Wo endet Europa? Anmerkungen zur Territorialität der EU

Werbung
Wo endet Europa?
Anmerkungen zur
Territorialität der EU
Heinz Fassmann
1. Vorbemerkung


„Brücken bauen – Europa
und die Erweiterung der
EU“.  Aber wie wird
Europa definiert?
Diese Frage ist akademisch,
aber auch politisch.  Nach
der Erweiterung 2004 folgt
eine Vertiefung und dann die
nächste Erweiterung: aber
wo wird die EU enden?
2. Das geographische Europa

Die Antwort wird von der Geographie erwartet; Die
finalité d’europe ist dann erreicht, wenn das
politische mit dem geographischen Europa
übereinstimmt;




E. Stoiber: „Die EU darf und soll sich nicht über die
geographischen Grenzen Europas hinaus ausdehnen.“
J. Fischer: „Bis wohin reicht Europa geographisch? Wie weit
lässt es sich ausdehnen?“
J. Voggenhuber: „EU-Mitglieder können alle europäischen
Staaten werden, wenn sie bestimmte Bedingungen
erfüllen.“
E. Busek: „Die Herausforderung besteht heute darin, die
politische Geografie Europas der natürlichen Geographie
anzugleichen.“

Mit der Europäisierung des
russischen Raums wurde im
17. und 18. Jhd. die Grenze
Europas im O. schrittweise
verschoben.



Zuerst war es eine Linie vom
das Schwarze Meer, über den
Dnjepr bis zum Ladogasee,
dann verlegte man die Grenze
längs des unteren Don über die
Wolga zur Kama und
schließlich (ab 1730) auf den
Kamm des Urals. Diese Grenze
hat sich in der Öffentlichkeit bis
heute gehalten.

Physisch-geographische
Deutung





Verzahnung von Land und
Meer,
die Küstennähe,
die vielfältige Gliederung in
„überblickbare“ Teilräume,
das milde und feuchte
Klima,
die Dominanz des
Regenfeldbaus u.a.m.

Probleme:


Räumliche Daseinsdeutungen und räumliche
Abgrenzungen sind immer gesellschaftlich
konstruiert und damit relativ;
Politik blendet das aus und rekurriert gerne auf
„naturhafte“ Grenzen, die nicht angreifbar sind
und damit dem gesellschaftlichen
Diskussionsprozess entzogen werden.
3. Das historisch-kulturelle Europa

Europa ist dort, wo das
Christentum
vorherrschend ist. Das
Gemeinsame des
Kontinents Europa
basiert auf dem Erbe der
Bibel, auf dem
Grundverständnis der
Kirche und deren
ethischen und
rechtlichen Prinzipien.

Oder: Europa ist dort, wo die
die Aufklärung begann und
die Menschenrechte
entwickelt wurden. Europa
ist eine Geisteshaltung
geprägt durch die Aufklärung
und die daraus abzuleitende
Vorstellung von Staat und
Gesellschaft.

Und schließlich: Europa ist
dort, wo Marktwirtschaft,
Kapitalismus und
Globalisierung – alles, was
sich heute durchgesetzt hat entstanden ist. Dies brachte
dem Kontinent Reichtum und
Wohlstand.

Probleme:


historische Vergesslichkeit;
mangelnde empirische
Rückbindung;
 Europa ist nicht nur
wohlhabend und
marktwirtschaftlich nach
einem Modell.
 Europa ist nicht nur
christlich;
 Europa ist nicht nur rational
und aufgeklärt;
4. Das institutionelle Europa
4.1 Die Territorialität der EU



Die geographische finalité
d’europe bleibt unbestimmt.
politische Pragmatismus
dominiert (Kopenhagener
Kriterien und ihre
Auslegung)
EU-Europa definiert sich
nicht territorial, sondern
nach wirtschafts- und
demokratiepolitischen
Kriterien.
1.
2.
3.
Demokratie,
Rechtsstaatlichkeit,
Menschenrechte und
Minderheitenschutz;
Marktwirtschaftliche
Organisation der Wirtschaft;
Übereinstimmung mit den
Verpflichtungen einer
potentiellen Mitgliedschaft
(inkl. aquis communitaire )

Territorialer Pragmatismus
auch im Inneren
 neue Raumkategorien
werden „erfunden“, bevor
die Raumsemantik alter
Begriffe aufgearbeitet wird
(CADSES, Tor zum
Mittelmeer, Archimed);
 Fließende Grenzen
(Funktionalräume) zum
Beispiel mit Nordafrika.
4.2 Das „Europa“ anderer
europäischer
Institutionen

Europarat
 44 Mitgliedstaaten (seit
1996 mit Russischer
Föderation)
 Das Europa des
Europarates umfasst
787 Mio. Bürger

Der Europäische
Gewerkschaftsbund
 74 Gewerkschaften aus 34
europäischen Staaten
 Die Türkei ist ebenso
Mitglied wie die
Kandidatenländer im
östlichen Europa sowie
Kroatien und Mazedonien
(Fyrom), nicht jedoch
Russland.

UEFA
 1954 gegründet; Aufgabe
ist es, die “European
football community” zu
stärken und zu entwickeln;
 49 Staaten sind Mitglieder
der UEFA und bekennen
sich damit zur europäischen
Fußballgemeinschaft
(Russland, ebenso wie
Azerbajdjan, Kazachstan
oder Israel)
 Die UEFA umfasst 817 Mio.
Menschen.

Eurovision Song Contest
 47 Staaten sind Mitglieder
der European Broadcasting
Union, die den Contest
veranstaltet (mit der Türkei,
mit Israel, Jordanien,
Libanon, Marokko,
Tunesien, Ägypten mit
Russland, aber ohne die
kaukasischen Republiken)
 Das Europa der EBU: 921
Mio. Ew.
5. Fazit: Was folgt für den
Unterricht?





Grenzen Europas sind unbestimmt und
unbestimmbar;
Keine statische Betrachtung eines festen
„programmierten“ Europas, sondern Europa
als politischen Prozess verstehen;
Traditionelles Europabild in Frage stellen
und besser an die politische Realität
anpassen;
Keine unkritische Überhöhung der EU, aber
auch kein unreflektiertes Ablehnen;
Mehr Europa im Geographieunterricht heute,
erspart uns die Imagekampagnen von
Morgen!
Herunterladen