Einführung Allgemeine Mikrobiologie, Infektabwehr Bettina Löffler / Wolfgang Pfister Institut für Medizinische Mikrobiologie Universitätsklinikum Jena Wintersemester 2016/17 Institut für Medizinische Mikrobiologie Bakteriologie, Mykologie Hygiene Parasitologie Virologie Serologie Buchvorschläge Geschichte der Mikrobiologie • Infektionskrankheiten seit Jahrtausenden bekannt • Miasmenlehre: „übler Dunst, schlechte Luft“; Urzeugung: Entstehung von Krankheiten aus toter organischer Materie • A. van Leeuwenhoeck (17 Jh.): Beschreibung von Bakterien mittels eines selbstgebauten Mikroskops (Zeichnung von Bakterien aus dem Zahnbelag) • L. Pasteur (19 Jh.): Wiederlegung der Doktrin von der Urzeugung „Omne vivum ex vivo - Leben entsteht nur aus Leben“ • Mikroorganismen als Ursache von vielen Erkrankungen nachgewiesen (Ende 19 Jh.) Henle-Koch-Postulate 1884 Mikroorganismen werden für die Ätiologie von Krankheiten verantwortlich gemacht 3 Postulate: • Es müssen konstant in den lokal erkrankten Partien Organismen in typischer Anordnung nachgewiesen werden. Jacob Henle 1809-1885 • Die Organismen, welchen nach ihrem Verhalten zu den erkrankten Teilen eine Bedeutung für das Zustandekommen dieser Veränderungen beizulegen wäre, müssen isoliert und rein gezüchtet werden. • Mit den Reinkulturen muss die Krankheit wieder erzeugt werden können. Robert Koch 1843-1910 Friedrich Loeffler 1852-1915 Verschiedene Erreger von Infektionskrankheiten Subzelluläre biologische Objekte Prokaryontische Mikroorganismen Eukaryontische Mikroorganismen Tiere Prionen (Proteinmoleküle); Viren (20-200 nm) klassische Bakterien (S. aureus, E. coli); zellwandlose Bakterien (Mykoplasmen); Intrazelluläre Bakterien (Chlamydien) (0,5-5 µm) Pilze: Hefen (5-10 µm); Schimmelpilze; Helminthen: Würmer (mm-m) Protozoen (Amöben, 1-150 µm) Arthropoden: Gliederfüßler (mm-cm) Klassische Bakterien Bakterienklassifikation Einteilung anhand morphologischer und biologischer Eigenschaften: Die Bakterienart Helicobacter pylori wird zum Beispiel folgendermaßen in der Bakterienklassifikation eingeordnet: Domäne: Prokaryoten Abteilung: Proteobacteria Klasse: Epsilonproteobacteria Ordnung: Campylobacterales Familie: Helicobacteraceae Gattung: Helicobacter Art: Helicobacter pylori Klassische Bakterien Grampositive Zellwandaufbau Gramnegative Fettsäuren Zellwand Peptidoglycan (Murein) Porin Lipid A äußere Membran Lipoproteine 40 Schichten Zellmembran 1-2 Schichten Zellwand Zellmembran 8 Diagnostische Nachweismethoden von Erregern Nachweis des Erregers: • Mikroskopie: Licht- und Elektronenmikroskopie, Färbungen (Gram-Färbung) Vitek • Kultur: (Metabolismus) 24 h Bebrütung +Resistogramm Identifizierung Maldi-Tof (Massenspektra) • Molekularbiologische Verfahren: • Polymerase-Kettenreaktion (PCR): Vervielfältigung und Messung von DNA/RNA • Sequenzierung: Bestimmung der Reihenfolge der Nukleotide • ……. Diagnostische Nachweismethoden von Erregern Nachweis von Erreger-Bestandteilen oder Erreger-Produkten (z.B. Toxine): • Molekularbiologische Verfahren: • Polymerase-Kettenreaktion (PCR): Vervielfältigung und Messung von DNA/RNA • Sequenzierung: Bestimmung der Reihenfolge der Nukleotide • ……. auch bei toten Erregern oder Erregerbestandteilen möglich (z.B. nach Antibiotikatherapie) • Agglutination (z.B. Latextest) • Immunfluoreszenz • Western-Blot-Technik • ELISA • ….. Nachweis von Erregerbestandteilen über Antikörperbindung Erregerprodukt Diagnostische Nachweismethoden von Erregern Nachweis einer Erreger-spezifischen Immunreaktion: • Nachweis von Antikörpern: • Agglutination (z.B. Latextest) • Immunfluoreszenz • Western-Blot-Technik • ELISA • ….. Antikörper in der Serumprobe • Messung einer Erregerspezifischen T-Zellantwort: (z.B. Tuberkulin-Reaktion, Quantiferon-Test bei Tuberkulose) Diagnostische Nachweismethoden von Erregern Untersuchungsmaterial zur Diagnostik • Tupferabstrich: Rachenabstrich, Wundabstrich, Abstrich unter OP…. nur oberflächliche Flora • Körperflüssigkeiten/Stuhl: Urin, Blut, Serum, Liquor, Trachealsekret, Sputum, Stuhl…. schnelle Analyse, teilweise empfindliche Keime, Überwachsen • Punktate, Abszesse, Sekrete : Wund- und Drainagesekrete, Eiter….. Luftdicht verschließen, häufig anaerobe Keime beteiligt • Gewebe (OP-Material): Weichgewebe, Knochen….. Nativ schicken, kein Formalin Normalflora versus Infektionen Menschlicher Körper: 10 % menschliche Zellen 90 % Mikroorganismen Initiiert vom National Institutes of Heath 2007 Mikroben und deren Funktion von fünf verschiedenen „Habitaten“ werden analysiert: 1 x 1014 Zellen insgesamt 1 x 1013 Zellen davon menschlich 9 x 1013 Zellen Mikroorganismen Bakterien, Pilze, Viren, Parasiten The human microbiome project http://nihroadmap.nih.gov Schaffung von Referenzsysteme für den Normalzustand Normalflora versus Infektionen Definitionen: Menschliche Mikrobiota: alle Mikroorganismen, die auf unseren inneren und äußeren Oberflächen gedeihen, kultiviert werden können Menschliches Mikrobiom: Die Gesamtheit aller nicht-menschlichen DNA am/ im menschlichen Körper Dazu gehören: • • • • • • Bakterien Archaea Pilze Amöben Flagellaten Viren und Bakteriophagen die Normalflora trägt zur Gesundheit und Abwehr von Krankheiten ganz entscheidend bei Normalflora versus Infektionen Welche Stellen im Körper sind von einer Normalflora besiedelt, welche sind steril? durch Normalflora besiedelt steril Blut Liquor Darm Bis zu 1Billionen (1012) Bakterien/ Gramm Darminhalt Unser Darm ist das am dichtesten besiedelte mikrobielle Ökosystem unseres Planeten ! Haut Starke Unterschiede je nach Lokalisation und von Umwelteinflüssen abhängig Magen Mundhöhle Starke Unterschiede je nach Lokalisattion (Plaque, Gingivasulcus, Wange) Normalflora versus Infektionen Mikrobiom: Beispiel 1: Magen Lehrmeinung bis vor etwa 30 Jahren: Magen ist steril aufgrund des niedrigen pH-Wertes und der schnellen Peristaltik; Geschwüre kommen durch exogene Faktoren (z.B. Stress, falsche Ernährung) zustande. Barry Marshall „Selbstversuch“ Helicobacter pylori 1983 entdeckt 2005 Nobelpreis John Warren Normalflora versus Infektionen Viele offene Fragen zum Mikrobiom • Welcher Zusammenhang besteht zwischen Mikrobiom und Gesundheitsstatus? • Wie häufig und wichtig sind Unterschiede zwischen Individuen? • Wie stabil ist das Mikrobiom? • Ist das Mikrobiom resilient (tolerant gegen Störungen)? • Wie können wir die Mikrobiota zu therapeutischen Zwecken beeinflussen und welche langfristigen Folgen kann das haben? • Welche Auswirkung hat die antibiotische Therapie aber auch die weltweite Verteilung von Antibiotika auf unsere Mikrobiota? • …. Normalflora versus Infektionen Die Normalflora ist häufig die Quelle für eine Infektion Invasive und systemische Infektionen Kolonisation: Staphylokokken, Enterokokken, Gram-negative,… kolonisieren viele epitheliale Oberflächen von Eiff C et al., N Engl J Med, 2001: bei über 80% der Patienten mit S. aureus Sepsis kann der klonal identische S. aureus Stamm in der Nase nachgewiesen werden. Normalflora versus Infektionen Definitionen: • apathogene Mikroorganismen: eigentlich keine Krankheitserreger, Infektionen nur bei schweren Immundefekten • fakultativ pathogene Erreger (Opportunisten): können Krankheiten verursachen, wenn die Möglichkeit haben (wenn die Wirstabwehr „opportun“ ist, z.B. S. aureus, E. coli • obligat pathogene Erreger: verursachen immer Krankheit, Kontrolle durch erworbene Abwehr • Virulenz/Virulenzfaktoren: Faktoren, die es den Mikroorganismen ermöglichen, Krankheiten auszulösen Wirt: AbwehrMechanismen Erreger VirulenzFaktoren Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Adhärenz Anheften von Mikroorganismen (durch Adhäsine) an Wirtsstrukturen Vielzahl von S. aureus Adhäsinen Gen Nam e Adhäsin bbp Sialoprotein-binding protein clfA Clumping factor A clfB Clumping factor B cna Collagen binding protein eap Extracellular adhesive protein fnbA Extracellular matrix binding protein Fibronectin binding protein A fnbB Fibronectin binding protein B emp isdA S. aureus heftet an extrazelluläre Knochenmatrix (z.B. Kollagen) an sdrC sdrD sdrE spA Iron regulated surface determinant A serine-aspartate repeat C serine-aspartate repeat D serine-aspartate repeat E Protein A • Mittels Oberflächenproteine (Adhäsine) heften Mikroorganismen an Wirtsstrukturen (Rezeptoren, Matrixproteine) an. • Gram-negative Bakterien (Pili, Fimbrien);Gram-positive Bakterien (Proteine), Pilze , Viren (Bindung an definierte Zellrezeptoren), • Initialer Schritt einer Infektion • Tropismus des Infektionserregers, z.B. Anheften des HI-Virus an THelferzellen Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Gewebeschädigung Eindringen der Pathogene in tiefere Gewebeschichten • Exoenzyme: z.B. Proteasen, Lipasen; unspezifische Wirkung, enzymatischer Abbau von Gewebestrukturen • Zytotoxische Toxine: z.B. Membran- und Poren-bildende Toxine, gezielte Zerstörung von Wirtszellen Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Exotoxine: Verschiedene Wirkmechanismen Toxine können ganz unterschiedliche Wirkungen haben und auch alleiniger Auslöser eines Krankheitsbildes sein: 1. AB-Toxine: - Anteil „B“: verantwortlich für Bindung an Rezeptor der Zielzelle, (nur Wirtszellen mit spez. B-Rezeptor werden geschädigt) - Anteil „A“: Aktive Wirkkomponente z.B. Diphterietoxin: Schädigung von Mukosazellen, Herzmuskulatur, Niere 2. Membran-Toxine: - zerstören biologische Membranen durch Porenbildung oder durch enzymatische Aktivität 3. Superantigen-Toxine: - stimulieren T-Lymphozyten zur Sekretion von Zytokinen - Schocksymptomatik (Fieber, Exanthem, Blutdruckabfall) Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Endotoxine: Zellwandbestandteile Gram-negativer Bakterien (wirksam erst nach Freisetzung durch bakteriellen Zelltod) Lipopolysaccharid (LPS): Lipid A, Kern-Polysaccharid, O-spezifische Polysaccharidkette Gram-negative Porin Lipid A äußere Membran Lipoproteine Zellwand Zellmembran • Bindung an Immunzellen, Sekretion von Zytokinen in Makrophagen • Aggregation von Thrombozyten • Aktivierung des Komplementsystems • Aktivierung der Gerinnungskaskade Klinische Zeichen: Fieber Disseminierte intravasale Gerinnung Blutdruckabfall (Hypotension) Schock Multiorganversagen (2 oder mehr vitale Organsysteme: Lunge, Leber, Niere, Herz, ZNS) • Tod • • • • • Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Invasion von Wirtszellen • Viren: benötigen eine Wirtszelle zur Replikation (Cathrin-vermittelte Endocytose oder Fusion an der Zellmembran) • Obligat intrazelluläre Bakterien: z.B. Chlamydien, benötigen zur Vermehrung Wirtszellen • Fakultativ intrazelluläre Bakterien: verschiedene Gram-positive und Gram-negative Erreger S. aureus im Osteoblast E. coli im Urothel (Berry RE et al. Infect Immun 2009) Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Immune-Escape: durch Phagozytose-Hemmung • Kapsel: Inhibition der Phagozytose; z.B. wichtiger Virulenzfaktor bei Pneumokokken • Exotoxine: Zerstören Immunzellen; z.B. Leukozidine von S. aureus, Poren-bildende Toxine Zelltod + Leukozidin (20 min) Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Immune-Escape: durch Internalisierung und Überleben im Makrophagen Verschiedene Bakterien, z.B. Mykobakterien, Legionellen, S. aureus lassen sich phagozytieren und überleben in Wirtszellen, auch in Makrophagen Mycobacterium bovis in Maus-Makrophagen: Intrazelluläres Überleben und Vermehrung Quelle: Dr. Madela, RKI S. aureus in humanen Makrophagen, Überleben für 10 Tage Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Immune-Escape: durch Immunparalyse Beispiele Spaltung von IgA1 durch Neisseria gonorrhoeae, Haemophilus influenzae IgA-Protease Bindung von Immunglobulinen am FC-Teil durch Protein A von Staphylococcus aureus Befall von Zellen des Immunsystems: HIV befällt T-Helfer-Zellen Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Immune-Escape: durch viele weitere Mechanismen Beispiele • Komplementresistenz: Hemmung der Aktivierung der Komplementkaskade, z.B. Proteasen, die C3 oder C5 inaktivieren • Resistenz gegen antimikrobielle Peptide: durch bakterielle Proteasen inaktiviert • Antigenvariabilität: rasche Veränderung der Antigenproteine, z.B. bei Influenza Virus; erworbene Immunität oder Impfung wird unwirksam Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Wachstum, Vermehrung Konkurrenz um Ressourcen Beispiele Eisen ist im Wirt an Transferrin, Lactoferrin und Hämoglobin gebunden. Bakterien benötigen Eisen zur Vermehrung! Bakterien bilden Eisenfangsysteme: Aerobactin Enterochelin Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Persistenz: Biofilmbildung Bakterien 1: Adhärenz 2: Akkumulation Bakterielle Anheftung an Polymer (u.a. modifiziert) Polymer Oberfläche Biofilm: Extrazelluläre Matrixproteine (Fg, Fn, Vn), Plättchen, ……. 3: Maturation 4: Ablösung Peters et al (1982) J Infect Dis 146:479-482 Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Persistenz: Biofilmbildung Definitionen von Biofilm: • Biofilm ist eine adhäsive Matrix, in der Mikroorganismen eingebettet sind. Biofilm ist zusammengesetzt aus Bakterien- und WirtsBestandteilen (z.B. Proteinen, Nukleinsäuren, ….) • Biofilm ist eine Lebensgemeinschaften von Bakterien, Pilzen oder Algen, die sich an Oberflächen anheften. • Biofilm ist etwas, was Keime nur zusammen können und nicht alleine. …..Im Biofilm kommunizieren Mikroorganismen miteinander…. Therapeutische Probleme bei Biofilmbildung: • Mangelnder Zugriff des Immunsystems • Mangelnde Wirkung von Antibiotika • Fortwährende Ausschwemmung von Keimen Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Persistenz: Biofilmbildung: Problem in der Medizin • Protheseninfektionen: infizierte Prothesen müssen entfernt werden • Infektionen im HNO und Zahn-Bereich Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Persistenz: Kommunikation von Bakterien I. Quorum-Sensing Systeme agr-System von S. aureus • Bakterien registrieren die Bakteriendichte über die Konzentration des AiP (auto inducer) • Nur bei genügend hoher Bakteriendichte werden Toxine produziert Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Persistenz: Kommunikation von Bakterien II. Stressfaktoren: Transkriptionsfaktoren aktiviert bei Stressbedingungen Stress: Hitze, pH-Wert, Nahrungsmangel, Antibiotika Aktivierung von Stressfaktoren fördert das Überleben der Mikroorganismen Antibiotika sind auch Stressfaktoren für Bakterien, deshalb: Antibiotikatherapien: ausreichen hohe Dosierung ausreichend lange so früh wie möglich „hit hard and early“ Virulenzfaktoren: Pathogenese von Infektionen Persistenz: Phänotypveränderungen „Dormancy“ Klinisches Problem durch persistente Infektionen (über Jahre und Jahrzehnte): S. aureus • Osteomyelitis (S. aureus) Osteomyelitis • Chlamydia pneumoniae • Toxoplasmose • Varizella-Zoster-Virus Herpes Zoster Chlamydien in Wirstzellen Gewebszyste von Toxoplasma gondii Zusammenfassung • Einteilung der Pathogene • Diagnostik und Probenversand in der Medizinischen Mikrobiologie • Mikrobiota und Mikrobiom: • Wir sind von einer komplexen Flora besiedelt • Bedeutung noch weitgehend unklar • Kolonisierende Flora ist häufig die Quelle für eine Infektion • Virulenzfaktoren/wichtige Pathogeneseschritte • Adhäsion • Gewebezerstörung durch Toxine und Exoenzyme • Gewebe- und Wirtszellinvasion • Immune Escape • Biofilmbildung • Kommunikation bei Bakterien • Persistenz durch „Dormancy“ Epidemiologische Grundlagen Epidemiologie: beschreibt Erkrankungen als Massenphänomene beschäftigt sich 1. mit dem Verhältnis einer Exposition und den daraus resultierenden Folgen 2. mit der Häufigkeit von Erkrankungen in einer bestimmten Population (bei nosokomialen Infektionen im Krankenhaus) Verlaufsformen übertragbarer Erkrankungen: 1.Sporadisches Auftreten – Eine Erkrankung, die nicht heimisch ist, tritt hin und wieder einmal auf (z.B. Malaria, wird eingeschleppt) 2.Endemie – Eine Erkrankung ist heimisch in einer bestimmten Bevölkerung, tritt immer wieder einmal auf, es existiert keine zeitliche Begrenzung (z.B. Varizellen) 3.Epidemie – Eine Erkrankung tritt in einer bestimmten Bevölkerung gehäuft auf, es existiert aber eine zeitliche Begrenzung (z.B. Influenza in der kalten Jahrszeit) 4.Pandemie – Eine Erkrankung tritt weltweit auf, es existiert keine örtliche aber eine zeitliche Begrenzung (z.B. Influenza- Pandemien im vorigen Jhd. Grundbegriffe der Epidemiologie Maßzahlen für die Beschreibung der Häufigkeit von Erkrankungen Zahl der Neuerkrankg. (z.B. Zahl der nosokom. Infektionen) 1. Inzidenz – x 100 (%) exponiertes Kollektiv (z. B. Zahl der entlassenen Patienten) Bestand der KH-Fälle zu einem Zeitpkt. oder in einem Zeitraum 2. Prävalenz – x100 (%) exponiertes Kollektiv z.B. Zahl der Patienten mit einer nosokomialen Infektion bezogen auf die Zahl der untersuchten Patienten an einem Tag (Punktoder in einer Woche (Periodenprävalenz) Grundbegriffe der Epidemiologie Weitere Maßzahlen für die Beschreibung der Häufigkeit und Gefährlichkeit von Erkrankungen Zahl der Fälle an einer best. Krankheit 1. Morbidität – x 100.000 Zahl der Personen in einer best. Bevölkerung Zahl der Todesfälle an einer best. Krankheit 2. Mortalität – x 100.000 Zahl der Personen in einer best. Bevölkerung Zahl der Todesfälle an einer bestimmten Krankheit 3. Letalität - x 100 (%) Zahl der erkrankten Personen Henle-Koch-Postulate heute: Wirt: AbwehrMechanismen Erreger VirulenzFaktoren Das Entstehen, die Symptome einer Infektionskrankheit und die Schwere ihres Verlaufes sind einerseits abhängig von der Virulenz des Stammes und andererseits von der Abwehr des Betroffenen. Grundprinzipien der Infektionsabwehr Gliederung Angeborenes vs. erworbenes Immunsystem Angeborenes Immunsystem sofortige Reaktion generelle Pathogenerkennung Erworbenes Immunsystem verzögerte Reaktion ‚Lernfähigkeit‘ Antigenspezifität Angeborenes Immunsystem Gliederung Pathogene Domäne der Medizinischen Mikrobiologie Infektionsabwehr: angeborenes und adaptives Immunsystem Infektionsabwehr: v.a. angeborenes Immunsystem v.a. fakultativ pathogene Erreger apathogene Erreger mehr als 90 % der täglichen Infektionsabwehr erfolgt unbemerkt Infektionsabwehr: nicht erforderlich Angeborenes Immunsystem Großer Anteil physikalischer und chemischer Barrieren • Haut: Hornschicht, pH-Wert, Säureschutz, Normalflora, Defensine • Schleimhaut: Muzine, Normalflora, sekretorische Antikörper • Tränenflüssigkeit: Lysozym, sekretorisches IgA • Speichel: Lysozym, basische Proteine aus Leukozyten • Respirationstrakt: Ziliarbewegung, sekretorisches IgA, Alveolarmakrophagen • Magen: pH-Wert • Darm: Normalflora, Peristaltik, Defensine • Harntrakt: Peristaltik, pH-Wert, Klappen an den Uretherenostien, Normalflora Angeborenes Immunsystem Humorale Faktoren (nicht-zelluläre Faktoren) Antimikrobielle Peptide und Enzyme (Defensine) üben direkte toxische Effekte auf Mikroorganismen aus (formen Kanäle in Lipidmembranen), werden von vielen Körperzellen sezerniert (z.B. Haut, Dünndarm) Komplement-System (klassisch / alternativ) Aktivierungskaskade von Plasmaproteinen, wird über Bakterienbestandteile oder Antikörper aktiviert und führt zur Bakterienlyse oder Phagozytenaktivierung. Akut-Phase-Proteine werden in der Leber synthetisiert, binden Mikroorganismen und aktivieren Phagozyten. Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: Polymorphkernige Granolozyten (neutrophile, eosinophile, basophile) • 60-70% aller weißen Blutzellen (2,5x1010, 7000/ µl) • die Hälfte davon ist adhärent am Endothel („Rollen“ über CD18, CD11a, Rezeptor: E-Selektin, CD54 Diapedese) • Erste Welle der Blutleukozyten in der Abwehr und Phagozytose • Granula (Lysosomen): lysosomale Enzyme (saure Hydrolasen, Proteasen, alkalische Phosphatase, Lactoferrin, Lysozym) • Intrazelluläres „killing“ - O2-abhängig: respiratory burst toxische Sauerstoffradikale (H2O2) und O2- unabhängig: pH-Wert, Lysozym, saure Hydrolasen, Proteasen • Neutrophil Extracellular Traps (NETs): Freisetzung der DNA und mikrobizider Granula Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: Zytotoxizität von Polymorphkernigen Granulozyten Abtöten von Mikroorganismen durch: • Phagozytose und intrazelluläres Killing: • NET-Bildung: extrazelluläres Killing durch Freisetzung von DNA und Granula Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: Monozyten/Makrophagen • Makrophagen besitzen eine Vielzahl von Rezeptoren für typische mikrobielle Strukturelemente (z.B.CD 14, Toll-like Rezeptoren, IgG und Komplementrezeptoren). • Funktion: Phagozytose von Mikroorganismen, antimikrobielle Aktivität, Modulation der Entzündungsreaktion • Produzieren Prostaglandine, Zyto- und Chemokine. • Makrophagen enthalten antibakterielle Enzyme, Peptide (Defensine), Sauerstoffradikale. • Rezeptoren für Komplement und Antikörper. Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: weitere Phagozyten („professionelle Phagozyten“) Monozyten • Intrazelluläres „killing“: Dendritische Zellen - Katalasen und Hydrolasen vorhanden Histiozyten - kein vollständiger Abbau von Antigenen Kupffersche Sternzellen - Antigenpräsentation Alveolar-Makrophagen • Vehikel für Mikroorganismen (Mykobakterien, Peritonealmakrophagen Legionellen) Milz-Makrophagen LymphknotenMakrophagen Mikroglia Osteoklasten Chondroklasten Eine Vielzahl von Zellen (z.B. Endothelzellen, Fibroblasten, Osteoblasten) können im begrenzten Maße Erreger aufnehmen und abbauen. „nicht-professionelle Phagozyten“ Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: Toll-like-Rezeptoren • Phagozyten haben auf ihrer Oberfläche Rezeptoren vom Toll-like-Typ • Phylogenetisch alte Gruppe von Erkennungsmolekülen, sog. „Pattern Recognition Receptors“ • „Pathogen Associated Molecular Patterns“ (PAMPs): Strukturen, die nur auf Mikroorganismen vorkommen • aktivieren Signalkaskaden zur Abwehr, z.B. Zytokinexpression • Homologie der Strukturdomänen über Spezies hinweg Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: Überblick über die Vielzahl von TLR LPS Diacylierte Lipopeptide TLR-1/ TLR-2 Triacylierte Lipopeptide TLR-6/ TLR-2 Flagellin TLR-4 ? TLR-5 UPEC ss-RNA Imidazoqinolin ds RNA TLR-3 TLR-7 CpG-DNA unmethyliert TLR-8 TLR-10 TLR-11 TLR-9 MyD88 und weitere, bis TLR-16 IRAK IKK/NIK TRAF6 MKK NF-κB MAP-K NF-κB-Translokation und -Kaskade MAP-K-Kaskade Transskription von Zytokinen, Interferon etc. Angeborenes Immunsystem Zelluläre Faktoren: Opsonierung und Phagozytose von Mikroorganismen Komplement und IgG binden Bakterien. Wenn C3b an CR1 und IgG den FC-Rezeptor bindet werden Bakterien phagozytiert. Die Plasmamebran formt das Phagosom. Lysosomen fusionieren mit Phagosomen und degradieren Bakterien. Makrophage Lysosom • Rezeptoren für Immunglobuline und Komplementfaktoren fördern die Phagozytose • Kein vollständiger Abbau von Mikroorganismen, sondern Antigenpräsentation Grundprinzipien der Infektionsabwehr Gliederung Pathogene Adaptives Immunsystem: Benötigt bei Mikroorganismen, die die angeborene Immunabwehr überlisten konnten. Infektionsabwehr: v.a. angeborenes Immunsystem v.a. fakultativ pathogene Erreger apathogene Erreger mehr als 90 % der täglichen Infektionsabwehr erfolgt unbemerkt Infektionsabwehr: nicht erforderlich Zellen des Immunsystem Knochenmark Pluripotente hämatopoietische Stammzelle Entwicklung des zellulären Immunsystens Knochenmark Lymphoide Vorläuferzelle Myeloide Vorläuferzelle Granulozyten- MegakaryozytenMakrophagen Erythrozyten Vorläuferzelle Vorläuferzelle Megakaryocyt Erythroblast Peripheres Blut Granulozyten B-Zelle T-Zelle NK-Zelle unreife dendritische neutro- eosino- baso- Mastzell Monozyt Thrombophil phil phil Vorläufer Zelle zyten Lymphknoten B-Zelle T-Zelle NK-Zelle Effektorzellen Aktivierte- AktivierteNK-Zelle PlasmaZelle T-Zelle Gewebe reife dendritische Zelle unreife dendritische Zelle Mastzelle Makrophage Erythrozyten Die Zellen des Immunsystems entwickeln sich aus gemeinsamen Vorläuferzellen des Knochenmarkes. Aufspaltung in einen lymphoiden (erworbenes) und einen myeloiden Schenkel (angeborenes Immunsystem). Die Trennung ist nicht immer strikt. Adaptives Immunsystem B-Lymphozyten B-Zellen B-Lymphozyten T-Zellen Lymphatische Organe Milz, Lymphknoten, Schleimhäute Ausreifung zu Plasmazellen APC AKProduktion Antikörperproduktion Infektionen ZytokinKill Impftiter Produktion Adaptives Immunsystem B-Lymphozyten: Antikörperklassen Immunglobulin G: häufigster Antikörper und wesentlicher Teil der Immunantwort Immunglobulin M: etwa 10% der Immunglobuline; früher erster Angriff gegen Mikroorganismen Immunglobulin A: etwa 15% der Immunglobuline; vorwiegend auf Schleimhäuten und in der Darmwand Immunglobulin D: unter 1% der Immunglobuline; beeinflussen Lymphozyten Immunglobulin E: unter 1% der Immunglobuline; binden an Mastzellen und aktivieren das Immunsystem; verantwortlich für Allergie Reaktionen Adaptives Immunsystem B-Lymphozyten: Erregerspezifische Antikörper bei Zweitinfektion Erregerspezifisches IgM und (auch ÍgG) sinkt nach Erstinfektion ab. Bei Zweitinfektion zeigt das spezifische IgG einen erneuten deutlich schnelleren Anstieg (wird auch über „memory cells“ vermittelt). Adaptives Immunsystem T-Lymphozyten T-Lymphozyten len ktion T-Zellen Lymphatische Organe Lymphknoten, Milz, Schleimhäute Ausreifung zu CD4- oder CD8-positiven Lymphozyten APC ZytokinProduktion Kill Helferfunktionen (Zytokine) zytotoxische Effektorfunktionen Intrazelluläre Erreger (Viren) Transplantatabstoßungen Vermittler zwischen angeborenen und erworbenen Immunsystem Dendritische Zellen • Vermittler zwischen angeborenem und erworbenem Immunsystem: verrechnet „Gefahrensignale“ des Erregers • Myeloide (Monozyten) und lymphozytäre Vorläufer • Phagozytose, Antigenprozessierung und -präsentation an Lymphozyten. • Ausschüttung von Zytokinen • Aktivierung von naiven Lymphozyten, verstärken zelluläre Immunabwehr 1973 von Ralph Steinmann entdeckt; 2011 Nobelpreis für Medizin Vermittler zwischen angeborenen und erworbenen Immunsystem „Natural-Killer Cells“ (NK-Zellen) • Zwischenglied zw. angeborenem und erworbenem Immunsystem: • Zytotoxische Aktivität • Trennung von ‚fremd‘ und ‚selbst‘ • Hemmung durch körpereigene Strukturen (MHC Klasse I) Vermittler zwischen angeborenen und erworbenen Immunsystem Zytokine Gruppe von Molekülen, die Signale zwischen verschiedenen Zellen des Immunsystems übertragen. Interferone: virale Infektionen (IFN-a, b) Aktivierung von Makrophagen (IFN-g) schützt benachbarte Zellen vor der Infektion Interleukine: Regulation von Immunreaktionen Colony-stimulating factors (CSFs): Entwicklung spezifischer Zelllinien Modulation von Immunreaktionen Chemokine: Andere von verschiedenen Immun- und nicht-Immunzellen produziert, chemoattraktiv, Modulation der Migration von Immunzellen Formen der Infektion und Immunantwort Definitionen: • Exogene Infektion: der Erreger stammt von außen; Sonderform: die im Krankenhaus erworbene Nosokomiale Infektion. • Endogene Infektion: der Erreger stammt aus der körpereigenen Flora. Infektionsentstehen bei geschwächten Immunsystem. • Lokale Infektion: Infektion auf eine Körperstelle begrenzt; keine weitere Beteiligung des Organismus • Systemische Infektion: Infektion mit Ausbreitung und Organmanifestation; systemischer Antwort des Organismus. Formen der Infektion und Immunantwort Sepsis: Kombination aus Infektion und Inflammation Infektion/ Trauma SIRS* Eine klinische Reaktion auf einen nichtspezifischen Insult, die 2 oder mehr der folgenden Symptome aufweist: Temperatur 38°C oder 36°C Herzfrequenz 90 /min Atemfrequenz 20/min Leukozyten 12.000/mm3 oder 4000/mm3 oder > 10 % unreife Neutrophile Sepsis Schwere Sepsis SIRS mit angenommener oder nachgewiesener Infektion 1. Woche *SIRS = (engl.: “systemic inflammatory response syndrome“) ACCP/SCCM Consensus Conference Committee. Crit Care Med 1992; 20(6): 864-874. 4. Woche Zusammenfassung • Infektionsabwehr: Kombination aus angeborenen und erworbenen Immunsystem • Angeborenes Immunsystem (innate Immunity): • Physikalische und chemische Barrieren • Humorale Faktoren • Professionelle Phagozyten (z.B. Neutrophile, Makrophagen): Antigenpräsentation • Erworbenes Immunsystem (adaptive Immunity): • B-Lymphozyten; Antikörperbildung • T-Lymphozyten; Cytotoxizität • Inflammation, Infektion, Sepsis Zusammenfassung: Infektionsabwehr Angeborenes Immunsystem Erworbenes Immunsystem humoral Physikalische Barrieren Antimikrobielle Peptide und Enzyme Komplement, Akutphaseproteine humoral Immunglobuline (Antikörper) zellulär Phagozyten zellulär B-Lymphozyten T-Lymphozyten funktionell genomische Kodierung sofortige Antwort Erkennung von typischen Strukturelementen Selbstschutz: fehlen dieser Strukturelemente auf eigenen Zellen funktionell somatische Rekombination verzögerte Antwort klonale Selektion, ‚Lernfähigkeit‘ Antigenspezifität Selbstschutz: Immunologische Toleranz nur wenn das Immunsystem versagt, muss mit Antiinfektiva therapiert werden. Antiinfektiva können das Immunsystem nur unterstützen, nicht ersetzen.