu können, fürchten die Verfasser von Beiträgen zu den neuen Problemen,
dass das gesicherte Material und die vorliegenden theoretischen Erklärungsversuche nicht
ausreichen, um den Standards an Wissenschaftlichkeit zu genügen, die man verinnerlicht
hat.
10
Vorwort
Die Herausgeber denken und hoffen, dass es ihnen gelungen ist, mit der vorliegenden
Auflage die bedeutsamen Aspekte und thematischen Herausforderungen einer Soziologie
sozialer Probleme, zu der das Vorwort der ersten Auflage die notwendigen Erläuterungen
gibt, abgebildet und aufgegriffen zu haben. Natürlich war den Herausgebern schon nach
recht kurzer Zeit der Weiterentwicklung der Konzeption klar, dass es wünschenswert wäre,
die eine oder andere Thematik, die sich seit der jüngeren Vergangenheit verstärkt in den
Vordergrund drängt, noch aufzunehmen. Zu erwähnen ist unter anderem die stärkere Auseinandersetzung um die Globalisierungsfolgen, die sich direkt oder indirekt im Spektrum
und in der Quantität und Qualität vieler sozialer Probleme niederschlagen, aber auch die
sich dadurch ergebende Internationalisierung sozialer Probleme. Solche Versuche der thematischen Erweiterung hätten den Abschluss der ohnehin sehr langen Arbeiten an dieser
Neuauflage noch entschieden hinausgezögert und damit die Geduld jener sehr zu lobenden
Autoren, die ihre Beiträge pünktlich abgeliefert hatten, noch mehr strapaziert. Den überaus
kooperativen und geduldigen Autoren gilt der besondere Dank der Herausgeber, insbesondere des älteren der beiden Herausgeber, der bekennen muss, dass er zwar mit großer Sorgfalt die Beiträge der anderen Autoren redigiert und bearbeitet, aber dazu seine eigenen
Beiträge zu lange zurück gestellt hat, bis ihm der Alterungsprozess einen Strich durch seine
Pläne gemacht hat. Eine weitere Entschuldigung ist dieser Herausgeber seinen Autoren für
die Überlänge eines seiner eigenen Beiträge schuldig. Seine Beschäftigung mit dem von
ihm bearbeiteten Thema hat eine fünfzigjährige Geschichte, die in den letzten Jahren nicht
mehr nur eine akademische gewesen ist. Distanz und Engagement sind in der Wissenschaft
eine Tugend, aber sie haben auch ihren Preis.
Die Arbeit an der Erstellung des Handbuches wurde durch eine Reihe von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterstützt, die geholfen haben, die mühselige Arbeit bei der Redaktion und der Kontrolle, Ergänzung und Korrektur von fragwürdigen, fehlenden oder
nicht ganz korrekten Literaturangaben zu bewältigen. Unser Dank gilt vor allem Regina
Fischer (Bielefeld), Sarah Henn (Dortmund) und Judith Guer (Dortmund).
Günter Albrecht – Axel Groenemeyer
Bielefeld/Dortmund 2011
Vorwort zur ersten Auflage
Soziale Probleme haben genauso wie auch die Soziologie sozialer Probleme immer eine
Geschichte, die manchmal eher zufällig verläuft, oft aber die Form einer Karriere annimmt.
Dies gilt auch für dieses Handbuch. Als 1976 auf dem Soziologentag in Bielefeld die Sektion „Soziale Probleme und soziale Kontrolle“ in der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
gegründet wurde, gehörten Forschungen über soziale Probleme noch keineswegs wieder
zum Kernbereich der Soziologie. In Deutschland waren zu dieser Zeit noch nicht lange die
dreißig Jahre „Wirtschaftswunder“ vergangen, in denen eine Vielzahl sozialer Probleme
über einen Ausbau sozialstaatlicher Maßnahmen zumindest abgefedert wurden, was im
Vorwort
11
öffentlichen und auch wissenschaftlichen Bewusstsein häufig mit ihrer Lösung gleichgesetzt worden war. Von Ausnahmen abgesehen, wurden erst zu Beginn der siebziger Jahre
soziale Probleme überhaupt wieder zu einem öffentlichen Thema, zunächst über journalistische Arbeiten, dann aber auch zunehmend innerhalb der Soziologie.
Wenn soziale Probleme überhaupt zum wissenschaftlichen Thema gemacht wurden,
dann geschah dies überwiegend mit einer unmittelbaren Anbindung an praktische Erfordernisse. So wurden in anderen Disziplinen einzelne Probleme immer thematisiert, wie z. B. in
der Kriminologie und der Sozialpolitikforschung, für die der Problem- und Praxisbezug geradezu konstitutiv ist und die häufig auf zentrale Konzepte und Perspektiven der Soziologie
zurückgegriffen haben, oder in der Psychologie und Medizin, in die soziologische Perspektiven erst spärlich eingedrungen waren.
Offenbar entstand in Deutschland erst Mitte der siebziger Jahre ein öffentliches Klima,
in dem soziale Probleme grundlegender und auch soziologisch analysiert werden konnten.
Einen besonderen Einfluss auf die soziologische Behandlung sozialer Probleme hatten dabei die US-amerikanischen Diskussionen und Kontroversen, die nun auch hier rezipiert
wurden. Dementsprechend stand zu Beginn der Diskussionen in der Sektion „Soziale Probleme und soziale Kontrolle“ die Frage nach der soziologischen Bestimmung des Gegenstandsbereichs und dem Selbstverständnis einer soziologischen Analyse sozialer Probleme.
Diese überwiegend theoretisch geführten Diskussionen waren durchaus eingebettet in den
damals innerhalb der Soziologie vorherrschenden Theorienpluralismus und seine Suche
nach Vergleichskriterien für Theorien.
Nach dieser, gemessen am Ausstoß an Papieren und Artikeln, produktiven Phase der
Auseinandersetzung um den Sinn einer Soziologie sozialer Probleme und um „Objektivismus“ und „Konstruktivismus“ innerhalb einer Soziologie sozialer Probleme sind diese Diskussionen Anfang der achtziger Jahre zumindest in Deutschland nahezu vollständig verebbt. Die Hauptprotagonisten der Diskussion wandten sich wieder der Analyse von Spezialproblemen oder allgemeineren Fragestellungen der Soziologie zu, ohne dass letztlich befriedigend erklärt worden wäre, worin denn eigentlich das Besondere einer Soziologie sozialer Probleme gegenüber der Behandlung durch andere wissenschaftliche Disziplinen liegt.
Immerhin wurden die verschiedenen sozialen Probleme und die mit ihnen verbundenen
Institutionen und Mechanismen sozialer Kontrolle nun auch verstärkt und detaillierter von
Soziologen und Soziologinnen analysiert und mit soziologischen Fragestellungen und Konzepten verknüpft. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich Ende der achtziger Jahre innerhalb der Sektion die Idee, diese Forschungen in Form eines Handbuchs zu bündeln, das
nicht nur der interessierten Fachöffentlichkeit einen Überblick geben, sondern gleichermaßen als Orientierungshilfe für weitere Forschungen dienen und auch in der Lehre Verwendung finden können sollte.
Die Realisierung dieses Unternehmens war allerdings von etlichen Schwierigkeiten begleitet. Zwar konnte in relativ kurzer Zeit ein Konzept entwickelt und sogar ein Verlag
gefunden werden, der sich auf dieses Wagnis einließ, und selbst das Wecken einer Bereitschaft zum Schreiben eines Artikels bei Autoren und Autorinnen erwies sich als weniger
problematisch als angenommen, aber die Umsetzung in konkrete Schreibarbeit war bei
einigen Kollegen und Kolleginnen doch mit größeren Arbeitshemmungen verbunden als
erwartet. Es gibt in Deutschland keine Tradition für Hand- und Lehrbücher wie z. B. in den
12
Vorwort
USA, und die Überwindung, den Stand der Forschung systematisch darzustellen, scheint
hier eher noch größer zu sein.
Soziale Probleme entwickeln sich, genauso wie sich die Konzepte und manchmal auch
Moden ihrer soziologischen Thematisierung wandeln. Von daher haben Überblicksartikel
oft von vornherein eine kürzere Halbwertzeit, und eine bleibende Reputation ist damit
kaum zu gewinnen, jedenfalls im Vergleich zu Artikeln, die aktuelle Diskussionen und
Entwicklungen sozialer Probleme kommentieren, theoretische Neuentwürfe oder grundlegende empirische Forschungen darstellen.
Zudem kommt es bei insgesamt immerhin 37 Autoren und Autorinnen mit der Zeit erwartungsgemäß zu beruflichen Umorientierungen und beruflichen wie auch privaten Arbeitshindernissen (manchmal auch bei den Herausgebern), die in etlichen Fällen dazu geführt haben, dass die Herausgeber neue Autoren und Autorinnen suchen und motivieren
mussten, was letztlich leider dazu geführt hat, dass das Erscheinen des Handbuchs immer
wieder hinausgeschoben werden musste.
Dies sind einige der Gründe dafür, dass die Realisierung dieses Handbuchs sich über
einen Zeitraum hinzog, der die Geduld besonders der Autoren und Autorinnen, die frühzeitig ihre Artikel abgeliefert haben, in einem Maße strapaziert hat, das normalerweise nicht
tolerabel ist. Ihnen gilt unser besonderer Dank zuallererst; unglücklicherweise sind es nun
gerade ihre Artikel, die am ältesten sind.
Wir haben davon abgesehen, die Artikel erneut überarbeiten zu lassen oder selbsttätig
Aktualisierungen vorzunehmen, was nach den von uns gemachten Erfahrungen entweder
erneut zu erheblichen Verzögerungen geführt, unsere eigene Kompetenzen in vielen Bereichen überfordert oder schlimmstenfalls eine Neuinterpretation der Artikel mit sich gebracht
hätte, die den Intentionen der Autoren und Autorinnen nicht mehr gerecht geworden wäre.
Da jedes soziale Problem entsprechend seiner Thematisierungskonjunktur einer spezifischen Entwicklungsdynamik und Entwicklungsgeschwindigkeit unterliegt, macht sich ein
geringerer Bezug zu kurzfristiger Aktualität sehr unterschiedlich bemerkbar. In manchen
Bereichen hat sich auch nach mehreren Jahren, sowohl in den Erscheinungsformen des sozialen Problems wie auch in seiner sozialwissenschaftlichen Analyse, nur sehr wenig verändert, während bei anderen Problemen die Entwicklungen derart stürmisch verlaufen, dass
nahezu jeder aktuelle Bezug bereits bei Erscheinen des Artikels überholt erscheint.
Die Konzeption dieses Handbuchs und insbesondere die Auswahl der zu behandelnden
Probleme war von der Idee getragen, nicht eine Vollständigkeit anzustreben, sondern ein
möglichst breites Spektrum unterschiedlicher sozialer Probleme zu behandeln, die in der
aktuellen Diskussion stehen und die jenseits aktueller öffentlicher Thematisierungskonjunkturen zum „klassischen“ Repertoire der sozialwissenschaftlichen Forschung zählen. Von
daher geben die Artikel exemplarisch Auskunft über Diskussionen und Konzeptionen sozialer Probleme in den neunziger Jahren.
Es gibt bislang keine Theorie sozialer Probleme, gleichwohl lassen sich Bausteine und
Fragestellungen identifizieren, die dazu beitragen könnten. Die Diskussionen darüber, ob es
überhaupt sinnvoll ist, diese sehr unterschiedlichen Phänomene unter ein Konzept zusammenzubringen, und unter welcher Fragestellung dies analysiert werden soll, ist noch keineswegs abgeschlossen. Der erste Teil dieses Handbuchs dokumentiert dieses Bemühen um
eine Soziologie sozialer Probleme. Die Diskussionen innerhalb der einzelnen Artikel zu den
Vorwort
13
verschiedenen sozialen Problemen knüpfen hieran in unterschiedlichem Ausmaß an und
spiegeln selbstverständlich immer auch die theoretischen Auffassungen und Vorlieben ihrer
Autoren und Autorinnen wieder. Dies Handbuch hätte auch dann seine Funktion erfüllt,
wenn es Anlass dazu bieten würde, aus der Gesamtschau heraus diese unterschiedlichen
Perspektiven zu reflektieren und möglicherweise eine erneute allgemeinere Diskussion über
soziale Probleme und ihre soziologische Analyse in Gang zu bringen.
Es ist ebenfalls durchaus strittig, ob und inwiefern sich die Soziologie sozialer Probleme in erster Linie als angewandte Soziologie verstehen oder ob ihr Anspruch darüber hinausgehen und durchaus auch gesellschafts- und grundlagentheoretische Orientierungen behandeln soll. Unstrittig ist hingegen, dass hierbei empirische Forschungen eine zentrale
Rolle spielen müssen. So soll es auch ein vorrangiges Ziel dieses Handbuchs sein, empirisches Wissen zusammenzufassen und entsprechende Forschungen zu problematisieren und
zu orientieren. Der dritte Teil informiert hierzu über methodische Verfahren und Probleme,
die in spezifischer Weise bei der empirischen Forschung über soziale Probleme zum Tragen
kommen.
Die Geschichte sozialer Probleme ist quasi per Definition nicht von den Bemühungen
ihrer Kontrolle zu trennen. Dieses kommt auch in den Artikeln zu den einzelnen Problemen
deutlich zum Ausdruck. Darüber hinaus werden im vierten Teil Diskussionen zur Intervention und zu einzelnen Interventionsformen zusammengefasst, die in der sozialen Kontrolle
der sozialer Probleme in unterschiedlicher Ausprägung Verwendung finden und deren Wirkungsweisen hier in ihren gesellschaftstheoretischen Bezügen verortet werden.
Insgesamt stellt dieses Handbuch einen ersten Versuch dar, einen Überblick über das
sozialwissenschaftliche Wissen über soziale Probleme zusammenzutragen. Auslassungen
sind dabei unvermeidlich, dies betrifft nicht nur die Auswahl der behandelten sozialen Probleme und Interventionen, sondern auch der unterschiedlichen theoretischen Perspektiven.
Wir haben uns bemüht, durch die Wahl der Autoren und Autorinnen ein möglichst breites
Spektrum zu Wort kommen lassen, was nicht einfach war und im Resultat sicher nicht in
allen Fällen befriedigt. Vielleicht bietet auch dies Ansätze für fundierte Kritik und Diskussionen, die u.E. die Entwicklung einer Soziologie sozialer Probleme befruchten und die
soziologische Konzeptualisierung sozialer Probleme voranbringen könnten. Wenn das
Handbuch über die Anregung zur Diskussion und zur empirischen Forschung hinaus auch
noch in der Lehre Verwendung findet, wäre sein Ziel mehr als erfüllt.
Neben den Autorinnen und Autoren, die die Artikel geschrieben haben und mehr oder
weniger geduldig auf ihre Veröffentlichung warteten, standen uns bei der Fertigstellung der
druckreifen Fassung, bei der unentbehrlichen Suche nach unvollständigen und obskuren
Literaturangaben und bei der Erstellung der Verzeichnisse besonders Marina Walters und
Stefan Buchholt hilfreich zur Seite. Ihnen schulden wir einen herzlichen Dank für ihr überwiegend unentgeltliches oder zumindest unterbezahltes Engagement.
Die Herausgeber
Bielefeld/Dortmund 1999
I. Soziologie und Politik sozialer Probleme
Soziologie sozialer Probleme –
Fragestellungen, Konzepte und theoretische Perspektiven
Axel Groenemeyer
1. Probleme einer Soziologie sozialer Probleme
Es ist völlig unklar, was ein soziales Problem ist und ob es überhaupt noch sinnvoll ist, den
Begriff innerhalb der Soziologie zu verwenden. In der US-amerikanischen Soziologie wird
der Begriff „social problem“ seit mehr als hundert Jahre verwendet, und es existieren spezielle Vereinigungen wie die Society for the Study of Social Problems bzw. in Deutschland
die Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle innerhalb der Deutschen Gesellschaft
für Soziologie, die eigenständige Zeitschriften mit dem Titel Social Problems bzw. Soziale
Probleme herausgeben. Zudem liegen insbesondere in den USA dutzende von Hand- und
Lehrbüchern über „social problems“ vor, die in obligatorischen Grundlagenkursen der Soziologie Verwendung finden. Trotzdem gibt es keine einheitliche Definition, und nach wie
vor werden mit dem Konzept sehr unterschiedliche Vorstellungen und Fragestellungen verbunden sowie ganz verschiedene Phänomene als soziale Probleme bezeichnet. Dementsprechend stellt Joel Best nach Jahren der Beschäftigung mit der Soziologie sozialer Probleme
scheinbar resigniert fest, dass “social problem has not proved to be a particularly useful
concept for sociological analysis” (2004: 15). Dies hält ihn aber nicht davon ab, selbst ein
paar Jahre später ein eigenes Lehrbuch von immerhin 360 Seiten vorzulegen (Best 2008b).
Ganz ähnlich hatten schon 1977 Spector und Kitsuse (1977: 1) konstatiert: „there is not and
never has been a sociology of social problems”.
Nun ist es für die Soziologie nicht ungewöhnlich, sondern sogar eher die Regel, dass
zentrale Konzepte und Begrifflichkeiten ihre Bedeutung wandeln und sie von verschiedenen Autoren und Autorinnen ganz unterschiedlich verwendet werden. Dies gilt gerade auch
dann, wenn soziologische Begrifflichkeiten in die Alltagssprache, in Medien und politische
Diskurse eingehen und von da aus dann wieder in die Soziologie zurückgespiegelt werden.
Deshalb ist es sinnvoll, zunächst einmal die gängigen Bedeutungsvarianten, theoretischen
Kontexte und Verwendungsweisen des Konzepts sowie die mit ihm verbundenen Fragestellungen zu beschreiben.
Der Begriff „soziales Problem“ ist zwar in die Alltagssprache eingegangen und lässt
sich sowohl in den Medien als auch in politischen Reden finden, aber er hat dort keine
klaren Konturen und beschreibt sehr unterschiedliche Phänomene, die in irgendeiner Weise
als Störung, Missstand, Krise, Leiden, Schaden und Ungerechtigkeit o. ä. wahrgenommen
und Gegenstand von Interventionen und Politik werden oder werden sollen. Innerhalb der
Soziologie beschäftigen sich verschiedene spezielle Soziologien mit Phänomenen, die in
der Gesellschaft als problematisch angesehen werden, wie z. B. Kriminalsoziologie, Sozio-
G. Albrecht, A. Groenemeyer (Hrsg.), Handbuch soziale Probleme, DOI 10.1007/978-3-531-94160-8_1,
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden 2012
18
Axel Groenemeyer
logie der Armut und der Sozialpolitik, Medizin- und Gesundheitssoziologie, Soziologie der
Behinderung, des Rassismus oder der Gewalt. Es handelt sich bei diesen Phänomenen um
Missstände oder Störungen, unter denen sich die meisten Menschen etwas Konkretes vorstellen können. „Soziale Probleme“ bezeichnet demgegenüber kein konkretes Phänomen,
sondern bezieht sich auf eine analytische Klasse oder Kategorie unterschiedlicher Phänomene, die zum Gegenstand der Analyse gemacht werden soll. In diesem Sinn ist „soziales
Problem“ ein theoretisches Konstrukt der Soziologie, das nur dann sinnvoll ist, wenn gezeigt werden kann, dass die unter diesem Begriff zusammengefassten Phänomene gemeinsame Eigenschaften haben bzw. sie unter einer gemeinsamen Fragestellung analysiert werden können.
Ob eine derartige analytische Zusammenfassung sehr unterschiedlicher Erscheinungen
unter ein theoretisches Konzept überhaupt möglich ist, macht eine der Schwierigkeiten aus,
von einer Soziologie sozialer Probleme zu sprechen. So kann mit Recht gefragt werden,
welche Art von Theorie es denn sein könnte, die gemeinsame Erklärungen für z. B. Arbeitslosigkeit, Suizid, Rassismus und psychische Behinderungen entwickelt, und wie könnten
empirische Forschungen aussehen, die auf der Grundlage eines derart diffusen Konzepts
durchgeführt werden sollen? Was macht denn das Besondere dieser Phänomene aus, das es
rechtfertigt, sie als einen eigenständigen Gegenstandsbereich soziologischer Analyse oder
als Thema einer speziellen Soziologie aufzufassen?
Dabei bildeten die als soziale Probleme bezeichneten Phänomene einen der zentralen
Ausgangspunkte der Entwicklung der Soziologie als eigenständige Wissenschaft. Seit den
Anfängen der Soziologie als wissenschaftliche Disziplin gehören Missstände, Krisen und
Störungen zu den zentralen Themen der Analyse moderner Gesellschaften.
1.1 Soziale Probleme und Soziale Frage
Entstanden aus der Philosophie der Aufklärung und des Positivismus wird die Soziologie in
ihren Anfängen im 19. Jahrhundert häufig als „Krisenwissenschaft“ charakterisiert, deren
genuines Themenspektrum in den Schattenseiten gesellschaftlichen Wandels gesehen wird.
Mit der industriellen Revolution waren gesellschaftliche Modernisierungsprozesse verbunden, deren negative Auswirkungen auf die Lebenspraxis nach neuen Deutungen und vor
allem nach Lösungen verlangten. Soziale Probleme waren im Kontext gesellschaftstheoretischer Perspektiven nicht nur deutliche Indikatoren für gesellschaftliche Fehlentwicklungen
und Krisen, sondern offenbarten auch die zentralen Funktionsprinzipien gesellschaftlicher
Beziehungen und Strukturen. Vor dem Hintergrund der Aufklärungsbewegung und der politischen Ideale von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit wurden Armut, Kinderarbeit,
Kriminalität, Alkoholkonsum, Krankheit und psychische Störungen in den unteren sozialen
Klassen – zusammengefasst als „soziale Frage“ – zum zentralen Bezugspunkt der Entwicklung der Soziologie.
Die Gegenstände der soziologischen Analyse – Kriminalität, Devianz, Krankheit, Armut, Krisen etc. – waren bereits damals keine neuen Phänomene, ihre Thematisierung als
„soziale Probleme“ ist allerdings ein Produkt der modernen Gesellschaft. Entwicklungen
der Arbeitsteilung oder der sozialen Differenzierung, die Durchsetzung der Marktvergesellschaftung und besonders Prozesse der Industrialisierung und Urbanisierung führten zu gesellschaftlichen Anpassungsproblemen, die sich als Armut, Abweichung, Krankheit und
Soziologie sozialer Probleme
19
Leiden bisher unbekannten Ausmaßes und Konzentration ausdrückten. Begleitet und vorangetrieben wurden diese Wandlungen durch kulturelle Entwicklungen, die im Allgemeinen
als Prozesse der Säkularisierung, Demokratisierung und der Entwicklung von aufklärerischen, humanistischen Ideen sowie einer neuen wissenschaftlich rationalen Kosmologie beschrieben werden (vgl. als Überblick van der Loo/van Reijen 1992). Zusammen mit den politischen Revolutionen im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert wurden das Elend und
die Leiden der unteren Klassen sichtbar und vor allen Dingen der politischen Achtung für
wert befunden. Mit der Ideen des Humanismus und den politischen Ansprüchen einer „Inklusion“ aller wurden Armut und Leiden nicht mehr wie vorher als unausweichlich, gottgegeben und nicht veränderbar angesehen, sondern zum Thema staatlicher Politik und eben
auch der Soziologie (D Groenemeyer/Ratzka: Armut, Deprivation und Exklusion als soziales Problem).
Die soziale Frage problematisierte den gesellschaftlichen Zusammenhalt als Diskrepanz zwischen den politischen Ansprüchen auf der Grundlage der Ideen von Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit auf der einen Seite und der Realität kapitalistischer Wirtschaftsorganisation auf der anderen Seite, die mit der industriellen Revolution gleichzeitig
einen Großteil der Bevölkerung von sozialer, ökonomischer und politischer Teilhabe ausschloss. Die politische Artikulierung dieser Probleme durch soziale Bewegungen verdeutlichte nicht nur die Bedrohlichkeit – als „dangerous classes“ –, sondern gab auch die politischen Strategien und Ideologien vor, mit denen sie bearbeitet werden sollten (vgl. Kaufmann 2003; Pankoke 1970).
Die soziale Frage wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen als „Arbeiterfrage“ behandelt, die sich spätestens mit den bismarckschen Sozialgesetzen (1883-1889)
von der „Armenfrage“ abgrenzte. Im Unterschied etwa zur Entstehungssituation der Soziologie in Amerika wurden besonders in Deutschland und Frankreich soziale Probleme mit
der sozialen Frage als Funktions- und Folgeprobleme gesellschaftlicher Modernisierung, als
Indikatoren grundlegender Widersprüche und der Krisenhaftigkeit der gesellschaftlichen
Ordnung thematisiert. Die Zusammenfassung verschiedener Formen von Verelendung, abweichenden Verhaltens, Gewalt und Krankheit unter dem Konzept der „sozialen Frage“
war insofern gerechtfertigt als die industriell kapitalistische Entwicklung als einheitliche
Ursache der als problematisch aufgefassten Entwicklungen gesehen werden konnte.
Die soziale Frage stellte immer eine Herausforderung an die Politik dar und war Bestandteil eines auf Gesellschaftsreform zielenden Projekts, und sie war Gegenstand politischer Diskurse, die im Rahmen der vorherrschenden Ideologien des Konservatismus, Liberalismus oder Sozialismus und der damit verbundenen sozialen Bewegungen geführt wurden (Fischer 1977). Die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates in Zusammenarbeit mit Konzepten rationaler, auf Integration angelegter sozialer Kontrolle, insbesondere nach dem II.
Weltkrieg, schien auch weiten Teilen der Soziologie als Garant für die Lösung der sozialen
Frage. Mit dem Ausbau sozialer Sicherungssysteme und dem Wirtschaftsaufschwung nach
dem II. Weltkrieg verloren Probleme der sozialen Frage ihre konzeptionelle Sonderstellung
für die Gesellschaftsanalyse. Sozialen Problemen wurde fortan eher die Rolle pathologischer Ausnahmeerscheinungen zugedacht, deren Thematisierung und Analyse allenfalls im
Rahmen der anwendungsorientierten Soziologie gerechtfertigt und ansonsten eher in den
Fachhochschulbereich der Sozialarbeit oder die Ausbildungsgänge der wohlfahrtsstaatli-
20
Axel Groenemeyer
chen Professionen zu gehören scheint. Dementsprechend werden soziale Probleme auch im
„Lexikon zur Soziologie“ (Fuchs-Heinritz et al. 1994) als „Herausforderung an die Sozialpolitik“ bzw. der „Social-Problems Approach“ als Soziologie mit starkem Anwendungsbezug definiert.
Letztlich ist das Konzept „soziale Probleme“ eine Entwicklung der US-amerikanischen
Soziologie (vgl. Schwartz 1997). Im Unterschied zu Europa mit einer ausgeprägten Tradition der Auseinandersetzung mit sozialistischen und sozialdemokratischen Arbeiterbewegungen haben derartige soziale Bewegungen in den USA kaum eine Rolle bei der Formulierung alternativer gesellschaftlicher und politischer Konzeptionen gesellschaftlicher Ordnung gespielt. Aufgrund des Fehlens entsprechender sozialer Bewegungen hat die Auseinandersetzung mit den in Europa konfligierenden Gesellschaftsmodellen des Liberalismus,
Konservatismus und Sozialismus auch bei der Konstitution der Soziologie in den USA
kaum Bedeutung erlangen können.
Insbesondere die erste Phase der Institutionalisierung der Soziologie in den USA Ende
des 19. Jahrhunderts wird als eine moralisierende und an praktischer Reform orientierte Soziologie gekennzeichnet, die sich durch das Bemühen auszeichnete, unmittelbare Praxisanleitungen für die Behebung konkreter sozialer Missstände über lokale soziale Reformen und
soziale Arbeit zu entwickeln, ohne damit einen starken wissenschaftlichen oder gar gesellschaftstheoretischen Anspruch zu verbinden (Rose 1971). Diese instrumentelle, auf konkrete Reformprojekte ausgerichtete Orientierung der amerikanischen Soziologie war auch bestimmend für die Gründung der Society for the Study of Social Problems 1952 und ihr offizielles Publikationsorgan Social Problems in Abgrenzung zur stärker theoretisch und empirisch orientierten American Sociological Association (vgl. Lee/Lee 1976: 7).
Die gesellschaftstheoretische Fundierung von Analysen sozialer Probleme in Anlehnung an die Tradition der sozialen Frage ist in Europa nie völlig aufgegeben worden. Allerdings werden diese Analysen in der Regel eher in Zusammenhang mit einzelnen als problematisch angesehenen Phänomenen durchgeführt, die dann als Ausdruck der gesellschaftlichen Organisation, der Struktur sozialer Beziehungen und der ungleichen Verteilung von
Ressourcen, demographischer Entwicklungen, wirtschaftlicher Krisenphänomene oder des
Wandels kultureller Deutungsmuster und Diskurse gedeutet werden. Insbesondere mit Konzepten der Exklusion, der sozialen Desintegration und Ideen einer Underclass wird dabei
unmittelbar an die Tradition der sozialen Frage angeknüpft, aber auch Begrifflichkeiten wie
soziale Desorganisation, Individualisierung, Anomie, Entfremdung und Ausbeutung sowie
strukturelle Gewalt, soziale Pathologie oder Disziplinargesellschaft gehören zu zentralen
soziologischen Grundkonzepten der Analyse sozialer Probleme und zu Standards der soziologischer Gesellschaftsdiagnose (siehe Kapitel 3).
1.2 Soziale Probleme und wohlfahrtsstaatliche Reformpolitik
In der deutschsprachigen Diskussion findet der Begriff „soziales Problem“ erst relativ spät
Verwendung und wird dann jeweils mit ganz unterschiedlichen Bedeutungen belegt. Während in Massenmedien eher selten von „sozialen Problemen“ die Rede ist, taucht das Konzept seit den 1960er Jahren besonders in Beiträgen von Politikern und Politikerinnen sowie
in Gesetzesvorlagen durchaus häufiger auf, allerdings meistens eher unspezifisch und in
allgemeinen Verbindungen wie „materielle und soziale Probleme“ oder „gesellschaftliche
Soziologie sozialer Probleme
21
Probleme“. Dabei werden z. T. soziale oder gesellschaftliche Probleme abgegrenzt von politischen, materiellen, ordnungspolitischen oder wirtschaftlichen Problemen. Der Begriff
„soziale Probleme“ wird manchmal zur Kennzeichnung eines problematischen Zustands der
Gesellschaft benutzt, also als „Probleme der Gesellschaft“, häufiger dient er aber zur Beschreibung von bestimmten Personengruppen, die „Probleme mit der Gesellschaft“ haben.
In diesem Sinne sind soziale Probleme dann als ein Synonym für den Begriff der „Randgruppe“ verstanden worden (ausführlicher dazu Sidler 1999: 19 ff.). Diese Verwendungsweise findet sich auch heute noch in verschiedenen Konnotationen, die nicht selten zu Konfusionen in Diskussionen beitragen.
Tatsächlich ist nicht immer eindeutig, was genau mit dem Adjektiv „sozial“ in sozialen
Problemen gemeint ist. So kann sich „sozial“ erstens auf den engeren Bereich der sozialen
Beziehungen im sozialen Nahraum beziehen, was dann mit sozialer Integration im engeren
Sinne thematisiert wird. Soziale Probleme werden dann als Probleme sozialer Beziehungen
und sozialer Anpassung verstanden, als soziale Desintegration, z. T. in expliziter Abgrenzung zu materiellen, ökonomischen oder politischen Problemen. Kriminalität, Drogenkonsum, Gewalt oder psychische Störungen sind dann konsequenterweise selbst keine sozialen
Probleme, sondern sie haben soziale Probleme als Ursachen (z. B. Mucchielli 2001: 13). So
kann es z. B. passieren, dass eine Thematisierung von Arbeitslosigkeit als soziales Problem
mit dem Argument zurückgewiesen wird, dass es sich hierbei um ein ökonomisches und
nicht um ein soziales Problem handelt.
Damit verwandt, aber in der Konzeption scheinbar weiter angelegt, sind zweitens Vorstellungen, dass es sich dann um soziale Probleme handelt – in Abgrenzung zu psychologischen, biologischen oder individuellen Problemen –, wenn sie auf soziale bzw. gesellschaftliche Ursachen zurückgeführt werden können. So werden z. B. psychische Störungen oder
Krankheiten dann zu einem sozialen Problem, wenn gezeigt werden kann, dass ihnen soziale Ursachen zugrunde liegen, d. h. wenn sie auf soziale Ungleichheit, prekäre Lebenssituation, Exklusion, fehlende soziale Integration und Ressourcen sowie mangelhafte Bewältigungsstrategien zurückgeführt werden können (z.B. Deacon/Mann 1999; Dorvil 1990).
Schließlich kann drittens „sozial“ aber auch unmittelbar in Zusammenhang mit Sozialpolitik und Sozialer Arbeit normativ aufgeladen verwendet und an Hilfebedürftigkeit geknüpft werden. Hierbei ist der Bezug zu Randgruppen unmittelbar, und soziale Probleme
sind solche, die (potenziell) als durch soziale Dienste und Pädagogik bearbeitbar angesehen
werden – und indem sie als soziale Probleme thematisiert werden, sind sie automatisch Gegenstand der Sozialpolitik und der Sozialen Arbeit (z. B. Staub-Bernasconi 1995, 2007:
157 ff.). So wird im Unterschied zur Verwendung des Begriffs in der Soziologie „das Soziale“ in der Literatur zu Sozialer Arbeit häufig mit dem Sozialsektor bzw. mit sozialpolitischen Arrangements identifiziert (D Otto/Kessl: Soziale Dienstleistungsberufe und Professionalisierung). Im Unterschied zur klassischen Bedeutung von „sozial ist es, ein gutes
Werk zu tun“ (Seneca) wird der Begriff hier mit den normativen Ideen einer Gemeinwohlorientierung und dem Schutz bzw. der Förderung von Hilfebedürftigen verbunden.
In der Soziologie ist der Begriff des Sozialen demgegenüber der zentrale Grundbegriff,
mit dem jede geordnete Form von Aufeinanderbezogenheit, Interdependenzen, Wechselwirkungen, Kommunikationen und Bindung zwischen Handlungen oder Systemen bezeichnet wird. Der Gegenbegriff ist keineswegs „asozial“ oder „antisozial“, sondern eher indivi-
22
Axel Groenemeyer
duell oder desorganisiert. So stellt, soziologisch gesehen, z. B. ein Mord ebenso soziales
Handeln dar wie Helfen oder Autofahren, und selbst ein Suizid ist ein soziales Handeln,
insofern er das Ergebnis gesellschaftlicher Bedingungen darstellt und Auswirkungen auf
Andere und soziale Beziehungen hat. Die Verengung des Begriffs auf eine normative Konzeption, die den Gegenbegriff zu sozial in „asozial“ oder „antisozial“ konzipiert bzw. soziale Probleme auf das Feld sozialpolitischer Arrangements reduziert, ist zwar nach wie vor
weit verbreitet, führt aber dazu, das Konzept „soziales Problem“ ausschließlich im Kontext
einer anwendungsorientierten Soziologie zu verorten.
Diese Orientierung war für die Ausbreitung des Begriffs in wissenschaftlichen Kontexten zunächst vorherrschend. Hier taucht der Begriff in den 1960er Jahren in etwa zeitgleich
sowohl in der Soziologie wie auch in Texten zur Sozialarbeit auf (Sidler 1999). Über die
Rezeption der US-amerikanischen Diskussion verbreitet sich dann der Gebrauch des Begriffs innerhalb der Soziologie in den 1970er Jahren (siehe Albrecht 1977; Haferkamp
1977; Stallberg 1979, 1981), fand Eingang in einschlägige Lexika und Handbücher (Bellebaum/Braun 1974a; 1974b; Stallberg/Springer 1983) und 1976 seinen organisatorischen
Niederschlag in der Gründung der Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle in der
Deutschen Gesellschaft für Soziologie und ab 1989 in der Zeitschrift Soziale Probleme.
Die Gründung der Sektion Soziale Probleme und soziale Kontrolle erfolgte im Kontext
einer Zeit, die man als Hochzeit sozialer Probleme bezeichnen kann. Im Klima der Protestbewegungen seit Mitte der 1960er Jahre, der Etablierung eines allgemeinen Reformklimas
und im Rahmen der ersten sozialliberalen Regierungskoalition war die Thematisierung sozialer Probleme in öffentliche Diskurse und die politische Programmatik einer allgemeinen
Gesellschaftsreform eingebunden. Zudem fand sie ihren institutionellen Ausdruck in der
Etablierung einer Vielzahl von staatlich organisierten Kommissionen, die die Reform der
Politik und öffentlichen Verwaltung sowie die planmäßige Steuerung des sozialen Wandels
und den Ausbau sozialer Dienstleistungen anleiten sollten. Begleitet und angetrieben von
immer neuen sozialen Bewegungen und den Massenmedien (z. B. Spiegel-Redaktion 1973)
funktionierten diese Kommissionen teilweise geradezu als Problemfindungs-Kommissionen.
„Soziale Probleme“ verwiesen in diesem Kontext nicht nur auf professionelle Problembearbeitung, sondern erhielten eine deutlich politische Konnotation im Sinne einer öffentlichen Anklage von Missständen und Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft. Wie bereits bei
der Einführung des Randgruppenbegriffs in den 1960er Jahren vermischte sich diese Politisierung aber auch mit Vorstellungen einer Störung gesellschaftlicher Ordnung und Stabilität. Randgruppen als Betroffene von sozialen Problemen wurden als Bedrohung der sozialen Ordnung analysiert (Fürstenberg 1965) oder als neue (potentielle) Akteure der gesellschaftlichen Veränderung und als neues revolutionäres Subjekt aufgefasst (Marcuse 1967
[1964]; siehe Karstedt 1975; Sidler 1999: 85 ff.).
Die Soziologie wurde in diesem Prozess als die zentrale Leitwissenschaft ausgemacht
und mit dem Beginn der Reformära Anfang der 1970er Jahre und dem Ausbau des universitären Bildungswesens entsprechend mit Stellen und Ressourcen ausgestattet. Unter den
Leitideen von Demokratie und Partizipation in allen gesellschaftlichen Teilsystemen und
sozialer Gerechtigkeit sollte sie die politische Steuerung des sozialen Wandels und politische Reformprozesse wissenschaftlich begleiten, was in diesem Kontext bedeutete, soziale
Soziologie sozialer Probleme
23
Probleme in der Gesellschaft zu identifizieren, zu beschreiben, ihre Ursachen und Entwicklungsbedingungen zu analysieren sowie politische Lösungen zu entwickeln und zu bewerten.
Die Soziologie sozialer Probleme identifizierte sich unter dieser anwendungsorientierten und reformpolitischen Perspektive mit der Analyse und Bearbeitung von Problemen gesellschaftlicher Benachteiligung, wobei es im Wesentlichen um eine wissenschaftliche Fundierung politischer Programme des Ausbaus und der Professionalisierung sozialer Dienste
und der Reform der Sozialverwaltung ging. Soziale Probleme oder Randgruppe bezeichneten dabei kein präzises sozialwissenschaftliches Konzept, sondern eine sozialpolitische und
sozialarbeiterische Sammelbezeichnung für unterschiedliche Gruppen von Außenseitern
und Unangepassten, deren Lebensbedingungen und vor allem Defizite unter einer politisch
motivierten und praxisorientierten Perspektive analysiert werden sollten (z. B. Bellebaum/
Braun 1974a, 1974b sowie den Literaturüberblick von Kögler 1976). Das Reformklima der
1960er und 1970er Jahre und die Orientierung am Ausbau und der Professionalisierung sozialer Dienste können als ein zentraler Faktor für die Rezeption des Konzepts „soziale Probleme“ aus dem US-amerikanischen Kontext gesehen werden.
Parallel zu dieser Thematisierung sozialer Probleme kam seit den 1980er Jahren aber
auch das Konzept „soziale Frage“ wieder in Gebrauch. Zunächst innerhalb der politischen
Diskussion als Kritik der Sozialpolitik als „Neue soziale Frage“ (Geißler 1976) formuliert,
fand es alsbald auch Verwendung in soziologischen Analysen und wurde, ausgehend von
der französischen Diskussion, über die Thematisierung von Ausgrenzung, Marginalisierung
und Exklusion zu einem zentralen Bezugspunkt der Frage nach den Bedingungen und Problemen gesellschaftlicher Integration, Inklusion und Kohäsion (Bude/Willisch 2006; Castel
2000; Castel/Dörre 2009; Kronauer 2002; Paugam 1996). Damit knüpft diese Diskussion
zwar unmittelbar an Fragestellungen der „alten sozialen Frage“ an, allerdings nimmt sie zumeist die Armutsproblematik bzw. Arbeitslosigkeit als Ausgangspunt und wird trotz ihres
theoretischen Anspruchs von der Thematik zumeist enger gefasst (D Groenemeyer/Ratzka:
Armut, Deprivation und Exklusion als soziales Problem). Gleichwohl ist die mit den Konzepten der Marginalisierung und Exklusion angesprochene Problematisierung der gesellschaftlichen Integration und Inklusion ein Bezugspunkt, der sich auch auf andere soziale
Probleme übertragen lässt und somit für die Soziologie sozialer Probleme von besonderer
Bedeutung ist.
Besonders diese praktischen, professionellen und politischen Perspektiven auf soziale
Probleme begünstigten ein Eingehen des Begriffs in professionelle und politische Alltagsdiskurse, wodurch die Grenzen zu einer präziseren soziologischen Verwendung des Konzepts verschwammen. Auf die wichtige Unterscheidung zwischen dem wissenschaftlichen
und dem alltagsweltlichen Gebrauch des Begriffs haben besonders Haferkamp (1977) und
Schetsche (2008: 9 ff.) hingewiesen.
1.3 Die Entwicklung einer Soziologie sozialer Probleme in Deutschland
Die detailliertere Rezeption der US-amerikanischen Soziologie sozialer Probleme innerhalb
der deutschen Soziologie setzte erst ab Ende der 1970er Jahre ein, insbesondere über die
Überblicksarbeiten von Albrecht (1977) und Haferkamp (1977, 1978). Grundlegende theoretische Beiträge aus der US-amerikanischen Soziologie sozialer Probleme z. B. von Mer-
24
Axel Groenemeyer
ton (1971) und Blumer waren bereits 1975 auszugsweise auf Deutsch erschienen (Hondrich
1975), weitere Übersetzungen folgten 1983 im Band von Stallberg und Springer.
Die Thematisierung sozialer Probleme in diesem Kontext kann als der Versuch einer
stringenten Verwissenschaftlichung des Konzepts und als Abkehr von einer ausschließlich
anwendungsorientierten Soziologie verstanden werden. Nachdem zunächst durchaus Anschluss an die gesellschaftstheoretische Perspektive der sozialen Frage gesucht worden war,
standen die 1980er und 1990er Jahre ganz im Zeichen der Auseinandersetzung zwischen
den so genannten „objektivistischen“ und „konstruktivistischen bzw. „subjektivistischen“
Perspektiven in der Soziologie sozialer Probleme. Auslöser für diese Debatten war, genauso wie in der US-amerikanischen Soziologie sozialer Probleme (vgl. Best 2006), die Rezeption der interaktionistischen bzw. konstruktivistischen Arbeiten von Blumer (1975 [1971]),
Mauss (1975) und insbesondere von Spector und Kitsuse (1973, 1977; Kitsuse/Spector
1973).
In diesen Perspektiven werden soziale Probleme nicht als Indikatoren für Störungen der
gesellschaftlichen Entwicklung und sozialen Ordnung, sondern als Ergebnisse öffentlicher
Problematisierungsaktivitäten kollektiver Akteure oder als soziale Bewegungen verstanden.
Ausgangspunkt ist hier die Feststellung, dass Phänomene in der Gesellschaft nicht von sich
aus problematisch sind, sondern ihr problematischer Charakter erst aktiv über gesellschaftliche Definitions- und Konstruktionsprozesse hergestellt werden muss. Erklärungsbedürftig
an sozialen Problemen sind damit nicht mehr die Ursachen oder die Verbreitung bzw. Betroffenheit von sozialen Problemen, sondern die Art und Weise, wie bestimmte Phänomene
in der Gesellschaft als problematisch dargestellt bzw. konstruiert und so in öffentlichen
Diskursen als soziale Probleme wahrgenommen werden (siehe Kapitel 3).
Die Antwort auf die grundlegende Frage nach dem Gemeinsamen der unterschiedlichen Phänomene, die als soziale Probleme aufgefasst werden, und damit die Rechtfertigung
für ein einheitliches soziologisches Konzept der Soziologie sozialer Probleme, liegt demnach darin, dass diese Phänomene als problematisch angesehen werden, d. h. sie sind Ergebnis erfolgreicher Problematisierungsaktivitäten kollektiver Akteure in der Gesellschaft.
Bei dieser Soziologie sozialer Probleme geht es um Fragen der Konstruktion bzw. Rekonstruktion vermeintlicher Sachverhalte als soziales Problem, und es wird danach gefragt, wie
ein soziales Phänomen zu einem öffentlichen und politischen Thema gemacht wird. Konsequenterweise wird die Soziologie sozialer Probleme in dieser Perspektive zumeist als Wissenssoziologie identifiziert, insofern die Entwicklung und Durchsetzung kultureller Deutungsmuster in der Gesellschaft im Vordergrund stehen (siehe insbesondere Schetsche
1996, 2000, 2008).
Von diesen Diskussionen und Fragestellungen einigermaßen unbeeinflusst haben sich
disziplinäre Spezialisierungen ausgebildet bzw. weiterentwickelt, in denen eingehend einzelne soziale Probleme analysiert werden. So gibt es z. B. entwickelte Armutsforschungen,
die häufig eng an die Sozialpolitikforschung angelehnt sind, Forschungen zum abweichenden Verhalten, zur Gewalt, Kriminalität und zur Kriminalpolitik oder auch soziologische
Analysen zu Krankheiten, psychischen Störungen und zur Psychiatrie. In diesen speziellen
Forschungsfeldern der Soziologie sind z.T. jeweils spezifische theoretische Konzepte und
Erklärungen entwickelt worden, die aber zumeist nicht auf andere soziale Probleme übertragen werden. Typischerweise findet in diesem Feldern der Begriff soziale Probleme keine
Soziologie sozialer Probleme
25
Verwendung. Da ja kaum Vergleiche oder Beziehungen zu anderen problematischen und
problematisierten Phänomenen hergestellt werden, ist das Konzept in der Regel nicht notwendig. Gleichwohl werden in diesen Untersuchungen zentrale soziologische Konzepte der
Gesellschaftsanalyse entwickelt, die sich in ähnlicher Form auch zur Analyse anderer als
problematisch angesehener Phänomene anwenden lassen und die so wichtige Bausteine
einer Soziologie sozialer Probleme darstellen (siehe Kapitel 2).
In den Debatten um „objektivistische“ versus „konstruktivistische“ Perspektiven einer
Soziologie sozialer Probleme ging es zumeist um epistemologische und methodologische
Grundsatzentscheidungen; zum Teil wurde aber zunächst auch nur auf Karikaturen der anderen Position reagiert (vgl. aber die differenzierte Diskussion bei Albrecht 1990; Schetsche 2000: 18 ff., 2008: 14 ff.). Eine Unterscheidung zwischen „objektiv“ und „konstruiert“
ist allerdings keine sinnvolle Gegenüberstellung: Erstens gibt es in den Sozialwissenschaften keine wissenschaftstheoretischen Positionen, die von einer objektiven Erfassbarkeit der
sozialen Wirklichkeit ausgehen (darauf hat schon Max Weber 1904 (1988: 170) hingewiesen), und zweitens ist es ebenso sinnlos davon auszugehen, dass Konstruktivismus bedeuten würde, die Beliebigkeit einer sozialen Wirklichkeit zu unterstellen. Schließlich kamen
auch die so genannten „objektivistischen“ Positionen in der Debatte gar nicht zu Wort, und
die Debatte verlagerte sich hin zu einer Diskussion unterschiedlicher Varianten konstruktivistischer Perspektiven sozialer Probleme (siehe insbesondere die Sammelbände von Holstein/Miller 1993a, 2003; Loseke/Best 2003; Miller/Holstein 1993; als Überblick Schmidt
2000).
Die Soziologie sozialer Probleme ist also durch eine besondere Spaltung charakterisiert, die aber nichts mit methodologischen und erkenntnistheoretischen Grundsatzfragen zu
tun hat, sondern sich auf jeweils unterschiedliche Fragestellungen im Hinblick auf soziale
Probleme bezieht: einerseits geht es um die Frage nach den Bedingungen und Prozessen der
gesellschaftlichen und politischen Thematisierung sozialer Probleme, verstanden als Prozesse der aktiven Produktion, Verbreitung, Durchsetzung und Institutionalisierung von Problemdiskursen, andererseits um die Frage nach gesellschaftliche Ursachen, der Verbreitung
und den Betroffenheiten von sozialen Problemenlagen, wobei hier allerdings der problematische Charakter der untersuchten Phänomene vorausgesetzt wird.
Es handelt sich um völlig unterschiedliche Fragestellungen in Bezug auf soziale Probleme, die jeweils mit unterschiedlichen epistemologischen und methodologischen Perspektiven beantwortet werden können. Auf der einen Seite geht es um Fragen nach den Bedingungen und Prozessen der Konstitution sozialer Probleme und ihrer Problematisierung, die
auf Entwicklungen und Veränderungen von Definitionen und Konstruktionen sozialer Problemtypen oder -kategorien in der Gesellschaft zielen. Auf der anderen Seite geht es um
Fragen nach den gesellschaftlichen Ursachen für die Verbreitung und für Verläufe der Betroffenheit von spezifischen sozialen Problemen sowie um Fragen nach den ihnen zugeordneten Institutionen sozialer Kontrolle, wobei auch hier durchaus Veränderungen der gesellschaftlichen Definition und Konstruktion sozialer Problemtypen in Rechnung gestellt werden können.
Beide Fragestellungen sind zwar aufeinander zu beziehen, beschreiben und analysieren
aber unterschiedliche Sachverhalte, denn „Antworten auf noch so intensives Fragen nach
den Umständen, unter denen soziale Probleme entstehen, auf das Fragen nach den Ursachen
26
Axel Groenemeyer
von Armut, Kriminalität und Alkoholismus etwa, würden ja nichts darüber sagen, warum
diese Phänomene als problematisch, eben als soziale Probleme gelten“ (Peters 2002: 7),
umgekehrt sagt allerdings eine noch so intensive Analyse des Prozesses der Problematisierung von Phänomenen weder etwas darüber aus, warum bestimmte Kategorien von Menschen davon stärker betroffen sind als andere noch wie sich diese Betroffenheiten auswirken. Beide Fragestellungen gehören gleichermaßen zur Soziologie sozialer Probleme, auch
wenn nicht selten ausschließlich die Frage nach den Konstruktionsprozessen der Problematisierung als die einheitliche Fragestellung angesehen wird, über die das Konzept „soziales
Problem“ zu rechtfertigen ist.
Zusammenfassend können also grob vier Perspektiven der Verwendung des Konzepts
soziale Probleme unterschieden werden, die in Diskussionen über soziale Probleme häufig
zur Konfusion führen:
a) Aufgrund seiner Herkunft aus dem Kontext einer reformorientierten amerikanischen
Soziologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts und aufgrund der unmittelbaren Verbindung
zu normativen Fragestellungen werden soziale Probleme häufig als angewandte Soziologie verstanden. Diese Perspektive knüpft insofern unmittelbar an die Spezialisierungen auf einzelne soziale Probleme an, bei denen die Produktion und Vermittlung von
Wissen über konkrete gesellschaftliche Missstände und über Aktivitäten zu ihrer Bewältigung im Vordergrund steht. Obwohl dies auch eine Aufgabe der Soziologie sozialer
Probleme ist (siehe hierzu Stallberg/Springer 1983: 10), neigt diese Auffassung zu normativen Bestimmungen sozialer Probleme, und zumeist fehlt dieser Perspektive ein gemeinsamer theoretischer Unterbau, der ein vereinheitlichendes Konzept soziale Probleme rechtfertigen könnte.
b) Häufig damit verbunden wird der Begriff soziales Problem auch auf bestimmte gesellschaftliche Störungen und Missstände eingeschränkt, die das Thema der Sozialpolitik
und der Sozialen Arbeit darstellen. Soziale Probleme, in Abgrenzung zu ökonomischen,
politischen oder materiellen Problemen, sind dann solche Missstände und Störungen,
denen Defizite der Integration im sozialen Nahraum und Anpassungsprobleme zugrunde
gelegt werden.
c) In den spezialisierten Forschungen über einzelne soziale Probleme (und auch in den
Hand- und Lehrbüchern zu sozialen Problemen) wird das Konzept „soziale Probleme“
wenn überhaupt, dann als plakativer Sammelbegriff verwendet. Die Überblicke und
auch die Forschungen beziehen sich hier auf einzelne konkrete soziale Probleme, wobei
zumeist die Frage nach dem Zusammenhang und den Gemeinsamkeiten verschiedener
sozialer Probleme nicht gestellt wird. Die oben zitierte Kritik von Spector/Kitsuse und
Best bezieht sich auf diese Form der Spezialisierung in der Soziologie sozialer Probleme. Häufig ist damit verbunden, dass den untersuchten Problemen soziale Ursachen zugrunde gelegt werden, in Abgrenzung zu psychologischen, individuellen oder biologischen Problemen, denen keine sozialen Ursachen zugeschrieben werden.
d) Unter dem Anspruch einer wissenschaftlichen Fundierung und Vereinheitlichung des
Konzepts „soziales Problem“ haben sich konstruktivistische Perspektive sozialer Probleme entwickelt. Während bei Forschungen zu Ursachen, Verläufen, Verbreitung und
Behandlung einzelner sozialer Probleme deren problematischer Charakter vorausgesetzt
Soziologie sozialer Probleme
27
werden muss, fragt eine konstruktivistische Perspektive nach dem Problematischwerden
sozialer Phänomene. Genau hierin wird das einende konzeptionelle Band zwischen den
unterschiedlichen als soziale Probleme aufgefassten Phänomene gesehen. Die Soziologie sozialer Probleme wird hier zu einer Wissenssoziologie der Analyse von Strategien
und Diskursen der Problematisierung gesellschaftlicher Phänomene in Öffentlichkeit
und Politik.
1.4 Was sind soziale Probleme?
Betrachtet man die Inhaltsverzeichnisse auch dieses Handbuchs oder befragt das Alltagswissen danach, was soziale Probleme sind, so scheint das einzig gemeinsame zwischen
ihnen zu sein, dass es dabei um unerwünschte, elende, Ekel, Leiden, Scheußlichkeiten,
Störungen und Kummer verursachende Dinge geht, die häufig gleichwohl auch die Neugierde und die Phantasie anregen.
Die Versuche, das Konzept soziale Probleme soziologisch zu definieren, können bereits auf eine lange Geschichte zurückblicken. Definitionen dienen zunächst einmal nur der
Verständigung über die Identifizierung und Abgrenzung eines wissenschaftlichen Gegenstandes. Sie sind logischerweise weder falsch noch richtig, sondern bestenfalls verständliche und nachvollziehbare Übereinkünfte über die Auswahl zentraler Eigenschaften, die als
nützlich für die Formulierung von Forschungsfragen angesehen werden. Von daher sind
Definitionen immer auch auf bestimmte Fragestellungen und Theorien bezogen und werden
erst in diesem Kontext verständlich. Die hier zusammengestellten Definitionen stammen
sowohl aus theoretischen Beiträgen zur Soziologie sozialer Probleme als auch aus „klassischen“ Lehrbüchern zu sozialen Problemen, die in den USA z. T. bereits in vielfacher Auflage erschienen sind. Ihre Zusammenstellung dient hier nur zur Verdeutlichung von
Schwierigkeiten, die sich bereits bei der genaueren Bestimmung des Gegenstandes einer
Soziologie sozialer Probleme ergeben.
Varianten der Definitionen sozialer Probleme
Ein soziales Problem meint jedwede soziale Situation, die die Aufmerksamkeit einer bedeutenden Zahl kompetenter Beobachter in einer Gesellschaft weckt und die dringend eine Korrektur oder ein Gegenmittel durch soziales
bzw. kollektives Handeln erfordert. (Case 1924: 268)
Ein soziales Problem ist ein Zustand, der von einer bedeutenden Zahl von Personen als Abweichung von für verbindlich gehaltenen Normen eingestuft wird. Jedes soziale Problem setzt sich also zusammen aus einem objektiven
Zustand und einer subjektiven Definition. ... Der objektive Zustand ist notwendig, aber in sich nicht hinreichend
zur Bestimmung eines sozialen Problems. Soziale Probleme sind solche Zustände, die von Personen als soziale
Probleme identifiziert werden, und falls Zustände nicht von davon betroffenen Personen als soziale Probleme
identifiziert werden, sind sie für diesen Personenkreis keine, obwohl sie Probleme für Außenstehende oder Wissenschaftler sein können. (Fuller/Myers 1941b: 320)
Der erste und grundlegende Bestandteil eines sozialen Problems besteht in einer wesentlichen Diskrepanz zwischen sozial akzeptierten Standards und tatsächlich vorherrschenden Bedingungen. Solche Diskrepanzen variieren in Grad und Ausmaß der Bedeutung, die ihnen zugesprochen wird, und haben dementsprechend soziale Probleme verschiedenen Ausmaßes und unterschiedlicher Art zur Folge. (Merton 1971: 799, hier zit. nach der deutschen Übersetzung Merton 1975: 113)
Ein soziales Problem ist eine Gegebenheit, die von einer signifikanten Anzahl von Personen als unerwünscht angesehen wird und von der erwartet wird, dass etwas durch kollektives Handeln dagegen getan werden kann.
(Horton/Leslie 1965: 4)
28
Axel Groenemeyer
Soziale Probleme sind im wesentlichen das Ergebnis eines politischen Prozesses; ein Prozess, in dem entgegengesetzte Sichtweisen vorgebracht, diskutiert und Kompromisse gefunden werden; in dem Menschen mit unterschiedlichen Interessen andere zu überzeugen suchen, so dass öffentliches Handeln in die gewünschte Richtung vorangetrieben wird; in dem Versuche unternommen werden, die Probleme offiziell bemerkbar zu machen, so dass die
Macht und die Autoritäten des Staates sich entsprechend der einen Seite engagieren. (Becker 1966: 11)
Soziale Probleme sind im wesentlichen Produkte eines Prozesses kollektiver Definition, und sie existieren nicht
unabhängig davon als eine Konstellation objektiver sozialer Bedingungen mit einer eigenen Ausstattung. (Blumer
1971: 298, hier zit. nach der deutschen Übersetzung Blumer 1975: 102)
Als soziale Probleme bezeichnen wir die Aktivitäten von Gruppen, die – ausgehend von unterstellten Gegebenheiten – Unzufriedenheit artikulieren und Ansprüche geltend machen. (Spector/Kitsuse 1973: 146)
Soziale Probleme sind jene sozialen Bedingungen, die durch wissenschaftliche Analyse und auf der Basis wissenschaftlicher Werte als für menschliches Wohlbefinden schädlich identifiziert werden. (Manis 1976: 25)
Soziale Probleme entwickeln sich aus sozialen Veränderungen heraus, die Wertkonflikte und Machtgefälle zwischen Teilgruppen in der Gesellschaft hervorrufen. Soziale Ereignisse können als soziale Probleme definiert werden, wenn eine Gruppe (oder ein Zusammenschluß von Gruppen) mit sozialen Zuständen nicht einverstanden ist
und sie zu ändern versucht, weil sie sie als unerwünscht oder nachteilig für ihre eigenen Interessen ansieht. (Hartjen 1977: 35, hier zit. nach der deutschen Übersetzung in Stallberg/Springer 1983: 48)
Ein soziales Problem existiert dann, wenn eine einflussreiche Gruppe eine soziale Gegebenheit erkennt, die ihre
Werte verletzt und die durch kollektives Handeln behoben werden kann. (Sullivan et al. 1980: 10)
Soziale Probleme sind Phänomene, die 1) größere Gruppen von Gesellschaftsangehörigen (bis hin zur Gesamtbevölkerung) in ihrer Lebenssituation beeinträchtigen, 2) öffentlich als veränderungsbedürftig definiert und 3) zum
Gegenstand spezieller Programme und Maßnahmen gemacht werden. (Stallberg/Springer 1983: 14)
Sehr vereinfacht gesagt, geht es bei sozialen Problemen um Bedingungen, die von einem signifikanten Personenkreis als mit den normativen Standards einer gegebenen Gesellschaft nicht vereinbar angesehen werden und zu
deren Beseitigung deshalb im Regelfall gesellschaftliche Ressourcen mobilisiert werden. (Albrecht et al. 1985:
316).
[Ein soziales Problem ist] .. alles, was von kollektiven Akteuren, der Öffentlichkeit oder dem Wohlfahrtsstaat als
solches angesehen und bezeichnet wird. (Schetsche 1996: 2)
[Soziale Probleme sind] .. (1) societally induced conditions that cause psychic and material suffering for any
segment of the population, and (2) acts and conditions that violate the norms and values found in society. The
distribution of power in society is the key to understanding these social problems. The powerless, because they are
dominated by the powerful, are likely to be thwarted in achieving their basic needs. … In contrast, the interests of
the powerful are served. (Eitzen/Baca Zinn 2000: 10)
Soziale Probleme [sind] jenes Bündel von praktischen Problemen, die sich für ein Individuum im Zusammenhang
mit der Befriedigung seiner Bedürfnisse nach einer befriedigenden Form der Einbindung in die sozialen Systeme
seiner Umwelt ergeben. (Obrecht 2005: 132 f, zit. nach Staub-Bernasconi 2007: 182, siehe auch Staub-Bernasconi
2002: 250)
[Soziale Probleme sind] .. wissenschaftlich definiert öffentliche Thematisierungen, bei denen soziale Akteure
Forderungen materieller oder immaterieller Art an gesellschaftliche Instanzen stellen, in dem sie die Existenz
sozialer Sachverhalte mit drei Eigenschaften behaupten: 1. Der betreffende Sachverhalt ist nach der dominierenden Werteordnung der Gesellschaft negativ zu bewerten und damit unerwünscht. 2. Es existieren Geschädigte
oder Benachteiligte, die an ihrer Lage zumindest teilweise schuldlos sind. 3. Abhilfe oder wenigstens Linderung
von Not ist im Rahmen der bestehenden Sozialordnung möglich und ethisch auch erstrebenswert. (Schetsche 2008:
48 ff., Hervorhebungen im Original)
Es sind im Wesentlichen drei Elemente, die in diesen Definitionen soziale Probleme kennzeichnen. Ein Teil der Definitionen betont besonders den Aspekt des Schadens, den soziale
Probleme darstellen, bzw. das Leiden, das mit sozialen Problemen verbunden ist (2.1).
Soziologie sozialer Probleme
29
Bereits in der Definition von Case (1924) ist die besondere Bedeutung der öffentlichen
Thematisierung und Problematisierung hervorgehoben, die in vielen später erschienenen
Definitionen als zentraler Aspekt der Definition sozialer Probleme verwendet werden (2.2).
Schließlich liegt es in der Natur der Sache, dass Probleme eine Bearbeitung oder Lösung
anmahnen, ansonsten wären es ja keine Probleme. Von daher wird in nahezu allen Definitionen der Apellcharakter sozialer Probleme als Aufforderung zur Veränderung der Situation
hervorgehoben (2.3).
Soziale Probleme als Schaden und gesellschaftliche Störung
Dass soziale Probleme mit Störungen und Leiden in Verbindung gebracht werden, liegt insofern nahe als sie unerwünschte Zustände und Situationen bezeichnen; ansonsten könnte
man kaum von Problemen sprechen. Definitionen sozialer Probleme als Schadens- oder
Störungskategorie sind zumeist mit gesellschaftstheoretischen Perspektiven verknüpft, die
den Anspruch erheben, problematische Sachverhalte über eine soziologische Analyse aus
Defiziten oder Krisen der sozialen Struktur bzw. der gesellschaftlichen Entwicklung zu erklären (siehe Kapitel 2).
Die Identifikation sozialer Probleme auf der Basis gesellschaftlicher Strukturen und
Entwicklungen setzt aber immer einen Bezug auf Werte und Normen (oder auf anthropologische Grundannahmen) voraus, an denen problematische Zustände gemessen werden können. Die Bezugspunkte sind dabei das Ausmaß der individuellen Bedürfnisbefriedigung,
das reibungslose Funktionieren sozialer Systeme oder eine Diskrepanz zwischen kulturellen
Wertvorstellungen und der vorfindbaren Realität sozialer Beziehungen und Ressourcenverteilung. In die soziologische Diagnose gesellschaftlicher Störungen gehen – zumeist implizit – immer auch Annahmen über einen „ungestörten“, „normalen“ oder potenziell besseren
Zustand der Gesellschaft ein. Allerdings ist es geradezu ein Definitionsmerkmal von Gesellschaften und sozialen Beziehungen, dass ihre Ordnung nicht stabil ist; Gesellschaft ist
die permanente Entwicklung geregelter sozialer Beziehungen. Damit ist es aber grundsätzlich schwierig, wissenschaftliche Kriterien für eine Abgrenzung zwischen „normalem“ von
problematischem sozialen Wandel anzugeben.
In der Regel sind weder die Betroffenheiten von sozialen Problemen noch Aktivitäten
zu und Interessen an ihrer Änderung in der Gesellschaft gleich verteilt. Zudem können soziale Probleme in einem Bereich durchaus auch als notwendig für das „bessere“ Funktionieren anderer sozialer System angesehen werden: Der Schaden in einem Bereich wird zum
Nutzen in einem anderen Bereich. So wird z. B. Arbeitslosigkeit als soziales Problem thematisiert und für Defizite der Bedürfnisbefriedigung und Leiden bei den Betroffenen verantwortlich gemacht wird, gleichzeitig ist Arbeitslosigkeit aber auch ein wichtiges Element
einer auf Lohnarbeit beruhenden Wirtschaftsorganisation, indem sie zur Disziplinierung
und Aufrechterhaltung der Arbeitsmoral und Leistungsbereitschaft beiträgt. Eine soziologische Identifizierung sozialer Probleme als Schadenskategorie scheitert dann daran, dass entweder nicht eindeutig zu bestimmten ist, was es genau heißt, dass ein soziales System besser funktionieren könnte, oder aber der Bezugsrahmen, an dem ein „besseres Funktionieren“ des Systems gemessen wird, kann nur normativ festgelegt werden. Denn das „bessere
Funktionieren“ ist immer auch eine Frage von Macht und Herrschaft, insofern sich automatisch die Frage anschließen muss: „besser, für wen?“
30
Axel Groenemeyer
Auf diese normative Festlegung von Standards beziehen sich insbesondere kritische
Positionen, die auf Defizite der Bedürfnisbefriedigung oder Verletzungen von Menschrechten zur Identifizierung sozialer Probleme zurückgreifen und so „pathologische“ Gesellschaftszustände kritisieren. Innerhalb der Soziologie haben es diese Perspektiven schwer
sich durchzusetzen, da Bedürfnisse, zumindest oberhalb eines physiologischen Minimums,
überaus variabel und selbst Gegenstand gesellschaftlicher Formung sind. Damit wird ihre
Bestimmung ebenfalls zu einer Frage normativer Setzungen, die sich wiederum immer dem
Verdacht aussetzen, partikulare Gruppeninteressen oder -werte zu verallgemeinern (Boltanski 2010). Ähnlich gelagert ist die Identifizierung sozialer Probleme über das mit ihnen
assoziierte Leiden bei Betroffenen. Leiden tritt in vielfältigen Formen auf und findet seinen
Ausdruck in Abhängigkeit unterschiedlicher kultureller und sozialer Verortungen und Positionierungen. Ähnlich wie auch Defizite der Bedürfnisbefriedigung lässt sich Leiden kaum
sinnvoll ohne Bezug auf vorgängig identifizierte Problemlagen kategorisieren (siehe Butler
2010; Kleinman/Das/Lock 1997; Wilkinson 2005). Allerdings lassen die schrecklichsten
Formen der Verursachung von Leiden, wie etwa Massaker, Folter, Genozid und andere
Formen der Entmenschlichung, schon die Frage aufkommen, ob hierfür ein Konzept wie
„soziales Problem“ wirklich angemessen und hilfreich für ein Verständnis dieser Phänomene ist (Steinert 1981; vgl. dagegen aber Berger 2002).
Allerdings enthält das Reden über soziale Probleme immer – zumindest implizit – die
Idee einer Situation oder eines Verhaltens, die oder das sich von einem Sollzustand entfernt
hat. In diesem Sinne handelt es sich ganz allgemein um eine Diskrepanz zwischen Werten
und Normen einerseits und der Interpretation der aktuellen Situation andererseits. Der Bezug der Soziologie sozialer Probleme auf gesellschaftliche Wert- und Moralvorstellungen
führt damit unmittelbar zu der Frage, ob und inwieweit die Soziologie gegenüber den Thematisierungen sozialer Probleme in der Gesellschaft eine eigenständige, wissenschaftlich
angeleitete Analysebasis entwickeln kann, oder ob sie nur den gesellschaftlichen Definitionen sozialer Probleme innerhalb der Gesellschaft folgen kann, weil sie selbst Bestandteil
eben dieser Gesellschaft ist und gegenüber dem Alltagswissen keinen besonderen Stellenwert beanspruchen kann.
Zunächst einmal bedeutet der Bezug auf Wertideen und Moralvorstellungen, an denen
soziale Probleme identifiziert werden, nicht automatisch die Aufgabe der Idee von wissenschaftlich distanzierter Neutralität, insofern Werte und Interessen normale Gegenstände soziologischer Analyse und Reflexion darstellen (klassisch hierzu Weber 1988 [1904]). Die
Soziologie hat für ihre Untersuchung ein differenziertes Instrumentarium an Konzepten und
Methoden entwickelt, das es erlaubt, differenziertere Erkenntnisse über bzw. Perspektiven
auf gesellschaftliche Phänomene zu entwickeln als das interesse- und wertgebundene Alltagsverständnis. Der wechselseitige Bezug zwischen soziologischer Analyse und alltagweltlicher Lebenspraxis führt allerdings dazu, dass soziologisches Wissen auch zum Gegenstand und Mittel in gesellschaftlichen Konflikten um soziale Probleme wird. Soziologische Analysen stellen Deutungsangebote, also spezielle Konstruktionen der sozialen Welt,
dar. Die Auswahl ihrer Gegenstände und Themen kann dabei selbstverständlich nicht völlig
unabhängig von gesellschaftlichen Problemkonstruktionen und Relevanzkriterien sein, aber
ob diese Deutungsangebote angenommen werden und selbst relevant sind, hängt auch da-
Soziologie sozialer Probleme
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von ab, inwiefern es der Soziologie gelingt, einen von Positionen in Konflikten um soziale
Probleme unabhängigen Standpunkt über ihre Konzepte und Methoden darzustellen.
Die meisten Definitionen sozialer Probleme gehen davon aus, dass soziale Bedingungen, Strukturen und Situationen sowie die Diagnose des mit ihnen verbundenen Leidens
oder Schadens nicht unbedingt auch als soziale Probleme aufgefasst werden können. Tatsächlich kann man im historischen Rückblick oder im Vergleich verschiedener Gesellschaften eine Vielzahl von Situationen, gesellschaftlichen Entwicklungen oder Praxen finden, die aus heutiger Sicht oder vom Standpunkt eines externen Beobachters ohne weiteres
als äußerst problematisch angesehen würden, die aber innerhalb ihres sozialen und historischen Kontextes keine gesellschaftliche Aufmerksamkeit erfahren oder als Selbstverständlichkeit hingenommen werden, wie z. B. Sklaverei, Ausrottung von Ureinwohnern, Apartheid oder Frauendiskriminierung. Genauso kann man eine Vielzahl von öffentlich skandalisierten Problemen aufzählen, denen ein gesellschaftlicher Schaden in der behaupteten Form
nicht zugrunde lag, wie z. B. die exzessive Problematisierung von Kommunisten in den
1950er Jahren in den USA. Infolgedessen wird in den meisten Definitionen davon ausgegangen, dass die Bestimmung eines sozialen Problems im Wesentlichen nicht als gesellschaftliche Schadenskategorie, sondern über seine soziale Definition als Problem innerhalb
der Gesellschaft zu erfolgen hat.
Soziale Probleme als Prozess der Problematisierung
Hauptaspekt der Bestimmung sozialer Probleme ist die kollektive Definition, darüber besteht weitgehend Einigkeit. In den meisten Definitionen sozialer Probleme ist unklar, was
mit „bedeutende Anzahl von Personen“ oder als „Anzahl bedeutender Personen“ gemeint
ist. Schetsche (1996: 39 ff.) unterscheidet z. B. acht Typen „kollektiver Akteure“ im Hinblick auf ihre Motive (Werte, Interessen), ihrer sozialen Herkunft und politischen Bedeutung: Betroffene, Advokaten, Experten/Professionelle, Problemnutzer (Verbände, Parteien,
Interessengruppen), soziale Bewegungen, Moralunternehmer, Massenmedien und den
Wohlfahrtsstaat. Diese kollektiven oder kooperativen Akteure setzen mit jeweils unterschiedlichen Definitionspotentialen verschiedene Ressourcen (Macht, Geld, Aufmerksamkeit) ein, um bestimmte Deutungsmuster und Sachverhalte in öffentlichen und politischen
Arenen zu platzieren. Sozialen Bewegungen und Massenmedien kommt hierbei eine besondere Bedeutung zu, und ihnen ist bislang in den Forschungen zu Prozessen der Konstitution
sozialer Probleme am meisten Aufmerksamkeit gewidmet worden. Zentral ist hierbei, dass
es weniger auf die Anzahl von Personen ankommt, die sich an einem Problematisierungsprozess beteiligen. Vielmehr ist die öffentliche Verbreitung und politische Institutionalisierung von Problemperspektiven und -kategorien an die Definitions- und Durchsetzungsmacht der beteiligten Akteure gebunden. Problematisierung ist immer ein Prozess, in dem
(Deutungs-)Macht, Herrschaft und kulturelle Hegemonie eine zentrale Rolle spielen.
Entscheidend für die Konstitution sozialer Probleme ist die Art der Thematisierung von
Sachverhalten. Ein soziales Problem muss abgegrenzt, strukturiert und im gesellschaftlichen und politischen Raum definiert werden, und dazu muss es einen identifizierbaren Namen haben. Die Art der Definition eines sozialen Problems ist dabei bereits ebenso Identifikation wie auch Grenzmarkierung von Zuständigkeiten und Aktivitäten zu seiner Lösung,
deshalb können soziale Probleme auch strategisch genutzt werden und sind häufig das Er-
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Axel Groenemeyer
gebnis von Interessendurchsetzungen, eingebettet in die mit ihnen verbundenen Ideologien.
Moderne Gesellschaften sind in unterschiedlichem Ausmaß nicht nur sozial, sondern immer
auch (und möglicherweise zunehmend) kulturell differenziert, und grundsätzlich stellen
soziale Probleme einen sozialen Konflikt dar. In der Regel finden sich in öffentlichen Diskursen unterschiedliche Deutungsmuster und Bewertungen eines sozialen Problems, die
miteinander konkurrieren. Dabei geht es nicht nur darum, die als richtig angesehene Kategorisierung oder Diagnose eines Problems durchzusetzen, sondern auch um die Bewertung
seiner Dringlichkeit sowie um konfligierende Interessen und Perspektiven bei der Auswahl
von Zuständigkeiten und Lösungsmöglichkeiten. Die damit verbundene Ambiguität oder
Ambivalenz kann als ein grundlegendes Merkmal sozialer Probleme angesehen werden,
denn offensichtlich gibt es keine richtige Kategorisierung eines sozialen Problems, die mit
einem Mehr an Information und Analyse zu identifizieren wäre. Mehr oder verlässlichere
Informationen helfen z. B. bei der Reduzierung der Unsicherheit über die Verbreitung und
Folgen von HIV, aber sie sagen nichts darüber aus, ob Aids ein Gesundheitsproblem, ein
pädagogisches, moralisches oder ein politisches Problem darstellt.
Eine keineswegs selbstverständliche Grundbedingung für die Konstitution eines sozialen Problems ist die Definition einer Situation im Kontext kollektiver Zuständigkeiten, die
direkt mit der Unterscheidung von gesellschaftlichen Bereichen in „privat“ und „öffentlich“
zusammenhängen. Zwar sind auch individuelle, „private Probleme“ typischerweise in gesellschaftliche Bedingungen, Entwicklungen und Deutungen eingebettet, gleichwohl müssen sie erst in öffentliche Themen übersetzt werden, damit sie zu sozialen Problemen werden können. Hierfür hat Mills (1959) die Unterscheidung von „private trouble“ und „public
issue“ eingeführt. Offenbar lässt sich nicht jedes „private Problem“ in „public issues“ überführen, weil z. B. institutionalisierte Werthaltungen, Ideologien oder Deutungsmuster eine
Interpretation in Kategorien des öffentlichen und politischen Diskurses sozialer Probleme
erschweren oder gar unmöglich machen.
Die öffentliche Thematisierung „sozialer Probleme“ nimmt ihren Ausgangspunkt an
der Konstruktion und Definition von Phänomenen, von denen behauptet wird, dass sie die
Ursache für Leiden oder Unbehagen darstellen. Sie sind mit einer moralischen Entrüstung,
Empörung oder einem Gefühl von Ungerechtigkeit verbunden. Dieser affektive Gehalt sozialer Probleme ist integraler Bestandteil sozialer Probleme, und es ist vorgeschlagen worden, die emotionale Energie, mit der bestimmte sozialer Probleme aufgeladen sind, als
einen Indikator der Problemschwere zu nehmen: je heftiger die öffentlichen Reaktionen, als
desto schwerwiegender wird das Problem bewertet. In dieser Perspektive werden die Gefühle nicht durch soziale Probleme hervorgerufen, sondern Situationen werden dadurch,
dass sie eben diese Gefühle hervorrufen, zu sozialen Problemen (Tallman 1976: 35 ff.).
Allerdings lassen es insbesondere interaktionistische Ansätze in der Soziologie der Emotionen ebenso plausibel erscheinen, dass Gefühle von Empörung oder Entrüstung nicht unmittelbar durch bestimmte Situationen ausgelöst werden, sondern erst durch deren Deutung als
ein bestimmter Typus von Problem. Empörung stellt sich demnach erst ein, wenn ein Phänomen bereits in einer bestimmten Form als problematisch konstruiert worden ist. Das Ausmaß der emotionalen Energie ist dann kein Indikator für die Problemschwere, sondern ein
Indikator für eine erfolgreiche Problematisierung als soziales Problem (zu unterschiedlichen theoretischen Perspektiven in der Soziologie der Emotionen vgl. Gerhards 1988). Un-
Soziologie sozialer Probleme
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abhängig von dieser Fragestellung lässt sich aber feststellen, dass eine Mobilisierung und
Sicherung von Unterstützung für bestimmte Problemanliegen häufig eine Aktivierung affektive Anteile sozialer Probleme über eine Dramatisierung, Moralisierung und Produktion
von Mythen erfordert (Gerhards 1992; Schetsche 1996: 87 ff.), die damit eine Ressource für
strategische Nutzungen im Prozess der Durchsetzung von Werthaltungen, Deutungsmustern
und Interessen der verschiedenen kollektiven Akteure darstellen.
Ob diese Darstellung von Ansprüchen als soziale Probleme gelingt, d. h. Akzeptanz und
Verbreitung findet, hängt von den Möglichkeiten ab, sie mit den in der Gesellschaft verfügbaren kulturellen Mustern, Werte und Ideologien zu verbinden. In diesem Sinne kann auch
die Definition von Merton (1975: 113) als Strategie der Durchsetzung von Problemkategorien gelesen werden (siehe Schetsche 2008: 49): Eine soziale Problemkategorie kann nur
dann erfolgreich etabliert werden, wenn es gelingt, Phänomene als signifikante Diskrepanz
zwischen gesellschaftlichen Standards und der tatsächlich vorfindbaren Situation darzustellen. Dabei werden Missstände und Ungerechtigkeiten nicht an individuellen Maßstäben und
Wertvorstellungen gemessen, sondern im Kontext kultureller Standards verortet, dessen
kognitive wie auch affektive Aspekte sich z. B. für moderne westliche Gesellschaften u. a.
über die Monopolisierung von Gewalt und die Entwicklung des Wohlfahrtsstaates im „Prozeß der Zivilisation“ (Elias 1976) herausgebildet haben und immer wieder neu herausbilden.
Es bleiben allerdings auch in dieser Perspektive Schwierigkeiten der Identifizierung sozialer Probleme. Es ist nicht genau klar, woran das Stellen von Ansprüchen, das Problematisierungen von Sachverhalten oder die Skandalisierung gesellschaftlicher Zustände zu erkennen ist (Albrecht 2001a). Viele der vorliegenden Definitionen sozialer Probleme lassen
sich auf die Idee „soziale Problemen sind alles, was so bezeichnet wird“ kondensieren
(Schetsche 1996: 2). Offenbar ist nicht jede Form von Ansprüchen und öffentlichen Problematisierungen sinnvollerweise als soziales Problem zu bezeichnen. Die Skandalisierung
von Plagiatsvorwürfen an einen Minister oder die öffentliche Forderung von Automobilkonzernen nach Subventionen stellen sicher Ansprüche und Forderungen als öffentliche
Themen dar, aber man würde sie kaum als soziales Problem bezeichnen. Unter den Definitionen, die die gesellschaftliche Thematisierung in den Vordergrund stellen, wird einzig in
der Definition von Schetsche (2008: 48 f.) eine inhaltliche Spezifizierung vorgenommen,
die über die Qualifizierung von Akteuren der Problematisierung hinausgeht. Bestandteil
dieser Definition ist die Behauptung eines Verstoßes gegen die „dominierende Wertordnung“ – als Propagierung einer Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Werten und der tatsächlichen Situation, die Konstatierung der Existenz unschuldiger Opfer und das Anstreben
von Problemlösungen im „Rahmen der bestehenden Sozialordnung“. Tatsächlich schränkt
diese Definition die Sachverhalte deutlich ein und schließt sinnvollerweise aus, dass alle
Arten von „public issues“ als soziale Probleme bezeichnet werden.
Soziale Probleme und Politik
Das Reden über soziale Probleme impliziert logischerweise die Vorstellung, dass die Situation nicht so sein muss, sondern auch anders sein könnte, sonst wären sie ja keine Probleme. In allen Gesellschaften sind Ereignisse, Zustände und soziale Bedingungen bekannt,
die unerwünscht sind, Leiden und Kummer bedeuten oder Störungen verursachen. Aber nur
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