1. Zur Entstehungsgeschichte des Islam sowie des „islamischen Rechts“ 1.1 Das „islamische Recht“ Der Begriff des „islamischen Rechts“, der – wie auch im Titel der vorliegenden Arbeit – vielfach Verwendung findet, ist äußerst unscharf.1 Das islamische Recht existiert ebenso wenig wie das christliche Recht, gibt es doch weder den Islam2 noch das Christentum, sondern in jeder der beiden Weltreligionen verschiedene Richtungen, Abspaltungen3 und kleinere, bisweilen sehr unterschiedlich geprägte Glaubensgemeinschaften. Jede diese Untergruppen hat hinsichtlich der anzuwendenden Normen sowie ihrer Auslegung samt der damit verbundenen Interpretationsstile zum Teil stark divergierende Auffassungen, was zu teilweise höchst unterschiedlichen Ergebnissen in der und für die Rechtsanwendung führt. Insofern kann das „islamische Recht“4 nicht als einheitlicher corpus an Rechts- und Lebensvorschriften Carrol, Muslim women and judicial divorce: An apparently misunderstood aspect of muslim law, ICLQ 5, 226 (229); Rohe, Das islamische Recht – Geschichte und Gegenwart (2009) 5; Yassari, Islamisches Recht oder Recht der Muslime – Gedanken zu Recht und Religion im Islam, ZVglRWiss 103, 103 (121); siehe ferner Hallaq, What is Shari‘a? YIMEL 12, 151 (153). 2 Krawietz, Gerechtigkeit als Leitidee islamischen Rechts, in Krawietz/Reifeld (Hrsg), Islam und Rechtsstaat – Zwischen Scharia und Säkularisierung (2008) 37 (41); Rohe, Zur rechtlichen Integration von Muslimen in Deutschland, in Bendel/Hildebrandt (Hrsg), Integration von Muslimen – Schriftenreihe des Zentralinstituts für Regionalforschung der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg (2006) 89; Senghaas, Die Wirklichkeiten der Kulturkämpfe, in Joas/Wiegandt (Hrsg), Die kulturellen Werte Europas (2005) 444 (465); Vikør, Between God and the Sultan – A History of Islamic Law (2005) 1; Wentker, Grundfragen des Islam, in Feichtinger/Wentker (Hrsg), Islam, Islamismus und islamischer Extremismus – Eine Einführung (2008) 17; Wichard, Recht und Religion im islamischen Recht, VRÜ 30, 533. 3 Nagel, Islam oder Islamismus? Probleme einer Grenzziehung, in Zehetmair (Hrsg), Der Islam – Im Spannungsfeld von Konflikt und Dialog (2005) 19 (21). 4 Constantinesco, Der Rechtsbegriff in der Makro-Vergleichung – Symbiotische und profane Rechte, ZVglRWiss 80, 177 (197) sowie derselbe, Rechtsvergleichung – Die rechtsvergleichende Wissenschaft – Die theoretischen Grundlagen III (1983) 174 FN 8 definiert „das islamische Recht“ als ein symbiotisches Recht, und reiht es, zusammen mit dem traditionellen chinesischen und hinduistischen Recht, in der Untergruppe der „traditionellen Rechte“ ein, wohingegen das kontinentaleuropäische, zusammen mit jenem des anglo-amerikanischen Rechtskreises, seiner Ansicht nach zu den „profanen und autonomen Rechten“ zählt. Als Merkmale der symbiotischen Rechte führt er die Vermischung von rechtlichen mit religiösen, ethischen und moralischen Elementen an und vermeint, dass bei jenen – im Gegensatz zu den profanen Rechten – eine Ausdifferenzierung der eben genannten Faktoren nicht in gleicher Weise stattgefunden hat. Für das Verhältnis Individuum – Gemeinschaft in symbiotischen Rechtssystemen stellt Constantinesco fest, dass in diesen der Einzelne eher als Subjekt von verschiedenartigst gelagerten, insbesondere religiös-moralischen Pflichten angesehen wird, wohingegen in dynamisch-modernen Gesellschaften mit profanem Recht das Individuum als Rechtssubjekt, als Inhaber von Rechten, die es gegenüber der Gemeinschaft (und auch teilweise gegen deren Interessen) zur Durchsetzung bringt, stärker ausgestaltet ist. Auch die „Geschlossenheit“ einer Gesellschaft iSe Zusammenge1 Zehetgruber, Islamisches Strafrecht vs europäische Werteordnung 19 Zur Entstehungsgeschichte des Islam sowie des „islamischen Rechts“ gesehen werden, sondern setzt sich, wie noch eingehend zu zeigen sein wird, aus verschiedensten Meinungen, Traditionen und Vorstellungen der jeweiligen „Schulen“ zusammen. Im Verlauf der Arbeit soll der Terminus „islamisches Recht“ daher nur in einem rein sprachlich-vereinfachenden Sinn verwendet werden.5 Dennoch wäre die Annahme, im islamischen Recht existiere in systematischexistentiellen Fragen keine Einigkeit oder gar eine uneingeschränkte Möglichkeit der Auslegung und des Verständnisses der „göttlichen“ Vorschriften, unrichtig. Zwar lautet ein überliefertes Prophetenwort: „Die Vielfalt der Meinungen gilt meinem Volk als Gnade“,6 doch bedeutet dies keineswegs, dass in der konkreten Interpretation alle nur irgendwie denkbaren Auslegungen erlaubt wären. Im Gegenteil ist es so, dass in Fragen nach der Art und Weise der Auslegung von Normen ein sehr starker Formalismus herrscht, welchen zu verletzen (im Prinzip) zu keinen akzeptablen und systemkonformen Lösungen führen kann. Die Präsentation der „islamischen Rechtsquellen“, ihre Stellung zueinander und ihr unterschiedliches Verständnis in den großen Rechtsschulen soll ua Inhalt der folgenden Kapitel sein. Als bedeutend für das Verständnis des Gesamtsystems des islamischen Rechts ist ferner auszumachen, dass es sich um eine (in früheren Zeiten stärkere, jedoch immer noch) verändernde Materie handelt, die sich dem Betrachter eher durch ein Zusammenspiel des Erfassens der Rechtsquellen und Rechtsfindungslehre mit einzelnen Rechtsinstituten als durch deren singuläre Betrachtung erschließt.7 hörigkeitsgefühls, etwa durch eine gemeinsame Religion oder politische Geisteshaltung, sei in symbiotischen Gemeinschaften in bedeutend umfangreicherem Maße ausgeprägt denn in profanen (vgl dazu Constantinesco, ZVglRWiss 80, 191 – 193; derselbe, Rechtsvergleichung III 174, 214). Den Vorrang der Rechte der Gemeinschaft gegenüber den Rechten des Einzelnen explizit aussprechend Wiechman/Azarian/Kendall, Islamic courts and corrections, IJCACJ 19, 33 (35); idS auch Franck, Is personal freedom a western value? AJIL 91, 593 (601); Kumo, The rule of law and independence of the judiciary under the sharia, JICL 8, 100 (101); Schirrmacher, Ehrenmord und Ehrvorstellungen in islamisch geprägten Gesellschaften, ZIfI 2006 H 2, 24 (26, 27). 5 Yassari, ZVglRWiss 103, 121 meint, es wäre korrekter, vom „Recht der Muslime“ an Stelle des „islamischen Rechts“ zu sprechen, da dieser Begriff exakter sei und nicht so viele Unschärfen – wenngleich jedoch andere Problematiken – aufweise. Dem ist grundsätzlich zuzustimmen; da in der gängigen Literatur (insbesondere jener in englischer Sprache) aber beinahe ausschließlich von „islamic law“ die Rede ist, werden in der Arbeit beide Begriffe bzw auch jener des „muslimischen Rechts“ iS eines „Rechts der Muslime“ Verwendung finden. 6 Vgl nur Coulson, Conflicts and Tensions in lslamic Jurisprudence (1969) 20; Otto, Sharia and National Law in Muslim Countries – Tensions and Oppurtunities for Dutch and EU Foreign Policy (2008) 14; Rohe, Recht 30; Tellenbach, Fair trial guarantees in criminal proceedings under islamic, afghan constitutional and international law, ZaöRV 64, 929; Yassari, Die Rechtsquellen des islamischen Rechts; eine Einführung, ZfRV 1999, 103 (106). 7 Rohe, Recht 6. 20 Die Entstehung des Islam 1.2 Die Entstehung des Islam Islam bedeutet (Selbst-)8Hingabe,9 Unterwerfung unter bzw Ergebung10 in den Willen des einzigen und alleinigen Gottes Allah.11 Die Entstehung und das Aufkommen dieser recht „jungen“ Weltreligion begann mit Mohammed (auch: Mohammad oder Muhammad), den nach muslimischer Auffassung letzten in einer langen Kette von Propheten, zu welchen auch aus der Bibel bekannte Personen wie Abraham, Moses oder Jesus zählen.12 Geboren wurde er um 570 n. Chr. in Mekka als Mitglied der Quaraish, eines in jener Stadt bedeutenden arabischen Stammes.13 Die große Masse Karakaya, Islam und islamischer Fundamentalismus in der Neuzeit (2004) 7. Statt vieler vgl El Baradie, Gottes-Recht und Menschen-Recht – Grundlagenprobleme der islamischen Strafrechtslehre (1983) 19; Hofmann, Religionsfreiheit aus islamischer Perspektive, in Schneiders/Kaddor (Hrsg), Muslime im Rechtsstaat (2005) 145; Metzger, Der Himmel ist für Gott, der Staat für uns – Islamismus zwischen Gewalt und Demokratie (2000) 19; Petersohn, Der Islam „ante portas“ – Sprengstoff für den Staat des Grundgesetzes? ZRP 2002, 521; Schimmelpfennig, ReIslamisierung und Islamismus – Hintergründe und sozialpolitische Ursachen am Beispiel Ägypten (2005) 22; Schirrmacher, Der Islam – eine Religion des Friedens? ZIfI 2007 H 2, 5 (6); Scholz, Scharia in Tradition und Moderne – Eine Einführung in das islamische Recht, JURA 2001, 525. 10 Al-Masih, Wie ist das islamische Recht entstanden? – Die Gesetzgebung im Koran (die Scharia des Korans), http://www.horst-koch.de/joomla_new/content/view/39/36/, 1 (2) (6.10.2009); Klaff, Islam und Demokratie – Zur Vereinbarkeit demokratischer und islamischer Ordnungsformen, dargestellt am Beispiel der Staatsauffassung Khomeinis (1987) 17; Krawietz in Krawietz/Reifeld, Islam 40; Miligui, Der Grundsatz der Individualisierung bei der Auswahl und Bemessung strafrechtlicher Sanktionen – Eine rechtsvergleichende Untersuchung (1983) 56; Rohe, Scharia in Europa, inamo 57, 4; Tabatabai, Shici view of religion in general and shicism in particular, in Nasr/Dabashi/Nasr (Hrsg), Shicism – Doctrines, thoughts and spirituality (1988) 11 (12). 11 Bassiouni, Sources of Islamic Law, and the protection of human rights in the islamic criminal justice system, in Bassiouni (Hrsg), The Islamic Criminal Justice System (1982) 3 (6); Coulson, The Islamic legal system: Its role in contemporary Muslim society, in Schwind (Hrsg), Studien zum Islamischen Recht (1983) 7 (9); Krawietz, Die Hurma – Schariarechtlicher Schutz vor Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit nach arabischen Fatwas des 20. Jahrhunderts (1991) 24; Kusha, The Sacred Law of Islam – A case study of women‘s treatment in the Islamic Republic of Iran’s criminal justice system (2002) 20. 12 Fikentscher, Methoden des Rechts in vergleichender Darstellung Band I – Frühe und religiöse Rechte – Romanischer Rechtskreis (1975) 306; Marx, Familie und Recht im Islam – zwischen Tradition und Moderne, http://www.fh-wolfenbuettel.de/cms/de/afb/download/berichtmarx-islam-2005.pdf, 1 (2 mVa FN 2) (6.10.2009); Mohr, Ein schwieriges Verhältnis: Homosexualität und Islam – Was sagt der Koran dazu? http://home.arcor.de/yadgar/mohr/islam_homo2.html, 1 (4) (6.10.2009); Scholz, JURA 2001, 525; Watt, The self-image of Islam – Myth and reality, ZDMG-Supplement 8, 17 (18). 13 Busse, Grundzüge der islamischen Theologie und der Geschichte des islamischen Raumes, in Ende/Steinbach (Hrsg), Der Islam in der Gegenwart5 (2005) 21 (22); Lau, The independence of judges under islamic law, international law and the new afghan constitution, ZaöRV 64, 917 (919); Nagel, Kämpfen bis zum endgültigen Triumph – Religion und Gewalt im islamischen Gottesstaat, in Schreiner (Hrsg), Heilige Kriege – Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich – Schriften des Historischen Kollegs 78 (2008) 43; Ornig, Die zweite Generation und der Islam in Österreich – Eine Analyse von Chancen und Grenzen des Pluralismus von Religionen und Ethnien (2006) 61; Serauky, Geschichte des Islam (2003) 39; Souryal, Islam, Islamic Law and the Turn to Violence (2004) 33; Weeramantry, Islamic Jurisprudence – An international Perspective (1988) 3; Wentker in Feichtinger/Wentker, Islam 19, 20. 8 9 Zehetgruber, Islamisches Strafrecht vs europäische Werteordnung 21 Zur Entstehungsgeschichte des Islam sowie des „islamischen Rechts“ der damaligen arabischen Bevölkerung bestand – von einigen wenigen Juden und Christen abgesehen – aus in Stammes-, Sippen- und Familienverbänden organisierten Menschen heidnischen Glaubens, die sich überwiegend in eine nomadisierende Wüsten- und eine sesshafte Stadtbevölkerung einteilen ließen.14 Mohammed selbst kam, insbesondere durch seinen Beruf als Händler, sehr einfach mit allen Religionen und Kulturen auf der arabischen Halbinsel und deren christlich-jüdischen Nachbarn in Kontakt.15 Im Jahre 61016 soll er sein Berufungserlebnis gehabt haben: Gott sandte den Erzengel Gabriel, der dem – so ein übereinkommender Glaube im Islam – des Lesens und Schreibens Unkundigen17 die ersten fünf Verse der Sure 96 („Das sich Anklammernde“)18 in der Höhle Hira in der Nähe Mekkas offenbarte.19 Mohammed begann sehr bald, die ihm von Gott übertragene Rolle des letzten Propheten,20 religiösen Reformators21 und Verkünders der neuen Gesellschaft zu leben und sah sich schließlich im Jahre 62222 auf Grund seiner Opposition gegen die althergebrachte soziale Ordnung,23 die sich stark gegen die Stammestraditionen und -gliederungen Vgl Aslan, Kein Gott außer Gott – Der Glaube der Muslime von Muhammad bis zur Gegenwart (2006) 26; Brohi, Die Rechtsideen im Islam, in May (Hrsg), Beiträge zu Islamischem Rechtsdenken – Studien zu Nichteuropäischen Rechtstheorien II (1986) 13 (17), der den eher geringschätzigen Ausdruck „Götzenanbeter“ verwendet; Heine, Islam zur Einführung (2003) 19; Karakaya, Fundamentalismus 8 mwN; Lau, ZaöRV 64, 919. 15 Hallaq, The Origins and Evolution of Islamic Law (2005) 19; Oehlrich, Die arabischen Staaten zwischen persönlicher und staatlicher Herrschaft – Zum Verständnis panarabischer und panislamischer Politik, VRÜ 1, 117 (119); Tibi, Religionssoziologische Anmerkungen zur Entstehung des Islams als eine mobilisatorische Ideologie, ARSP 64, 547 (551 mVa Rodinson). 16 Al Awabdeh, History and prospect of Islamic Criminal Law with respect to the Human Rights (2005) 42; Amirpur/Witzke, Schauplatz Iran (2004) 21; Heine, Islam 29; Jescheck, Islamisches und westliches Strafrecht – Gemeinsames und Gegensätze, in FS Oehler (1985) 543 (546); Löschner, Die dogmatischen Grundlagen des si’itischen Rechts – Eine Untersuchung zur modernen imamitischen Rechtsquellenlehre (1971) 67; Mahmassani, Falsafat Al-Tashri Fi Al-Islam – The Philosophy of Jurisprudence in Islam (1961) 16; Schirrmacher/Spuler-Stegemann, Frauen und die Scharia – Die Menschenrechte im Islam (2004) 26; Troeger, Der Islam – Ein Glaube – Viele Spaltungen, ZIfI 2005 H 2, 6; Wentker in Feichtinger/Wentker, Islam 20; Wiechman/Azarian/ Kendall, IJCACJ 19, 34; Yassari, ZVglRWiss 103, 105. 17 Al-Masih, http://www.horst-koch.de/joomla_new/content/view/39/36/, 1 (6.10.2009); Aslan, Gott 55, 56, der diese Sichtweise uVa Mohammeds Erfolg als Kaufmann nicht teilt; Wentker in Feichtinger/Wentker, Islam 20. 18 Die im Laufe der Arbeit getätigten Koranzitate, Aufzählungen und deutschen Surenbezeichnungen folgen in der Regel der Übersetzung von Henning, Der Koran – Das heilige Buch des Islam, welche von Hofmann als Herausgeber und Bearbeiter im Jahre 2007 in Deutschland neu aufgelegt wurde. Die Zitierweise ist nach folgendem Schema gestaltet: Sure: Vers (zB meint 9:13 Sure 9 Vers 13). 19 Aslan, Gott 54, 55; El Baradie, Gottes-Recht 23; Kusha, Law 15; Tibi, ARSP 64, 550, 551; Troeger, Offenbarung Allahs oder Worte Muhammads? – Zum Problem der Geschichtlichkeit des Korans, ZIfI 2005 H 1, 16; Weeramantry, Jurisprudence 5. 20 Hartnett/Anson, Legal diversity in the Middle East: Some comparative research horizons, IJCACJ 6, 99; Mohr, http://home.arcor.de/yadgar/mohr/islam_homo2.html, 4 (6.10.2009). 21 Schacht, An Introduction to Islamic Law (1964) 10. 22 Lau, ZaöRV 64, 919; Nagel in Schreiner, Kriege 43; Ornig, Generation 61; Schirrmacher/SpulerStegemann, Frauen 26; Steppat, Die politische Rolle des Islam, ZDMG-Supplement 5, 22 (26). 23 Nagel in Zehetmair, Islam 24. 14 22 Die Entstehung des Islam richtete und die Gemeinschaft der Gläubigen („umma“)24 als Keimzelle einer neuen Gesellschaftsordnung propagierte, in Folge des Widerstands der mekkanischen Kaufmannschaft gezwungen, Mekka zu verlassen und sich in Medina anzusiedeln.25 Diese „hidschra“ markiert den Beginn der islamischen Zeitrechnung.26 In Medina stand Mohammed bald an der Spitze der Gemeinde, er bekleidete zu Beginn das Amt eines gewählten (Schieds-)Richters,27 vermehrte seine Anhängerschaft und begann, sich immer stärker auch als politischer Anführer zu verstehen.28 Von einigen Autoren wird die Zeit in Medina auch als Beginn der Formierung des ersten und idealen islamischen Staates angesehen29, dessen Modell es wiederherzustellen Coulson, Conflicts 21; de Feyter, Unveiling a hidden painting – Islam and north african constitutions, VRÜ 21, 17 (19); Karakaya, Fundamentalismus 13; Lau, ZaöRV 64, 919; Mayer, Law and religion in the Muslim Middle East, AJCL 35, 127 (131); Schahbasi, Muslime in Europa – Radikalisierung und Rekrutierung, .SIAK-Journal 1/2009, 20 (26); Senghaas in Joas/Wiegandt, Werte 446; Tibi, Islam and secularization – Religion and the functional differentiation of the social system, ARSP 66, 207 (216); Troeger, Der „Kampf auf dem Wege Allahs“ nach dem Koran, ZIfI 2007 H 2, 21 (22); Wentker in Feichtinger/Wentker, Islam 18. 25 Amirpur/Witzke, Iran 21; Busse in Ende/Steinbach, Islam5, 24; Aslan, Gott 68 – 70; Dien, Islamic law – From historical foundations to contemporary practice (2004) 3; Ebert/Fürtig/Müller, Staatsrechtliche Struktur und ideologische Ausrichtung der Islamischen Republik Iran, in Barthel (Hrsg), Die Islamische Republik Iran (1987) 365 (366); Fikentscher, Methoden I, 306, 307; Halm, Die Schia (1988) 6; derselbe, Der schiitische Islam – Von der Religion zur Revolution (1994) 16; Heine, Islam 32, 33; Karakaya, Fundamentalismus 9; Nagel in Schreiner, Kriege 43, 44; Rohe, Recht 21; Souryal, Islam 38; Troeger, ZIfI 2005 H 2, 6. Kusha, Law 20 gibt – unter Verweis auf Goldziher, Introduction to Islamic Theology and Law (1981) 11 – hinsichtlich des Ausdrucks „Flucht“ in Bezug auf Mohammeds Auszug aus Mekka zu bedenken, dass es sich hierbei um einen, wie er es Goldziher ausdrücken lässt, „kalkulierten politischen Schachzug“ von Seiten des Propheten und weniger um eine – gewissermaßen erzwungene – Maßnahme gehandelt habe könnte. 26 Siehe nur Al Awabdeh, History 43; Buse in Ende/Steinbach, Islam5, 24; Ebert/Fürtig/Müller in Barthel, Iran 366; Hofmann in Hofmann, Koran 15; Karakaya, Fundamentalismus 9; Lau, ZaöRV 64, 919; Rohe, Recht 21; Schirrmacher, Selbstmord, Märtyrertum, Jihad – Auffassungen aus Koran, Theologie und Gesellschaft, ZIfI 2004 H 1, 5 (6); Steinbach, Die Menschenrechte im Verständnis des Islam, VRÜ 8, 47 (48 mVa FN 1); Tibi, ARSP 64, 554; Wentker in Feichtinger/ Wentker, Islam 21; Yassari, ZVglRWiss 103, 105. 27 Al-Alwani, Judiciary and rights of the accused in islamic criminal law, in Mahmood et al (Hrsg), Criminal Law in Islam and the Muslim World – A Comparative Perspective (1996) 256 (257); Aslan, Gott 51, 75; Masud/Peters/Powers, Qadis and their courts: an historical survey, in Masud/Peters/Powers (Hrsg), Dispensing Justice in Islam (2006) 1 (6, 7); Rohe, Recht 21; Schirrmacher/Spuler-Stegemann, Frauen 26; Wentker in Feichtinger/Wentker, Islam 20. Yassari weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Mohammed während seiner Tätigkeit als Richter kein Recht aus „feststehenden Regeln“, sondern gewissermaßen ad hoc Recht sprach bzw solches, das sich aus seinen Offenbarungen und der Praxis der islamischen Gemeinde ableitete; siehe Yassari, ZVglRWiss 103, 105; dieselbe, Über die Rechtspflege und das Amt des Richters im Islam, MHR 2004, 26. 28 Fikentscher, Methoden I, 307; Buse in Ende/Steinbach, Islam5, 24; Karakaya, Fundamentalismus 9 mwN; Krämer, Gottes Staat als Republik – Reflexionen zeitgenössischer Muslime zu Islam, Menschenrechten und Demokratie (1999) 46 mVa FN 138; Schirrmacher, ZIfI 2004 H 1, 6; dieselbe, ZIfI 2007 H 2, 6, 7 mVa FN 9; Troeger, ZIfI 2005 H 2, 6; Wentker in Feichtinger/ Wentker, Islam 21. 29 Vgl etwa Aslan, Gott 73; Dien, Law 3; Ebert/Fürtig/Müller in Barthel, Iran 367, 368; Watt, ZDMG-Supplement 8, 20; maßgeblich für diese Sichtweise dürfte insb die sog „Gemeindeord24 Zehetgruber, Islamisches Strafrecht vs europäische Werteordnung 23