Sommersemester 07 Zusammenfassung zur Vorlesung: "Soziale I nteraktion" PD Dr. Udo Thiedeke Der Pragmatismus und die Stadt 1 4.06.07 1 Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Das Wissen von der Lebenswelt 24.05.07 Programm: 1 ) Vorbemerkung 2) Ei ne Phi losohie des 'gesunden Menschenverstands' 3) Die Wi rkl ichkeit der Großstadt 4) Zusammenfassung 1 ) Vorbemerkung - Bislang war von ei nem an der Sozial phänomenologie orienierten I nteraktionismus die Rede gewesen. Es gi bt hier aber noch ei ne zweite Hauptströmung, die vor al lem i n den USA begründet wurde und die sich grundlegend an ei ner empi rischen, tei lweise physiologischen Psychologie und Sozial psychologie orientiert. - Auch diese Richtung des I nteraktionismus ist nicht ohne phi losophische Fundierung. I hr l iegt die Phi losophie des sog. Pragmatismus zu grunde, die sich als Phi losophie der al ltägl ichen Lebenspraxis versteht und daher besonders i n der Pioniergesel l - schaft der USA Anklang fand. - Als akademisches Zentrum ei ner pragmatistisch orientierten Soziologie gi lt die "Chi cago School of Sociology". I n der heutigen Vorlesung werden daher i m Übergang zum sozial psychologisch/prgamatisch orientierten I nteraktionismus die pragmatische Phi losophie des Wil l iam James und die Stadtsoziologie von Robert Ezra Park, als maßgebl ichem Vertreter der Chicago School i m Mittel punkt stehen. 2) Ei ne Phi losophie des 'gesunden Menchenverstands' - Der sog. Pragmatismus als Phi losophie wendet sich ähnl ich der Phänomenologie gegen ei ne Isolation des Subjekts von der Welt, wie sie i n der Phi losophie von René Descartes angelegt war. - Anders aber als die Phänomenologie konzentriert sich der Pragmatismus nicht auf das Welterleben ei nes transzendenten Subjekts, sondern auf dessen Handel n i n der Welt. - Der Logi ker Charles Sanders Pei rce (1 839-1 91 4) hatte den Begriff "Pragmatismus" deshal b von griechisch "Pragma" (die Handlung) abgeleitet. - Nach sei ner Vorstel lung kann sich unser Denken nur anhand unserer konkreten Handungen ei n Bi ld von der Welt machen. Unser Denken wi rd dabei für uns erst dann bewusst, wenn wi r von der Wi rkl ichkeit i ritiert und zum Handel n genötig si nd, dann müssen wi r regerecht ' umdenken' , i ndem wi r die Di nge ' be-greifen' . 2 - I nsofern ist der Pragmatismus als Phi losophie auf Al ltagshandl ungen bezogen und stel lt sich als praktisch ' geerdete' "Phi losophie des gesunden Menschenverstands" dar. - Dieses Etti kett hatte der ameri kanische pragmatische Phi losoph und Psychologe Wi l l iam James (1 842- 1 91 0) geprägt, der i nfolge sei nes eher unakademischen Verhältnisses zur Phi losophie und sei ner al lgemei nverständl ichen Vorlesungen neben John Dewey (1 859- 1 952) wesentl ich zur Verbreitung des Pragmatismus i n den USA beitrug. - Besonders bekannt wurde James pragmatischer Wahrheitsbegriff. - Wahrheit ist demnach nicht absol ut, sondern nur relativ i n Bezug auf die Nützl ichkeit i hrer Unterscheidungen. - Pragmatische Wahrheit erschei nt so als ei ne Methode der Unterscheidung von Wahrheitsansprüchen anhand i hrer jewei l igen Handl ungskonsequenzen. - James schrei bt dazu i n sei nem 1 908 erschienen Hauptwerk "Pragmatismus. Ei n neuer Name für ei nige alte Denkweisen" (zitiert nach der deutschen Ausgabe von 2001 ): "Die pragmatische Methode dient i n erster Li nie dazu, phi losophische Ausei nander- setzungen beizulegen (. . .) . I n solchen Fäl len besteht die pragmatische Methode dari n, jedes Urtei l i n Hi nbl ick auf sei ne jewei l igen praktischen Folgen zu untersuchen. Welchen Unterschied würde es für jemanden i n praktischer Hi nsicht bedeuten, wenn eher dieses als jenes Urtei l zutreffen würde?" (2001 : 61 ) - I n der Reflexion über Handl ungskonsequenzen l iegt also die Wahrheit für das pragmatisch handel nde Subjekt. [siehe zu weiteren Grundannahmen der pragmatischen Phi losophie Fol ie 1 ] 3) Die Wi rkl ichkeit der Großstadt - Ei ne auf dem Pragmatismus aufbauende Soziologie muss also i m Bick behalten, wie die mitei nander umgehenden Menschen i hre Vorstel l ungen i n konkretem Handel n umsetzen und welche Widersprüche und Gemei namkeiten sich daraus ergeben. - I n dieser Weise konzi pierte auch Robert Ezra Park (1 964- 1 944) sei ne Kommuni kati ons- und Stadtsoziologie. - Parks Lebensweg ist dabei von vielfältigen Brüchen und Umorientierungen geprägt, die daraus resultierten, dass er i mmer wieder zwischen den Positionen der wissen- schaftl ichen Reflexion und praktischen Tätigkeit wechselte. 3 - Wissenschaftl ich entfaltete er neben der pragmatischen Phi losophie, Phi lologie und Geschichtswissenschaft auch psychologische und ökologische Ansätze. Praktisch war er u. a. als Gerichts- und Pol izei reporter sowie i n sozialen Hi lfsprojekten i n den USA engagiert. - Ei nen Tei l sei ner akademischen Anregung bezog er aus ei nem Deutschlandstudi um, wo er u. a. i n Berl i n Vorlesungen bei Georg Si mmel besuchte und i n Heidel berg bei dem Neukantianer Wi l hel m Wi ndel band mit ei ner Arbeit über "Masse und Publ i kum. " promovierte. [zu weiteren Ei nfl üssen auf Parks Soziologie siehe Fol ie 2] - Entsprechend dieser Ei nfl üsse aus wissenschaftl icher Reflexion und praktischem Handel n konzi piert Park sei ne Soziologie als ei ne empi ristische Soziologie. - Diese Soziologie sol l durch tei l nehmende Beobachtung (ethnographische Feldbeobachtung) i nduktive Anhaltspunkte für theoretische Model le gewi nnen, die dann deduktive Schl üsse über die Bedi ngungen der sozialen Wi rkl ichkeit erlauben. - Parks Stadtsoziologie, die er vor al lem am Department of Sociology and Anthropology der University of Chicago konzi piert und real isiert, geht deshal b ganz pragma- tisch davon aus, dass man das Leben der Menschen i n den Quartieren ei ner Stadt beobachten muss. Nur so si nd al lgemei ne Gesetzmäßigkeiten und kulturel le Muster aus den Al ltagshandl ungen und -dokumenten zu rekonstruieren. - Die Stadtsoziologie beobachtet dazu vier Di mensionen: 1 ) Die ökologische Di mension 2) Die Di mension der Mobi l ität. 3) Die Di mension der Beziehungen. 4) Die Di mension des Charakters. [siehe auch Fol ie 3] - So lassen sich nach Park räuml ich verdichtete Bereiche sozialer Wechselwi rkungen (Community) ebenso besti mmen, wie die dort geltenden Bedeutungen und die Charaktertypen, die diese Lebenssituation hervorbri ngt (etwa den ' margi nal man') . - Ganz Pragmatist verbi ndet Park mit der Analyse auch die Hoffnung, Wechselwi r- kung (bei i hm ' Comunication') aufzeigen zu können, bei denen nicht nur die Kon- takte, sondern auch die soziale I ntegrations- und Partizi pationsmögl ichkeiten i n den Städten zunehmen. 4) Zusammenfassung - Der pragmatische Ansatz geht also davon aus, dass das Subjekt nur i n sei nem Handel n konkret und sich sel bst bewusst wi rd. Es si nd daher die Al ltagshandl un- gen, die Aufschluss über die Vorstel l ungen der Menschen geben. Ei ne pragmatisch orientierte Soziologie muss daher das Al ltagshandel n tei l nehmend beobachten, um die Vorstel l ungen, Kulturmuster und Gesetzmäßigkeiten zu rekonstruieren, die Grundlage von Sozial ität si nd, so etwa Robert E. Park und die "Chicago School ". 4 Literatur Wi l l iam James, 2001 : Pragmatismus. Ei n neuer Name für ei nige alte Denkweisen. Übers. u. mit ei ner Ei nl . hrsg. v. Klaus Schubert u. Axel Spree. Darmstadt. (1 908) Wi l l iam James, 1 975: The Meani ng of Truth. A Sequel to "Pragmatism". The Works of Wi l l iam James Bd. 2, hrsg. v. Frederi k H. Burkhardt, Fredson Browers, Ignas K. Sjrupskel is. Cambridge, Mass. , London. Robert E. Park, Ernest W. Burgess, 1 928: I ntroduction to the Science of Sociology. Chicago, London. (1 921 ) Robert E. Park, Ernest W. Burgess, Roderick D. McKenzie, 1 967: The City. Chicago, London (1 925) Robert E. Park, 1 926: The Urban Community as a Spatial Pattern and Moral Order, i n: Ernest W. Burgess (Hrsg.): The Urban Community. Chicago, I l n. Zur Einführung: Gabriela Christmann, 2007: Robert E. Park. Konstanz. Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Der Pragmatismus und die Stadt Fol ie 1 Grundannahmen des sog. Pragmatismus 1 ) Das Subjekt ist nicht von der Welt isol iert. 2) Das Subjekt ist i m konkreten Handel n mit der Welt verbunden. 3) Das Bewusstsei n entsteht erst i n der Reflexion über Handl ungskonsequenzen. 4) Die Reflexion am konkreten Handel n (Pragma) ist ei ne ' pragmatische' Methode der Erkenntnis. 5) Wahrheit l iegt nur i n der Unterscheidung der praktischen Konsequenzen von Überzeugungen. 6) Es gi bt kei ne Wi rkl ichkeit der Begriffe, nur ei ne Wi rkl ichkeit praktischer Konsequenzen. Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Der Pragmatismus und die Stadt Fol ie 2 Ei nfl üsse auf Robert E. Parks pragmatische Soziologie - Si mmels These von der Vergesel lschaftung durch Wechselwi rkung der - Si mmels Untersuchungen zu sozialen Konfl i kten, zur Großstadt und I ndividuen. zum Raum. - James' Pragmatismus der Handl ung und der Wahrheit. - Deweys Pragmatismus der al ltagsweltl ichen Erfahrungen der - Durkhei ms und Spencers Gesel lschaftskonzeptionen der Arbeitstei l ung - Kommuni kation. und des organischen Wachstums. Naturwissenschaftl iche Ansätze zur Siedl ungsgeorgrafie und Ökologie der biologischen Arten. Vorlesung: "Soziale I nteraktion" Der Pragmatismus und die Stadt Fol ie 3 Untersuchungsdi mensionen i n Robert E. Parks Stadtsoziologie 1 ) Ökologische Di mension: I n welcher Wechsel beziehung stehen die natürl ichen Bedi ngungen und kulturel len Ordnungen der Stadt zuei nander? 2) Di mension der Mobi l ität: Welche Krisensituationen erwachsen aus Ar- beitstei l ung und i ndividuel ler Mobi l ität für das Leben i n der Großstadt? 3) Di mension der Beziehungen: welche Auswi rkungen hat der Übergang von pri mären zu sekundären Beziehungen für das Zusammenleben der Menschen i n der Stadt? 4) Di mension des Charakters: welchen Menschentypus, mit welcher Hal tung, bri ngt das Stadtleben hervor?