P Pärchenegel Schistosoma Papillomavirus Erregerbezeichnung Humanes Papillomavirus Typ 1 bis 87 (siehe Tabelle 1) Synonym Keine. Morphologie Das ikosaedrische Kapsid mit einem Durchmesser von 55 nm besteht aus 72 Kapsomeren und beherbergt das doppelsträngige, zirkuläre DNA Genom in Form eines Chromatin-ähnlichen Komplexes mit zellulären Histonen. Alle Kapsomeren (12 umgeben von 5, 60 in Kontakt mit 6 Kapsomeren) zeigen eine fünffache Rotationssymmetrie und sind daher wahrscheinlich Pentamere, bestehend aus 5 Molekülen des Hauptstrukturproteins L1 (55 kD). Das Strukturprotein L2 ist wahrscheinlich im Zentrum der pentavalenten Kapsomere lokalisiert. Das Kapsid ist nicht von einer Zellmembran umhüllt. Taxonomie Papillomviren bilden die Familie der Papillomaviridae. Anhand von DNA Verwandtschaft (weniger als 90% Sequenzhomologie im Bereich des Translationsleserahmens L1) unterscheidet man 87 Genotypen, wobei Hinweise auf mehr als 100 potenziell neue Typen durch PCR-Amplifikation partieller Sequenzen gewonnen wurden, so dass die Zahl in den nächsten Jahren noch steigen dürfte. Einzelne HPV-Typen werden zum Teil in Subtypen bei 90–98%iger Ähn- lichkeit und Varianten bei mehr als 98%iger Ähnlichkeit mit dem jeweiligen HPV-Prototyp differenziert. Andererseits werden HPVs aufgrund ihrer Sequenz-Verwandschaft 5 Supergruppen (A-E) zugeordnet. Hierbei bilden HPVs, die die Schleimhaut infizieren, die Gruppe A, während die meisten HPVs, die die verhornende Haut infizieren, zur Gruppe B bzw. E gehören. Historie Warzen auf der Haut und den Genitalien sind seit dem Altertum bekannt. Die virale Genese wurde 1907 von Ciuffo belegt, der vulgäre Warzen durch Injektion zellfreier Filtrate von Warzenextrakten auf Freiwillige übertrug. Der Name der Viren leitet sich ab vom lateinischen Papilla = Brustwarze. Nach 1975 wurde mit Hilfe molekularer Klonierung viraler DNA die große genetische Heterogenität der Papillomviren deutlich. Anfang der 80iger Jahre konnten zur Hausen und Mitarbeiter die Assoziation spezifischer HPV Typen mit Genitalkrebs, insbesondere dem Karzinom der Cervix uteri, belegen. 1995 wurden die HPV-Typen 16 und 18 von der WHO als Karzinogene eingestuft. Erkrankungen/Symptome Infektionen mit verschiedenen HPV-Typen manifestieren sich klinisch als Warzen der verhornenden Haut, Genitalwarzen oder spitze Kondylome, Dysplasien der Schleimhäute, Papillome der Mundhöhle und des Kehlkopfs oder Konjunktivapapillome (Tabelle 1). Hautwarzen. Hautwarzen sind gutartige Wucherungen mit begrenztem Wachstum, die meist ohne Therapie nach einigen Monaten spontan abheilen oder über Jahre unverändert persistieren. Nach Lokalisation, Morphologie und Histologie unterscheidet man vulgäre War485 Papillomavirus Tabelle 1 HPV-Typen in gutartigen und bösartigen Tumoren des Menschen HPV-Typ Vorkommen Accession-Nummer 1 2 3 4 5 6 V01116 X55964 X74462 X70827 M17463 L41216 Plantarwarzen Vulgärwarzen plane, juvenile Warzen Vulgärwarzen benigne und maligne Hauttumoren bei EV* spitze Kondylome, anogenitale intraepitheliale Neoplasien Konjuktiv-, Larynxpapillome 7 Vulgärwarzen, filiforme Warzen 8 benigne und maligne Hauttumoren bei EV* 9 benigne Hautläsionen bei EV* 10 plane, juvenile Warzen 11 spitze Kondylome, anogenitale intraepitheliale Neoplasien, Konjuktiv-, Larynxpapillome 12 benigne Hautläsionen bei EV* 13 fokale epitheliale Hyperlasie Heck 14 benigne Hautläsionen bei EV* 15 benigne Hautläsionen bei EV* 16 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome, Tonsillen-, Larynxkarzinome 17 benigne Hautläsionen bei EV* 18 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 19 benigne Hautläsionen bei EV* 20 benigne Hautläsionen bei EV* 21 benigne Hautläsionen bei EV* 22 benigne Hautläsionen bei EV* 23 benigne Hautläsionen bei EV* 24 benigne Hautläsionen bei EV* 25 benigne Hautläsionen bei EV* 26 Vulgärwarzen 27 Vulgärwarzen 28 plane Warzen 29 Vulgärwarzen 30 anogenitale intraepitheliale Neoplasien, Larynxpapillome 31 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 32 fokale epitheliale Hyperlasie Heck, orale Papillome 33 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome, Tonsillen-, Larynxkarzinome 34 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 35 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome * EV = Epidermodysplasia verruciformis ** Accession-Nummer noch nicht verfügbar 486 X74463 M12737 X74464 X74465 M14119 X74466 X62843 X74467 X74468 K02718 X74469 X05015 X74470 U31778 U31779 U31780 U31781 U31782 X74471 X74472 X74473 U31783 U31784 X74474 J04353 X74475 M12732 X74476 M74117 Papillomavirus Tabelle 1 HPV-Typen in gutartigen und bösartigen Tumoren des Menschen (Forts.) HPV-Typ Vorkommen Accession-Nummer 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 U31785 U31786 U31787 M62849 X74478 X56147 M73236 M27022 U31788 X74479 M32305 U31789 X74480 U31790 M62877 X74481 X74482 U37488 U31791 X74483 X55965 aktinische Keratose, benigne Hautläsionen bei EV* Keratoakanthome benigne Hautläsionen bei EV*, Melanome anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome anogenitale intraepitheliale Neoplasien Vulgärwarzen, Plattenepithelkarzinome der Haut anogenitale intraepitheliale Neoplasien anogenitale intraepitheliale Neoplasien anogenitale intraepitheliale Neoplasien anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome benigne Hautläsionen bei EV*, Plattenepithelkarzinom Vulgärwarzen, Plattenepithelkarzinom der Haut Plane Warzen bei Immunsupprimierten benigne Hautläsionen bei EV* anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome anogenitale intraepitheliale Neoplasien anogenitale intraepitheliale Neoplasien anogenitale intraepitheliale Neoplasien anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome Vulgärwarzen, orale Papillome, epidermoide Zysten, anogenitale intraepitheliale Neoplasien 58 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 59 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 60 pigmentierte Warzen, epidermoide Zysten 61 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 62 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 62 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 63 Plantarwarzen 64 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 65 pigmentierte Warzen 66 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 67 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 68 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 69 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 70 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 71 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 72 anogenitale intraepitheliale Neoplasien, orale Warze * EV = Epidermodysplasia verruciformis ** Accession-Nummer noch nicht verfügbar D90400 X77858 U31792 U31793 U12499 U12499 X70828 U12495 X70829 U31794 D21208 X67161 AB027020 U21941 AB040456 X94164 P 487 Papillomavirus Tabelle 1 HPV-Typen in gutartigen und bösartigen Tumoren des Menschen (Forts.) HPV-Typ Vorkommen Accession-Nummer 73 anogenitale intraepitheliale Neoplasien, orale Warze 74 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 75 Vulgärwarzen 76 Vulgärwarzen 77 Vulgärwarzen 78 Vulgärwarzen 79 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 80 normale Haut 82 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 83 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 84 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 85 anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome 86 anogenitale intraepitheliale Neoplasien 87 ? * EV = Epidermodysplasia verruciformis ** Accession-Nummer noch nicht verfügbar X94165 U40822 Y15173 Y15174 Y15175 ** ** Y15176 AB027021 AF151983 AF293960 AF131950 AF349909 AJ400628 zen, Plantarwarzen, plane oder filiforme Warzen. Mehr oder weniger ausgeprägt sind Akanthose, Keratohyalingranula im stratum granulosum und Hyperkeratose. Vulgäre Warzen an Händen von Metzgern und Schlachthofarbeitern werden häufig von HPV7 induziert, bei dem es sich jedoch nicht um ein animales Papillomvirus handelt. Epidermodysplasia verruciformis (EV). Die EV ist eine seltene, familiär gehäuft auftretende, lebenslange Hauterkrankung mit disseminierten flachen Warzen und makulösen Veränderungen. Die Anlage wird meist autosomal rezessiv vererbt und macht die Patienten empfänglich für Infektionen mit einer heterogenen HPV Gruppe (Tabelle 1). In 30–50% der Fälle entwickeln sich Plattenepithelkarzinome in der Regel auf sonnenexponierten Hautpartien. Die lange Persistenz der Warzen ist wahrscheinlich auf Defekte der zellvermittelten Immunität zurückzuführen. Spitze Kondylome. Die exophytischen Genitalwarzen treten auf am Penis, an der Vulva, am Introitus vaginae, am Perineum und perianal. In Ausnahmefällen können sie monströse For488 men annehmen (Buschke-Löwenstein-Tumoren). Intraepitheliale Neoplasien des Genitaltrakts. Ähnlich häufig wie spitze Kondylome sind klinisch sehr oft unauffällige Manifestationen einer Papillomvirusinfektion, in denen normal differenzierende Epithelzellen in zunehmendem Maße durch undifferenzierte Keratinozyten vom Basalzelltyp ersetzt sind. Je nach Anteil undifferenzierter Zellen im Epithel unterscheidet man nach verschiedenen Nomenklaturen milde, mäßige und schwere Dysplasien, intraepitheliale Neoplasien (IN) der Grade I, II und III oder geringgradige und schwergradige „Squamous intraepithelial lesions“ (SIL). Die Dysplasien der Gebärmutterhalsschleimhaut (CIN) sind von besonderem klinischen Interesse, da sie als Vorläufer des Zervixkarzinoms gelten. Intraepitheliale Neoplasien der Vagina, der Vulva, des Penis und des Anus entarten seltener zu Karzinomen. Milde Dysplasien scheinen zwei Entitäten zu umfassen: 1. Gewöhnlich transiente, spontan abheilende Veränderungen als Ergebnis von Infektionen mit HPV6, 11 und verwandten Viren; 2. Frühe Manifestationen von Infektionen mit HPV16, HPV18 oder verwandten Viren, die sich zum Teil rasch zu schweren Papillomavirus Dysplasien weiterentwickeln und schließlich maligne entarten. Larynxpapillome. Larynxpapillome zeigen eine bimodale Altersverteilung. Sie treten bei Kindern gewöhnlich multipel auf und können lebensbedrohlich sein, wenn aufgrund üppigen Wachstums die Atemwege verlegt werden. Häufige Rekurrenzen nach chirurgischer Abtragung stellen ein weiteres Problem dar; maligne Entartung ist jedoch extrem selten. Etwas mehr als ein Drittel dieser Erkrankungen beginnt bei Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Die Papillome treten dann gewöhnlich einzeln auf und entarten in etwa 20% der Fälle. Fokale epitheliale Hyperplasie Heck. Bei diesem Krankheitsbild beobachtet man mäßig erhabene Papeln auf der gesamten Mundschleimhaut, die für mehrere Jahre persistieren können ohne maligne zu entarten. Bemerkenswert ist das gehäufte Auftreten bei bestimmten ethnischen Gruppen wie Indianern und Eskimos. Genitalkrebs. HPV DNA findet man in fast 100% der Zervixkarzinome. Somit scheint es, dass eine HPV Infektion eine notwendige (jedoch nicht ausreichende) Ursache des Zervixkarzinoms ist. Am häufigsten liegt HPV16 vor, gefolgt von HPV18, HPV45 und HPV31. Die enge Assoziation zwischen dem Zervixkarzinom und einer Infektion mit Hoch-Risiko HPVTypen führte dazu, dass HPV16 und 18 (1995) und die HPV Typen 31, 33, 35, 45, 51, 52 und 58 (2000) als karzinogen eingestuft wurden. In Adenokarzinomen der Zervix uteri herrscht HPV18 vor. Da in der Regel viele Jahre zwischen der Primärinfektion und dem Auftreten von Karzinomen verstreichen, sind offensichtlich weitere Ereignisse notwendig ehe es zur malignen Entartung kommt. Die persistierende Expression viraler Onkogene scheint in vielen Fällen für die Aufrechterhaltung des malignen Phänotyps verantwortlich zu sein. Auch Vulva-, Vagina-, Penis- und Analkarzinome enthalten HPV DNA. Die HPV Prävalenz liegt jedoch niedriger und überschreitet in vielen Untersuchungen nicht 50%. Hautkrebs. Die Rolle von HPV bei der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen und Basaliomen der Haut ist abgesehen von dem Syn- drom EV noch unklar. HPV Sequenzen, insbesondere nahe Verwandte zu EV-assoziierten Viren, wurden mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion in bis zu 70% der Hauttumoren immunsupprimierter Organempfänger aber auch immunkompetenter Patienten nachgewiesen. Der vermehrte Nachweis von HPV DNA in Hauttumoren im Vergleich zu gesunder Haut bei immunkompetenten Personen deutet auf ein erhöhtes Risiko durch HPVs hin. Sonstige Malignome. Fallberichte beschrieben HPV DNA in verschiedenen Karzinomen der Mundhöhle, des Respirationstrakts, des Ösophagus und des Auges. Höhere Prävalenz in Tumoren als im Kontrollgewebe unterstreicht die Bedeutung der Befunde für Mundhöhlenkarzinome. Insbesondere bei Tonsillenkarzinomen scheinen HPVs eine ursächliche Rolle bei der Karzinogenese zu spielen. Differenzialdiagnose Das klinische Bild ist oft eindeutig. Zum Teil muss gedacht werden an Mollusca contagiosa (durch ein Pockenvirus verursacht), syphilitische Condylomata lata, physiologische Papillae coronae glandis und andere Haut- und Schleimhautveränderungen. Labordiagnostik Warzen und Kondylome werden unschwer klinisch diagnostiziert. Die virologische Diagnose könnte Bedeutung gewinnen bei Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung des Zervixkarzinoms und seiner Vorläufer. Direkter Virusnachweis. Die elektronenmikroskopische Darstellung von Viruspartikeln und der immunhistologische Nachweis viraler Strukturproteine sind sehr oft mangels produktiver Infektionen (vor allem in prämalignen und malignen Tumoren) nicht möglich. Im positiven Fall sprechen sie dafür, dass die Läsion infektiös ist. DNA-Hybridisierungstests und vor allem die Polymerasekettenreaktion sind Methoden der Wahl zum Nachweis und zur Typisierung von HPV. In situ Hybridisierungstests erlauben eine präzise Zuordnung von viraler Nukleinsäure und pathologischen Veränderungen. Ein besonderes diagnostisches Problem stellt die Typenvielfalt dar, so dass ein negativer Befund nur bedingt aussagekräftig ist. Als Un489 P Papillomavirus tersuchungsmaterial dienen Biopsien und Abstriche von erkrankter Schleimhaut. Serologie. Der Nachweis von virusspezifischen Antikörpern der Klasse IgM, IgG und IgA durch ELISA und Western-Blot hat keine praktische Bedeutung. Histopathologie. Eine Reihe kutaner HPVs führt zu sehr charakteristischen zytopathogenen Effekten, die sogar eine grobe Virustypisierung erlauben. Bei genitalen HPV Infektionen sind so genannte Koilozyten häufig zu beobachten, die sich durch eine große, perinukleäre Vakuole, vergrößerten Kern und häufig Doppelkernigkeit auszeichnen. Therapie Bei ausbleibender Spontanregression versucht man chirurgische Abtragung oder chemische bzw. physikalische Zerstörung der HPV-induzierten Tumoren durch zytotoxische Agenzien (z.B. Trichloressigsäure; Podophyllotoxin), flüssigen Stickstoff oder Laser. Sehr gute Therapieerfolge können bei anogenitialen Warzen durch Anwendung vom Immunmodulatoren auf Salbenbasis erzielt werden. Imiquimod zeigte sich besonders wirksam bei der Behandlung von Condylomata acuminata. Weiterhin hat sich eine intraläsionale Applikation von Interferon bewährt. Cidofovir, ein azyklisches Nukleosidanalogon, ist erfolgreich bei der Behandlung einiger HPV-induzierter Tumoren. Larynxpapillome werden ebenfalls durch Interferon zunächst am Wachstum gehindert und bilden sich sogar zurück, rezidivieren aber häufig und sprechen auf Dauer schlechter auf Interferonbehandlung an. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Die HPV Infektion von Basalzellen über kleinere Verletzungen des Epithels stimuliert die Zellproliferation und führt wahrscheinlich sowohl zu lateraler als auch vertikaler Expansion. Frühe Funktionen des Virus verzögern die physiologische Differenzierung der Keratinozyten. Die Gene E6 und E7 der genitalen HPV sind für diese Zelltransformation notwendig und hinreichend. Die Interaktion des E5 Proteins mit ATPase, die zur Ansäuerung intrazellulärer 490 Kompartimente führt, spielt wahrscheinlich eine unterstützende Rolle. Die Proteine E6 und E7 bilden Komplexe mit zellulären Proteinen, die an der Kontrolle des Zellzyklus und der Apoptose beteiligt sind. Unter anderem wechselwirkt E6 mit p53 und Bak, und hemmt so Apoptose. E7 induziert die Synthese der zellulären DNA durch Interaktion mit dem Retinoblastomprotein und dem Inhibitor der „Zyklin-abhängigen Kinase“ p21. Diese Aktivitäten von E6 und E7 beeinträchtigen die genetische Stabilität der infizierten Zelle und spielen somit eine besondere Rolle im Hinblick auf die maligne Entartung HPV induzierter Tumoren. Gesteigerte Proliferation und verzögerte Differenzierung führen zu einer Verdickung des Epithels und somit zur Warze. Die Genexpression der Papillomviren ist eng gekoppelt mit dem Differenzierungsgrad der Keratinozyten. Allein weitgehend differenzierte Epithelzellen sind permissiv für HPV-Replikation, zeigen zytopathogene Effekte und Viruspartikel im Zellkern. Die Mehrzahl der HPV-Infektionen bleibt allerdings klinisch inapparent. Trotz der großen Heterogenität der Papillomviren ist die Mutationsrate bei Papillomviren sehr gering. Man geht davon aus, dass selbst heute nahe verwandte Virustypen bereits vor der Entstehung des Homo sapiens sapiens als Vorläufer getrennt existierten und sich mit der Menschheit über den Erdball verbreiteten. Transmission Papillomviren können durch direkten Hautkontakt, durch Kontakt mit infizierten Oberflächen, sexuell oder perinatal übertragen werden. Genitalwarzen und HPV-induzierte intraepitheliale Neoplasien werden vorwiegend durch sexuellen Kontakt übertragen. In einigen periunguinalen Warzen und Plattenepithelkarzinomen wurden genitale HPV Typen gefunden. In diesen Fällen erfolgte die Infektion wahrscheinlich über direkten Kontakt mit genitalen Läsionen des Patienten oder des Sexualpartners. Perinatale Infektionen mit HPV6 oder HPV11 während der Entbindung durch einen infizierten Geburtskanal können zu Larynxpapillomen beim Kind führen. Autoinokulation durch Kratzen ist möglich. Papillomavirus Vermehrung und Inkubationszeit Die Produktion infektiöser HPV Partikel findet in vivo nur in weitgehend differenzierten Epithelzellen statt. In vitro ist die Virusvermehrung nur unter größten Anstrengungen in organotypischen Keratinozytenkulturen möglich. Die Inkubationszeiten variieren zwischen wenigen Wochen und bis zu 8 Monaten. Nord- und Südamerika, Eskimos in Grönland). Die genetischen Grundlagen für diese Häufung sind unbekannt. Epidemiologie Infizierte bilden in den meisten Fällen Antikörper gegen frühe und späte Proteine des Virus, die über mehrere Jahre persistieren können. Antikörper gegen das Kapsidprotein L1 können das Virus neutralisieren und so vor einer Reinfektion mit dem gleichen HPV-Typ schützen. Bei der Tumorregression spielt wahrscheinlich die zellvermittelte Immunität eine entscheidende Rolle. CD8+, zytotoxische T-Zellen (z.B. gegen das E7 Protein gerichtet), natürliche Killerzellen und Makrophagen befinden sich unter den Zellen, die HPV induzierte Tumoren bei Regression infiltrieren. Papillomviren treten weltweit auf. Hautwarzen sind bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Umfangreiche Studien zur HPV Prävalenz in der Bevölkerung existieren in erster Linie für genitale Typen. Bei ca. 4% der jungen Erwachsenen lässt sich eine subklinische anogenitale Papillomvirusinfektion identifizieren, während 10% wahrscheinlich latent infiziert sind, belegt durch den Nachweis von HPV-DNA ohne klinische, zytologische oder histologische Befunde. Aufgrund des Nachweises spezifischer HPV Antikörper wird die Durchseuchungsrate auf 60% der Bevölkerung geschätzt. Im Fall von Kondylomen bei Kindern besteht der Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Es wurde jedoch auch Virusübertragung im Rahmen der Babypflege beschrieben. Relativ zur hohen Durchseuchung mit HPV6 und HPV11 im Genitalbereich sind juvenile Larynxpapillome eine seltene Erkrankung (Inzidenz 0,1 bis 2,8 pro 100000), so dass das Risiko der perinatalen Übertragung offensichtlich gering ist. Wirtsbereich Genetik Das Wirtsspektrum von Papillomviren in vivo und in vitro ist sehr eng. HPV befällt nur den Menschen. Das zirkuläre, virale Genom umfasst 7500–8000 Basenpaare. Alle Protein-kodierenden Sequenzen liegen auf einem DNA Strang. Stromabwärts einer 400–1000 Basenpaare umfassenden, nicht-kodierenden Region, die den Ursprungspunkt der Replikation und zahlreiche Transkriptionskontrollelemente enthält, folgen die Translationsleserahmen E1 bis E7, die für Proteine kodieren, die für die virale DNA Replikation, Transkription und Zelltransformation benötigt werden. Es folgen zwei Leserahmen für die Strukturproteine L1 und L2. Die viralen Genome werden ausgehend von mehreren Promotoren in zahlreiche, unterschiedlich gespleißte und teilweise überlappende mRNA-Moleküle transkribiert. Die Promotoraktivitäten werden von mehreren viralen und zellulären Faktoren kontrolliert. Resistenz Die nackten Viren sind resistent gegen Lipidlösungsmittel. Immunantwort Risikogruppen Frühe sexuelle Aktivität und viele Partner erhöhen das Risiko für Frauen eine HPV-Infektion der Zervix zu bekommen. Allerdings entwickelt nur ein geringer Prozentsatz ein Zervixkarzinom, wobei neben dem vorliegenden HPV-Typ weitere Faktoren, wie z.B. Hormone und Immunstatus eine Rolle spielen. Immunkompromittierte, z.B. Transplantatempfänger und HIV-Infizierte, entwickeln vermehrt persistierende, HPV-induzierte Tumoren. Papillome entstehen dort multifokal und rezidivieren häufig nach Therapie. Benigne Tumoren entarten rascher als bei immunkompetenten Patienten. HPV5, HPV8 und verwandte Viren führen nur bei EV-Patienten zu klinisch apparenten Infektionen. HPV13 und HPV32 induzieren eine fokale epitheliale Hyperplasie signifikant gehäuft in bestimmten ethnischen Gruppen (Indianer in Prävention Allgemeine Hygienemaßnahmen sind zu beachten, um die Übertragung von Papillomviren über kontaminierte Oberflächen und Instru491 P Paracoccidioides brasiliensis mente zu verhüten. Speziell hingewiesen werden soll auf die Desinfektion der Böden in öffentlichen Bädern im Zusammenhang mit der Übertragung von Plantarwarzen und auf die Sterilisation medizinischer Instrumente, um die iatrogene Übertragung von HPV bei gynäkologischen Routineuntersuchungen zu verhindern. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Große Anstrengungen gelten der Entwicklung „prophylaktischer“ und/oder „therapeutischer“ Impfstoffe, die eine Infektion verhüten bzw. die Elimination HPV-infizierter Tumorzellen ermöglichen sollen. Ein Impfstoff bestehend aus den Strukturproteinen L1 und L2, die in Insektenzellen oder in Hefe produziert werden und sich zu VLPs, „virusähnliche Partikel“, zusammen lagern, wird in klinischen Phase I/II Studien getestet. Diese Studien werden mit VLPs von HPV6 und 11, assoziiert mit Kondylomen, und HPV16 spezifischen VLPs durchgeführt und sollen die Infektion mit diesen Typen verhindern. Die parenterale Gabe von VLPs führt zu hohen Titern neutralisierender Antikörper. Bei animalen Papillomviren konnte gezeigt werden, dass diese Antikörper auch in der Lage sind vor einer Infektion zu schützen. Weiterhin wird an der Entwicklung einer Vakzine gearbeitet, die zusätzlich eine zellvermittelte Immunantwort induziert, um neben dem Schutz vor Infektion, die Regression einer bestehenden Infektion auszulösen. Dafür werden neben den Strukturproteinen auch frühe virale Antigene, wie das E7 Protein, in VLPs inkorporiert. Meldepflicht HPV-Infektionen stellen keine meldepflichtige Erkrankungen dar. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Referenzzentrum für humanpathogene Papillomviren Deutsches Krebsforschungszentrum, Im Neuenheimer Feld 242, 69120 Heidelberg, Leitung: Frau Dr. E.M. de Villiers, Tel.: 06221/42-4655, 4614, Fax: 06221/42-4822, E-Mail: [email protected]; 492 Web-Adressen Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg: http://www.dkfz.de/atv/f0700/english/ index.htm Internationale Papillomavirus Society: http://www.ipvsoc.org/ Papillomavirus Report: http://www.leeds.ac.uk/lmi/pvr/pvrmain.html HPV Sequence Database: http://hpv-web.lanl.gov/ HPV Seite des National Cancer Institute: http://cis.nci.nih.gov/fact/3_20.htm National Center of Biotechnology Information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ The International Committee on Taxonomy of Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/ Centers for disease control and prevention: http://www.cdc.gov/ All the virology on the WWW: http://www.virology.net Institut für Virologie der Universität zu Köln: http://www.medizin.Uni-Koeln.de/projekte/ gfv/institut.html Schlüsselliteratur 1. Orth, G., Lambert, P., Flores, E., Heino, P., Song, S. Papillomaviruses – human: general features, molecular biology. In: Encyclopedia of Virology, 2nd Edition, Granoff, A, Webster, R.G. (eds) Academic Press, San Diego, London, Vol. 2, (1999) 1105–1120. 2. Schiller, J. Papillomavirus-like particle vaccines for cervical cancer. Molecular Medicine Today, Vol. 5, (1999) 209–215. 3. Pfister, H. Papillomviren. In: Medizinische Mikrobiologie, Köhler, W., Eggers, H.J., Fleischer, B., Marre, R., Pfister, H., Pulverer, G. (Eds) 8. Aufl., Urban & Fischer Verlag, München, Jena (2001) 552–558. 4. Zur Hausen, H. Papovaviruses. In: Microbiology and microbiol infections, 9th Edition, Vol. 2, Mahy, B.W.J., Collier, L. (eds) Arnold Verlag, London, (1999) 291–307. 5. Gross, G.E., Barasso, R.(Eds): Human papillomavirus infections A clinical atlas. Ullstein Mosby Verlag, Berlin, Wiesbaden, (1997) 6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Paracoccidioides brasiliensis Erregerbezeichnung Paracoccidioides brasiliensis, (Splendore 1912) Almeida 1930 Synonym Zymonema brasiliensis, Mycoderma brasiliensis, Monilia brasiliensis, Coccidioides brasilien- Paracoccidioides brasiliensis sis, Paracoccidioides cerebriformis, Paracoccidioides tenuis, Blastomyces brasiliensis, Aleurisma brasiliensis u.a. Morphologie Dimorph. Wirtsgewebe. Kugelige Hefen mit multipler Sprossung (Steuerrad-Formen) 2–30 µm. In alten Läsionen Hefezellen ohne Sprossung mit variabler Größe. Kultur bei 37 ˚C. Nach 10–20 d cremefarbene bis beige, glänzende, stark gefurchte, zerebriforme Kolonien. Mikroskopie: Kugelige Hefen mit multipler Sprossung wie Gewebsform. Kultur bei 24 ˚C. Extrem langsam wachsende, flache, ledrig-filzige, weißliche bis bräunliche Kolonien, unterseits bräunlich. Mikroskopisch uncharakteristische, hyaline Hyphen; einzelne Konidien auf kurzen Konidiophoren, Arthrokonidien, zahlreiche Chlamydosporen. Taxonomie Klasse: Ordnung: Familie: Gattung: Euascomycetes Onygenales Onygenaceae Paracoccidioides, Nicht bekannt. Teleomorph: Dissemination aus o.g. Herden Infektion der Nebennieren und anderer Organe und Gewebe. Unbehandelt mit tödlichem Verlauf. Bei Immunkompetenz meist inapparente Infektion, bei eintretender Immundefizienz Reaktivierung alter Herde und systemische Ausbreitung möglich Differenzialdiagnose Lepra, Mukokutane Leishmaniose, Syphilis, Coccidioidomykose, Blastomykose, Sporotrichose, M. Hodgkin, Neoplasien. Labordiagnostik Untersuchungsmaterial. Eiter, Abstriche, Sputum, Punktate, Biopsieproben. Mikroskopie. Im KOH-Präparat flüssiger Materialien typische Hefezellen; histologischer Nachweis der Hefezellen mit Gomori-Färbung im Granulom pathognomonisch. Serologie. Tests (mit hoher Sensitivität und Spezifität) werden nur von einigen parasitologischen bzw. tropenmedizinischen Speziallaboratorien ausgeführt. Mikroskopische Merkmale siehe Morphologie. Nachweis von gp43 Gen in Gewebe mittels PCR (s. Literatur) Historie Kultur. Auf Spezialnährmedien im Konsiliarlabor pathognomonisch. Erstbeschreibung der Krankheit mit Erregerkultur und Nachweis des Dimorphismus durch A. Lutz 1908 in Brasilien. Weitere Fallbeschreibungen durch A. Splendore 1910–12. Antikörper-Nachweis. Mittels Western-Blot und Immundiffusion; aber Kreuzreaktivität mit anderen Erregern von Systemmykosen. Erkrankungen/Symptome Biologische Sicherheitsstufe III. Synonyme. Paracoccidioidomykose, Paracoccidioidose, Südamerikanische Blastomykose, Lutzsche Mykose, Lutz-Splendore-AlmeidaKrankheit, Brasilianische Blastomykose. Nach Inhalation der Sporen entwickelt sich eine chronisch progrediente Erkrankung mit langem Intervall zwischen Erregeraufnahme und klinischer Manifestation an Haut und Subkutis sowie Schleimhaut von Mund, Nase und Gastrointestinaltrakt mit schmerzhaften Ulzerationen und Granulomen; lokale Lymphknotenschwellung, Fistelbildungen. Befall der Lungen ist möglich: Thoraxschmerz, Dyspnoe, blutiger Auswurf, später fibröser Umbau. Nach seltener Therapie Itraconazol, bei Dissemination Amphotericin B. Sulfonamide als kostengünstige Alternative sind ebenfalls wirksam. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Variabel exprimierte Oberflächenantigene vermitteln Adhäsion an epitheliale und Alveolarzellen. Adaptation an Bedingungen im Wirtsorganismus (temperaturabhängiger Dimorphismus). In nichtaktivierten Makrophagen kann 493 P Paracoccidioides brasiliensis Erreger überleben. In fibrotischen und verkalkten Herden persistiert der Erreger lebenslang. Mit Virulenz assoziierbare Faktoren: lytische Enzyme: Serin-Proteinasen und Phospholipasen, Adhäsine: 43 kDa Glykoprotein (Rezeptor für Laminin, unterliegt Polymorphismus) und α-Glucan der Zellwand. ◗ Paracoccidioides brasiliensis Gene für ITS1, 5.8S rRNA, ITS2: AB035710 ◗ Paracoccidioides brasiliensis kleine UE rRNA Gen: AF227151 ◗ Paracoccidioides brasiliensis Glucan Synthase (FKS) Gen: AF148715 ◗ Paracoccidioides brasiliensis Heat Shock Protein 60 (HSP60) Gen: AF059523 Transmission Inhalation erregerhaltigen Staubes. Prävention Keine spezifische Prävention möglich. Vermehrung und Inkubationszeit Inkubationszeit nicht bestimmbar, vermutlich Monate bis viele Jahre. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Nationale Surveys in Endemieländern. Resistenz Der Pilz bleibt über lange Zeit im Erdboden bei niedrigem pH-Wert lebensfähig. Im Wirt überlebt er mit eingeschränktem Stoffwechsel jahrelang in verkalkten Herden. Meldepflicht Immunantwort ◗ Konsiliarlabor: Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, FG212, D-13353 Berlin: http://yellow-fever.rki.de/INFEKT/ STECKBRF/STBR_PI/PILZ.HTM ◗ Institut für Tropenmedizin der Universität Tübingen, D-72074 Tübingen. ◗ National Centers for Disease Control, Mycotic Diseases Branch, Atlanta, GA 300333, USA. ◗ Hospital Evandro Chagas, Fiocruz, Av. Brasil, 4365, Rio de Janeiro RJ, Brasilien - 20560. ◗ E·Nationales Survey in Argentinien: [email protected]. ◗ HIV-Infektion und Paracoccidioidomykose: University of California San Francisco and San Francisco General Hospital: http://hivinsite.ucsf.edu. ◗ Centers for disease control and prevention: http://www.cdc.gov. T-zelluläre und humorale Immunantwort (IgA, IgM, IgG) nachweisbar. Gp43-Antigen ist immundominant. Wirtsbereich Mensch und verschiedene Wirbeltiere. Risikogruppen Männer erkranken sehr viel häufiger als Frauen. Bei Immunsuppression (bes. AIDS) Reaktivierung alter Herde und Ausbreitung der Infektion. Epidemiologie Natürliches Habitat ist noch unbekannt, eventuell das Gürteltier. Nachweis des Erregers sporadisch im Erdboden von Endemiegebieten. Endemiegebiete: Länder Lateinamerikas östlich der Anden, besonders Brasilien; Mittelamerika, südlicher Teil Nordamerikas. Genetik Paracoccidioides brasiliensis hat eine Genomgröße von ca. 45 bis 60 Mbp, 5 Chromosomen, diploid. Ein sexueller Vermehrungszyklus ist nicht bekannt. ◗ Paracoccidioides brasiliensis 18S rRNA Gen, partielle Sequenz: AF241655 ◗ Paracoccidioides brasiliensis 28S rRNA Gen, partielle Sequenz: U93304 494 Keine. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Schlüsselliteratur 1. Kwong-Chung, KJ & Bennett, JW. 1992, Medical Mycology. Lea & Febiger, Philadelphia. 594pp. 2. Müller, J. 1992. Dimorphe Pilze. In: Burkhardt F. (Ed.): Mikrobiologische Diagnostik. G. Thieme Verlag, Stuttgart, New York, pp. 478–486. 3. Kaufman, L 1992. Immunohistologic diagnosis of systemic mycoses: an update. Eur. J. Epidemiol. 8, 377–382. 4. Hamilton, AJ. 1998. Serodiagnosis of histoplasmosis, paracoccidioidomycosis and penicilliosis marneffei; current status and future trends. Med Mycol 36; 351–364. 5. Bialek, R. et al. 2000. Detection of Paracoccidioides brasiliensis in tissue samples by nested PCR assay. J Clin Microbiol 38; 2940–2942. Paragonimus Paracoccidioides cerebriformis Paracoccidioides brasiliensis Paracoccidioides tenius Paracoccidioides brasiliensis Paragonimus Erregerbezeichnung Paragonimus spec. Darmwand → Heranreifen in der Bauchwand → Bauchhöhle → Penetration des Diaphragmas → Einwanderung in die Lunge mit Nekrose des umgebenden Parenchyms, Abkapselung der Würmer in Bindegewebszysten, Ruptur der Zysten ins Bronchialsystem und Aushusten der Wurmeier. Während der Migration oft akute Phase mit Tage bis Wochen andauerndem Fieber, Durchfällen, abdominalen, schließlich thorakalen Schmerzen, auch Dyspnoe und Husten. 3–6 Monate p.i. Beginn der chronischen Phase. Auftreten von Symptomen ist von der Anzahl der Würmer abhängig. Bei geringgradigem Befall symptomlos; sonst chronischer Husten mit rostbraunem Sputum und Krankheitsbild ähnlich Bronchitis und Bronchiektasie. Synonym Lungenegel Morphologie Ca. 7–16 mm lange und 3–8 mm breite zwittrige Saugwürmer (Trematoden) von relativ kompaktem, weniger stark dorsoventral abgeplattetem Bau. Besitzen zwei Saugnäpfe (Mundsaugnapf, an den sich ein blind endender und gegabelter Intestinaltrakt anschließt; Bauchsaugnapf zur Anheftung). Taxonomie Klasse: Ordnung: Familie: Arten: Digenea Plagiorchiida Troglotrematidae (Paragonimidae). Mehr als 40 Spezies bekannt, von denen 7 auch beim Menschen nachgewiesen wurden. Extrapulmonale Paragonimose. Metazerkarien bzw. subadulte Würmer wandern nicht in die Lunge, sondern in andere Organe ein. Krankheitsbild vielfältig je nach Lokalisation (ZNS, Darm- und Bauchwand, Zwerchfell, Pleura, subkutan u.a.). Besonders bedeutsam ist die zerebrale Form mit Meningoenzephalitis, Epilepsie (Jackson) und Lähmungen; während akuter Phase tödlicher Ausgang nicht selten. Bei Befall des Abdomens dumpfe Bauchschmerzen, verbunden mit mäßiger Bauchdeckenspannung und Druckschmerz bei Palpation. Bei Befall der Haut und subkutaner Gewebe Abszessbildung möglich. P Differenzialdiagnose Die Erstbeschreibung eines Lungenegels bei einem Säugetier erfolgte durch Diesing (1850), der Nachweis beim Menschen durch Ringer (1879). Differenzialdiagnostisch ist bei pulmonaler Paragonimose gegenüber Lungentuberkulose, bei ZNS-Befall gegenüber Infektionen mit anderen Parasiten sowie Tumoren und Abszessen anderer Genese, bei subkutaner Lokalisation gegenüber dem Larva migrans-Syndrom durch andere Parasiten abzugrenzen. Erkrankungen/Symptome Labordiagnostik Paragonimose. Adultwürmer siedeln bevorzugt in der Lunge (besonders rechte L.), ein nicht unerheblicher Teil weist jedoch ektopische Lokalisation auf. Mikroskopie. Allein beweisend für das Vorliegen einer Paragonimose ist der Nachweis der gedeckelten ca. 80–120×50–60 µm großen Eier in Sputum oder Stuhl (gegebenenfalls bei ektopischer Lokalisation im Aspirat). Die Eiausscheidung beginnt ca. 10 Wochen p.i. (Präpatenz). Historie Pulmonale Paragonimose. Ursache ist der komplizierte Wanderweg der Infektionslarven (Metazerkarien) und subadulten Würmer: orale Aufnahme der enzystierten Metazerkarien → Freisetzen im Duodenum → Durchbrechen der Serologie. Tests (mit hoher Sensitivität und Spezifität) werden nur von einigen parasitologi495 Paragonimus schen bzw. tropenmedizinischen Speziallaboratorien ausgeführt. Therapie Mittel der Wahl ist Praziquantel (Biltricide®) mit nahezu 100%iger Heilungsrate. Dosierung: 3mal 25mg/kg/d an 3 aufeinanderfolgenden Tagen (u.U. bereits 2×15mg/kg/d an 2 aufeinanderfolgenden Tagen ausreichend). Bei ZNS-Befall stärkere Nebenwirkungen möglich; dann gleichzeitige Applikation von Corticosteroiden erforderlich. Spezifische Merkmale Transmission Übertragung auf den Menschen fast ausschließlich durch Verzehr rohen oder ungaren Fleisches von Krabben oder anderen Krebsen. Gelegentlich spielen paratenische Wirte eine Rolle, d.h. Tiere (z.B. Wildschweine), die sich durch Aufnahme von Metazerkarien infizieren, ohne dass diese sich weiterentwickeln, die dann jedoch ihre Infektiosität für den Menschen bewahren. Vermehrung und Inkubationszeit Paragonimus spec. gehören zu den Helminthen mit einem dreiwirtigen Entwicklungszyklus: Ausscheidung der Eier mit Sputum oder Fäzes des Endwirts → Weiterentwicklung nur im Süßwasser → Schlüpfen des Miracidiums und Eindringen in den 1. Zwischenwirt (Schnecken aus den Überfamilien Rissoidea und Cerithioidea) → Larvenentwicklung in der Schnecke (Sporozyste, Redie, Zerkarie) → Ausschwärmen der Zerkarien und Befall des 2. Zwischenwirts (Krabben u.a. Krebse) → orale Aufnahme der Metazerkarien durch den Endwirt mit Befall der Lungen oder anderer Organe, Heranwachsen zum Adultwurm → Beginn der Eisausscheidung ca. 10 Wochen p.i. (= Präpatenz, Präpatentperiode). Die Hauptvermehrungsphase der Lungenegel findet auf dem Larvenstadium im 1. Zwischenwirt (Schnecke) statt. Im Endwirt (Mensch, Säugetiere) entspricht die Zahl der beherbergten Adultwürmer derjenigen der aufgenommenen Infektionsstadien (1 Metazerkarie → 1 Adultwurm). Die Vermehrung im Endwirt besteht lediglich in der Produktion von Eiern, die zur Weiterentwicklung ins Freie gelangen müssen. 496 Eine Inkubationszeit lässt sich nicht präzise definieren, da das Entstehen von Krankheitserscheinungen von der Zahl der – in der Regel akkumulativ – aufgenommenen Metazerkarien, dem Ansiedlungsort des Parasiten und der Dauer der Infektion abhängt. Erste Anzeichen eines Lungenegelbefalls können 1–2 Wochen p.i. während der Migrationsphase auftreten (siehe Erkrankungen/Symptome). Immunantwort Die durch Lungenegel hervorgerufene Immunantwort führt weder zur Abtötung des Parasiten noch schützt sie vor Reinfektionen. Der Antikörpernachweis spielt jedoch eine Rolle in der Serodiagnostik. Wirtsbereich Die Paragonimose ist eine Anthropozoonose und tritt außer beim Menschen bei allen Säugetieren auf, die sich vorwiegend oder gelegentlich von Krabben u. a. Krebsen ernähren. Risikogruppen Personen, die Krabben oder andere Krebse bzw. Teile dieser Tiere in rohem oder ungarem Zustand verzehren. Epidemiologie Voraussetzung für das Erwerben einer Paragonimus-Infektion ist der Aufenthalt in einem Endemiegebiet und der Verzehr von Krabben u.a. Krebsen. Das Vorkommen der Paragonimose beschränkt sich grundsätzlich auf Gebiete, in denen geeignete Lebensbedingungen für 1. und 2. Zwischenwirte sowie für die tierischen Endwirte herrschen. Der Befall des Menschen ist dort dann ausschließlich von dessen Essgewohnheiten abhängig. Hauptendemiegebiete der Paragonimose des Menschen: West- und Zentralafrika, Ost- und Südostasien, Mittelund nördliches Südamerika. Prävention Allein das Vermeiden von Gerichten, die rohes oder ungares Krebs- oder Krabbenfleisch enthalten, schützt zuverlässig vor der Infektion. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Bisherige Maßnahmen bestehen in den Endemiegebieten allein in der Gesundheitserziehung Parainfluenzaviren mit entsprechender Propaganda. Wegen der Existenz tierischer Reservoirwirte ist eine Ausrottung der Paragonimose jedoch praktisch nicht zu erreichen. Meldepflicht Nach §§ 6 und 7 Infektionsschutzgestz (IfSG) gehört Paragonimose nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten wie auch der Nachweis der Krankheitserreger nicht meldepflichtig ist. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Offizielle Referenzzentren existieren nicht; als fachlich qualifiziert anzusehen sind sämtliche parasitologische und tropenmedizinische Institutionen. Expertenlaboratorien ◗ Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, Leopoldstr. 5, 80802 München ◗ Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin, Bernhard-Nocht-Str. 74, 20359 Hamburg ◗ Hygiene-Institut, Abteilung Parasitologie, Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg ◗ Hygiene-Institut, Abteilung Tropenmedizin, Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg ◗ Institut für Medizinische Parasitologie, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn ◗ Institut für Parasitologie, Rudolf-BuchheimStr. 2, 35392 Gießen ◗ Institut für Parasitologie, Bünteweg 17, 30559 Hannover ◗ Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin, Königsweg 65, 14163 Berlin ◗ Institut für vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie, Leopoldstr. 5, 80802 München ◗ Institut für Tropenmedizin, Wilhelmstr. 31, 72074 Tübingen ◗ Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Wiederholdstr. 15, 70174 Stuttgart ◗ Landesinstitut für Tropenmedizin, Engeldamm 62/64, 10179 Berlin Web-Adressen Deutsche Gesellschaft für Parasitologie: http://www.dgp.parasitologie.de Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit: http://www.dtg.mwn.de Robert Koch-Institut Berlin: http://www.rki.de Universität Berlin: Lehrstuhl für molekulare Parasitologie: http://www.biologie.hu-berlin.de/molpara British Society for Parasitology: http://www.abdn.ac.uk/bsp/ American Society of Parasitologists: http://www.museum.unl.edu/asp CDC-Center for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/ WHO-World Health Organization: http://www.who.int/ Schlüsselliteratur 1. Beaver PC, Jung RC, Cupp EW (1984) Clinical Parasitology. 9th Edition. Lea & Febiger, Philadelphia 2. Blair D, Xu ZB, Agatsuma T (1999) Paragonimiasis and the genus Paragonimus. Adv Parasitol 42: 113–222 3. Despommier DD, Gwadz RW, Hotez PJ (1995) Parasitic Diseases. 3rd Edition. Springer-Verlag, New York etc. 4. Janitschke K et al (1998) Qualitätsstandards in der mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik: Parasitosen. MiQ 4. Fischer, Stuttgart et al 5. Mehlhorn H, Eichenlaub D, Löscher T, Peters W (1995) Diagnostik und Therapie der Parasitosen des Menschen. 2. Aufl. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart Parainfluenzaviren Erregerbezeichnung Parainfluenzaviren Synonym Keine Synonyme bekannt. P Morphologie Viruspartikel sind pleomorph, sphärisch oder filamentös. Der Durchmesser beträgt 150– 200 nm. Die Viren besitzen eine Lipidhülle mit Spikes (Länge ca. 10 nm) und ein helikales Nukleokapsid (Durchmesser ca. 15 nm, Länge bis zu 1000 nm). Das Virusgenom besteht aus unsegmentierter, linearer, einzelsträngiger RNS mit negativer Polarität. Es kodiert in der Reihenfolge der einzelnen Gene für das Nukleokapsidprotein NP, ein mit dem Nukleokapsid assoziiertes Phosphoprotein P, das an der Innenseite der Hülle liegende Matrix- oder Membranprotein M, das für Viruspenetration und Riesenzellbildung verantwortliche Fusions-Glykoprotein F, das für Rezeptorbindung und Rezeptorabspaltung verantwortliche Hämagglutinin-Neuraminidase-Glykoprotein HN, sowie das Polymeraseprotein L. Durch transkriptio497 Parainfluenzaviren nelles Edieren werden weitere Produkte des PGens gebildet (C, V). Diese Proteine werden nicht bei allen Parainfluenzaviren beobachtet. Die Funktionsfähigkeit des F-Proteins hängt von proteolytischer Spaltung zellulärer Proteasen ab. Taxonomie Die menschlichen Parainfluenzaviren gehören zur Familie Paramyxoviridae und hier zur Subfamilie Paramyxovirinae. Man unterscheidet 4 Serotypen, die in 2 verschiedene Genera fallen. Die menschlichen Parainfluenzaviren 1 und 3 gehören zum Genus Paramyxovirus, die Serotypen 2, 4a und 4b zum Genus Rubulavirus. Historie Die menschlichen Parainfluenzaviren wurden Ende der 50iger Jahre vor allem auf Grund ihrer hämadsorbierenden Fähigkeit entdeckt. tik wird durch Kreuzreaktionen mit heterotypischen Antikörpern beeinträchtigt. Therapie Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Bei schweren Verlaufsformen ist symptomatische Therapie zur Stützung der Lungen- und Kreislauffunktionen indiziert. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Die humanen Parainfluenzaviren infizieren die Zellen der Nasen- und Rachenschleimhäute und breiten sich über den Kehlkopf in die Bronchien und in die unteren Luftwege aus. Die infizierten Gewebe zeigen ödematöse Schwellungen bei verstärkter Schleimproduktion. Die Virulenz geht vermutlich mit der proteolytischen Spaltung des F-Proteins durch zelluläre Proteasen einher. Erkrankungen/Symptome Infektionen mit Parainfluenzaviren kommen vor allem im Kleinkindesalter vor. Häufig ist der tiefere Respirationstrakt betroffen, sodass es zu fieberhafter Laryngotracheobronchitis, Bronchitis, Bronchiolitis oder Bronchopneumonie kommt. Bei schweren Verlaufsformen kann es im Kindesalter zur Ausbildung eines Pseudokrupps kommen, der möglicherweise eine allergische pathogenetische Komponente hat. Weitere Komplikationen sind Otitis media und bakterielle Superinfektionen mit Pneumokokken, Staphylokokken oder Haemophilus influenzae. Bei Patienten mit Systemerkrankungen kann eine Parainfluenza-Infektion tödlich verlaufen. Transmission Differenzialdiagnose Resistenz Infektionen mit menschlichen Parainfluenzaviren sind klinisch nur schwer von Infektionen mit Influenzaviren oder Respiratory Syncytial Virus zu unterscheiden. Es sind keine Resistenzen bekannt. Labordiagnostik Der Virusnachweis erfolgt durch Isolierung aus Rachenabstrichen auf geeigneten Zellkulturen oder durch Antigennachweis in infizierten Zellen des Respirationstraktes mit Hilfe der Immunfluoreszenzmethode. Die Serodiagnose erfolgt entweder mit KBR, ELISA oder Hämagglutinationshemmtest. Die serologische Diagnos498 Die Übertragung erfolgt durch direkten Personenkontakt oder durch Tröpfcheninfektion. Die infektiöse Dosis ist relativ gering. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 6 Tage. Reinfektionen mit dem gleichen Serotyp sind nicht selten, wobei deren Auftreten von der Höhe bereits bestehender Serumantikörpertiter abhängt. Vermehrung und Inkubationszeit Die Vermehrung der Parainfluenzaviren findet in den Epithelzellen des unteren und oberen Respirationstraktes bei einer Inkubationszeit von 3–6 Tagen statt. Immunantwort Im Infektionsverlauf werden IgM-, IgA- und IgG-Antikörper gegen die viralen Strukturporteine gebildet. Neutralisierend wirkende IgA- und IgG-Antikörper sind gegen die viralen HN- und F-Oberflächenproteine gerichtet. IgAAntikörper vermitteln einen zeitlich begrenzten Immunschutz vor Reinfektion wohingegen IgGAntikörper zwar über einen längeren Zeitraum nachweisbar sind, nicht aber vor Reinfektion schützen. Paravaccinia Wirtsbereich Als natürlicher Wirt ist nur der Mensch bekannt. Risikogruppen Menschliche Parainfluenzaviren, besonders der Serotyp 3, sind gelegentlich die Ursache von Hospitalismusinfektionen, wobei schwere Verlaufsformen nicht selten sind. Epidemiologie Alle Serotypen sind weit verbreitet, wobei der Serotyp 4 jedoch relativ selten beobachtet wird. Die Infektionen treten endemisch und epidemisch auf. Die Epidemien folgen bei ihrem Auftreten keinem klaren Periodizitätsmuster. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Konsiliarlaboratorien für respiratorische Infektionen (viral) Dr. Dr. R. Heckler, Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Hannover, Roesebeckstr. 4–6, D-30449 Hannover, Tel.: 0511/4505-201, Fax: 0511/4505-240, E-Mail: Rolf.Heckler@lga. niedersachsen.de Web-Adressen Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (http://www.dvv-ev.de) Gesellschaft für Virologie e.V. (http://www. medizin.uni-koeln.de/projekte/gfv/) Robert-Koch-Institut, Berlin (http://www.rki.de/) Genetik Das Genom der Parainfluenzaviren ist eine einzelsträngige, nicht segmentierte RNA mit Negativstrangorientierung, die für 6 Strukturproteine und 2 Nichtstrukturproteine kodiert (siehe Morphologie). Accession-No. der Nukleinsäuresequenzen des viralen Genoms: Humanes Parainfluenzavirus 2: M37751, X57559 Humanes Parainfluenzavirus 4a: M32982, M55975, D10241, D49821 Humanes Parainfluenzavirus 4b: M32983, M55976, D10242, D49822, E03807 Humanes Parainfluenzavirus 1: M22347, M31228, M80818 Humanes Parainfluenzaviurs 3: Z11575 Schlüsselliteratur 1. Collins, P., Chanock, R.M., and McIntosh, K.: Parainfluenza viruses. Fields Virology, Third Edition, pp 1205–1241, Lippincott-Raven, New York, 1996 2. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Paramaecium coli Balantidium coli P Pararauschbrand-Bazillus Clostridien der Gasbrand-Gruppe Prävention Versuche mit inaktivierten Parainfluenza-Vakzinen gegen die Serotypen 1, 2 und 3 waren nicht erfolgreich, da sie trotz Induktion neutralisierender Serumantikörper keinen Immunschutz vermittelten. Dies ist vermutlich auf das Ausbleiben sekretorischer IgA-Antikörper zurückzuführen. Parastrongylus cantonensis Nematoden, seltenere Parastrongylus costaricensis Nematoden, seltenere Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Expositionsprophylaxe. Paravaccinia Meldepflicht Pockenviren, andere humanpathogene ani- Es besteht keine Meldepflicht. malische 499 Parechovirus Typ 1 und 2 Parechovirus Typ 1 und 2 Echoviren und Parechoviren Parendomyces Trichosporon Oberflächenantigen getestet wurden. Der Name leitet sich vom Blutbankcode eines Blutspenders ab. Die transiente aplastische Krise war die erste Erkrankung, die B19 als verursachendes Agens zugeordnet wurde. Seitdem erweitert sich die Reihe klinischer Syndrome, bei denen erkannt wird, dass eine B19 Infektion (mit-)verantwortlich ist. Erkrankungen/Symptome Parvovirus Erregerbezeichnung Parvovirus B19 (B19) Synonym Seit der Neuklassifizierung 1995 auch als Erythrovirus B19 oder B19 virus (B19V) bezeichnet. Morphologie Das Virion besteht aus einem ikosaedrischen Kapsid (22 nm), welches das virale Genom beherbergt. Die 60 Kapsidproteine des Virions bestehen zu 95% aus dem „major“ Strukturprotein (58 kDa; VP2) und zu 5% aus dem „minor“ Strukturprotein (83 kDa; VP1). Eine Lipidhülle fehlt. Taxonomie Familie: Parvoviridae Unterfamilie: Parvovirinae Genus: Erythrovirus. B19 ist der einzige bekannte Serotyp des Genus. Seit kurzem wird jedoch die Existenz eines weiteren Erythrovirus (V9) diskutiert (Nguyen et al. 1998). Historie „Parvus“ bedeutet klein. In der Familie der Parvoviridae findet man die kleinsten bekannten Viren. Parvoviren wurden beim Menschen erstmals 1967 von Blacklow et al. in Rachen- und Analabstrichen nachgewiesen. Es handelte sich bei diesen Viren um helfer-abhängige Parvoviren (Genus Dependoviren, AAV). Dependoviren gelten in der Regel als apathogen, aber ein Zusammenhang von AAV-2 mit frühen Spontanaborten wird diskutiert. Das Parvovirus B19 wurde 1975 als kreuzreagierende Kontamination von Yvonne Cossart in Seren asymptomatischer Blutspender gefunden, die routinemäßig auf das Hepatitis-B500 Erythema infectiosum (E.I.). Auch als Ringelröteln oder fünfte Krankheit (fifth disease) bekannte milde, akute exanthematische Erkrankung. E.I. wird leicht mit Röteln verwechselt, ist aber an dem charakteristischen makulopapulösen Exanthem der Wangen (slapped cheeks) zu erkennen. Das Exanthem kann sich auf Körper und Extremitäten ausdehnen und mehrere Wochen lang nach Stress, Sonnenexponierung oder plötzlichen Temperaturschwankungen wieder auftreten. Nach einer Inkubationszeit von ca. 7 Tagen kommt es zu einer 4–5 Tage andauernden Virämie, die mit grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Unwohlsein und Myalgie einhergeht. In einer zweiten Phase, parallel zum Erscheinen der Antikörper, manifestiert sich in Folge der Bildung von Immunkomplexen das makulopapulöse Exanthem. Zwischen dem 10.– 17. Tag nach Infektion sinkt die Retikulozytenzahl im peripheren Blut drastisch ab. Die Zahl der Thrombozyten und Neutrophilen kann ebenfalls vorübergehend abfallen. E.I. betrifft als typische Kinderkrankheit am häufigsten Kinder im Alter zwischen 4 und 14 Jahren. Bei der Infektion erwachsener Frauen kommt es häufig, gleichzeitig mit dem Erscheinen des Exanthem, zu akuten Arthopathien (siehe Arthritis). E.I. tritt vor allem im Frühjahr auf, oft epidemisch in 3–4 jährigen Rhythmen. Aplastische Krise. Bei immundefizienten Patienten und Patienten mit angeborenen oder erworbenen hämolytischen Anämien wie Sichelzellanämie, Thalassämie, Sphärozytose, Pyruvatkinase-Mangel oder autoimmunen hämolytischen Anämien, führen akute B19 Infektionen zur klinischen Symptomatik der transienten aplastischen Krise. B19 wirkt zytotoxisch auf die erythroiden Vorläuferzellen im Knochenmark. Der durch die Virusvermehrung bedingte, vorübergehende Abbruch der Erythrozyten-Rei- Parvovirus fung (Dauer 5–10 Tage) führt sehr rasch zu einem drastischen Abfall des Hämatokrits und zu einer lebensbedrohenden akuten Anämie. Die aplastische Krise ist, neben der akuten erythroiden Hypoplasie und der stark reduzierten Retikulozytenzahl, mit variablen Graden von Neutropenie und vor allem Thrombozytopenie assoziiert. Nach Abschluss der Virusvermehrung wird eine gesteigerte Erythropoese beobachtet. Als Komplikation kann es in seltenen Fällen zu Nekrosen im Knochenmark kommen. Typische Symptome von Patienten mit transienter aplastischer Krise sind Lethargie, Müdigkeit und Blässe. Ein Exathem wird selten beobachtet. Behandelt wird die transiente aplastische Krise, die in 68%–100% der Fälle auf eine B19 Infektion zurückgeführt wird, durch Bluttransfusion. Arthritis. Akute, mild verlaufende Arthralgien werden sowohl bei Erythema infectiosum, als auch bei stumm verlaufenden B19 Infektionen beobachtet. In der Regel handelt es sich um eine symmetrische, periphere Polyarthropathie, deren Symptome man 1–3 Wochen lang findet. Bei 20% der Frauen persistieren die Symptome mehr als 2 Monaten (bis zu mehreren Jahren). Ein Zusammenhang zwischen Antikörpern gegen das Nichtstrukturprotein NS-1 und schweren Verlaufsformen der Arthritis wurde beschrieben. Die rheumatoide Arthritis nach B19 Infektion findet man vorwiegend bei Patienten, die den HLA Typ DR4 besitzen. In diesen Fällen kann das Kapsidprotein VP1 in den synovialen Läsionen nachgewiesen werden. Die Inzidenz bei Erwachsenen liegt bei 80% (Kinder 8%) und ist bei Frauen (60%) höher als bei Männern (30%). Purpura. Es handelt sich dabei um eine nicht nekrotisierende petechiale Purpura an den Extremitäten und am Stamm. Idiopatische, thrombozytopenische Purpura und HenochSchoenlein Purpura wurden beschrieben. In diesem Zusammenhang wird ein Tropismus des Virus für vaskuläre Endothelien vermutet. „Pure red cell aplasia“. Patienten mit diesem Krankheitsbild haben eine persistierende B19 Infektion. Es fehlen neutralisierende Antikörper und die durch den Immunkomplex verursachten Symptome der E.I., sowie Fieber und Polyarthritis. Die persistierende B19 Infektion und die damit verbundene „pure red cell aplasia“ wurde in vier Patientenpopulationen dokumentiert: bei Personen mit dem Nezelof Syndrom, bei Kindern mit lymphatischer Leukämie oder anderen Krebserkrankungen nach oder während einer Chemotherapie, bei Patienten mit AIDS und bei Patienten nach Organtransplantation. Hydrops fetalis. Bei ca. 30% der B19 Infektionen während der Schwangerschaft kommt es zur transplazentaren Infektion des Föten. Die Folgen ist ein Hydrops fetalis, der aufgrund schwerer Anämie zum intrauterinen Fruchttod führen kann. Histologische Untersuchungen zeigen Leukoerythroblastose, typische zytopathische Veränderungen der Erythroblasten in der Leber, Myokarditis, Myositis der Skelettmuskulatur und Hepatitis. Das Risiko für einen spontanen Abort liegt bei etwa 5% und ist im ersten und zweiten Trimenon der Schwangerschaft höher als im dritten. Die parvovirale Infektion des Föten kann nach der Geburt persistieren. Der Hydrops kann im Ultraschall diagnostiziert werden. Ein erhöhter Gehalt an α-Fetoprotein im Blut der Mutter wurde als diagnostisch einsetzbares Mittel für eine Infektion des Föten mit anschließendem Hydrops fetalis vor sonographisch feststellbaren Anomalien beschrieben. Die Behandlung des Föten durch intrauterine Bluttransfusion ist möglich. Myokarditis. Die mit einer B19 Infektion assoziierte Myokarditis ist selten (0,8%), aber von klinischer Relevanz. Sie wird gelegentlich nach Transplantationen beobachtet (3%). Die immunsuppressive Medikation nach Transplantation kann einen chronischen Verlauf der B19 Infektion bewirken, der zur Abstoßung des transplantierten Herzens beiträgt. Der Zusammenhang von persistierender B19 Infektion und Abstoßung ist spezifisch für Herztransplantate; vermutlich durch die Expression des zellulären B19 Rezeptors „Oberflächen P Antigen“ in Myozyten. Differenzialdiagnose Beim makulopapulösen Exanthem sollte auch an Röteln, Masern und andere Krankheitsbilder mit ähnlicher Symptomatik gedacht werden. Die Differenzialdiagnose wird ebenfalls bei aplastischer Krise unbekannter Ätiologie emp501 P Parvovirus fohlen. Hier könnte V9 verursachendes Agens sein (Nguyen et al. 1998). Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Labordiagnostik Eine Infektion mit Parvovirus B19 kann asymptomatisch verlaufen (20–50% der Fälle), aber durch Laboruntersuchungen diagnostiziert werden. Hierzu stehen folgende Methoden zur Verfügung: Direkter Virusnachweis. Elektronenmikroskopie, Virusisolierung über Zellkulturen, Restriktionsenzymanalyse des viralen Genoms, DNAHybridisierungstest und Polymerasekettenreaktion (PCR). Als Untersuchungsmaterial dienen Serum, Blut, Blutprodukte, Knochenmarkzellen, Amnionzellen und Autopsiematerial. Indirekter Virusnachweis. Nachweis von virusspezifischen Antikörpern der Klasse IgM, IgG durch RIA, (mu capture) ELISA, Western-Blot, IFA und EIA (die beiden letzteren basieren auf der Expression der Kapsidproteine VP1 und VP2 durch ein Baculovirus Expressions System) aus dem Serum. Chemische Laboruntersuchungen. Es sind keine spezifischen Testverfahren bekannt. Pathologie und Histopathologie. Histopathologisch manifestiert sich der zytopathische Effekt in Riesenzellen (giant pronormoblasts). Hierbei handelt es sich um frühe Erythrozyten mit einem Durchmesser von 25–32 µm mit multiplen Nukleoli und zytoplasmatischer Vakuolisierung. Diese Zellen findet man vor allem im Knochenmark bei Patienten mit aplastischer Krise und in der fötalen Leber bei Hydrops fetalis. Kultivierte, infizierte erythroide Vorläuferzellen zeigen eine charakteristische marginale Chromatinverdichtung, die Formation von Pseudopoden und zytoplasmatische Vakuolisierung. Therapie Die Behandlung von Erythema infectiosum und der transienten aplastischen Krise beschränkt sich auf die Symptome. Immundefiziente Patienten werden 5–10 Tage mit intravenösen Infusionen von Immunglobulinen in einer Konzentration von 0,4 g/kg behandelt. 502 Die Pathogenität des Parvovirus B19 ist genetisch determiniert. Sie beruht auf der Expression des Nichtstrukturproteins (NS-1), das den Tod der Wirtszelle verursacht. Der Mechanismus ist unklar, da NS-1 keine Homologie zu Zellgiften oder Proteinen zeigt, die zur Lyse der Zelle führen. Auch Zellen, in denen das Virus nicht repliziert, die aber das Nichtstrukturprotein exprimieren, werden beeinflusst. Dies erklärt z.B. die Inhibition der Megakaryozytopoese bei Patienten mit B19 Infektionen. Die Virulenz von B19 ist hoch und führt vor allem in Kindergärten und Schulen zu epidemischen Ausbrüchen von E.I., bei denen bis zu 60% der Kinder infiziert werden. Die Antigenvariabilität ist gering. Die genetische Variabilität liegt unter 1% bezogen auf das gesamte Genom. Transmission Ausscheidung und Aufnahme des Virus erfolgt vor allem über den Respirationstrakt (Tröpfcheninfektion). Die Übertragung des Virus durch Blut, Blutprodukte, mittels Transplantation oder intrauterin auf den Embryo ist möglich. Personen, denen der Rezeptor (Oberflächen P Antigen) der erythroiden Vorläuferzellen fehlt, werden nicht infiziert. Vermehrung und Inkubationszeit Die produktive Infektion von B19 konnte bisher nur in erythroiden Vorläuferzellen, kultivierten Knochenmarkzellen und einigen Leukämiezellen und -zellinien gezeigt werden. In allen Kultursystemen ist die Virusvermehrung von der Anwesenheit des erythroid-spezifischen Hormons Erythropoietin abhängig. Der virale Tropismus beruht auf der Expression des zellulären Rezeptors „Oberflächen P Antigen“ („globoside“), der nur in Erythrozyten, erythroiden Vorläuferzellen, Megakaryozyten, Endothelzellen der Plazenta, der fötalen Leber und dem Herzen exprimiert wird. In nicht permissiven Zellen kommt es zu einem intrazellulären Block der Transkription. Hier ist das Muster der RNA Transkription zugunsten der Nichtstrukturproteine verschoben. Die Virämie ist 7 Tage nach Infektion für 4–5 Tage nachweisbar. Symptome werden in der Regel erst 16 Tage nach Infektion beobachtet. Parvovirus Resistenz Parvoviren sind aufgrund ihrer kompakten Struktur und dem Fehlen einer Lipidhülle sehr resistent gegenüber organischen Lösungsmitteln (z.B. Äther, Alkohol), Detergenzien und Hitze (z.B. 56oC für 60 Min.). Das Virion ist stabil bei einem pH-Wert zwischen 3 und 9. Es kann durch Formalin oder oxidierende Agenzien inaktiviert werden. Parvoviren gehören somit zu den stabilsten Viren, was ihre Verbreitung begünstigt. misch bevorzugt im Frühjahr in Kindergärten und Heimen auf. Das Muster der Epidemien folgt einem 3–4–jährigen Rhythmus mit je zwei Jahren hoher, gefolgt von zwei Jahren mit niederer Inzidenz. Im Erwachsenenalter sind 50% bis 70% der Bevölkerung seropositiv; mit zunehmenden Alter sind über 90% seropositiv. Die Seroprävalenz B19 spezifischer Antikörper ist mit Ausnahme einiger brasilianischer und afrikanischer Stämme weltweit. Die Serokonversionsrate liegt bei 1,5% für Frauen im gebärfähigen Alter. Immunantwort In der Regel erwerben Patienten eine lebenslange Immunität. Die Infektion wird durch das Auftreten neutralisierender Antikörper terminiert. Fehlen neutralisierende Antikörper, wie z.B. bei immundefizienten Patienten, oder nach Infektion des Föten, persistiert die Infektion und resultiert in Erkrankungen wie chronische Anämie oder Arthritis. IgM Antikörper sind 4–7 Tage nach Auftreten der Symptome bzw. 20–21 Tage nach Infektion in 90% der Patienten nachweisbar. Die höchste Konzentration an IgM Antikörpern wird in der Regel nach 30 Tagen erreicht und kann bis zu vier Monate andauern. IgG Antikörper treten 7– 10 Tage nach Erscheinen der Symptome auf. Die höchste Konzentration wird nach einen Monat erreicht. Persistierende IgG Antikörper erklären die lebenslange Immunität. Wirtsbereich Das Wirtsspektrum des Virus B19 beschränkt sich unter natürlichen Bedingungen auf den Menschen. Für andere Parvoviren sind spontane Wirtswechsel durch Mutationen beschrieben. Risikogruppen Es ist keine Prävalenz für bestimmte ethnische Gruppen der Bevölkerung bekannt. Immundefiziente Personen sind gefährdet (siehe Aplastische Krise, „pure red cell aplasia“, Myocarditis). Bei akuten Infektionen von Schwangeren, vor allem während des ersten und zweiten Trimenon, ist der Fötus gefährdet (siehe Hydrops fetalis). Epidemiologie Die Infektion erfolgt überwiegend im Kindesalter und bei Jugendlichen. Das Virus tritt epide- Genetik Alle Parvoviren haben ein lineares, einzelsträngiges DNA Molekül von etwa 5000 Nukleotiden Länge mit terminalen Palindromen am 5' und 3' Ende des Genoms, die der Replikation dienen. Bei B19 (5,6 kb) werden sowohl der positive, als auch der negative Strang verpackt und repliziert. Die beiden terminalen Palindrome von B19 sind 365 Nukleotide lang und in ihrer Sequenz identisch. Bei B19 werden alle 9 RNAs vom linksständigen Replikationsursprung (origin of replication) transkribiert. Das Nichtstrukturprotein (NS-1) fungiert als Helikase und Nuklease bei der DNA Replikation und Verpackung. Es wird von einem nicht gespleißten RNA Transkript der linken Seite des Genoms kodiert. Alle anderen RNA Transkripte werden gespleißt. Die Transkripte der Strukturproteine (VP1 und VP2) kodieren auf der rechten Seite des Genoms und entstehen aus überlappenden RNAs desselben Leserahmens. Die unterschiedlichen Konzentrationen der Kapsidprotein VP1 (5%, „minor“ Kapsidprotein, 781 aa, 84 kDa) und VP2 (95%, „major“ Kapsidprotein, 554 aa, 58 kDa) werden durch multiple 5'-ständige AUG Kodons reguliert. Sowohl die Funktion einer TATA-Box in der Mitte des Genoms (eventuell dient diese Region als Promotor), als auch die Funktion verschiedener gespleißter RNA Transkripte und (potenzieller) daraus resultierender Polypeptide der rechten Genomseite ist unklar. Accession-No. der Nukleinsäuresequenz: B19 Virus, vollständiges Genom (NC_000883) Accession-No. der Proteinsequenzen: B19 Kapsidprotein VP1 (AAG16690), B19 Kapsidprotein VP2 (NP_050021), B19 Nichtstrukturprotein NS-1 (AAK00800) 503 P Pasteurella multocida Prävention An einem spezifischen Impfstoff auf der Basis von im Baculovirussystem hergestellten parvoviralen B19 Kapsiden wird gearbeitet. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Nosokomiale Transmissionen sind möglich, aber selten. Hitzeinaktivierung (80°C, 72 Stunden) von Blutprodukten kann die Infektionsgefahr verringern, aber nicht verhindern. Schwangere sollten B19 infizierte Personen meiden. Meldepflicht Nach dem Infektionsschutzgesetz vom Juli 2000 sind B19 Infektionen nicht meldepflichtig. Die namentlich Meldung wird erforderlich, falls die örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2, 3 und Abs. 4, § 9 Abs. 2, 3 Satz 1 oder 3 zu erfolgen. Institute for molecular virology university of Madison, Wisconsin: http://www.bocklabs.wisc.edu/Welcome.html Institut für Klinische und Molekulare Virologie, Universität Erlangen: http://www.virology.uni-erlangen.de/hyp.htm DSMZ Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH: http://www.dsmz.de/dsmzhome.htm WHO World Health Organization: http://www.who.int/ National Reference Centre (Germany): http://hsscd.euphin.org/reference/ rome_inventory/ INV_pre_lab_org_nat_deu.html University of Leichester, Parvoviruses: http://www-micro.msb.le.ac.uk/335/ Parvoviruses.html Complete Viral Genomes: http://www.genome.ad.jp/dbget-bin/get_ htext?Viruses+-e+L+A+-s+F+-f+F+A_A10#L1 Schlüsselliteratur Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Konsiliarlaboratorium für Parvoviren Prof. Dr. S. Modrow, Universität Regensburg, Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene. Web-Adressen Introduction to virology: http://www-micro.msb.le.ac.uk/109/ Introduction.html All the virology on the WWW, Parvoviruses: http://www.virology.net/ garryfavweb13.html#Parvo Virus databases on-line: http://life.anu.edu.au/viruses/ The big picture book of viruses, parvoviruses: http://www.virology.net/Big_Virology/ BVDNAparvo.html National center of biotechnology information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ Links to further information on viruses: http://www2.rki.de/INFEKT/ENIVD/RS1.HTM The International Committee on Taxonomy of Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/ Centers for disease control and prevention: http://www.cdc.gov/ 504 1. Young, N.S., Parvoviruses. In: Virology, Third Edition, edited by Fields B.N., Knipe, D.M., et al., Raven Press, Ltd. New York, Vol. 2, (1996) 2199–2220. 2. Rotbart, H.A., Human Parvovirus Infection, Annu. Rev. Med. (1990) 41:25–43. 3. Török T.J., Parvovirus B19 and Human Disease, Adv. Intern. Med., (1992) 37:431–455. 4. Brown, K.E., Young, N.S., Liu, J.M., Molecular, Cellular and Clinical Aspects of Parvovirus B19 Infection, Crit. Rev. Oncol. Hematol. (1994) 16:1–31. 5. Nguyen, Q.T., Sifer, C., Schneider, V., Bernaudin, F., Auguste, V., Garbarg-Chenon, A., Detection of an erythrovirus sequence distinct from B19 in a child with acute anaemia. Lancet (1998) 352:1524. 6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Pasteurella multocida Erregerbezeichnung Pasteurella multocida Synonym Entfällt. Morphologie Pasteurellae sind kleine (0,2–0,4×0,6–2,5 µm), plumpe, unbewegliche, sporenlose gramnegative Stäbchen. In der Regel ist eine Kapsel vorhanden. Pasteurella multocida Taxonomie Familie: Pasteurellaceae Gattungen: Pasteurella, Haemophilus, Actinobacillus Spezies: Die wichtigste Spezies mit humanmedizinischer Bedeutung ist Pasteurella multocida. Sie kann in die Subspezies Pasteurella multocida multocida, Pasteurella multocida septica und Pasteurella multocida gallicida unterteilt werden. Weitere Spezies mit humanmedizinischer Bedeutung sind Pasteurella dagmatis, Pasteurella stomatis, Pasteurella canis, Pasteurella Species B, Pasteurella volantium. monie und Pleuraempyem oder als Kombination dieser Krankheitsbilder. Durch Aszension der Erreger kann es zu Otitis, Sinusitis, Mastoiditis und intrakraniellen Infektionen kommen. Bakteriämische Infektionen. Sie können von Wundinfektionen oder respiratorischen Infektionen ausgehen, vielfach ist ein Sepsisherd aber nicht zu lokalisieren. Die generalisierten Infektionen äußern sich u.a. als Meningitis, Pneumonie, Peritonitis, Arthritis oder Endokarditis. Prädisponierende Grundleiden sind Leberzirrhose und maligne Erkrankungen. Historie Differenzialdiagnose Perroncito (1878) isolierte und beschrieb die Mikrobe als Erreger der Geflügelcholera. Trevisan (1887) schlug für ähnliche Mikroben, die bei Rind, Schwein, Schaf u.a. hämorrhagische Septikämien verursachen, die Bezeichnung Pasteurella vor. Die Bezeichnung Pasteurella multocida wurde von Rosenbusch und Merchiand (1939) eingeführt. Wundinfektionen nach Tier- und Menschenbissen durch eine Vielzahl aerober und anaerober (Problem-) Keime (z.B. Staphylococcus aureus, Staphylococcus intermedius, Staphylococcus epidermidis, α- und β-hämolysierende Streptokokken, Enterokokken, Capnocytophagae canimorsus, Corynebakterium spp., Haemophilus spp., Neisseria canis, Neisseris weaveri, Porphyromonas salivosa, Porphyromonas asaccharolytica, Leptotrichia buccalis, Acinetobacter spp., Peptostreptokokken etc.). Erkrankungen/Symptome Pasteurellosen manifestieren sich in erster Linie als Wundinfektionen respiratorische Infektionen und bakteriämische Infektionen. Wundinfektionen. Nach Biss- und Kratzverletzungen treten die klassischen Zeichen der akuten Entzündung meistens bereits wenige Stunden, seltener ein bis drei Tage nach der Verletzung auf. Eine regionäre Lymphadenitis entwickeln 30 bis 40% der Patienten. Lokale Komplikationen wie Tendovaginitis, Periostitis, Arthritis, Osteomyelitis werden bei ca. 40% der Patienten beobachtet. Eine Knochenbeteiligung wird oft erst verzögert nach initialer Wundbehandlung manifest und kann chronisch mit Defektheilungen verlaufen. Bei Wundinfektionen im Kopfbereich können Meningitis, Gehirnabszess und subdurales Empyem resultieren. Bei Augenverletzung besteht die Gefahr einer Endophthalmitis. Infektionen des Respirationstraktes. Sie entstehen in der Regel auf dem Boden prädisponierender Grunderkrankungen (chronische Bronchitis, Emphysem, Bronchiektasen, chronisch obstruktive Lungenerkrankungen) und imponieren als akute bis subakute Bronchitis, Pneu- Labordiagnostik Mikroskopie. Nachweis kleiner, gramnegativer Stäbchen (siehe Morphologie). Ältere Kulturen neigen zu Pleomorphie und zur Ausbildung filamentöser Formen. In der Regel ist eine Kapsel vorhanden. Kultur. Eine sichere ätiologische Diagnose erfordert den kulturellen Nachweis des Erregers. In Abhängigkeit von der Infektionslokalisation kommen als Untersuchungsmaterial Wundsekret, respiratorisches Sekret, Blut, Liquor cerebrospinalis, Spülwasser der Nasennebenhöhlen, Punktate und Biopsien in Frage. Die Proben sollten innerhalb von zwei bis drei Stunden nach Gewinnung im Labor verarbeitet werden. Bei längeren Transportzeiten sind Transportmedien zu verwenden. Für die primäre Anzüchtung und für Subkulturen sind komplexe Medien auf Peptonagarbasis mit Zusatz von 5 bis 8% Serum oder Blut geeignet. Das Temperaturoptimum liegt bei 35–37°C. Die aeroben, fakultativ anaeroben Mikroben wachsen am besten unter mikroaerophilen Bedingungen, d.h. in einer sauerstoffarmen Kulturatmosphäre mit 5–10 505 P Pasteurella multocida Vol.% CO2. Selektivmedien mit Antibiotika-Zusätzen (Bacitracin, Clindamycin, Gentamicin, Polymyxin) kommen für spezielle Fragestellungen in Betracht. Die Bebrütungsdauer sollte bei Blut und Liquor cerebrospinalis mindestens eine Woche betragen. Charakteristisch sind 0,1 bis 1 (bis 3) mm große, flach konvexe, runde, glattrandige, tautropfenartig glänzende Kolonien ohne Hämolyse. Auffallend ist ihr spermaartiger Geruch. ein Exotoxin mit hämorrhagischen und dermonekrotischen Eigenschaften bei K-Serovaren A und D, das die Ausbreitung im Wundgebiet begünstigt. P. multocida kann aufgrund der Feinstruktur des Kapselpolysaccharids in fünf (K-) Kapselserovare (A, B, D, E, F) und elf bis sechzehn somatische (O-) Serovare unterteilt werden. Infektionen des Menschen werden am häufigsten durch die Serovare A und D hervorgerufen. Biochemische Differenzierung. Neben Gramreaktion und Beweglichkeitsprüfung werden charakteristische Stoffwechselleistungen für die taxonomische Einordnung verwendet. Transmission Serologische Variäteten. Es lassen sich die kapsulären (K-) Serovare A, B, D, E, F und elf bis sechzehn somatische (O-) Serovare unterscheiden. Die K-Serovarietät A enthält Hyaluronsäure, so dass sie bei Wachstum in der Nähe eines Hyaluronidase produzierenden Stammes von Staphylococcus aureus depolymerisiert wird. KSerovar B wird durch Acriflavin agglutiniert. Therapie Die Übertragung des Erregers von Tieren auf den Menschen erfolgt über Biss- und Kratzwunden, durch häufigen direkten, nicht traumatischen Kontakt oder auf aerogenem Weg (Tröpfcheninfektion). In Blut, Schleim, Auswurf und Kot kann P. multocida bis zu 10 Tagen, in Wasser bis zu 14 Tagen und in eingetrocknetem Zustand bis zu 3 Tagen vermehrungsfähig bleiben. Vermehrung und Inkubationszeit P. multocida vermehrt sich durch Zweiteilung. Die Inkubationszeit nach Kratz- oder Bissverletzungen ist kurz und beträgt wenige Stunden bis 3 Tage. Penicillin gilt als Antibiotikum der Wahl. Ampicillin, systemische Cephalosporine und Tetracycline kommen alternativ in Frage. Ciprofloxacin zeigt in vitro eine gute antibakterielle Aktivität, die klinischen Erfahrungen in der Behandlung von Pasteurellosen sind jedoch gering. Aminoglykoside, Oxacillin, orale Cephalosporine, Erythromycin, Lincomycin und Clindamycin werden als nicht ausreichend wirksam beurteilt. Aus Sicherheitsgründen sollte die antibiotische Empfindlichkeit (Antibiogramm) bestimmt werden. Bei Wundinfektionen ist die chirurgische Intervention in Kombination mit antibiotischer Therapie obligat. Pasteurella multocida ist ein extrazelluläres Bakterium, das sich zunächst an der Eintrittstelle frei vermehren kann. Nach Opsonisierung und Phagozytose kann P. multocida zumeist rasch eliminert werden (Ausnahme: Patienten in reduziertem Allgemeinzustand oder mit Immundefekten). Spezifische Merkmale Wirtsbereich Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität P. multocida ist ein fakultativ pathogenes Bakterium. Die Manifestation einer Infektion ist letztendlich abhängig von der Keimzahl und den lokalen Gegebenheiten im Wundgebiet. P. multocida besitzt eine Reihe von Virulenzfaktoren wie z.B. zellgebundene Neuraminidasen, Hyaluronidase bei K-Serovar B, mannoseresistentes Hämagglutinin bei K-Serovar A und 506 Resistenz Infektionen führen zu einer längerandauernden Immunität. Immunantwort Erregerreservoirs sind domestizierte und wildlebende Säugetiere und Vögel. Sie beherbergen die Mikroben in der Regel als Kommensalen auf den Schleimhäuten der oberen Atemwege. Die Häufigkeit von Keimträgern variiert jedoch nach Tierart und epizootischer Situation: Katzen 50–70%, Hunde 12–66%, Schweine ca. 50%, Ratten 14%. Veterinärmedizinisch bedeutsam sind Pneumonie und hämorrhagische Septikämie bei Rindern, Schweinen und Schafen sowie Peitschenwurm die sog. Geflügelcholera bei Hühnern, Truthühnern und Enten. munsupprimierten Patienten bestehen. Aktive und passive Immunisierung gegen Pasteurellosen entfallen in der Humanmedizin. Risikogruppen Betroffen sind vorzugsweise Tierhalter, Tierhändler, Tierzüchter, Landwirte und Schlachthauspersonal. Bei 5 bis 15% der Pasteurella multocida-Infektionen ist Tierkontakt jedoch nicht nachzuweisen. Prädisponierend für respiratorische und generalisierte Infektionen sind bronchopulmonale Grunderkrankungen bzw. Leberzirrhose und maligne Erkrankungen. Epidemiologie Pasteurellosen des Menschen sind typische Zooanthroponosen. Da die Erreger praktisch nur nach traumatischer Inokulation oder bei abgeschwächter Infektabwehr zu manifesten Infektionen bei Menschen führen, sind sie als opportunistische Infektionen zu qualifizieren. Sie sind seltene Erkrankungen; ihre Inzidenz wird auf 0,5 bis 25 Erkrankungsfälle/1 Mio. Einwohner/Jahr geschätzt. Gesunde Keimträger kommen in Berufsgruppen mit intensivem Tierkontakt (Veterinärmediziner, Tierhändler, Landwirte) in einer Häufigkeit von ca. 2% vor. Eine Übertragung der Erreger von Mensch zu Mensch ist nicht ausgeschlossen, aber bislang nicht belegt. Genetik Pasteurella multocida, complete genome: NC_002663 (Zhang et al. (2001): Complete genomic sequence of Pasteurella multocida, PM70. PNAS 13;98(6):3460-3465). Das Genom enthält 2014 offene Leserahmen. Übersicht siehe NCBI: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/ query.fcgi?CMD=&DB=nucleotide Prävention Für die Prophylaxe von Infektionen nach Bissund Kratzverletzungen ist die sofortige Wunddesinfektion und -falls erforderlich- chirurgische Wundtoilette mit offener Wundversorgung entscheidend. Eine zusätzliche Chemoprophylaxe ist bei tiefen Wunden und bei Patienten mit Infektabwehrschwäche zu erwägen. Für die Prophylaxe nicht traumatischer Infektionen kommt allein eine Beschränkung des Kontaktes mit Tieren in Frage. Eine Indikation hierfür dürfte jedoch nur bei hochgradig im- Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Auf Grund der geringen Prävalenz von Pasteurella multocida-Infektionen beim Menschen bestehen hier keine besonderen Präventivmaßnahmen. Meldepflicht Nach § 6, 8 und 9 des IfSG besteht keine Meldepflicht. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Nationale Referenzzentren sowie Konsiliarlaboratorien sind in Deutschland nicht vorhanden. Web-Adressen Abteilung für Infektionen und Chemotherapie, Universitätsklinik Innere Medizin I, AKG Wien: http://www.ahc-net.at/antibiotika_monitor/ 12_99/12_99_2.htm University of Illinois: http://www.cvm.uiuc.edu/courses/vp331/ Pasteurella1.html Medical Microbiology: http://www.gsbs. utmb.edu/microbook/ch029.htm Building Better Health: Animal bite infections: http://www.buildingbetterhealth.com/article/ gale/100085053 Schlüsselliteratur 1. Ansorg, R. (1994). Die Gattung Pasteurella, Pasteurellosen. In: Brandis, H., Eggers, H. J., Köhler, W. und Pulverer, G. (Hrsg.): Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie, S. 450–454. 7. Aufl., Gustav Fischer Verlag, Stuttgart. 2. Smith, G. R. und Phillips, J. E. (1990). Pasteurella and actinobacillus. In: Parker, M. T. und Duerden B. I. (Hrsg.) Topley and Wilson's principles of bacteriology, virology and immunity, S. 384–399. Edward Arnold, London. 3. Smith, G. R., Pearson A. D. und Parker, M. T. (1990). Pasteurella infections, tularaemia, glanders and melioidosis. In: Smith, G. R., Easmon C. S. F. (Hrsg.): Topley and Wilson's Principles of bacteriology, virology and immunity, S.382–397. 3. Aufl., Edward Arnold, London 1990. Peitschenwurm Trichuris trichiura 507 P Penicillium marneffei Penicillium marneffei Fallberichte von disseminierten P. marneffeiInfektionen bei HIV-positiven Patienten aus Südostasien. Erregerbezeichnung Penicillium marneffei Synonym Keine Daten verfügbar. Erkrankungen/Symptome Erkrankung. Disseminierte Penicilliose. Hämatogene Absiedlung in diversen Organen: Im Vordergrund steht der Befall von Haut, Lymphknoten, Lunge, Leber und Milz. Morphologie Temperatur-abhängiger dimorpher Pinselschimmel: In der Kultur bei 28°C Wachstum als Pinselschimmel, im Gewebe und bei 37°C wird eine Hefephase produziert. Im Wirtsgewebe finden sich intrazellulär in Makrophagen kleine, einzeln gelagerte, nichtsprossende, rund-ovale hefeähnliche Zellen von 2 bis 5 µm Durchmesser. Extrazellulär sind zusätzlich längliche, wurstförmige Zellen bis 8 µm Länge nachweisbar. Die Pilzzellen weisen typischerweise ein bei Querteilung entstandenes Septum auf. In der Kultur makroskopisch bei 37°C hefeähnliche Kolonien; bei 28°C flache Kolonien mit spärlichem weißlichen Luftmyzel und überwiegend submerser Myzelbildung. Herausragendes Merkmal: Ein intensiv rotes Pigment wird in den Agar abgegeben. Mikroskopischer Aufbau der Pinsel-Nebenfruchtform: Kriechende oder gebündelte Traghyphen (Konidiophoren); 3–5 Metulae; 4–7 Phialiden; kurze, ungeordnete Ketten glattwandiger, elliptischer Konidiosporen. Taxonomie Abteilung: Ascomycota Klasse: Eurotiomycetes Ordnung: Eurotiales Familie: Trichocomaceae Gattung: Penicillium Von den über 200 beschriebenen PenicilliumArten ist nur Penicillium marneffei als Erreger von invasiven Mykosen bekannt. Historie Die erste menschliche Infektion wurde 1959 nach einer Nadelstichverletzung beim Arbeiten mit Labortieren von Segretain (Institut Pasteur, Paris) beschrieben. Die erste natürlich erworbene Infektion trat 1973 bei einem amerikanischen Patienten mit Morbus Hodgkin auf, der in Südostasien gereist war. 1988 erschienen die ersten 508 Symptome (nach Häufigkeit). Fieber, Anämie, Gewichtsverlust, papulonekrotische Hautläsionen (Molluscum contagiosa-ähnlich), generalisierte Lymphadenopathie, Hepatomegalie, chronischer Husten, pulmonale Infiltrate, Diarrhoe und Splenomegalie. Differenzialdiagnose Tuberkulose, Kryptokokkose, Histoplasmose, Leishmaniose, Toxoplasmose Labordiagnostik Kultur und histopathologische Untersuchung von Biopsiematerial der Läsionen (z.B. Haut, Lymphknoten, Leber). Charakteristisch sind intrazellulär gelegene kleine Hefen (siehe Morphologie), die sich mit GMS und PAS gut anfärben lassen. Auch Blutkulturen, Knochenmarkpunktate, Sputum und Aspirate pulmonaler Abszesse sind für die Kultur geeignete Materialien. Die Anzucht erfolgt auf Sabouraud-GlucoseAgar bei 28°C und bei 37°C. Die Kulturen müssen mindestens eine Woche lang bebrütet werden. Die Identifizierung der Isolate erfolgt makroskopisch und mikromorphologisch. Teste zum spezifischen Antigennachweis von P. marneffei aus Serum oder Urin sind in der Entwicklung, aber nicht kommerziell erhältlich. Der Platelia® Aspergillus-Antigen Enzym-Immuno-Assay (BioRad, München) kreuzreagiert mit Penicillium-Antigen und kann zur Diagnostik und Therapieüberwachung herangezogen werden. Spezifische Antikörperteste (Immundiffusion, Immunoblot) zeigen eine variable Sensitivität und sind nicht kommerziell verfügbar. Therapie Amphotericin B 0,6mg/kg/d i.V. über 2 Wochen, gefolgt von 400mg/d oralem Itraconazol für 10 Wochen; als sekundäre Prophylaxe Penicillium marneffei 200mg/d orales Itraconazol, wahrscheinlich lebenslang notwendig. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Keine Daten verfügbar; als möglicher Virulenzfaktor kommen phasen-spezifische Gene in Frage, die für den Wechsel von der Schimmel- zur Hefephase verantwortlich sind. Transmission Der genaue Übertragungsweg ist nicht bekannt, sehr wahrscheinlich ist eine Inhalation von Konidiosporen aus dem Staub. Als Risikofaktor gilt eine längerdauernde Exposition gegenüber Erde in der Regenzeit. Für eine Übertragung von Bambusratten auf den Menschen konnten keine Hinweise gefunden werden. Vermehrung und Inkubationszeit P. marneffei ist ein schnellwachsender Schimmelpilz, sichtbare Kolonien werden bereits nach 2–3 Tagen gebildet. Die genaue Inkubationszeit der Erkrankung ist unklar, sie beträgt wahrscheinlich Tage bis wenige Wochen. Resistenz Es gibt nur wenig Daten. P. marneffei ist in vitro sensibel gegen Itraconazol, Ketoconazol, Miconazol, 5-Fluorcytosin, mäßig gut sensibel gegen Amphotericin B, resistent gegen Fluconazol. Immunantwort Die genauen Mechanismen der Immunabwehr sind nicht geklärt, aber das zelluläre Immunsystem spielt eine entscheidende Rolle. Der Pilz wird von mononukleären Zellen phagozytiert, die dadurch zur Proliferation und Produktion von TNF-alpha angeregt werden. Epidemiologie P. marneffei kommt endemisch vor in Südostasien, besonders in Thailand (vor allem im Norden: Chiang Mai Provinz), Süd-China (Guangxi-Provinz), Vietnam, Myanmar, Laos, Malaysia, Singapur, Indonesien, Taiwan und Ostindien (Manipur). Die P. marneffei-Infektion stellt in Nordthailand nach Tuberkulose und Kryptokokkose die dritthäufigste opportunistische Infektion bei HIV-Patienten dar, ca. 20% der HIVPatienten sind betroffen. Sie zählt seit 1992 zu den AIDS definierenden Erkrankungen. Genetik P. marneffei ist ein eukaryonter Organismus, über dessen Genomgröße und Chromosomenzahl noch keine Daten vorliegen. Es sind bisher nur Teile des Genoms von P. marneffei sequenziert und in die Datenbank aufgenommen. Für die taxonomische Einordnung wichtige Sequenzen sind: AF034197 (Partielle Sequenz des 18S ribosomalen RNA Gens); L37406 (Transkribierte Spacer 1 und 2 und 5.8S rRNA-Gen); L37407 (Mitochondriale kleine Untereinheit des rRNAGens); Proteinsequenzen: AAB03607, AAB03608, AAB03609, AAB03610 (Chitin Synthase I bis IV). Prävention Eine spezifische Prävention ist nicht möglich. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle P Eine sekundäre Prophylaxe nach Erkrankung mit 200mg/d Itraconazol oral ist wahrscheinlich lebenslang notwendig. Meldepflicht Nach dem Infektionsschutzgesetz vom 01.01.01 besteht für die P. marneffei-Infektion keine Meldepflicht. Wirtsbereich Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen P. marneffei kommt – außer beim Menschen – in den inneren Organen und Exkrementen von Bambusratten (Rhizomys spp. und Cannomys badius) in Südostasien vor. Konsiliarlaboratorium für Erreger außereuropäischer Systemmykosen, Robert Koch Institut Mykologie, Fr. Dr. Tintelnot, Nordufer 20, 13353 Berlin Risikogruppen Web-Adressen Immunsupprimierte Patienten, vor allem AIDSPatienten. National Center of Biotechnology Information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ 509 Pentastomida Tabelle 1 Pentastomida des Menschen Kriterium Linguatula serrata Armillifer armillatus, A. grandis, A. moniliformis Größe Angaben nicht verfügbar Verbreitung Männchen: 18–20×3–4 mm Weibchen: 80–130×8–10 mm 90×60–70 µm Hund, Wolf, Mensch (selten) Wiederkäuer, Pferd, Schwein, Nagetiere, Mensch Europa, Afrika, Amerika, Vorderer Orient Lokalisation im Menschen Nasenhöhle (Adulti) Symptome nasopharyngeales Syndrom („halzoun“, „marrara“) Nachweis der Eier in Nasenschleim oder Stuhl nicht bekannt Eier Endwirt Zwischenwirt Diagnose Therapie International Association of Physicians in AIDS Care: http://www.iapac.org/clinmgt/diseases/ fungal/pen.html Robert Koch Institut: http://www.rki.de/ INFEKT/STECKBRF/STBR_PI/PENICIL.HTM Schlüsselliteratur 1. Kwon-Chung KJ, Bennett JE. 1992. Medical Mycology, 2nd ed. Chapter 27: Infections due to miscellaneous molds: Penicilliosis marneffei, pp. 755–758. Lea & Febiger, Philadelphia, London. 2. Duong TA. 1996. Infection due to Penicillium marneffei, an emerging pathogen: Review of 155 reported cases. Clin Infect Dis 23: 125–130. 3. Cooper CR. 1998. From Bamboo Rats to Humans: The Odyssey of Penicillium marneffei. ASM News 64: 390–397. 4. Sirisanthana T, Supparatpinyo K, Perriens J, Nelson KE. 1998. Amphotericin B and itraconazole for treatment of disseminated Penicillium marneffei infection in human immunodeficiency virus-infected patients. Clin Infect Dis 26: 1107–1110. 5. De Hoog GS, Guarro J, Gene J, Figuera MJ. 2000. Atlas of Clinical Fungi, 2nd ed. Penicillium marneffei, pp. 833–835. Centraalbureau voor Schimmelcultures, Utrecht. Pentastomida Pentastomida (= Linguatulida, Zungenwürmer) sind getrenntgeschlechtliche wurmförmige Arthropoden von Annelidenhabitus. Sie parasitieren in den Lungen und Atemwegen von Reptilien und Säugetieren. Der Mensch ist relativ sel510 Angaben nicht verfügbar Schlangen u.a. Reptilien Säugetiere, Mensch A. armillatus und A. grandis in Afrika, A. moniliformis in Asien Leber, Milz, Lunge, Auge (Larven, Nymphen) Verengung der Luftwege, Ileus, Ikterus, abdominelle Schmerzen, Erblindung Nachweis in Biopsiematerial nicht bekannt ten betroffen, so dass die bei ihm bisher nachgewiesenen vier Arten lediglich tabellarisch angeführt werden (siehe Tabelle 1). Der Vorderkörper der Zungenwürmer ist mit einer Mundöffnung und zwei Paar einschlagbarer Haken versehen. Die Entwicklung ist mit Wirtswechsel verbunden. Schlüsselliteratur 1. Riley J (1986) The biology of Pentastomida. Adv Parasitol 25: 45–128 2. Storch V (1993) Pentastomida. In: Harrison FW, Rice ME (eds) Microscopic anatomy of invertebrates. Vol 12: Onychophora, Chilopoda, and lesser Protostomata, pp 115– 142 Pentatrichomonas hominis Darmflagellaten Pesterreger Yersinien Pfriemenschwanz Enterobius vermicularis Phaeohyphomycetes Phaeohyphomycetes Erregerbezeichnungen Phaeohyphomycetes erheben sich in verzweigten Ketten, die leicht zerbrechen. Die unteren Konidien sind oft septierte Ramokonidien. Gattung Alternaria: Die mehrzelligen Konidien sind braun, mit muriformer Septierung, in Ketten oder einzeln. Synonym Die Phaeohyphomyzeten werden auch als Dematiaceae = Schwärzepilze bezeichnet. Morphologie Wirtsgewebe. In mit Hämatoxylin und Eosin (H&E) gefärbten oder ungefärbten Paraffinschnitten sind hellbraune oder goldfarbene, eng septierte, gelegentlich verzweigte Myzelien nachweisbar. Die Hyphen sind an den engsten Stellen 2–3µm stark, zwischen den Septen jedoch oft auf 4–9 µm angeschwollen, was insgesamt einen perlschnurartigen Eindruck erweckt und intercalaren Chlamydosporen ähnelt. In Hirnabszessen finden sich oft reichlich dunkle Pilzmyzelien, in Nasennebenhöhlen sind die Myzelien eher hyalin, in subkutanem Gewebe sind sie oft nur spärlich nachweisbar. Kultur. Innerhalb von 14 Tagen werden bei 28 bis 37°C auf Sabouraud-Glucose-Agar dunkel pigmentierte Kolonien von hefeartigem Glanz oder schimmelartiger Samtoberfläche ausgebildet. Mikromorphologie. Da insgesamt mehr als 100 Spezies mit über 20 Gattungen aus mindestens 4 Ordnungen und 7 Familien als Erreger einer Phaeohyphomykose in Betracht kommen (siehe Taxonomie), würde eine vollständige Abhandlung den Rahmen dieses Kapitels sprengen. Im folgenden werden daher nur einige charakteristische Merkmale weniger Gattungen genannt. Gattung Cladosporium. Die Kolonien breiten sich aus und bekommen eine pulverige bis wolleartige, graugrüne bis olivgrüne Oberfläche. Gelatine wird verflüssigt. Pilze der Gattung Cladosporium sind nicht thermotolerant. Gewöhnlich sind aufrechte, braune, sympodiale Traghyphen (Konidiophoren) mit schwärzlichbraunen Konidien-Narben vorhanden. Die Konidien sind trocken, 1-(4)-zellig, mit schwärzlich-braunen Narben an jedem Ende, blass bis mäßig dunkelbraun, glattwandig bis warzig. Sie Gattung Exophiala/Wangiella. Auch als schwarze Hefen bezeichnet. Die Kolonien sind klein und zentral schleimig aufgrund des hefeartigen Wachstums. Der Rand ist glatt. Die Oberfläche kann später samtartig bis wolleartig werden, olivfarben bis schwarz. Die konidiogenen Zellen sind intercalar, zylindrisch, oder frei, flaschenförmig oder spitz zulaufend, mit relativ engen, kurzen oder sehr kurzen annellierten Zonen. Die Konidien bilden schleimige Köpfchen. Sie sind (sub)hyalin, glattwandig, 1–4-zellig. Oft werden Ketten sphärischer Zellen gebildet, die profus sprossen. Ketten faßförmiger, hyphenartiger Zellen können vorkommen. Taxonomie Die im folgenden wiedergegebene taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten folgt einem Vorschlag von G. S. de Hoog, J. Guarro et al. (1), siehe Tabelle 1. Historie Beurmann und Gougerot beschrieben 1907 einen Fall eines intramuskulären mykotischen Abszesses durch einen Pilz, der heute als Exophiala jeanselmei bezeichnet wird. Guido Banti publizierte 1911 in Italien den ersten Fall einer zerebralen Mykose durch einen Schwärzepilz, der nach der aktuellen Nomenklatur Cladophialophora bantiana heißt (1). Erkrankungen/Symptome ◗ Zerebrale Phaeohyphomykose: Intrazerebrale Abszesse, die sich im Verlauf der Infektion vergrößern und schließlich zum Tod des Patienten führen; meist hervorgerufen durch Cladophialophora bantiana und Exophiala dermatitidis (neurotrope Schwärzepilze) ◗ Phaeohyphomykose der Nasennebenhöhlen ◗ Subkutane Phaeohyphomykose ( Eumyzetom (Madurella mycetomatis, u.v.a.)) ◗ Disseminierte Phaeohyphomykose ◗ Organ-Phaeohyphomykose 511 P Phaeohyphomycetes Tabelle 1 Taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten Teleomorph Division: Klasse: Ordnung: Familie: Ascomycota Euascomycetes Chaetothyriales Herpotrichiellaceae Capronia semiimmersa Ordnung: Familie: Dothideales Dothioraceae Discosphaerina fulvida Sydowia polyspora 512 Anamorph Anthopsis deltoidea Cladophialophora arxii Cladophialophora bantiana Cladophialophora boppii Cladophialophora carrionii Cladophialophora devriesii Cladophialophora emmonsii Cladophialophora modesta Exophiala bergeri Exophiala castellanii Exophiala dermatitidis Exophiala jeanselmei Exophiala lecanii-corni Exophiala moniliae Exophiala pisciphila Exophiala salmonis Exophiala spinifera Fonsecaea compacta Fonsecaea pedrosoi Phialophora americana Phialophora bubakii Phialophora europaea Phialophora reptans Phialophora repens Phialophora richardsiae Phialophora verrucosa Ramichloridium mackenziei Ramichloridium schulzeri Rhinocladiella aquaspersa Rhinocladiella atrovirens Sarcinomyces phaeomuriformis Aureobasidium pullulans Cyphellophora laciniata Cyphellophora pluriseptata Hormonema dematioides Hortaea werneckii Phaeohyphomycetes Tabelle 1 Taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten (Forts.) Teleomorph Anamorph Nattrassia mangiferae Pseudomicrodochium suttonii Ordnung: Familie: Familie: Pleosporales Leptosphaeriaceae Pleosporaceae Leptosphaeria coniothyrium Leptosphaeria senegalensis Leptosphaeria thompkinsii Cochliobolus australiensis Cochliobolus hawaiiensis Cochliobolus spiciferus Lewia infectoria Cochliobolus geniculatus Cochliobolus lunatus Cochliobolus pallescens Cochliobolus verruculosus Setosphaeria rostrata Coniothyrium fuckelii Microsphaeropsis olivacea Bipolaris australiensis Bipolaris hawaiiensis Bipolaris papendorfii Bipolaris spicifera Alternaria alternata Alternaria chlamydospora Alternaria dianthicola Alternaria infectoria Alternaria longipes Alternaria tenuissima Botryomyces caespitosus Corynespora cassiicola Curvularia geniculata Curvularia brachyspora Curvularia clavata Curvularia lunata Curvularia pallescens Curvularia senegalensis Curvularia verruculosa Dichotomophthora portulacae Dichotomophthoropsis nymphaearum Dissitimurus exedrus Drechslera biseptata Exserohilum longirostratum Exserohilum mcginnisii Exserohilum rostratum Mycocentrospora acerina Papulaspora equi Phaeosclera dematioides Phaeotrichoconis crotalariae Phoma cruris-hominis Phoma dennisii v. oculo-hominis Phoma eupyrena P 513 Phaeohyphomycetes Tabelle 1 Taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten (Forts.) Teleomorph Anamorph Phoma glomerata Phoma herbarum Phoma minutella Phoma minutispora Phoma sorghina Polycytella hominis Ulocladium botrytis Ulocladium chartarum Ordnung: Familie: Familie: Familie: Sordariales Lasiosphaeriaceae Chaetomiaceae Arnium leporinum Thielavia terrestris Achaetomium strumarium Ascotricha chartarum Chaetomium atrobrunneum Chaetomium funicola Chaetomium globosum Chaetomium murorum Corynascus heterothallicus Coniochaetaceae Coniochaeta ligniaria Spezies unbekannter taxonomischer Zuordnung: Anthopsis deltoidea Ochroconis (Dactylaria) gallopava Scytalidium infestans Scytalidium japonicum Scytalidium lignicola Taeniolella stilbospora Tetraploa aristata 514 Arthrinium phaeospermum Nigrospora sphaerica Acremonium alabamense Dicyma ampullifera Myceliophthora thermophila Phaeorisaria clematidis Staphylotrichum coccosporum Acrophialophora fusispora Lecythophora hoffmannii Lecythophora mutabilis Mycoleptodiscus indicus Phaeoacremonium inflatipes Phaeoacremonium parasiticum Phaeoacremonium rubrigenum Phialemonium curvatum Phialemonium obovatum Phaeohyphomycetes Differenzialdiagnose Therapie Die Symptomatik ist je nach Lokalisation unterschiedlich und nicht spezifisch für das Vorliegen einer Phaeohyphomykose. Bei dunkel verfärbten oberflächlichen Läsionen kann bisweilen auf die Infektion durch einen Pilz mit tingierten Myzelien geschlossen werden. Zerebrale Phaeohyphomykose: Bakterieller Hirnabszess, mykotischer Hirnabszess durch andere Pilze, z.B. Aspergillus spp. Phaeohyphomykose der Nasennebenhöhlen: Zygomykose, Conidiobolomykose. Subkutane Phaeohyphomykose: Eumyzetom, Myzetom, Basidiobolomykose. Disseminierte und Organ-Phaeohyphomykose: Invasive Aspergillose, Fusariose, Zygomykose. Zerebrale Phaeohyphomykose. Neurochirurgische Resektion des meist als Hirnabszess imponierenden Infektionsherdes in toto. Als Begleitmedikation: Itraconazol kombiniert mit Flucytosin. Labordiagnostik Mikroskopische Direktuntersuchung. Das Vorliegen einer Phaeohyphomykose wird durch den Nachweis von gelb-braunen, regulären bis pseudomyzelartigen Hyphen mit oder ohne Sproßzellen im aspirierten Eiter, aus einer Wunddrainage, aus Biopsiematerial oder Hautgeschabsel diagnostiziert. Histopathologische Untersuchung von Biopsiematerial. Die dunklen Hyphen sind gut in ungefärbten und H&E-gefärbten Schnitten zu erkennen. PAS-Färbung und Grocott-GomorriVersilberung können die dunkle Eigenfarbe der Myzelien verdecken. Kultur. Im Gegensatz zur Cryptococcose finden sich bei der zerebralen Phaeohyphomykose keine Erreger im Liquor. Auch die Kultur anderer Körperflüssigkeiten, inkl. Sputum, führte nicht zur Isolierung der Erreger. Eiter, Biopsie- und Wunddrainagen-Material wird auf SabouraudGlucose-Agar bei 28°C und bei 37°C 21 Tage inkubiert. Es entwickeln sich, je nach Spezies, hefeartige oder schimmelpilzartige, in jedem Falle jedoch dunkel pigmentierte, graue, dunkel olivgraue, dunkelbraune oder nahezu schwarze Kolonien. Die Identifizierung erfolgt mikromorphologisch in Speziallaboratorien (siehe Morphologie). Serologische Teste. Es wurden keine serologischen Teste enwickelt. Phaeohyphomykose der Nasennebenhöhlen. Radikale Ethmoidektomie. Hohe Rückfallrate nach Wochen bis Monaten. Orale antimykotische Chemotherapie: Itraconazol. Subkutane Phaeohyphomykose. Die vollständige chirurgische Resektion der Läsionen ist im Allgemeinen kurativ. Im Falle einer antimykotischen Begleittherapie, z.B. zur Verhinderung einer Amputation, wird Itraconazol eingesetzt. Disseminierte Phaeohyphomykose. Itraconazol kombiniert mit Flucytosin. Organ-Phaeohyphomykose. Chirurgische Resektion, Itraconazol kombiniert mit Flucytosin. Spezifische Merkmale Das gemeinsame spezifische Merkmal der Phaeohyphomykosen sind die dunkel gefärbten Myzelien. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Einen entscheidenden Virulenzfaktor stellt das in die Zellwand eingelagerte Melanin dar, da es die Phagozytose der Phaehyphomyzeten durch Abwehrzellen des Menschen hemmt. Auch die Fähigkeit bei 37°C, und damit bei Körpertemperatur zu wachsen ist ein wichtiger Pathogenitätsfaktor. Transmission Subkutane Phaeohyphomykose. Mikrotraumata der Haut durch kontaminierte Holzsplitter und Spreißel, die in situ verbleiben müssen, um eine Infektion angehen zu lassen. Zerebrale Phaeohyphomykose. Hämatogene Aussaat bei subkutanen, oder selten pulmonalen Läsionen. Nebenhöhlen-Phaeohyphomykose. Inhalation von Konidien. 515 P Phagicola Vermehrung und Inkubationszeit Genetik Die Phaehyphomyzeten gehören zu den langsam wachsenden Pilzen, was eine sehr lange Inkubationszeit und einen langen Krankheitsverlauf von Monaten bis Jahren bedingt. Bei einer Reihe von Phaeohyphomyzeten sind Sequenzen z.B. der ribosomalen Gene bekannt. Auf deren Basis kann eine molekulare Identifizierung erfolgen. Die Accession-Numbers sind unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov abrufbar. Resistenz Im Mausmodell zeigte sich eine eingeschränkte antimykotische Wirksamkeit von Amphotericin B gegenüber Erregern von Phaeohyphomykosen des ZNS. Prävention Vermeidung von Mikrotraumata durch Holzsplitter, bzw. sofortiges Entfernen von Fremdkörpern und desinfizierende Reinigung von Wunden. Immunantwort Im Gegensatz zu anderen Mykosen spielt das TZellsystem bei der Beherrschung der Phaehyphomykose nur eine untergeordnete Rolle. Da der Immunstatus des Wirts nur in den seltensten Fällen im Zusammenhang mit der Erkrankung steht, tritt die Phaehyphomykose in erster Linie bei Personen ohne Grunderkrankung auf. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Keine Daten verfügbar. Meldepflicht Nicht meldepflichtig. Wirtsbereich Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Ca. 60 Arten von Schwärzepilzen, die als Erreger menschlicher Phaeohyphomykosen beschrieben wurden, kommen in der Umwelt vor. Es handelt sich zumeist um Bodenpilze, die als Saprophyten oder Pathogene mit Pflanzenmaterial assoziiert sind. ◗ Europa: Centraalbureau voor Schimmelcultures, PO Box 273, NL-3740 AG Baarn, The Netherlands. Phone +31-35-5481211, fax +3135-5416142, E-Mail: [email protected]. ◗ National Center of Biotechnology Information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ Risikogruppen Schlüsselliteratur Subkutane Phaeohyphomykose. Landarbeiter, die täglich Erde, Dornen, Splintern oder anderen Verletzungen erzeugenden Gegenständen ausgesetzt sind. 1. De Hoog GS, Guarro J, Gene J, Figuera MJ. 2000. Atlas of Clinical Fungi, 2nd ed. Centraalbureau voor Schimmelcultures, Utrecht. 2. De Hoog GS, Queiroz-Telles F, Haase G, FernandezZeppenfeldt G, Attili-Angelis D, Gerrits Van Den Ende AH, Matos T, Peltroche-Llacsahuanga H, Pizzirani-Kleiner AA, Rainer J, Richard-Yegres N, Vicente V, Yegres F. 2000. Black fungi: clinical and pathogenic approaches. Med Mycol. 38 Suppl 1: 243–50. 3. Tintelnot K. 1997. Therapie von Infektionen durch Schwärzepilze. Mycoses. 40 Suppl 1: 91–6. 4. Kwon-Chung KJ, Bennett JE. 1992. Medical Mycology, 2nd ed. Chapter 23: Phaeohyphomycosis, pp. 620–677. Lea & Febiger, Philadelphia, London. Zerebrale Phaeohyphomykose. Betroffen waren überwiegend Personen zwischen 20 und 40 Jahren, Männer dreimal häufiger als Frauen. Es ist kein Muster von Grunderkrankungen oder beruflichen Prädispositionen zu erkennen. Nebenhöhlen-Phaeohyphomykose. Landbevölkerung. Epidemiologie Phagicola Die Phaeohyphomykose kommt weltweit vor. Die häufigste Form, die Verletzungsmykose der Haut, tritt vorwiegend in tropischen und subtropischen Klimazonen auf. In Deutschland gehört die Infektion durch Schwärzepilze zu den seltenen Mykosen. Darmegel 516 Phaneropsolus Darmegel Piedraia hortae Piedraia hortae hen und schwarzbraun gefärbt sind. Davon unterschieden wird die Weiße Piedra (Erreger: Trichosporon beigelii). Erregerbezeichnung Piedraia hortae (Brumpt) Fonseca et Arêa Leão, 1928 (Außereuropäischer Pilz mit Ascosporen), Erreger der Schwarzen Piedra. Synonym Differenzialdiagnose Klinisch. Abgrenzung von Weißer Piedra. Ferner Verwechslung mit Eiern der Kopflaus (Pediculus capitis) durch Anlegen eines KOH-Präparates. Piedraia malayi Green & Mankikar, 1950 Labordiagnostik Morphologie P. hortae ist ein langsam wachsender Pilz. Kolonie. Oberseite: Grau-schwarz oder grün, später tiefschwarz, unregelmäßig, zunächst feucht, später mit grauem Luftmyzel bedeckt, Thallus steinhart. Unterseite: Dunkelbraunes bis schwarzes Pigment diffundiert weit in den Nährboden. Mikromorphologie der Kulturform. Es werden lediglich Hyphen in unterschiedlicher Breite gebildet, die in Arthrosporen zerfallen. Alle Pilzzellen sind dickwandig. Taxonomie Abteilung: Klasse: Ordnung: Familie: Gattung: Spezies: Ascomycota Euascomycetes Dothideales Piedraiaceae Piedraia Anamorph: Unbekannt. Teleomorph: Piedraia hortae (vormals Piedraia hortai) Die Diagnostik basiert auf dem mikroskopischen und kulturellen Pilznachweis. Mikroskopische Untersuchung. Befallene Haare in einem Haarquetschpräparat mit KOH: Die Oberfläche der schwarzen Knötchen erscheint wie ein pflanzliches Gewebe aus mosaikartig zusammengefügten Zellen. Die Knoten bestehen aus einem dichten Hyphengeflecht, in das Ascusschläuche mit je 8 spindelförmigen Ascosporen eingebettet sind. Kulturelle Anzüchtung. Aus den Knoten entwickeln sich auf speziellen festen Nährböden langsam kleine Kolonien. Bebrütung bei 25°C bis zu 3 Wochen. Differenzierung. Anhand der Kolonieform und der Mikromorphologie (s.o.). P Therapie Haare abrasieren, danach Lokalbehandlung mit Azolderivaten oder 5%iger Salizylsäure. Spezifische Merkmale Historie 1911 wurde die Piedra nigra durch Horta in Brasilien als selbständige Krankheit von der Weißen Piedra abgegrenzt. Brumpt hat den Erreger der Schwarzen Piedra 1913 als Trichosporon hortai beschrieben. 1928 bezeichneten Fonseca und Arêa Leão diesen Pilz als Piedraia hortae, nachdem sie die Zugehörigkeit zu den Ascomyzeten entdeckt hatten. Erkrankungen/Symptome Die Infektion ist auf den Haarschaft begrenzt. Charakteristisch sind festsitzende, harte, irreguläre Knötchen, die aus Pilzelementen beste- Der gesamte Lebenszyklus – einschließlich der Bildung von Asci und Ascosporen – vollzieht sich auf der Oberfläche des Haarschafts. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität P. hortae ist ein autochtoner Kommensale mit keratinolytischen Fähigkeiten. Er ist apathogen. Transmission Die Kontamination mit P. hortae breitet sich vermutlich durch freigesetzte Ascosporen über kleinste Tröpfchen im Kopfhaar eines Menschen und darüber hinaus von Mensch zu Mensch aus. 517 Pityrosporum canis Vermehrung und Inkubationszeit Die Vermehrung von P. hortae erfolgt über Ascosporen. Kolonien bilden sich bei 25°C innerhalb von 3 Wochen auf den üblichen Pilznährböden. Resistenz Bei Therapie: Sensibel gegen Azolderivate. Immunantwort P. hortae löst als nicht invasiver Pilz keine Immunantwort aus. Wirtsbereich P. hortae kommt nicht in der Umwelt vor. Primärer Standort ist der Mensch. In einigen Gegenden ist auch das Fell von Primaten befallen. Risikogruppen Menschen mit glattem Haar erkranken häufiger als Menschen mit krausem Haar. Epidemiologie Die Schwarze Piedra kommt verbreitet unter den Bewohnern von feucht-warmen Klimazonen vor: in Süd- und Zentralamerika, West- und Ostindien, Südostasien und Afrika. Genetik Accession-No. der Nukleinsäuren- und Proteinsequenzen (Internal transcribed spacer- /IST-/ region, ribosomal DNA): Piedraia hortae: Kein Eintrag ◗ Institut Pasteur, Unité de Mycologie, 25 Rue du Docteur Roux, F-75015 Paris, Frankreich Expertenlaboratorium Hautklinik des Universitätsklinikums Leipzig AöR, Mykologisches Labor, Stephanstraße 11, D-04103 Leipzig Web-Adressen Finnland: Diagnosis of Fungal Infections (dermatomycosis, systemic mycosis): http://www.clinical-mycology.com/ Australien: Mycology Online: Fungi / taxonomic classification: http://www.mycology.adelaide.edu.au Niederlande: Centraalbureau voor Schimmelcultures (CBS), Utrecht: http://www.cbs.knaw.nl Deutschland: Selected sequences-uniforms resource locator (URL): http://www.ridom.hygiene.uniwuerzburg.de Persistent uniforms resource locator (PURL): http://www.purl.oclc.org/net/ridom Schlüsselliteratur 1. De Hoog GS, Guarro J, Gené J, Figueras MJ (2000) Atlas of clinical fungi, 2nd ed., Centraalbureau voor Schimmelcultures, Utrecht, The Netherlands / Universitat Rovira I Virgili, Reus, Spain. 2. Kwon-Chung KJ, Bennett JE (1992) Medical Mycology, 2nd ed., Chapter 9: Piedra, pp. 183–190. Lea & Febiger, Philadelphia, London. Prävention Für den Menschen sind Präventivmaßnahmen kaum möglich und erforderlich. Pityrosporum canis Malassezia Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Im Allgemeinen nicht notwendig. Pityrosporum orbiculare Meldepflicht Malassezia Keine. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Pityrosporum ovale Malassezia Referenzzentren für medizinisch relevante Pilze in Europa ◗ Centraalbureau voor Schimmelcultures (CBS), Padualaan 8, Utrecht, NL-3584 CT, The Netherlands 518 Plagiorchis Darmegel Plasmodium Plasmodium Erregerbezeichnung Plasmodium Synonym Malaria-Erreger Morphologie Die der mikroskopischen Betrachtung leicht zugänglichen Formen des Parasiten sind die Entwicklungsstadien des erythrozytären Zyklus. Der Parasit präsentiert sich zunächst als Ringform („Siegelring“) in den Erytrozyten mit sich dunkel färbendem Chromatin im Nukleus, einem zirkulären Zytoplasmasaum und einer blassen zentralen Nahrungsvakuole. Bei den Plasmodienarten P. vivax, P. ovale und P. malariae kann man das Heranreifen der Plasmodien über jeden 48- bzw. 72-Stunden-Zyklus bis zur Schizogonie und den dabei freigesetzten Merozoiten verfolgen, bei P. falciparum dagegen in der Regel nur die Entwicklungsstufen bis zur ca. 26. Stunde, da danach die Parasiten in die tiefen Kapillaren sequestrieren, sofern es nicht bei sehr hohen Parasitendichten zum „Überlauf“ aus den tiefen Kapillaren kommt (prognostisch ungünstiges Zeichen). Taxonomie Ordnung: Haemosporidida Gattung: Plasmodium Spezies: P. falciparum, P. vivax, P. ovale, P. malariae und Corrado Tommasi-Crudelli) zum Parasiten (Charles Louis Alphonse Laveran). Gerhardt zeigte die Übertragbarkeit des Erregers und Ronald Ross, stimuliert durch Dr. (später Sir) Patrick Manson, brachte während seiner Tätigkeit in den „Indian Medical Services“ die Moskitos ins Spiel. Giemsa beschriebt 1906 die nach ihm benannte Färbung, die bis ins molekularbiologische Zeitalter zusammen mit dem Mikroskop unersetzlich geblieben ist. Der Lebenszyklus der Malaria erscheint bis heute äußerst robust. Auch die vehementesten Versuche ihn nachhaltig zu unterbrechen, sind bisher gescheitert. Dem Vektor buchstäblich das Wasser abzugraben war nur sehr fokal erfolgreich, den Vektor chemisch zu vernichten, endete in einem Fiasko der WHO (DDT-Resistenz). Die Entwicklung neuer Medikamente zur Therapie und Chemoprophylaxe droht den Wettlauf mit der Resistenzentwicklung der Malariaerreger zu verlieren. Die schon zu Zeiten der Pharaonen beliebten Moskitonetze mit der Neuerung der Imprägnierung sind zur Hoffnung für die Ebnung des Weges der Kinder in die „Semi“-Immunität geworden. Dies um so mehr als ein Impfstoff weiter auf sich warten lässt. Erkrankungen/Symptome Symptomatik. Es gibt keine typischen Symptome der Malaria. Für praktisch-klinische Zwecke ist jeder Patient, der ein Malariagebiet innerhalb der letzten Monate (bis Jahre) besucht hat bei Fieber und „grippeartigen“ Symptomen (Kopf- und Gliederschmerzen) - auch Durchfall kommt vor – malariaverdächtig; und dies bei jeder derartigen Episode erneut. Historie Hippokrates gilt als der erste abendländische Autor, der eine klare Beschreibung des intermittierenden Fiebers der Malaria gegeben hat. Die Debatte um die Ursache dieses Fiebers bietet rückblickend ein buntes Bild. Noch im frühen 19. Jahrhundert hielten italienische Autoren die Dämpfe der pontinischen Sümpfe (mal aria = schlechte Luft) für die Verbreitung der Malaria für verantwortlich. Erst gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts nahm die Charakterisierung der „Mal-aria“ als Infektionskrankheit im Rahmen der „Koch’schen Revolution“ ihren Lauf. Der Erreger der Malaria durchlief in diesen Jahren innerhalb kurzer Zeit eine Wandlung vom Bakterium (Bacillus malariae; Edwin Klebs Häufige auffällige körperliche Untersuchungsbefunde. Zeichen der Anämie, Ikterus, vergrößerte, druckschmerzhafte Milz und Leber. Erkrankungen Für die Praxis hat sich im Hinblick auf die Therapie folgende Unterteilung bewährt: ◗ die „gutartigen“ „Tertiana“- und die „Quartana“-Malariaerkrankungen (Plasmodium vivax, Plasmodium ovale, Plasmodium malariae) ◗ die unkomplizierte Malaria tropica (Plasmodium falciparum) ◗ die komplizierte Malaria tropica (Plasmodium falciparum) 519 P Plasmodium Die klinischen Manifestationen der komplizierten Malaria sind: Bewusstseinveränderungen, Dyspnoe (azidotische Atmung), Krampfanfälle, Kreislaufversagen, Lungenödem (radiologisch), Blutungsneigung, Ikterus, Hämoglobinurie, schwere Anämie. Differenzialdiagnose Auf Grund der unspezifischen Klinik gibt es zahlreiche Differenzialdiagnosen; im Hinblick auf importierte Erkrankungen mit spezifischen Verbreitungsgebieten bzw. erhöhtem reiseassoziierten Risiko insbesondere Dengue-Fieber (Hautausschlag, Schmerzen, keine Milzvergrößerung), Typhus abdominalis, Rickettsiosen (Eschar, Hautausschlag, Lymphknoten), virale Hepatitiden, Leptospirose, bakterielle Sepsis. Labordiagnostik Spezifisch EDTA-Blut → Dicker Tropfen (Suchtest) und Blutausstrich (Identifikation der PlasmodienSpezies P. falciparum, P. vivax, P. ovale, P. malariae und Bestimmung der Parasitämie): Dicker Tropfen. Ein Bluttropfen wird auf einem Objektträger verrührt, getrocknet, hämolysiert und nach Giemsa gefärbt. Der Dicke Tropfen ist als Anreicherungsmethode (6–10-fach) wesentlich sensitiver als der Blutausstrich. Blutausstrich. Dieser wird ebenfalls nach Giemsa gefärbt. Die Form der Parasiten ist auf Grund der Fixierung gut erhalten und die Erythrozyten sind gut beurteilbar. Damit sind die Voraussetzungen für Malaria-Speziesbeurteilung und die Parasitämiebestimmung erfüllt. Bei negativem Ergebnis und fortbestehendem Verdacht Wiederholung(en) der Untersuchung. Weitere Nachweisverfahren QBC (quantitative buffy coat-Methode). Anreicherung der Parasiten im buffy coat durch Zentrifugieren in speziellen Kapillarröhrchen und Anfärbung der Parasiten-DNA mit AcridinOrange. Sensitivität mit dem Dicken Tropfen vergleichbar, das Ergebnis liegt innerhalb von Minuten vor, es ist jedoch eine teure Fluoreszenzeinrichtung und sehr viel Erfahrung erforderlich. 520 Malaria-Schnelltests. Immunochromatogaphische Nachweisverfahren von P. falciparum – histidine rich protein 2 (PfHRP-2) oder parasitenspezifischer Laktatdehydrogenase (pLDH). Die Schnelltests haben sich nicht in der Selbstdiagnose für Reisende bewährt. Im Labor oder durch den Arzt sind sie einsetzbar, wenn die Limitationen beherzigt werden: vor allem falsch negatives Ergebnis bei noch zu geringer Parasitämie, aber auch bei hohen Parasitämien (!!!). Malaria-Serologie. Hat für die Diagnose der akuten Malaria keine Bedeutung! Sie ist für epidemiologische Untersuchungen und die retrospektive Diagnostik geeignet. PCR. Diese Methode erfüllt derzeit noch nicht die Voraussetzungen, die an die Malariadiagnostik zu stellen sind, insbesondere hinsichtlich der Zeit bis das Ergebnis zur Verfügung steht. Zusätzliche Laboruntersuchungen. Hämoglobin, Leukozyten, Thrombozyten, plasmatische Blutgerinnung, Bilirubin, Transaminasen, Kreatinin, Harnstoff, Blutzucker. Für die weitere Differenzialdiagnose, insbesondere bei (noch) negativer Malariadiagnostik: Blutkulturen, Stuhlkulturen, Urinstatus und -kultur, Lumbalpunktion etc. Therapie Die Malaria ist ein medizinischer Notfall; demgemäß gestaltet sich die Therapie. Ist die Artdiagnose sicher gestellt, entspannt sich die Situation in soweit, als die durch P. vivax, P. ovale und P. malariae verursachten Erkrankungen „gutartig“ sind. Die Malaria tropica (P. falciparum) dagegen stellt entweder von Anbeginn ein intensivmedizinisches Problem dar (komplizierte Malaria tropica) oder kann sich von einem auf den anderen Moment zu einem solchen Problem entwickeln (unkomplizierte Malaria tropica). Die Therapie verfolgt zwei Ziele, die schnelle Eradikation des Parasiten (spezifische [antiparasitäre] Therapie) und die Behandlung von Komplikationen (symptomatische Therapie). Die spezifische Therapie erfordert genaue Kenntnisse über die Resistenzlage der Malariaendemiegebiete. Resistenzbestimmungen sind nicht als Routine-Laborleistungen verfüg- Plasmodium bar und würden ohnehin zu lange dauern, um therapeutisch nützlich zu sein. Therapie der „Tertiana“-Malaria (P. vivax und P. ovale) und der „Quartana“-Malaria (P. malariae). Es liegt keine Notfallsituation vor außer der Gefahr der Milzruptur als einziger, sehr selten tödlicher Komplikation dieser Malariaformen. Mittel der 1. Wahl für die Behandlung der Blutformen der nicht resistenten Erreger: Chloroquin. Bei Chloroquin-resistenten P. vivax-Infektionen Behandlung mit Chinin oder Mefloquin (resistenzgerechte Therapie siehe Abschnitt „Resistenz“). Eradikation der Leberformen (Hypnozoiten; P. vivax und P. ovale): Primaquin (Ausschluss des G6PDH-Mangels beachten!). Bei P. vivax– Infektionen aus Gebieten mit mangelnder Ansprechbarkeit auf die Primaquin-Standarddosis Therapie mit höherer Dosis. Therapie der unkomplizierten Malaria tropica (P. falciparum). Die Therapie mit Chloroquin ist nur noch in sehr wenigen Gebieten der Welt möglich. Die meisten Infektionen müssen mit Mefloquin oder Atovaquon/Proguanil behandelt werden. Chinin (oral) ist ebenfalls unter bestimmten Bedingungen (z.B. Schwangerschaft) eine Option. Halofantrin ist wegen der kardialen Risiken, der problematischen Bioverfügbarkeit und auf Grund der Tatsache, dass es gegenüber anderen Substanzen keinen Vorteil bietet, zu recht in den Hintergrund geraten. In Multiresistenzgebieten kommen die Artemisinin-Derivate zum Einsatz. Auf Grund der kurzen Halbwertszeit und Rekrudeszenzgefahr jedoch vorzugsweise in Kombination mit Lumefrantine oder Mefloquin (resistenzgerechte Therapie siehe Abschnitt „Resistenz“). Therapie der komplizierten Malaria tropica (P. falciparum). Bis auf Infektionen aus Multiresistenzgebieten ist das Mittel der Wahl nach wie vor Chinin, das parenteral, beginnend mit einer Aufsättigungsdosis („loading dose“), verabreicht wird. Dosierung und Dosierungsintervalle der Einzeldosen müssen sehr strikt eingehalten werden. Nebenwirkungen sind streng zu monitorisieren: Hypoglykämie durch Chinininduzierte Hyperinsulinämie, die die Parasiteninduzierte Hypoglykämieneigung aggraviert; Herzreizleitungsstörung (korrigierte QTc-Zeit), Hörstörung (wobei ein etwas entferntes Hören und ein Tinnitus in aller Regel einen guten Wirkspiegel signalisieren, keine Gefahr darstellen und nach Therapieende verschwinden). Je nach Resistenzlage wird zum Chinin Doxycyclin hinzugenommen oder es müssen in den Multiresistenzgebieten Artemisininderivate zum Einsatz kommen. Die Kunst der Behandlung der komplizierten Malaria liegt in der Beherrschung der mannigfaltigen Komplikationen. Vom Organversagen bedroht sind in erster Linie das ZNS (zerebrale Malaria), die Lunge (ARDS), die Niere (tubuläre Nekrose) und das Blut/Knochenmark (hämolytische Anämie/Hemmung). Die metabolische Azidose (Laktazidose) ist ein großes Problem. Auch unter optimalen intensivmedizinischen Bedingungen ist die Letalität der Malaria mit Multiorganversagen hoch. Unter bestimmten Bedingungen hilfreiche Maßnahmen sind Austauschtransfusion (klinisch sehr schwierige Entscheidung; Evidenzlage problematisch) und antikonvulsive Behandlung (zerebrale Malaria). Kontraindizierte bzw. nicht bewährte Maßnahmen sind hoch dosierte Kortikosteroide, Manitol, Heparin, Deferrioxamine, Azetylsalizylsäure, TNF-Antikörper, Pentoxifylline (TNF-Inhibitor). Spezifische Merkmale P Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Unter den humanpathogenen Plasmodien weist Plasmodium falciparum eine sehr viel vehementere Virulenz im Vergleich zu den anderen Plasmodienarten auf. Die Ursache dafür wird in der Art und Weise gesehen, in der Plasmodium falciparum die Erythrozytenoberfläche verändert. Hier wird die Verknüpfung von Virulenz und Pathogenität vermutet. Der Parasit etabliert während jedes asexuellen 48-Stunden-Zyklus Proteine auf den Erythrozytenoberflächen des Wirtes, die Voraussetzung für die beobachtete Zytoadhärenz sind. Im Verbund mit aufgeregelten Endothelzellrezeptoren kommt es zur Sequestration parasitierter Erythrozyten in den Zielorganen und zur Erythrozyten-Rosettenbildung mit den daraus resultierenden, die Pathologie antreibenden Prozessen. Die Fähigkeit des Parasiten, eine enorme Antigenvariabilität zu 521 Plasmodium entwickeln (var Gene), gerade im Bereich der für die Zytoadhäsion verantwortlich gemachten Liganden (PfEMP1), ermöglicht ihm, der Immunantwort des Wirtes zu entkommen. Auf der anderen Seite reagiert der Wirt sehr variabel auf den Parasiten (Zytokinausschüttung, Polymorphismen der Endothelrezeptorgenen, z.B. ICAM-1). Dieser Fluss der Ereignisse wird in zunehmendem Maß molekular erfasst mit einer rasant wachsenden Zahl beschriebener Rezeptoren, Liganden und Kenntnissen über die genetische Variabilität des Parasiten und des Wirtes. Der Brückenschlag zur Pathophysiologie oder gar zur Klinik der schweren Malaria lässt jedoch hartnäckig auf sich warten. Ergebnisse vorhergesagter Assoziationen, z.B. zwischen Adhäsionseigenschaften und Schweregrad der Erkrankung, enttäuschten und für die klinische Herausforderung gängiger Hypothesen (z. B. Adhäsion) fehlen bisher die testbaren Produkte (z.B. anti-adhäsive Therapeutika) und die klinischen Studien zu ihrer Erprobung. Transmission Die Malaria wird durch mehrere Anopheles-Arten übertragen. Die Übertragung findet nicht bei Temperaturen unter 16ºC, nicht über 33ºC und nicht über einer Höhe von 2000 m statt. Die meisten Anophelinen stechen abends und nachts, unterscheiden sich jedoch darin, ob sie im oder außerhalb des Hauses stechen. Übertragung durch Blut- und Blutprodukte kommt vor, ebenso über Injektionsnadeln. Die kongenital übertragene Malaria ist sehr selten. Vermehrung und Inkubationszeit Lebenszyklus. Die Sporozoiten gelangen beim Stich der weiblichen Anophelesmücke in die Blutbahn des Menschen. Innerhalb kurzer Zeit verschwinden sie in den Hepatozyten. Hier entwickeln sich Schizonten. Nach der Teilung gelangen die frei werdenden Merozoiten in die Blutbahn, wo sie in Erythrozyten eindringen. Nur bei P. vivax und P. ovale bleibt bei einigen Sporozoiten die Entwicklung in der Leber für einige Zeit arretiert (Hypnozoiten). Sie sind in der Lage nach Monaten bis Jahren einen Rückfall zu verursachen. Innerhalb der Erythrozten entwickeln sich die Parasiten von der Ringform über Trophozoiten zu Schizonten, die rupturieren und Merozoiten freisetzen. Diese dringen wiederum in neue Erythrozyten, können sich je522 doch auch zu Gametozyten entwickeln. Werden die Gametozyten von Moskitos aufgenommen, entwickeln sie sich dort erneut zu Sporozoiten. Damit ist der Zyklus geschlossen. Präpatenz-/Inkubationszeit. P. falciparum: die meisten Patienten mit importierter Malaria erkranken innerhalb der ersten 3 Monate nach Rückkehr aus einem Malariaendemiegebiet, einige jedoch erst innerhalb eines Jahres und länger. P. vivax und P. ovale: nur ca. 30 % der importierten Malariainfektionen manifestieren sich klinisch innerhalb eines Monats nach Rückkehr, 5–10% erst nach einem Jahr und länger. Auf Grund der Hypnozoiten kann ein Rückfall auch erst nach Jahren eintreten. P. malariae: Obwohl keine Hypnozoiten gebildet werden, kann diese Malariaform noch Jahrzehnte nach Erstinfektion rezidivieren. Resistenz Plasmodium falciparum. Es sind Resistenzen gegenüber zahlreichen Medikamenten vorhanden. Chloroquinresistenz trat mehr oder weniger gleichzeitig in den frühen 60iger Jahren in Südostasien und Südamerika auf, ab den 80iger Jahren in Sub-Sahara Afrika und hat sich seitdem bis zur Unbrauchbarkeit dieses wertvollen Medikamentes in den meisten Regionen der Welt ausgebreitet. Resistenzen gegenüber Pyrimethamin-Sulfonamid-Kombinationen, Amodiaquin, Mefloquin, Halofantrin, Chinin, Chinin-Doxyzyclin und Atovaquon folgten. Multiresistenzen sind ein zunehmendes und gefürchtetes Problem. Sie werden seit Jahren insbes. in den Regionen Thailand-Kambodia und Thailand-Burma beobachtet. Wahrscheinlich sind derzeit die Artemisinin-Derivate die einzigen Substanzen, gegen die noch keine Resistenzen vorliegen. Plasmodium vivax. Resistenzen gegenüber Chloroquin sind seit einigen Jahren nun auch bei P. vivax aufgetreten. Betroffen ist vor allem Ozeanien. 1989 Erstbeschreibung in PapuaNeuguinea, seitdem auch in Indonesien und Burma beobachtet, vereinzelte Fälle in Indien, Salomon-Inseln, Thailand, Guyana, Brasilien. Zunehmend auch verminderte Ansprechbarkeit gegenüber Primaquin in verschiedenen Regionen der Welt. Plasmodium Immunantwort Man unterscheidet die angeborene Resistenz bzw. „Immunität“ und die durch einmalige oder wiederholte Konfrontation mit einem Erreger erworbene Immunität. Resistenz Angeborene Resistenz. Genetische Merkmale, die sich im Laufe der Zeit als vorteilhaft, z.B. gegenüber der Infektion von Malariaerregern erwiesen haben, sind Teil der angeborenen Resistenz gegenüber Malaria-Erregern. Hierzu zählen u.a. das Hämoglobin S-Trägertum (Sichelzell-Krankheit), die Thalassämien, der G6PDHMangel oder das Fehlen der Duffy Blutgruppe. Erworbene Immunität. Trotz intensiver Forschung ist die Malaria-Immunantwort bis heute sehr unzureichend verstanden. In dem offensichtlich sehr komplexen Geschehen sind einige Segmente gut beschrieben, vor allem die CD4+ T-Zell Antwort (zytotoxische T-Zellen) auf die Leberstadien sowie Antikörper- und CD4+ TZell-Antworten auf die Blutformen des Parasiten. Es kristallisieren sich bei einigen dieser Prozesse hohe Parasitenantigen-Spezifitäten heraus, die derzeit als Zielantigen in Impfstoffkandidaten inkorporiert werden. Die praktischen Belange der Immunität im Sinne des tatsächlichen Schutzes, den ein Mensch erlangen kann, sind ebenso unvollständig verstanden und werden sehr kontrovers diskutiert. Einigkeit besteht darüber, dass der Mensch keine komplette „anti-infektiöse“ (sterilisierende) Immunität - vergleichbar etwa der gegen das Masernvirus gerichteten - erlangen kann. Ins Spiel gebracht wurde deshalb eine sog. „antidisease“ Immunität. Diese soll die Krankheitsmanifestationen modulieren, was zu der Beobachtung passt, dass Menschen, die in Endemiegebieten geboren werden und aufwachsen, mit der Zeit zwar weiterhin regelmäßig infiziert werden (was für die Aufrechterhaltung dieser Immunität offensichtlich auch erforderlich ist), jedoch keine oder nur noch milde Krankheitserscheinungen entwickeln. Es wird in diesem Zusammenhang auch von einer sog. „Semi“-Immunität gesprochen. Es dauert Jahre, bis diese solide etabliert ist. Wie diese jedoch altersabhängig gewonnen wird, inwieweit sie verloren geht und wie schnell sie zurückgewonnen werden kann, ist unklar. Wirtsbereich Plasmodien sind wirtsspezifisch. Die humanpathogenen Arten kommen nur äußerst selten auch bei anderen Primaten vor. Risikogruppen Alle in Endemiegebieten lebenden Menschen gehören hierzu, wobei in Abhängigkeit von der Übertragungssituation Kinder besonders gefährdet sind. Ebenso alle Nicht-„Semi“-Immunen, d.h. Personen, die außerhalb von Endemiegebieten geboren und aufgewachsen sind. Auf Grund der Tatsache, dass Menschen aus Endemiegebieten, die außerhalb von Endemiegebieten leben, oft (zu unrecht) als „semi“immun geschützt angesehen werden, stellen auch sie eine Riskogruppe dar. Da nicht klar ist, wie schnell die sog. „Semi“-Immunität verloren geht bzw. wieder hergestellt ist, sollten diese Menschen – um auf der sicheren Seite zu sein – bzgl. Malariaprophylaxe und -therapie wie Nicht-Immune behandelt werden. Eine besondere Risikogruppe stellen Schwangere dar. In erhöhtem Maße gefährdet sind evtl. auch Personen ohne Milz. Epidemiologie 40% der Weltbevölkerung leben in Malaria-Endemiegebieten. Die Malaria ist in den Tropen mit Ausnahme von Polynesien und Micronesien verbreitet. Plasmodium falciparum ist die führende Art in Sub-Sahara Afrika, Neu Guinea und Haiti, P. vivax in Zentralamerika, Nordafrika, Süd- und Westasien. Die epidemiologische Situation variiert in weiten Grenzen. Am einen Ende der Skala befinden sich sehr viele Länder Sub-Sahara Afrikas, in denen die meisten Menschen bereits kurz nach Geburt infiziert sind. Die Malaria-assoziierte Sterberate ist hoch in der frühen Kindheit, im Erwachsenenalter dagegen profitiert die Bevölkerung von einer erworbenen sog. „Semi“-Immunität (siehe Abschnitt „Immunantwort“). Am anderen Ende des Spektrums befinden sich Regionen mit sporadischer Malariaübertragung, z. B. Nordindien. Die Malaria tritt in Epidemien auf und trifft eine nicht immunologisch vorbereitete Bevölkerung. Die Sterberate ist 523 P Plasmodium während dieser Epidemien in allen Altersklassen hoch. Die Inzidenz klinischer Malariaepisoden pro Jahr wird auf 500 Millionen geschätzt, die Sterberate auf über 2 Millionen. Schwere Erkrankungen, Tod und Folgeschäden gehen praktisch ausschließlich auf die Rechnung von Plasmodium falciparum. Reisende aus Nicht-Endemiegebieten sind sehr vulnerabel und auf wirksame Präventivmaßnahmen angewiesen. In den letzten Jahren werden in Deutschland jährlich um 1000 importierte Malariafälle registriert. Die wahre Zahl liegt wahrscheinlich doppelt so hoch. Die Sterberate beträgt 15–20 Personen pro Jahr, allesamt durch rigorose Prävention und sachgerechte Therapie vermeidbar. Genetik Innerhalb der nächsten Jahre wird das gesamte Genom von Plasmodium falciparum beschrieben sein; evtl. auch das einiger anderer Plasmodienarten. Prävention Individuelle Prävention bei Reisenden. Die Prävention der Malaria bzw. die Verhinderung von schwerer Erkrankung und Tod besteht aus einer Kombination von Einzelstrategien: 1) Aufklärung über das Risiko, 2) Reduktion der Stichrate der Überträgermücke (Repellentien, Kleidung, Mückengitter, Moskitonetze), 3) Insektizide (auch zur Imprägnierung von Moskitonetzen; Pyrethroide, Permethrin), 4) Chemoprophylaxe, 5) Notfallmedikamente zur Selbstbehandlung, 6) Aufklärung darüber, dass eine Malaria trotz optimaler Prävention (Punkte 1–5) noch Monate nach Rückkehr eintreten kann, 7) Sensibilisierung des Gesundheitssektors und Ausbildung des Personals. Die Kombination der auf Reisen zum Einsatz kommenden Strategien (Punkte 1 – 5) hängt von zahlreichen Faktoren ab, u.a. vom Übertragungsrisiko und der Resistenzlage im bereisten Gebiet, von der Dauer der Reise und persönlichen Voraussetzungen des Reisenden. Medikamente für Chemoprophylaxe und Selbsttherapie sind heute Regionen-spezifisch in vielen europäischen Ländern durch Expertenkonsens abgestimmt. Wer Reisende berät, 524 muss über den aktuellen Stand dieser Leitlinien informiert sein. Die Prävention der Malaria für die Bevölkerung in Endemiegebieten ist im Abschnitt „Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle“ dargestellt. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Folgende Strategien sind heute im Einsatz: 1) Frühdiagnose und prompte Therapie auf Haushalts-, Primärversorgungs- und Krankenhausebene, 2) persönlicher Schutz mit Insektizid-imprägnierten Moskitonetzen, 3) selektive und nachhaltige Sanierungsmaßnahmen und Sprayaktionen, 4)Frühwarnsysteme und Bekämpfung von Epidemien, 5) Chemoprophylaxe für ausgewählte Gruppen (insbes. Schwangere). Meldepflicht Malaria ist eine nicht-namentlich meldepflichtige Erkrankung nach § 7, 3 des Infektionsschutzgesetzes. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen ◗ Alle tropenmedizinische Einrichtungen sind Ansprechpartner für die Diagnostik und Therapie (siehe Adressenliste der DTG) ◗ Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit (DTG) e.V.: http://www.dtg.mwn.de ◗ http://www.rbm.who.int Schlüsselliteratur 1. Bradley D.J., Newbold C.I., Warrell D.A. (2000) Malaria In: Ledingham J.G.G., Warrell D.A. (Hrsg.) Concise Oxford Textbook of Medicine. Oxford University Press: Oxford, 1735–1750. 2. Gilles H.M., D.A. Warrell (1996) Bruce Chwatt's Essential Malariology. 3. Aufl. Edward Arnold: London 3. Lang W., Löscher T. (Hrsg.) (2000) Tropenmedizin in Klinik und Praxis. 3. Aufl., Georg Thieme Verlag: Stuttgart 4. White NJ (1996) Malaria. In: Cook, G.C. (Hrsg.) Tropical Diseases. 20. Aufl. W.G. Saunders Comp. Ltd.: London, 1087–1164 5. World Health Organisation (2000) Severe falciparum malaria. Trans Roy Soc Trop Med Hyg 94, Supplement 1 Plesiomonas Pleistophora Microsporidia Plesiomonas Erregerbezeichnung Familie Plesiomonadaceae, Gattung Plesiomonas; die derzeit einzige bekannte, humanpathogene Spezies ist P. shigelloides. Synonym Eine frühere, längst überholte Speziesbezeichnung ist beispielsweise Pseudomonas shigelloides. Morphologie Plesiomonaden sind bewegliche, gerade geformte gramnegative Stäbchen mit 2 oder mehr Geißeln an einem der Pole. Sie sind mikroskopisch von Vibrionen und Aeromonaden in der Regel nicht zu unterscheiden. Auf Blutagar bilden sie anfangs kleine graue, durchsichtige Kolonien ohne Hämolysezone. Nach 24stündiger Bebrütung sind die Kolonien etwa 1–2 mm groß. Sie erscheinen später weißlich glatt und sind in alten Kulturen polymorph. Taxonomie Typspezies der Gattung ist Plesiomonas shigelloides Habs & Schubert 1962. Diese Spezies ist gleichzeitig die einzige Art der bisher monospezifischen Gattung. MacDonell & Colwell regten 1985 an, P. shigelloides den Enterobacteriaceae zuzuordnen. 5S rRNA-Sequenzuntersuchungen zeigten nämlich eine engere Verwandtschaft zu Angehörigen des Genus Proteus als zu Vibrionen. Um Plesiomonaden in die Familie der Enterobacteriaceae integrieren zu können, müssten allerdings wesentliche Merkmale dieser Familie neu definiert werden. Bei der medizinisch-mikrobiologischen Diagnostik ist die Abgrenzung gegenüber den Vibrionaceae aufgrund von physiologischen, ökologischen und epidemiologischen Gemeinsamkeiten jedoch von größerem Interesse. Historie Der erste Vertreter der Gattung Plesiomonas wurde 1954 von Bader als „Pseudomonas shigelloides“ beschrieben. Plesiomonas bedeutet „Nachbarmonade“ zu den gasbildenden Aeromonaden. Erkrankungen/Symptome Diarrhö und gelegentlich opportunistische Infektionen des Menschen, einzeln oder in Gruppen. Beschrieben wurden auch Fälle mit pseudomembranöser Enterokolitis. Plesiomonaden können verschiedene Toxine bilden, darunter ein choleratoxinartiges Enterotoxin, ein hitzestabiles Enterotoxin und ein eisenabhängiges Hämolysin. Infektionen erfolgen bevorzugt in wärmeren Regionen oder in der wärmeren Jahreszeit. Bei immunsupprimierten Patienten können auch lebensbedrohliche Erkrankungen wie Sepsis und Meningitis zustande kommen. Differenzialdiagnose Aeromonadaceae und Vibrionaceae Labordiagnostik Material und Transport. Wie bei Aeromonas spp. Mikroskopie. Siehe Morphologie. Kultur. Manche Isolate von Plesiomonas shigelloides vermehren sich bei Temperaturen zwischen 8° und 45°C und pH-Werten von 4,5–8,5. Die Mehrzahl der Isolate toleriert jedoch nur ein wesentlich schmaleres Temperaturspektrum. Etwa 65% der Isolate tolerieren 5% NaCl. Bei 6% NaCl-Gehalt des Kulturmediums werden jedoch alle bekannten Stämme am Wachstum gehindert. Im Gegensatz zu den Vibrionen wachsen Plesiomonaden nicht auf TCBS-Agar (Thiosulfate-Citrate-Bile-salts-Sucrose), aber auf MacConkey-Agar. Für die Anzüchtung gibt es ein Inositol-Brilliantgrün-Gallesalz-Medium und den Plesiomonas-Differenzial-Agar (nach von Graevenitz & Bucher, 1983). Differenzierung. Abzugrenzen gegen humanpathogene Vibrio spp., Aeromonas spp. und Shewanella spp. durch positive m-Inositol-Fermentation, positive Ornithin-Decarboxylase (außer Shewanella spp., A. veronii Biovar veronii), fehlende Gelatinasebildung, Empfindlichkeit für das Vibriostatikum O/129, Wachstum ohne NaCl, aber nicht mit 6% NaCl (weiteres siehe Vibrio spp.). 525 P Plesiomonas Therapie Immunantwort Plesiomonaden sind sensibel gegenüber Kombinationspräparaten mit β-Laktamase-Inhibitoren. Bei gastrointestinalen Erkrankungen stellen Tetrazykline oder Chinolone die Mittel der ersten Wahl dar. Eine antibiotische Resistenztestung der Isolate sollte unbedingt durchgeführt werden. Bisher sind keine Besonderheiten bekannt. Spezifische Merkmale Risikogruppen Plesiomonaden sind fakultativ-anaerobe, gramnegative Stäbchenbakterien, die die Enzyme Oxidase und Katalase besitzen, Nitrat reduzieren und beweglich sind. Der G & C-Gehalt beträgt 51%. Weiteres ist unter Labordiagnostik und Morphologie beschrieben. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Plesiomonaden sind ebenfalls wie einige Vibrionen in der Lage Eisen zu verwerten, was möglicherweise ein Pathogenitätsfaktor darstellt. Antigenstruktur. Ein internationales Schema für die Serotypisierung von P. shigelloides wird von einigen Wissenshaftlern als notwedig erachtet. Bisher bekannt sind 76 O- und 41 H-Antigene. Kreuzreaktionen werden beobachtet zwischen den Gruppen O11, O17, O22, O23 und Isolaten von Shigella sonnei, S. boydii, und S. dysenteriae. Transmission Durch erregerhaltiges Wasser oder damit kontaminierte Lebensmittel in warmen Ländern oder in der warmen Jahreszeit. Vermehrung und Inkubationszeit Wirtsbereich Weltweit im Darm von Fischen und an der Oberfläche von Süßwasser mit einer Temperatur von mehr als 8°C. Vorübergehend können sie auch in warmem Meerwasser überleben. An Diarrhöe und Gastroenteritis können alle Personen nach oraler Aufnahme von erregerhaltigem Wasser oder damit kontaminierten Lebensmitteln erkranken. Opportunistische Infektionen werden bei immunsupprimierten Patienten beobachtet. Ihr Verlauf ist abhängig vom Ausmaß der Immunsuppression und von der Therapie. Epidemiologie Bisher wurde lediglich von sporadisch aufgetretenen Einzel- oder Gruppeninfektionen berichtet. Infektionen können weltweit vorkommen. Genetik Bisher wurden verschiedene Genabschnitte sequenziert, wie beispielsweise jenes Gen, welches für die Eisenverwertung verantwortlich gemacht wird (Henderson und Mitarbeiter, 2001). Prävention Immunsupprimierte Menschen sollten in warmen Ländern und in der warmen Jahreszeit nur abgekochtes Wasser und ausreichend gegarte Lebensmittel zu sich nehmen. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Zu Vermehrung siehe Labordiagnostik und Morphologie. Die Inkubationszeit ist abhängig von der Art der Infektion, der Anzahl der Erreger, der Immunitätslage des Patienten sowie von der Therapie. Ausreichende Aufklärung immunsupprimierter Patienten. Bei vermehrtem Auftreten von Infektionen (beispielsweise auf Intensivstationen) ist die Suche nach der Infektionsquelle und des Infektionsweges unerlässlich zur Bekämpfung einer weiteren Ausbreitung. Resistenz Meldepflicht Plesiomonaden bilden β-Laktamase und sind gegenüber den meisten Penicillinen resistent (einschließlich Ampicillin, Ticarcillin und Carbenicillin). Unterschiedliche Reaktionsausfälle gibt es bei der Resistenztestung von Aminoglykosiden. 526 Eine Meldepflicht besteht namentlich nach Abschnitt 3, § 6 des Infektionsschutzgesetzes vom Juli 2000, bei Verdacht auf und Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn a) eine Person betroffen ist, die Pneumocystis carinii eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt, b) zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist, oder vermutet wird. Dem Gesundheitsamt ist ferner unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5, § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 und 4 Satz 3 zu erfolgen. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen 1. Konsiliarlaboratorium für bakterielle gastrointestinale Infektionen: Hygienie Institut Hamburg, Abteilung Bakteriologie, Marckmannstraße 129a, 20539 Hamburg. Ansprechpartner: Herr Prof. Dr. J. Bockemühl, Telefon: 040-42837-201/-202; Telefax: 040-42837-483. Die Leistungen umfassen Beratungen bei Fragen zur Diagnostik und Therapie. Bei diagnostischen Untersuchungen mit der Einsendung zu untersuchender Proben ist eine vorherige telefonische Absprache notwendig. 2. Konsiliarlaboratorium für gastrointestinale Infektionen: Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Klinikum der Universität Freiburg, Hermann-Herder-Str. 11, 79104 Freiburg. Ansprechpartner: Herr Prof. Dr. med. M. Kist, Telefon: 0761-203-6590; Telefax: 0761-203-6562. Die Leistungen umfassen Beratungen zur Auswahl diagnostischer Verfahren, bei der Aufklärung von Ausbrüchen gastrointestinaler Infektionen und bei FallKontroll-Studien zur Epidemiologie gastrointestinaler Infektionen. Web-Adressen http://www.rki.de/INFEKT/STECKBRF/ http://www.nobel.se/ http://www.mckinley.uiuc.edu/ http://rrna.uia.ac.be/ http://cires.colorado.edu/ http://www.sciencenet.com.au/frames/ profiles/negative/families/vibriona/family.htm http://www.cdc.gov/ncidod/dbmd/ foodborn.htm Schlüsselliteratur 1. Brandis, H., H. J. Eggers, W. Köhler, G. Pulverer (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie, 7. Auflage, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, 1994. 2. Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H. Schleifer (Eds.) The Prokaryotes, Volume III, 2nd edition, Springer-Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, London, Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, Budapest, 1992. 3. Murray, P. R., E. J. Baron, M. A. Pfaller, F. C. Tenover, R. H. Yolken (Eds.) Manual of Clinical Microbiology, 6th edition, ASM Press, Washington, D. C., 1995. 4. Collier, L., A. Balows, M. Sussman. Vibrio, Aeromonas and Plesiomonas; Chapter 45. In: Balows, A., B. I. Duerden (Eds.) Topley & Wilson’s Microbiology and Microbial Infections. 9th edition, Vol. 2. Systematic Bacteriology. Oxford University Press, New York, 1998. 5. ICSB, Subcommittee on the taxonomy of Vibrionaceae. Minutes of the closed meeting, 19 May 1998, Atlanta, GA, USA. Int. J. Syst. Bacteriol. 49: 1945–1947, 1999. Pneumocystis carinii Erregerbezeichnung Pneumocystis carinii Synonym Keine Daten verfügbar. Morphologie Es gibt zwei bekannte Stadien des Lebenszyklus von P. carinii: 1. 5–8 µm große Zysten mit bis zu 8 Kernen und charakteristischen, intrazystischen, symmetrisch zueinander angeordneten, klammerartigen Strukturen. 2. kleinere, 2–5 µm große, pleomorphe Trophozoiten. Taxonomie Abteilung: Ascomycota Klasse: Archiascomycetes Ordnung: Pneumocystidales Familie: Pneumocystidaceae Gattung: Pneumocystis Aufgrund von ribosomalen RNA-GensequenzAnalysen wird P. carinii zu den Pilzen und nicht mehr zu den Protozoen gerechnet. P. cariniiIsolate tierischer und menschlicher Herkunft unterscheiden sich, beim Menschen kommt P. carinii f. sp. hominis vor. Historie Pneumocystis carinii wurde erstmals 1909 von C. Chagas beschrieben, der den Erreger für ein 527 P Pneumocystis carinii Trypanosom hielt. Delanoe und Delanoe berichteten 3 Jahre später, dass es sich bei dem fraglichen Erreger nicht um Trypanosomen handelt, und nannten ihn Pneumocystis. In den 1920er bis 1950er Jahren wurden diverse Ausbrüche von interstitiellen, plasmazellulären Pneumonien in Einrichtungen mit immungeschwächten Kindern berichtet. Vanek und Jirovec beschrieben 1952 P. carinii als Ursache dieser Pneumonie. Seit den 1980er Jahren wird P. carinii als häufigster opportunistischer Erreger von Pneumonien bei AIDS-Patienten gesehen. Erkrankungen/Symptome Erkrankungen: Interstitielle, plasmazelluläre Säuglings-Pneumonie; interstitielle Pneumonie bei schwer immunsupprimierten Patienten (v.a. AIDS-Patienten); extrapulmonale Pneumocystose (Lymphknoten, Milz, Leber, Knochenmark, Gastro-Intestinaltrakt, Auge, Schilddrüse, Nieren). Symptome: zunehmende Dyspnoe, trockener Husten, Fieber, Tachypnoe, Tachykardie; im Röntgen-Thorax: bilaterale, diffuse, interstitielle Infiltrate. Differenzialdiagnose Atypische Pneumonien durch bakterielle Erreger wie Chlamydia pneumoniae, Mycoplasma pneumoniae, Legionella pneumophila; Viruspneumonien (z.B. CMV-Pneumonie), Tuberkulose. Labordiagnostik P. carinii ist nicht auf Nährmedien kultivierbar, daher beruht die Diagnostik auf dem Direktnachweis des Erregers in der Lunge. Als Untersuchungsmaterial am besten geeignet ist bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit einer Sensitivität von >90%; brauchbar als ScreeningMaterial ist induziertes Sputum (nach Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung gewonnen), das eine geringere Sensitivität von 50–90% aufweist; selten werden transbronchiale oder offene Lungenbiopsien durchgeführt. Zum Erregernachweis stehen verschiedene Methoden zur Verfügung: 1. Silberfärbung nach Grocott-Gomorri: Anfärbung der Zystenwand; Darstellung von Zy528 sten und deren intrazystischen charakteristischen, symmetrisch zueinander angeordneten, klammerartigen Strukturen. 2. Toluidinblau-Färbung: einfache Alternative zur Silberfärbung, aber Färbeergebnis weniger prägnant. 3. Calcofluorweiß-Färbung: Chemo-Fluoreszenzfarbstoff, Darstellung der Zystenwand 4. Giemsa-Färbung: Darstellung von Trophozoiten und intrazystischen Körperchen, keine Anfärbung der Zystenwand. 5. Spezifische Immunfluoreszenz-Färbungen auf der Basis monoklonaler Antikörper: Darstellung von Zysten human- und rattenpathogener P. carinii. 6. Nukleinsäure-Amplifikationsmethoden (PCR): seit 1990 wurden verschiedene Assays beschrieben, es gibt aber bisher keine kommerziell verfügbare Methode; die PCR kann eine sinnvolle Ergänzung zu den Färbeverfahren darstellen. Der Antikörper-Nachweis ist aufgrund der hohen Durchseuchungsrate nicht sinnvoll. Therapie Als Therapie der 1. Wahl gilt Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol), je nach Schweregrad ambulant und oral oder stationär und intravenös. Fünffache Standarddosis: 15–20mg Trimethoprim pro kg KG und 75–100mg Sulfamethoxazol pro kg KG in 3–4 Einzeldosen pro Tag für die Dauer von 14–21 Tagen. Bei schweren Fällen begleitende Steroidtherapie. 80–95% der HIV-Patienten sprechen innerhalb von 4–8 Tagen an. Alternativen sind Pentamidin-diisethionat, Dapson + Trimethoprim, Clindamycin + Primaquin oder Atovaquon. Spezifische Merkmale P. carinii ist in vitro nicht kultivierbar, im Gegensatz zu anderen Pilzen enthält die Zellwand kein Ergosterol, und der Vermehrungszyklus verläuft zweiphasig. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität P. carinii ist ein Erreger mit niedriger Virulenz. Ein Hauptantigen ist das MSG (major surface glycoprotein), das sowohl konservierte als auch spezies-spezifische Antigendeterminanten aufweist. Das MSG ist ein wichtiger Adhärenzfak- Pneumocystis carinii tor und ist durch antigenetische Variabilität gekennzeichnet. Durch die Veränderung dieses Oberflächenproteins entkommt der Erreger der Immunabwehr des Wirtes. Transmission P. carinii wird aerogen übertragen, wahrscheinlich durch Übertragung von Mensch zu Mensch. Es wurden Ausbrüche bei immunsupprimierten Patienten im Krankenhaus beschrieben. Aber auch für eine latente Infektion mit Reaktivierung bei verminderter Immunitätslage gibt es Hinweise. Eine Übertragung vom Tier auf den Menschen ist aufgrund der Wirtsspezifität des Erregers nahezu ausgeschlossen. Vermehrung und Inkubationszeit P. carinii durchläuft in der Trophozoitenform eine asexuelle Vermehrung durch Querteilung. Daneben existiert ein sexueller Vermehrungszyklus mit der Ausbildung von Zysten, in denen acht intrazystische Körperchen heranreifen. Der zeitliche Ablauf der Vermehrung ist nicht bekannt. Die genaue Inkubationszeit ist nicht bekannt. Patienten unter Corticosteroid-Therapie zeigen typischerweise 1–2 Wochen lang Symptome bis zur Diagnosestellung, bei HIV-Patienten kann die Erkrankungsdauer Wochen bis Monate betragen. Resistenz Cotrimoxazol resistente Isolate kommen bei bis zu 25% der HIV-Patienten vor. Die Resistenz gegen Sulfonamide ist durch Punktmutationen im Dihydropteroat-Synthase (DHSP)-Gen bedingt. Immunantwort Die Immunantwort auf eine Infektion mit P. carinii ist komplex und nicht genau verstanden. Die ersten Abwehrzellen nach Infektion mit P. carinii in der Lunge sind die Alveolarmakrophagen, die den Erreger phagozytieren, abtöten und dabei Zytokine freisetzen. Für die Überwindung der Infektion sind darüber hinaus CD4Zellen notwendig. Aber auch die humorale Abwehr spielt eine wichtige Rolle. Im Tiermodell konnte eine Schutzwirkung von Antikörpern gegen P. carinii, insbesondere von anti-MSGAntikörpern gezeigt werden. Wirtsbereich P. carinii lebt als Saprophyt im unteren Respirationstrakt von Menschen und Tieren wie Ratten, Mäusen, Kaninchen, Frettchen, Schweinen, Pferden und Affen. Ein Reservoir in der unbelebten Natur wurde bislang nicht gefunden. Risikogruppen Frühgeborene, unterernährte Säuglinge, AIDSPatienten, Transplantations-Patienten, hämatologisch-onkologische Patienten unter Chemotherapie oder anderer immunsuppressiver Therapie, Patienten unter länger dauernder hochdosierter Corticosteroid-Therapie, Patienten mit schwerem Eiweißmangel. Epidemiologie P. carinii kommt bei Menschen und Tieren weltweit vor. Die primäre Exposition des Menschen gegenüber P. carinii findet frühzeitig im Leben statt: Im Alter von 3 Jahren haben die meisten Kinder Antikörper gebildet. Die Häufigkeit der P. carinii-Pneumonie bei HIV-Patienten ist in den Industrienationen höher als in den Entwicklungsländern, die Inzidenz der Erkrankung hat in den letzten Jahren nach Einführung der antiretroviralen Therapie abgenommen. Genetik P. carinii ist ein eukaryonter Organismus, der seit 1988 nach Sequenzanalyse des 18S rRNAGens zu den Pilzen gerechnet wird. Die am besten untersuchte Form von P. carinii, P. carinii f. sp. carinii scheint haploid zu sein und enthält ca. 8 Millionen Basenpaare, entsprechend 8,5fg DNA pro Zellkern. Das Genom verteilt sich auf 13–15 Chromosomen mit einer Länge von jeweils 300 bis 700 Kilobasenpaaren. Die Genomsequenzen der einzelnen wirtsspezifischen Formae speciales unterscheiden sich deutlich voneinander. Bisher wurden ca. zwei Dutzend Gene sequenziert; an einem Projekt mit dem Ziel der Sequenzierung des kompletten Genoms von P. carinii wird zurzeit gearbeitet. Von der humanen Form, P. carinii f. sp. hominis, sind bisher nur Teile des Genoms sequenziert und in die Datenbank aufgenommen. Für die taxonomische Einordnung wichtige Nukleinsäuresequenzen sind z.B. AF013954 (Komplette Sequenz des 5.8S ribosomalen RNA Gens), S42926 (Mitochondriale große Untereinheit des 529 P Pneumokokken rRNA-Gens); wichtige Proteinsequenzen sind AAD05579, AAD5580, AAD5581, AAD5582 (Dihydropteroat-Synthase, DHSP). Prävention Patienten mit P. carinii-Pneumonie sollten von anderen immunsupprimierten Patienten isoliert werden, um eine aerogene Übertragung von Mensch zu Mensch zu verhindern. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Die Effektivität einer Chemoprophylaxe bei HIV-Patienten ist erwiesen, und in den USA sind Richtlinien dafür aufgestellt worden. Indikationen. (1) Weniger als 200 CD4-positive Lymphozyten pro µl Blut; (2) Oropharyngeale Candidose; (3) Unerklärtes Fieber von mindestens 37,8°C über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen; (4) Früher dokumentierte P. carinii-Pneumonie; (5) Säuglinge HIV-infizierter Mütter ab dem 2. Lebensmonat bis zum Ausschluss einer HIV-Infektion bzw. bei HIVInfektion auf jeden Fall während des 1. Lebensjahres. Mittel der Wahl für die Chemoprophylaxe (Erwachsene). Täglich oder dreimal pro Woche: orale Einnahme von 160mg Trimethoprim und 800mg Sulfamethoxazol; effektiv ist auch die tägliche Einnahme von 80mg Trimethoprim und 400mg Sulfamethoxazol; Alternativ bei Unverträglichkeit: Dapson 100mg pro Tag oder Inhalation von Pentamidin 300mg einmal pro Monat. Chemoprophylaxe bei nicht HIV-Patienten sollte in den folgenden Fällen erwogen werden: (1) Primärer Immundefekt; (2) Schwerer Proteinmangel; (3) Organ-Transplantation; (4) Weniger als 200 CD4-positive Lymphozyten pro µl Blut; (5) Chemotherapie oder immunsuppressive Therapie aufgrund von Krebsleiden, Autoimmunerkrankungen oder anderer Krankheiten, insbesondere bei Corticosteroid-Therapie mit 20mg Prednison-Äquivalent länger als 1 Monat. Meldepflicht Nach dem Infektionsschutzgesetz vom 01.01.01 besteht keine Meldepflicht für die P. cariniiPneumonie. Nosokomiale Ausbrüche (≥2 Infek530 tionen) sind nichtnamentlich meldepflichtig nach § 6 IfSG. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Ein Referenzzentrum für Pneumocystis gibt es in Deutschland nicht. Web-Adressen National Center of Biotechnology Information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ University of Kentucky, Fungal Genome Project: http://biology.uky.edu/Pc Emedicine: http://www.emedicine.com/med/ topic1850.htm Schlüsselliteratur 1. Stringer JR. 1996. Pneumocystis carinii: What is it exactly? Clin Microbiol Rev 9: 489–498. 2. Wakefield AE, Stringer JR, Tamburrini E, Dei-Cas E. 1998. Genetics, metabolism and host specificity of Pneumocystis carinii. Med Mycol 36, Suppl. 1: 183–193. 3. Centers for Disease Control and Prevention. 1999. USPHS/ IDSA guidelines for the prevention of opportunistic infections in persons infected with human immunodeficiency virus. Morb Mortal Wkly Rep 48 (RR10): 1–67. 4. Mandell GL, Bennett JE, Dolin R. 2000. Mandell, Douglas, and Bennett`s Principle and Practice of Infectious Diseases, 5th ed. Chapter 260: Pneumocystis carinii, pp 2781–2795. Churchill Livingstone, Philadelphia, London. Pneumokokken Steptococcus pneumoniae Pockenviren, andere humanpathogene animalische Erregerbezeichnung Orthopockenvirus: Kuhpockenvirus Parapockenvirus: Orf Virus und Milkers Nodules Yatapockenvirus: Tanapockenvirus und Yaba Affen Tumorpockenvirus. Synonym Kuhpockenvirus: Cowpoxvirus Orf Virus: Kontagiöses pustuläre Dermatitis, Kontagiöses Ektyem Milkers Nodules: Pseudokuhpockenvirus oder Paravaccinia Pockenviren, andere humanpathogene animalische Morphologie Wie Vaccinia und Variola Virus. Parapockenviruspartikel sind etwas kleiner als Orthopockenvirionen und zeigen anstelle eines irregulären Arrangements von Oberflächentubuli ein regelmäßiges fadenförmiges Muster. Taxonomie Genera Orthopoxvirus, Parapoxvirus und Yatapoxvirus in der Familie Poxviridae und der Unterfamilie Chordopoxvirinae (Wirbeltierpocken). Historie Das Kuhpockenvirus ist seit hunderten von Jahren als Verursacher ulzerierender Läsionen an den Zitzen infizierter Kühe bekannt. Die Erkrankung von Kühen ist jedoch eher selten. Melker, die sich mit Kuhpockenvirus infiziert hatten, waren gegen die durch Variola verursachten Pocken des Menschen immun. Diese Beobachtung führte zur Einführung der Vakzination durch Jenner. Orf ist ein altes anglosächisches Wort und bedeutet Schorf. Die Läsionen von Pseudokuhpockenvirus wurden von Jenner als gelegentlich aberrante Form der Kuhpocken erkannt, die nicht zur Impfung gegen Variola taugen. Das Orf Virus verursacht Hautläsionen bei Schafen und Ziegen, und kann von dort auf den Menschen übertragen werden. Milkers Nodules entstehen durch Infektion des Menschen mit Pseudokuhpockenvirus an den Zitzen infizierter Kühe. Tanapockenvirus wurde zuerst als fiebrige Erkrankung mit pockenähnlichen, lokalisierten Hautläsionen in Patienten vom Stromland des Tana Flusses in Kenya beschrieben. Das Virus war endemisch in dieser Gegend bis 1981. Fälle wurden auch im intensiv WHO überwachten Zaire beobachtet. Dasselbe Virus unter den Namen Yaba ähnliche Erkrankung, Yaba verwandte Erkrankung und Oregon „1211“ Pockenvirus war der Erreger der Epizoonosen in Rhesus Makaken in drei Primatenzentren der USA im Jahre 1966. In jedem dieser Ausbrüche wurden einige der Tierpfleger offenbar durch Abrasionen an ihrer Haut infiziert. Das Yaba Affen Tumorvirus wurde zuerst von subkutanen Tumoren in einer Kolonie von Rhesusaffen in Nigeria isoliert. Nach subkutaner Injektion verursacht es Histiozytome der Haut bei Affen und Menschen. Infektionen von Menschen im freien Feld wurden nicht beobachtet. Erkrankungen/Symptome Kuhpockenvirus verursacht eine oder mehrere lokalisierte Läsionen an der Inokulationsstelle, Daumen, Zeigefinger Vorderarm oder Gesicht. Die Läsion ähnelt einer primären Vaccinia Inokulation, mit einem vesikulären, pustulären und einem Borkenstadium. Lymphangitis, Lymphadenitis und Fieber persistieren für mehrere Tage. Bei Kindern ist das Erscheinungsbild manchmal schwerer mit starken lokalen Ödemen und Post-Kuhpocken Enzephalitis wurde beschrieben. Orf Infektion beim Menschen und Milkers Nodules sind Berufskrankheiten, erworben durch Kontakt mit infizierten Schafen oder Kühen. Die Infektion erfolgt durch Hautabrasionen. Orf Läsionen sind großknotig und die umgebende Haut ist entzündet. Subfebrile Temperaturen gehen einher mit lokalen Ödemen und Schwellung der regionalen Lymphknoten. Die Läsionen sind schmerzhaft, entwickeln jedoch bald eine Borke und heilen über 4 bis 6 Wochen narbenlos ab. Orf Infektion der Augen kann zu permanenter Blindheit führen. Weitere Komplikationen sind Urtikaria, Erythema multiforme bullosum und bakterielle Superinfektion. Milkers Nodules sind kirschrote, halbrunde, feste Knoten von bis zu 2 cm Durchmesser und sind relativ schmerzlos. Juckreiz wird beschrieben, die Knoten sind gut vaskularisiert, aber ulzerieren nicht. Die Läsion besteht aus Granulationsgewebe, das über 3 bis 4 Wochen resorbiert wird. Das einzige Zeichen von Generalisierung ist das Anschwellen regionaler Lymphknoten. Tanapockenvirusläsionen sind kleine zirkuläre Maculae, die sich zu Papeln und über 7 Tage zu 1 cm weiten Areolen mit umgebender ödematöser Haut entwickeln. Lokale Lymphangitis geht einher mit subfebrilen Temperaturen, Kopfschmerz und einer ulzerierenden Nekrose der Läsionen, die üblicherweise Narben hinterlässt. Die Läsionen heilen über 6 Wochen vollständig ab. Yaba Tumorpockenviren erzeugen subkutane Histiozytome in Affen. Verabreichung von infiziertem Material subkutan in menschliche Wirte führt auch hier zu Histiozytomen. Natürliche Yaba Tumorpockeninfektionen beim Menschen sind nicht bekannt. 531 P Pockenviren, andere humanpathogene animalische Differenzialdiagnose Typische Klinik. Labordiagnostik Diagnosen der Pockenepizoonosen werden hauptsächlich durch klinische und epidemiologische Beobachtung gestellt. Eine Vorgeschichte von Kontakten mit infizierten Tieren kann durch die Demonstration pockentypischer Virionpartikel mit oder ohne äußeren Lipidmembranen und anhand der Art der tubulären Oberflächenstrukturen im Elektronenmikroskop bestätigt werden. ger die natürlichen Reservoirwirte sein könnten. Kuhpockenvirus hat einen breiten Wirtsbereich, produziert häufig Endozoonosen unter Nagern, Katzen, Kühen und gelegentlich Epizoonosen beim Menschen. Parapockenviren sind endemisch in Schaf- und Kuhherden weltweit, Yatapockenviren kommen in afrikanischen Wildtieren, vor allem Affen vor. Risikogruppen Bewohner von Endemiegebieten und Zoopfleger. Epidemiologie Nicht untersucht. Diese Gruppe der Pockenviren verursacht Erkrankungen beim Menschen via animalischer Primärwirte (Zoonose). Das Kuhpockenvirus hat ein breites Wirtsspektrum und sein größtes Tierreservoir sind wildlebende Nagern (Okapis, Ratten). Es infiziert Nager und über diese Quelle in Farmgebäuden und Zoofütterungseinrichtungen: Menschen, Kühe, große Ameisenesser, Elefanten, Rhinozerosse oder Katzen (carnivore Feliden). Trotz der traditionellen Verknüpfung von Kuhpockenvirus mit Kühen, gibt es viele Fälle ohne einen Kontakt dieser Art und domestizierte Katzen sind heute eine wichtigere Quelle der Kuhpockeninfektion. Pseudokuhpockenviren existieren in Milchherden weltweit. Die Endozoonose ist saisonal im Frühling und Herbst und Immunität ist kurzlebig. Orf ist weitverbreitet in Schafen und Ziegen, wo es borkige Knoten an den Lippen der Tiere erzeugt. Dies kann mit dem Saugen von neugeborenen Tieren interferieren und führt zu typischer Unterernährung. Immunität persistiert langfristig und in manchen Ländern wird eine Immunisierung der Tiere mit Orfborken durchgeführt. Tana und Yabapockenvirus sind endemische Erkrankungen bei afrikanischen Wildtieren, vor allem Affen, und können gelegentlich vereinzelte oder Gruppen von Hautläsionen beim Menschen erzeugen. Wirtsbereich Genetik Kuhpockenvirus infiziert sporadisch Zootiere. Katzen, Zootiere, Kühe und Menschen sind alle gelegentliche und zufällige Wirte. Der Nachweis von Kuhpockenvirus in wilden Nagern in Turkmenistan ist ein Hinweis, dass wildlebende Na- Kuhpockenvirus hat das breiteste Genspektrum aller Pockenviren. Im Rahmen von Orf Virus Genomsequenzierungen wurde ein endothelspezifischer nichtEGF verwandter Wachstumsfaktor gefunden, Therapie Symptomatisch. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Parapockenvirusläsionen haben im Gegensatz zu Orthopockenvirusläsionen einen proliferativen Charakter. Dermale Infiltration mit Monozyten und Lymphzellen ist prominent um hyperämische Kapillaren und Venulen. Parapocken- und Yatapockenviren erzeugen keine Pocken auf der Chorioallantoismembran. Parapockenviren komplementieren nichtgenetisch hitzeinaktivierte Orthopockenviren. Angehörige beider Virusgruppen wachsen gut in Zellkultur. Transmission Tier zu Mensch und sehr selten Mensch zu Mensch durch direkten Kontakt. Vermehrung und Inkubationszeit Zytoplasmatische Replikation. Keine genauen Angaben zu Inkubationszeiten. Resistenz Keine empfohlene medikamentöse Therapie. Immunantwort 532 Polioviren der für die in vivo beobachtete Endothelproliferation bei Orf Virus Infektionen verantwortlich zu machen ist. Das ‘Poxvirus Bioinformatics Centre’- http://www.poxvirus.org/ bietet eine vollständige und kommentierte Sequenzsammlung sowie andere Informationen zur Pockenvirusforschung. Prävention Keine. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Keine. Meldepflicht Keine. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Konsiliarlabor für Pockenviren: Institut für Medizinische Mikrobiologie und Epidemiologie von Infektionskrankheiten an der Ludwig-Maximilians-Universität; Veterinärstr. 13, 80538 München (Prof. Dr. O. R. Kaaden), Tel: 089/ 2180-2528, Fax: -2597) Web-Adressen Poxvirus Bioinformatics Centre: http://www.poxvirus.org/ Centers for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/ World Health Organization: http://www.who.int/en/ Schlüsselliteratur 1. Fenner, F. Pockenviren. In: Virology, Third Edition, edited by Fields, N., et. al., Raven Press, Ltd. New York, Vol. 2, (1996) 2673–2702. 2. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Polioviren Erregerbezeichnung Poliovirus Typ 1, Typ 2 und Typ 3 Synonym Humanes Poliovirus 1, 2 und 3 Morphologie Polioviren sind kleine, sphärische und unbehüllte RNA-Viren und die am besten charakterisierten Vertreter des Genus Enterovirus aus der Familie der Picornaviridae. Das Virion mit einem Molekulargewicht von 8,4×106 Da (156S, Dichte 1,34 g/ml in CsCl) besteht aus einem ikosaedrischen Kapsid (Durchmesser 30 nm) und einem einzelsträngigen RNA-Molekül (Abbildung 1). Das Kapsid ist aus 60 Protomeren aufgebaut. Jedes Protomer enthält die vier nichtglykosylierten Viruskapsidproteine VP1 (33 kDa), VP2 (30 kDa), VP3 (26 kDa) und VP4 (7,5 kDa), von denen VP4 am N-Terminus myristyliert ist. Die Röntgenstrukturanalyse zeigt, dass die Proteine VP1, VP2 und VP3 die Kapsidoberfläche bilden. VP1–VP3 weisen im Kapsid eine pseudoäquivalente Packung auf, die auch für sphärische Pflanzenviren zu finden ist. Damit scheinen Picornaviren in der Evolution sehr alte Viren zu sein. VP1 und VP3 bilden um die fünffache Symmetrieachse des Kapsids eine Grube (Canyon, 3 nm tief und 3 nm breit), in die der virusspezifische Rezeptor bindet (Canyonhypothese). Die genomische RNA (2,6×106 Da) besteht aus ca. 7440 Nukleotiden und hat am 5'Terminus ein kleines hydrophobes Protein (VPg = Virus Protein Genome Linked, 2,4 kDa) kovalent gebunden (Abbildung 2). Die virale Plus-Strang-RNA kodiert in einem einzigen offenen Leserahmen (ORF) für die o.g. Strukturproteine und zusätzlich für eine Reihe funktioneller Proteine, u.a. mit RNA-Polymerase- und Protease-Aktivität(en). Die RNA dient gleichzeitig als polycistronische mRNA und hat 5'-terminal eine nichttranslatierte Region (5'-NTR, 743 Nukleotide) und 3'-terminal eine PolyAdenosin-Region (Poly-A) mit variabler Länge (3'-NTR). In der 5'-NTR liegt mit einer ausgeprägten Sekundärstruktur der Initiationsort der Translation (Internal Ribosome Entry Site = IRES). Weiteres siehe Abschnitt: Spezifische Merkmale. Taxonomie Genus Enterovirus in der Familie der Picornaviridae mit den weiteren Genera: Rhinovirus, Cardiovirus, Aphthovirus, Hepatovirus und Parechovirus. Mit dem Seventh Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses (2000; http://life.bio2.edu/Ictv/) wurde eine neue Ein533 P Polioviren VP3 VP1 VP2 VP1 VP3 VP2 VP3 VP2 VP1 VP3 VP2 VP2 VP1 VP3 VP1 VP1 VP1 VP3 VP2 VP3 VP1 VP2 VP1 VP2 VP2 VP3 VP3 VP2 VP2 VP3 VP1 VP3 VP1 VP1 VP1 VP2 VP3 VP2 VP3 VP3 VP2 VP1 Abb. 1 Darstellung des Polioviruskapsids. Die Röntgenstrukturanalyse von Poliovirus Typ 1 durch Hogle und Mitarbeiter sowie vom verwandten humanen Rhinovirus Typ 14 durch Rossmann und Mitarbeiter (1985) zeigt die typische ikosaedrische Kapsidstruktur für die meisten Picornaviren (siehe Rueckert, 1996). Die Kapsidoberfläche besteht aus 60 Protomeren, die sich jeweils aus VP1, VP2 und VP3 zusammensetzen. Das biologische Protomer (stark umrandet) ist nicht deckungsgleich mit dem kristallographisch bestimmten Protomer (graues Dreieck). An jeder der 12 fünffachen Symmetrieachsen des Kapsids befindet sich ein Pentamer aus 5 Protomeren. Im Inneren des Viruskapsids befinden sich das kleine Kapsidprotein VP4 und 1 Molekül der viralen RNA teilung für Enteroviren vorgenommen. Dabei bleiben die 3 Serotypen von Poliovirus in einer eigenen Spezies (für die neue Taxonomie der Enteroviren siehe auch Kapitel: Coxsackieviren, Echoviren und Parechoviren sowie Enteroviren 68–71). Die Grundlage dafür waren vor allem Aminosäure-Identitäten in den Regionen P1 sowie 2C und 3CD (jeweils >70%) sowie der Wirtsbereich und die virusspezifischen Wirtszellrezeptoren. Bezogen auf das gesamte Virusgenom besteht zwischen den einzelnen Enteroviren untereinander sowie zwischen den beiden Genera Enterovirus und Rhinovirus eine RNA-Sequenzhomologie von >50%. Die Unterschiede in den Kapsidoberflächenstrukturen grenzen die Polioviren weiterhin von den anderen Enterovirusspezies ab. Basierend auf serologischer Typisierung und Homologievergleichen von RNA- und Proteinsequenzen werden die 3 Serotypen von Poliovirus unterschieden. Für jeden Serotyp existieren verschiedene Wildtypstämme, die Isolate von Patienten mit paralytischer Poliomyelitis sind (z.B. Poliovirus Typ 1: Brunhilde; Poliovirus Typ 2: Lansing; Po534 liovirus Typ 3: Leon). Für jeden Serotyp sind attenuierte Impftypstämme nach Sabin etabliert. picorna: von pico = piccolo, klein; rna = RNA, ribonucleic acidentero: von griech. enteron = Darm, Eingeweidepoliomyelitis: von griech. polios = grau; griech. myelos = Rückenmark Historie Die Poliomyelitis (Kinderlähmung) wurde als Krüppelkrankheit bereits im Altertum beschrieben. Das klinische Bild der Paralyse wurde erstmals 1840 durch Heine genau dargestellt. Nach der Beschreibung einer Poliomyelitis-Epidemie durch Medin (1887) wurde diese Krankheit auch als Heine-Medinsche Krankheit bezeichnet. Landsteiner und Popper konnten 1908 zeigen, dass es sich bei der Poliomyelitis um eine virale Erkrankung handelt. Der Nachweis gelang durch die Übertragung von paralytischer Poliomyelitis auf Affen, die mit einer gefilterten Stuhlaufschwemmung eines paralytischen Patienten inokuliert wurden. Noch für die nächsten vierzig Jahre waren Tierexperimente zum Virusnachweis notwendig. Mit der Entwicklung der Zellkulturtechnik durch Enders und Mitar- Polioviren Abb. 2 Genomorganisation von Poliovirus. Die Genomkarte zeigt die einzelsträngige virale Plus-Strang-RNA (ca. 7440 Nukleotide) mit den kodierenden Bereichen (Kästen) und den nichttranslatierten Regionen am 5´und 3´-Terminus (5´-NTR und 3´-NTR) (siehe Rueckert, 1996). An das 5´-terminale Uracil der RNA ist das kleine hydrophobe Protein VPg (Virus Protein Genome Linked, 2,4 kDa) kovalent gebunden. In der 5´-NTR (743 Nukleotide) befindet sich mit einer ausgeprägten Sekundärstruktur der Initiationsort der Translation (Internal Ribosome Entry Site = IRES). Die 3´-NTR ist polyadenyliert. Während der Proteinbiosynthese wird der kodierende Bereich der polycistronischen mRNA in ein Polyprotein übersetzt. Die Region P1 enthält die Kapsidproteine VP0 (Vorläufer von VP4 und VP2), VP3 und VP1. Die Regionen P2 und P3 enthalten funktionelle Proteine (u.a. 2A = Protease, 3B = VPg, 3C = Protease, 3D = RNA-Polymerase). Die Prozessierung der Proteine wird durch 3 Proteasen bewirkt. Protease 2A (Pfeil) setzt das Vorläuferprotein P1 für die Kapsidproteine frei. Die Protease 3C übernimmt die übrigen proteolytischen Spaltungen vor dem Zusammenbau des Virus (Assembly). Im Viruskapsid wird nach Aufnahme der viralen RNA das Vorläuferprotein VP0 in die Kapsidproteine VP2 und VP4 gespalten, wobei eine Beteiligung der RNA postuliert wird. Die anderen Enteroviren (Coxsackieviren, ECHO Viren und Enteroviren 68–71), die humanen Rhinoviren und die Cardioviren haben eine gleiche Genomorganisation, jedoch können die Längen der kodierenden und nichtkodierenden Bereiche der jeweiligen RNA voneinander abweichen. Cardioviren weisen im Polyprotein N-terminal zusätzlich eine Leader- (L-)Sequenz auf ( Cardioviren) beiter (1949) gelang erstmalig die in vitro-Propagierung von Poliovirus in einer PrimatenZellinie. Dieses war die Grundlage für die Differenzierung der Serotypen und Entwicklung von Vakzinen (weiteres siehe: Prävention). Poliovirus Typ 1 und das verwandte humane Rhinovirus Typ 14 waren die ersten humanpathogenen Viren, deren dreidimensionale Struktur durch Röntgenstrukturanalyse von den Arbeitsgruppen um Hogle und Rossmann 1985 aufgeklärt wurde. 1991 gelang Wimmer und Mitarbeitern die in vitro-Synthese von infektiösem Poliovirus mit isolierter Poliovirus-RNA in einem zellfreien Zytoplasmaextrakt nicht infizierter Zellen. Erkrankungen/Symptome Poliovirus hat im Gegensatz zu den meisten anderen Enteroviren einen begrenzten Tropismus, wobei für die Organmanifestation der Neurotropismus im Vordergrund steht. Nach fäkaloraler Übertragung vermehrt sich Poliovirus primär in den Epithelien des Pharynx, in den lymphoiden Organen (Tonsillen und Peyersche Plaques) und im Darm. Die Mehrzahl der Infektionen (90–95%) verlaufen asymptomatisch un- ter Ausbildung von neutralisierenden Antikörpern (stille Feiung). Nach der Vermehrung im Intestinaltrakt kann das Virus durch die abführenden Lymphbahnen in den Blutkreislauf gelangen und zu einer zyklischen Infektion mit Virämie sowie Ausbreitung auf die Zielorgane führen. Die mittlere Inkubationszeit beträgt 6– 20 Tage (3 Tage bis 1 Monat). Folgende Krankheitsverläufe können auftreten (siehe Tabelle 1 und Abbildung 3): Abortive Poliomyelitis (Minor Krankheit). Bei 4–8% der Poliovirus-Infizierten kommt es 6 bis 9 Tage nach der Infektion zu unspezifischen Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit, Hals- und Kopfschmerz sowie Übelkeit (Minor Krankheit). Schreitet die Infektion nicht weiter voran, spricht man von der abortiven Poliomyelitis. Nichtparalytische Poliomyelitis (Aseptische Meningitis). Infiziert Poliovirus Zellen des ZNS, kommt es zur nichtparalytischen (1–2%) oder paralytischen Poliomyelitis (0,1–1%) mit Zunahme von Liquorzellen und -protein. 3–7 Tage nach der Minor Krankheit zeigen sich bei der 535 P Polioviren Abb. 3 Krankheitsverlauf nach Poliovirus-Infektion nichtparalytischen Form Symptome einer aseptischen Meningitis mit hohem Fieber, Nackensteifigkeit, Rükkenschmerzen und Muskelspasmen. Paralytische Poliomyelitis (Major Krankheit). Schlaffe, durch spinale und/oder bulbäre Schäden bedingte Lähmungen charakterisieren die paralytische Poliomyelitis (Major Krankheit). Die bulbäre Form (aufsteigende Infektion) ist seltener als die spinale Form und hat wegen der Schädigung von zerebralen bzw. vegetativen Nervenzentren eine schlechte Prognose. Bei der spinalen Krankheit werden bestimmte motorische Funktionen bis zu einem gewissen Grade nach mehreren Monaten wiedererlangt, eine verbleibende Paralyse ist jedoch permanent. In 536 seltenen Fällen tritt eine enzephalitische Form der Poliomyelitis auf. Infolge des ausgeprägten Neurotropismus werden vornehmlich die Vorderhornzellen der Spinalganglien, aber auch die dorsalen Wurzelganglien, bestimmte Hirnstammzentren, das Zerebellum und gelegentlich auch der zerebrale motorische Kortex befallen. Die pathologischanatomischen Veränderungen in der Umgebung der Vorderhornzellen zeigen sekundär eine Entzündungsreaktion mit Infiltration von polymorphkernigen und mononukleären Zellen. Die Kerne der Ganglienzellen haben eine Chromatolyse und später eine Verklumpung des Chromatins. Der Kern schrumpft und eosinophile Körperchen erscheinen. Nach Zerstörung der Vorderhornzellen kann es in diesem Bereich zu ödematösen Exsudaten kommen. Polioviren Tabelle 1 Klinische Syndrome der Infektionen mit Polioviren (nach Pallansch and Roos, 2001) Klinische Syndrome Abortive Poliomyelitis, Minor Krankheit, uncharakteristische fieberhafte Erkrankung Nichtparalytische Poliomyelitis, Aseptische Meningitis Paralytische Poliomyelitis, Major Krankheit, Enzephalitis (selten) Postpolio-Syndrom Postpolio-Syndrom (Progressive Postpoliomyelitische Muskelatrophie, PPMA). Für eine geringe Anzahl von Patienten mit paralytischer Poliomyelitis wurde nach Jahren bis Jahrzehnten ein Fortschreiten der Paralyse mit Muskelschwund beobachtet. Die Ursache des Postpolio-Syndroms ist noch nicht vollständig aufgeklärt, scheint jedoch vor allem durch physiologische Alterungsprozesse bei den paralytischen Patienten aufzutreten, die in hohem Maße neuromuskuläre Funktionen verloren haben. Für eine persistierende Poliovirus-Infektion gibt es keine Hinweise. Differenzialdiagnose Bei den Enteroviren können neben Polioviren nahezu alle Coxsackieviren der Gruppen A und B, die meisten ECHO Viren sowie die Enteroviren 70 und 71 eine Meningitis und seltener eine Paralyse bewirken. Zur Differenzialdiagnostik siehe Kapitel: Coxsackieviren, Echoviren und Parechoviren sowie Enteroviren 68–71. Zur Differenzierung von Meningitis und Paralyse, für die andere Viren verantwortlich sein können, sind Mumpsvirus, Herpes-simplex-Viren und (seltener) andere Viren der Herpesvirusfamilie sowie das Lymphozytäre Choriomeningitis Virus in Betracht zu ziehen. Labordiagnostik Virusnachweis. Zum Routinenachweis von Polioviren eignen sich am besten Rachenabstrich oder -spülwasser, Stuhl und Liquor (bei ZNSManifestation). Blut wird wegen der kurzen Virämie i. Allg. nicht zum Virusnachweis verwendet. Für den zeitlichen Verlauf der Virusvermehrung siehe Abbildung 3. Zum Nachweis der ZNS-Beteiligung können post mortem zusätzlich Proben von Hirnstamm (speziell Pons Poliovirus Typen Typ 1, Typ 2, Typ 3 und Medulla oblongata) und Rückenmark verwendet werden. Der direkte Virusnachweis aus dem Stuhl durch Elektronenmikroskopie (Negativ-Kontrastierung) ist möglich, jedoch wegen der geringen Virusgröße problematisch. Diese Methode wird deshalb nur von wenigen Speziallaboratorien – häufig kombiniert mit der Immun-Elektronenmikroskopie – durchgeführt. Zur Virusisolierung werden Monolayer-Zellkulturen vom Menschen und Affen verwendet. Beispiele für humane Zelllinien: Primäre embryonale Hautund Lungenfibroblasten, permanente Fibroblasten (z.B. MRC-5-Zellen), permanente Amnionzellen (z.B. FL-Zellen) und transformierte Zellen (z.B. KB-, HeLa-, HEp-2-Zellen). Beispiele für Affen-Zelllinien: Primäre oder permanente Affennieren-Zellinien vor allem von Rhesusaffen und afrikanischen grünen Meerkatzen (z.B. BGM- und Vero-Zellen). Die Virusidentifizierung erfolgt im Neutralisationstest mit Antiseren bekannter Spezifität, z.B. mit 8 Hyperimmunserum-Pools nach LimBenyesch-Melnick (LBM-Antiserum-Pools, erhältlich über WHO Kopenhagen, siehe Abschnitt: Referenzzentren). Die Differenzierung zwischen Wildtyp- und Impfstämmen erfolgt durch intratypische Serodifferenzierung und Bestimmung genetischer Marker (rct-Marker, Reproduktionskapazität bei supraoptimaler Temperatur). Molekularbiologische Methoden wie die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) verbunden mit der Restriktionsfragmentanalyse (RFLP = Restriktionsfragmentlängen Polymorphismus), Hybridisierung und Sequenzierung finden immer breitere Anwendung. Wegen der hohen Sequenzhomologie der Enteroviren ist die alleinige Anwendung der PCR zur Typisierung und Differenzierung schwierig. 537 P Polioviren Antikörpernachweis. Zur Serodiagnostik werden der Neutralisationstest (NT), die Komplementbindungsreaktion (KBR) und der Enzymimmunoassay (EIA) eingesetzt. Durch den ausschließlichen Nachweis von Antikörpern gegen Epitope der Virusoberfläche erlaubt der Neutralisationstest eine Differenzierung der drei Serotypen von Poliovirus. In der KBR und im EIA werden auch Epitope im Virusinneren nachgewiesen, die häufig eine immunologische Kreuzreaktion mit anderen Enteroviren zeigen. Deshalb werden mit KBR und EIA nur gruppenspezifische Antikörper bestimmt. Zum serologischen Nachweis einer frischen PoliovirusInfektion ist entweder die Untersuchung eines Serumpaares (min. 4facher Titeranstieg im NT bei zwei Seren, die im Abstand von 7–14 Tagen gewonnen sind) oder die Bestimmung virusspezifischer Antikörper der IgM-Klasse notwendig. Therapie Eine in vivo-Therapie mit antiviralen Substanzen ist nur begrenzt möglich. Die Substanz Pleconaril zeigte in randomisierten, doppelblind und Placebo-kontrollierten Phase 3 Studien für Enterovirus-bedingte Meningitis eine Reduzierung der mittleren Infektionsdauer. In einzelnen Fällen von Vakzine-assozierter paralytischer Poliomyelitis (VAPP) führte Pleconaril zu einer schnellen kompletten Eliminierung von Poliovirus aus dem Liquor. Diese Substanz basiert auf Untersuchungen in Zellkulturen, in denen hydrophobe Substanzen (z.B. WIN-Substanzen) durch Interkalation im Viruskapsidprotein VP1 eine Kapsidstabilisierung bewirken und so zu einer Blockierung des viralen Uncoatings und/oder der Rezeptorerkennung führen. In vitro kann weiterhin die virusspezifische RNA-Synthese durch Guanidin-HCl und 2-(αHydroxybenzyl)-benzimidazol inhibiert werden. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Der Pathogenitätsmechanismus des Poliovirus ist vor allem durch seinen Zelltropismus bedingt. Der Tropismus beruht auf der Erkennung des Virus durch spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche empfänglicher Zellen. Bislang sind drei Poliovirus-spezifische Rezeptoren charakterisiert, u.a. auf Epithelzellen, auf Zellen des 538 ZNS und lymphoiden Zellen. Der Hauptrezeptor ist ein Glykoprotein, das in verschiedenen Isoformen auftritt (67–80 kDa) und zur Immunglobulin-Superfamilie gehört. Bei der Virusadsorption erkennt der Rezeptor den Canyon auf der Kapsidoberfläche, der eine Grube um die fünffache Symmetrieachse des Virus darstellt (weiteres siehe Abschnitt: Morphologie). Zellkulturuntersuchungen zeigen, dass nach Virusadsorption an den Rezeptor die Virusaufnahme in die Wirtszelle (Penetration) erfolgt. Einer der nachgewiesenen Einschleusungswege ist die Rezeptor-vermittelte Endozytose mit pHabhängiger Freisetzung der viralen RNA aus dem Viruskapsid (Uncoating). Bei der Viruseinschleusung vollzieht sich im Viruskapsid eine Konformationsänderung, wobei das Viruskapsid das interne Protein VP4 verliert, der NTerminus vom Kapsidprotein VP1 ausgestülpt wird und das Virus seine Antigenität ändert (Bildung von A-Partikeln). Nach dem Uncoating beginnt die virale Protein- und RNA-Synthese unter Ausnutzung der parentalen PlusStrang-RNA. Nach der Initiation der viralen Proteinsynthese in der IRES (Internal Ribosome Entry Site in der 5'-NTR) der polycistronischen viralen RNA wird ein Polyprotein gebildet. Das Initiationscodon AUG befindet sich in Nukleotidposition 743. Aus dem Polyprotein werden durch proteolytische Spaltung (teilweise autokatalytisch, z.B. durch Protease 2A, Abbildung 2) über verschiedene Vorläufer-Proteine die Viruskapsidproteine, virusspezifische Proteasen und RNA-Polymerase gebildet. Die Replikation der viralen RNA läuft über Minus-Strang-Kopien. Reguliert wird die virale Transkription durch ein Zusammenwirken der virusspezifischen RNA-Polymerase 3D mit viralen und zellulären Faktoren, wobei für die Initiation ausgeprägte Sekundärstrukturen in den NTRs von Bedeutung sind. Die Virusreifung (Assembly) geschieht durch Einbau eines Plus-StrangRNA-Moleküls in das Prokapsid. Der gesamte Reproduktionszyklus benötigt 6–8 Stunden. Ort der Virusreproduktion sind glatte und rauhe Membranen des endoplasmatischen Retikulums. Vakuolen im Zytoplasma der infizierten Zelle sowie Veränderungen des Zytoskeletts und der Zelloberflächenmembran treten ab 3 Stunden p.i. auf. Anschließend kommt es im Zellkern zur Kondensation des Chromatins. Nach 6–8 Stunden führt dieser starke zytopathi- Polioviren sche Effekt (CPE) zur Zelllyse und Freisetzung von bis zu 105 neusynthetisierten Viren pro Zelle. In den ersten beiden Stunden der Infektion werden zelluläre Funktionen wie Protein-, RNA- und DNA-Synthese durch das Virus abgeschaltet (Shutoff-Mechanismus). Für die Inhibition der zellulären Proteinsynthese ist die proteolytische Spaltung des zellulären Proteins p220 (eIF-4G) verantwortlich. p220 ist Bestandteil vom Cap-Binding Complex eIF-4F, der an der Initiation der zellulären Proteinsynthese beteiligt ist. Die genetische Analyse von Virusisolaten von Patienten mit paralytischer Poliomyelitis und attenuierten Impfstämmen zeigt, dass die Neurovirulenz u.a. auf eine Punktmutation im Bereich der IRES zurückzuführen ist. Dadurch wird die Sekundärstruktur dieses RNASequenzabschnitts mit Auswirkung auf die Initiation der viralen Proteinsynthese verändert. Darüber hinaus wird der Neurotropismus durch Punktmutationen im Bereich der Kapsidproteine und der RNA-Polymerase beeinflusst. Transmission Poliovirus wird hauptsächlich fäkal-oral übertragen (Abbildung 3). Schon kurz nach Infektionsbeginn kommt es zu massiver Virusreproduktion in den Darmepithelien, so dass 106 bis 109 infektiöse Viren pro Gramm Stuhl ausgeschieden werden. Die Virusausscheidung im Stuhl kann mehrere Wochen bis Monate dauern. Fäkale Kontaminationen (Finger, Gegenstände, Lebensmittel) sind die Hauptursachen für die Virusverbreitung. Wegen der primären Virusvermehrung in den Rachenepithelien wird das Virus auch respiratorisch kurz nach Infektion übertragen. Poliovirus-Infektionen sind in Ländern mit niedrigem sozioökonomischen Status besonders häufig, wobei die Übertragung durch kontaminiertes Abwasser eine wesentliche Bedeutung hat. Vermehrung und Inkubationszeit Poliovirus vermehrt sich in den Epithelien und lymphoiden Organen des Rachens und Darms und in allen Organen, in denen die Infektion zu Krankheitszeichen führt (siehe Erkrankungen/ Symptome). Die mittlere Inkubationszeit beträgt 6–20 Tage (3 Tage bis 1 Monat). Resistenz Poliovirus ist wie alle anderen Enteroviren als Voraussetzung für die Magen-Darmpassage bei niedrigem pH-Wert (<pH 3) säurestabil und gegen eine Vielzahl proteolytischer Enzyme resistent. Wegen der fehlenden Membranhülle (Envelope) ist das Virus resistent gegen lipidlösende Mittel (Äther, Chloroform und Detergenzien). Zur chemischen Inaktivierung eignen sich u.a. Formaldehyd (3%), Salzsäure (0,1 M) und halogenabspaltende Mittel (siehe aktuelle Desinfektionsmittel-Liste der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie und des Robert Koch-Instituts). Poliovirus wird bei 50 °C in einer Stunde (in Abwesenheit von Magnesiumionen) thermisch inaktiviert. Bivalente Ionen (Mg2+, Ca2+) stabilisieren das Kapsid. Virussuspensionen sind bei 4 °C Tage bis Wochen stabil und bei –20°C bis 80°C Monate bis Jahre zu lagern. Poliovirus, das in Gegenwart photoaktiver Farbstoffe (Neutralrot, Proflavin) propagiert ist, wird durch Licht inaktiviert. Immunantwort Die humorale Immunität wird durch serotypspezifische Antikörper der IgG-, IgM- und IgAKlassen bedingt, wodurch die hämatogene Virusausbreitung zu den jeweiligen Zielorganen verhindert wird (Abbildung 3). 7–10 Tage nach Poliovirus-Infektion erscheint virusspezifisches IgM und persistiert mindestens 4 Wochen (in 90% der Fälle). Einige Tage verzögert werden typspezifisches IgG und IgA gebildet, wobei das IgG für Jahre nachweisbar ist und eine dauerhafte humorale Immunität bewirkt. Antikörperproduktion im ZNS ist für Poliovirus-Infektionen mit ZNS-Beteiligung bekannt. Sekretorisches IgA wird 2–4 Wochen nach Infektion gebildet und ist im Pharynx und Dünndarm nachweisbar. Durch sekretorisches IgA wird die Virusausbreitung im Verdauungstrakt verhindert bzw. eingeschränkt. Die Beteiligung der zellulären Immunität ist bislang wenig verstanden. Wegen des Vorhandenseins diaplazentar übertragbarer Antikörper der IgG-Klasse sind Säuglinge seropositiver Mütter in den ersten Lebensmonaten gegen eine Poliovirus-Infektion geschützt. Poliovirus kann in zwei antigenen Formen auftreten, als natives oder infektiöses Virus (N= D-Antigen) und als hitzedenaturiertes oder nichtinfektiöses Virus (H- = C-Antigen). Auf 539 P Polioviren dem nativen Virus befinden sich 4 immundominante Epitope für die Erkennung von neutralisierenden Antikörpern (siehe Abschnitte: Labordiagnostik und Prävention). Eine partielle immunologische Kreuzreaktion zeigt sich für Poliovirus Typ 1 und 2. Wirtsbereich Reservoir für das Poliovirus ist ausschließlich der Mensch. Ansonsten ist Poliovirus nur für Affen pathogen, bei denen wie beim Menschen asymptomatische Infektionen vorherrschen. Direkte Virusinokulation ins Gehirn oder Rückenmark führt bei Affen zu schlaffer Lähmung. Erst nach Adaptierung kann sich Poliovirus in Mäusen vermehren. In vitro lässt sich Poliovirus auf diversen Zelllinien vom Mensch und Affen propagieren (siehe Abschnitt: Labordiagnostik). Risikogruppen Poliovirus-Infektionen sind typischerweise Infektionen von nichtimmunen Kleinkindern, weshalb die Poliomyelitis auch als Kinderlähmung bezeichnet wird. Klinisch manifeste Poliovirus-Infektionen sind bei männlichen Patienten häufiger als bei weiblichen (Verhältnis männlich : weiblich = 1,5–2,5: 1). Weiterhin ist eine Paralyse bei Erwachsenen häufiger als bei Kindern. Verstärkende Faktoren sind u.a. sehr niedriges und hohes Alter, Tonsillektomie, Behandlung mit Kortikosteroiden, Röntgenbestrahlung, Erschöpfung, Hypoxie, gleichzeitige andere Infektionserkrankungen (z.B. Erkältung) und chronische Unterernährung. Für das erhöhte Risiko nach Tonsillektomie wird postuliert, dass das Virus im Oropharynx direkt Zugang zu Nerven hat, die nach dem operativen Eingriff verletzt sind, so dass eine direkte Virusausbreitung im Gehirn mit bulbärer Paralyse die Folge ist. Epidemiologie Poliovirus-Infektionen kommen weltweit vor. In den gemäßigten Zonen findet die Mehrzahl der Infektionen im Sommer, in wärmeren Ländern das ganze Jahr über statt. Wegen des fehlenden Immunschutzes sind Kleinkinder Hauptausscheider. Nosokomiale Infektionen sind selten (siehe: Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle). Ungünstige hygienische und sozioökonomische Bedingungen 540 führen zu einem hohen Infektionsrisiko. Poliovirus-Infektionen laufen häufig gleichzeitig mit anderen Enterovirus-Infektionen (z.B. Coxsackie- und ECHO Viren), wobei die Virusreproduktion eines der Viren durch Interferenz unterdrückt sein kann. Dieses Phänomen erklärt das in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts beobachtete Paradoxon, dass vor Einführung der Polioimpfung mit Verbesserung der Hygiene klinisch manifeste Poliovirus-Infektionen verstärkt auftraten. Grund dafür war, dass Infektionen mit interferierenden Enteroviren bei verbesserten hygienischen Bedingungen seltener wurden. Vor Einführung der Polioimpfung traten Epidemien regelmäßig auf. 1988 wurden der WHO 35251 Poliomyelitis-Fälle weltweit gemeldet. Durch die intensiven Impfprogramme der WHO, die eine globale Ausrottung der Poliomyelitis zu Beginn des 21. Jahrhunderts zum Ziel haben, konnte die Zahl der PoliomyelitisFälle weltweit stark reduziert werden. Ende 2001 wurden weltweit nur noch 470 Fälle gemeldet. Durch die Impfprogramme stellt die Poliomyelitis in den westlichen Industrieländern kein Problem mehr dar, vorausgesetzt, es tritt keine Impfmüdigkeit auf und nichtimmune Fernreisende schleppen kein Poliovirus ein (siehe: Prävention). Vereinzelte Ausbrüche u.a. in den Niederlanden, Kanada und den USA traten vor 1993 in Enklaven religiöser Gruppen auf, die eine Vakzination ablehnen. 1984–1985 kam es in Finnland zu 10 klinisch apparenten Poliomyelitis-Fällen (davon 9 paralytisch). Grund dafür war das Auftreten eines genetisch veränderten Wildtypvirus von Poliovirus Typ 3, gegen das der in Finnland gebräuchliche inaktivierte Impfstoff nur eine partielle Immunität bot. Im Jahr 1996 traten in Albanien, Jugoslawien und Griechenland 167 Poliomyelitis-Fälle mit 17 Todesfällen auf. Zu Beginn des Jahres 2002 verbleiben vor allem Pakistan, Indien und Nigeria die Hauptregionen, in denen es noch zu Poliovirusübertragungen kommt. Genetik Für die Genomorganisation der Polioviren siehe Abschnitt: Morphologie. Die Accession-No. der Nukleinsäure- und Proteinsequenzen sind zu finden unter: http://life.bio2.edu/Ictv/ und http://www.iah.bbsrc.ac.uk/virus/Picornaviridae/ picornavirus.htm. Polioviren Prävention Wenige Jahre nach der Etablierung der modernen Zellkulturtechniken wurden zur aktiven Impfung gegen Poliovirus-Infektionen zwei Vakzinen entwickelt: Der Formaldehyd-inaktivierte, intramuskulär applizierte Impfstoff nach Salk (inaktivierte Polio-Vakzine, IPV, 1954 eingeführt) und der Oralimpfstoff mit lebend-attenuierten Viren nach Sabin (orale Polio-Vakzine, OPV, 1962 eingeführt). Beide Impfstoffe sind trivalent (enthalten die 3 Serotypen). Während die IPV ausschließlich humorale Immunität ausbildet, induziert die OPV durch eine subklinische Infektion zusätzlich sekretorisches IgA. In sehr seltenen Fällen kann die OPV im Menschen durch Mutation Neurovirulenz erlangen. Das Risiko für die OPV ist jedoch als sehr gering einzustufen: Nach Erhebungen in den USA gibt es ca. 1 Impfzwischenfall (Vakzine-assozierte paralytische Poliomyelitis, VAPP) pro 1,2 Millionen Impfdosen. Neurovirulente Revertanten betreffen hauptsächlich die attenuierten Impfstämme der Poliovirus Typen 2 und 3. Das Risiko einer Impfkontakt-Poliomyelitis (Infektion einer nichtimmunen Kontaktperson durch eine Impfvirusvariante) liegt bei ca. 1 zu 5 Millionen Impfdosen OPV. In Deutschland wird gegenwärtig von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen nur noch mit der IPV zu impfen. Bei einer dreimaligen IPV-Impfung wird empfohlen (Stand: Juli 2001): 1. Impfung im 2. Lebensmonat; 2. Impfung im 4. Lebensmonat; 3. Impfung im 11.– 14. Lebensmonat. Zwischen dem 9. und 17. Lebensjahr sollte eine Auffrischung mit einer IPV erfolgen. Bei Polio-Ausbrüchen wird eine Riegelungsimpfung mit OPV entsprechend den Anordnungen der Gesundheitsbehörden durchgeführt. Zur Verhinderung einer Vakzine-assozierte paralytische Poliomyelitis (VAPP) gilt generell für alle Impflinge, die nicht eine Grundimmunisierung gegen Poliomyelitis erhalten haben, dass sie erst mit der IPV geimpft werden, bevor die OPV eingesetzt wird. Wegen der möglichen Interferenz mit Coxsackieviren und ECHO Viren ist eine OPV-Impfung in der warmen Jahreszeit nicht angeraten. Bei Kontakt eines Seronegativen mit einem Poliovirus-Infizierten ist die Gabe eines Immunglobulinpräparats innerhalb von 72 Stunden sinnvoll. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen sollten Poliovirus-Infizierte von anderen Patienten räumlich getrennt werden. Obwohl Poliovirus-infizierte Patienten nicht als hochkontagiös einzustufen sind, wird die räumliche Trennung wegen der Folgen einer apparenten Infektion empfohlen. Klinisches Personal sollte ausschließlich mit der IPV geimpft werden, um eine Übertragung von Impfviren durch Schmierinfektion zu verhindern. Meldepflicht Nach dem Infektionsschutzgesetz sind namentlich der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Poliomyelitis zu melden (als Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung, außer wenn traumatisch bedingt). Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Nationales Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren ◗ Prof. Dr. E. Schreier, Robert Koch-Institut, Nordufer 20, D-13353 Berlin; Tel.: 030-45472379 /-2378, Fax: 030-4547-2617, E-Mail: [email protected]. U.a. zuständig für: Anzucht und Typisierung von Enteroviren, intratypische Differenzierung von Virus-Isolaten, Feststellung der individuellen Immunität, molekularbiologische Feincharakterisierung, Führung und Abgabe von Referenzvirusstämmen. ◗ WHO Collaborating Center for Virus Reference and Research. Dr. B. F. Vestergaard, Statens Seruminstitut, Artillerivej 5, DK-2300 Kopenhagen S, Dänemark; Tel.: 0045-3268 3453, Fax: 0045-3268 3148, E-Mail: [email protected]; http://www.ssi.dk. U.a. zuständig für den Bezug von Lim-Benyesch-Melnick-AntiserumPools zur Virustypisierung. Web-Adressen The International Committee on Taxonomy of Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.goc/ICTV/ All the virology on the WWW: http://www.virology.net The big picture book of viruses: http://www. virology.net/Big_Virology/BVHomePage.html 541 P Polyomaviren The Picornavirus Homepage: http://www.iah.bbsrc.ac.uk/virus/Picornaviridae Schlüsselliteratur 1. King, A.M.Q. et al., Picornaviridae. In: Virus Taxonomy, Classification and Nomenclature of Viruses, Seventh Report of the International Committee on Taxonomy of Viruses, edited by van Regenmortel, M.H.V. et al., Academic Press, San Diego, (2000) 657–678. 2. Pallansch, M.A. and Roos, R.P., Enteroviruses: Polioviruses, Coxsackieviruses, Echoviruses and, Newer Enteroviruses. In: Fields Virology, Fourth Edition, edited by Knipe, D.M. et al., Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, Vol. 1, (2001) 723–775. 3. Racaniello, V.R., Picornaviridae: The Viruses and Their Replication. In: Fields Virology, Fourth Edition, edited by Knipe, D.M. et al., Lippincott Williams & Wilkins, Philadelphia, Vol. 1, (2001) 685–722. 4. Zeichhardt, H., Enteroviren einschließlich Hepatitis-AVirus. In: Mikrobiologische Diagnostik, herausgegeben von Burkhardt, F., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, (1992) 345–358. 5. Zeichhardt, H. and Grunert, H.-P., Enteroviruses: Polioviruses, Coxsackieviruses, Echovoriuses and Enteroviruses 68–71. In: Infectious Diseases, edited by Armstrong, D. and Cohen, J., Mosby Harcourt Publishers, London, Vol. 2, (1999) 8.3.1–8.3.12. 6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Polyomaviren Erregerbezeichnung JC und BK Virus (JCV und BKV) Synonym Keine. Morphologie Die ikosaedrischen Kapside (Durchmesser 45 nm) bestehen aus 3 viruskodierten Proteinen (VP1, VP2, VP3) und umhüllen ein zirkuläres, doppelsträngiges DNA Molekül, das mit den zellulären Histonen H2A, H2B, H3 und H4 einen Chromatin-ähnlichen Komplex bildet. Die 72 pentameren Kapsomere bestehen jeweils aus 5 Molekülen VP1 und wahrscheinlich einem Molekül VP2 oder VP3. Kalzium-Ionen werden für die Virionstabilität benötigt. Taxonomie Polyomaviren werden als Familie der Polyomaviridae klassifiziert. Die humanpathogenen Polyomaviren JC und BK (bezeichnet mit den Initialen der Patienten, von denen sie erstmals isoliert wurden) zeigen etwa 75% Sequenzho542 mologie und tragen typ- und gattungsspezifische Epitope. Die natürliche Immunantwort ist weitgehend typspezifisch. Ein Drittel der Seren von Erwachsenen enthalten Antikörper, die mit einem B-lymphotropen Polyomavirus afrikanischer grüner Meerkatzen reagieren. Ein entsprechendes Polyomavirus des Menschen wurde noch nicht isoliert. Polyomaviren sind bei Säugetieren weit verbreitet. Das Affenvirus SV40 diente als wichtiges Modell in der Tumorvirologie. Historie Zwischen 1955 und 1961 wurde SV40 unabsichtlich als Kontamination von Polioimpfstoffen auf Millionen Menschen übertragen. 1965 gelang die Darstellung von Polyomaviruspartikeln im Gehirn eines Patienten mit progressiver multifokaler Leukoenzephalopathie (PML). JCund BK-Virus wurden erstmals 1971 aus einem PML Gehirn bzw. aus dem Urin eines Transplantatempfängers isoliert. Erkrankungen/Symptome Primärinfektionen mit BKV und JCV verlaufen meist, ebenso wie Reaktivierungen, klinisch inapparent. Erkrankungen kommen in der Regel nur bei Immunkompromittierten vor. Respiratorische Erkrankungen. Primärinfektionen mit BK-Virus können bei Kleinkindern zu milden Erkrankungen des oberen Respirationstrakts führen. Zystitis. Einige Fälle von Zystitis bei anderweitig gesunden Kindern könnten auf eine BK-Virus Primärinfektion zurückzuführen sein. Man konnte Zellen mit charakteristischen zytopathogenen Effekten und Viruspartikel im Urin der Patienten nachweisen. Progressive multifokale Leukoenzephalopathie (PML). Reaktivierung von JC-Virus kann PML verursachen, eine subakut verlaufende, demyelinisierende Erkrankung des Zentralnervensystems, die fast ausschließlich bei Patienten mit Immundefekten verschiedener Ursache auftritt. Klinisch zeigen sich früh Sprach- und Sehstörungen sowie geistiger Verfall. Die Erkrankung schreitet in der Regel rasch voran, wobei es zu sensorischen Störungen, Inkontinenz, Erblindung und Lähmungen kommen Polyomaviren kann. Hirndruckzeichen und pathologische Liquorveränderungen sind nicht nachweisbar. Der Tod tritt durchschnittlich drei bis sechs Monate nach Erkrankungsbeginn ein; selten überleben Patienten für wenige Jahre. Makroskopisch erkennt man im PML Gehirn subkortikal in der weißen Gehirnsubstanz Herde mit fortgeschrittener Entmarkung und zentralen Nekrosen. Entmarkungsherde können auch im Kleinhirn und im Hirnstamm auftreten. Hämorrhagische Blasenentzündung. Sie ist wahrscheinlich auf eine Reaktivierung der persistierenden BK-Virusinfektion im Gefolge einer schweren Immunsuppression zurückzuführen. Vor allem bei Knochenmarktransplantatempfängern tritt zwei bis zwölf Wochen nach Transplantation eine hämorrhagische Blasenentzündung auf, die mehr als 7 Tage andauern kann und oft mit einer BK-Virurie einher geht. Ureterstenosen. Sowohl BK- als auch JC-Virus wurden mit Ureterstenosen als seltener und später Komplikation bei immunsupprimierten Transplantatempfängern in Verbindung gebracht. Maligne Tumoren. Es gibt keine endgültigen Beweise, dass eines der beiden Polyomaviren Krebs verursacht oder als Kofaktor agiert, obwohl die DNAs beider Viren in einer Reihe menschlicher Tumoren nachgewiesen werden konnten. So wurde JC Virus DNA in menschlichen Gehirntumoren unterschiedlicher Histologie, z.B. in Medulloblastomen, detektiert. BKVirus DNA wurde in zahlreichen Studien in verschiedenen menschlichen Tumoren unter anderem des Gehirns (wie z.B. Neuroblastom, Glioblastom, Astrozytom, Meningiom), und der Harnwege gefunden. Ähnlich unklar ist die Bedeutung des Nachweises von SV40-ähnlichen Sequenzen mittels PCR in Mesotheliomen, Ependymomen und Osteosarkomen. In den Tumoren wurden SV40 T-Antigen und in den Patientenseren SV40 T-Antigen-spezifische Antikörper identifiziert. Differenzialdiagnose Vor allem beim HIV-infizierten Patienten mit neurologischen Symptomen ist neben PML zu denken an Lymphome, Toxoplasmose und HIV Enzephalitis. Polyomavirus-infizierte Zellen im Urin können als Cytomegalovirus-infizierte Zellen oder Krebszellen fehlinterpretiert werden. Labordiagnostik Direkter Virusnachweis. Die Virusisolierung ist als Routineverfahren zu aufwändig. Die elektronenmikroskopische Darstellung von Viruspartikeln im Urin und in den Kernen von Oligodendrozyten bei PML ist möglich. Virales T-Antigen lässt sich in Paraffinschnitten von Biopsiebzw. Autopsiematerial immunhistochemisch identifizieren. Der Nachweis viraler DNA in PML Gehirnbiopsien erfolgt mittels Southern Blot Hybridisierung, in situ Hybridisierung oder PCR. Bei PML kann virale DNA auch im Liquor gefunden werden. Reaktivierung von BKV und JCV kann im Urinsediment durch den Nachweis von Virus-Antigen und DNA diagnostiziert werden. Dafür wurden sowohl Antigen-ELISAs als auch Sonden zur Nukleinsäurehybridisierung und PCR entwickelt. Serologie. Der Nachweis von virusspezifischen Antikörpern der Klasse IgM und IgG ist ohne Bedeutung wegen der hohen Durchseuchung und fehlender Titerbewegungen im Krankheitsverlauf. Während einer PML sind JCV Antikörper im Allgemeinen nicht im Liquor nachweisbar. Pathologie und Histopathologie. Symptome einer asymmetrischen, multifokalen Gehirnerkrankung ohne Hirndruckzeichen bei immunkompromittierten Patienten sprechen für PML. Computertomographie oder Magnetresonanzverfahren können die Diagnose stützen. Histologisch erkennt man im Umfeld von Entmarkungszonen vergrößerte Oligodendrocyten mit geschwollenen Kernen und Einschlusskörpern, im Zentrum Verlust von Myelin und Oligodendrogliazellen, Makrophagen und stark vergrößerte Astrozyten mit polymorphen, hyperchromatischen Kernen. Virusinfizierte Harnleiterepithelzellen im Urin sind vergrößert und zeigen große, homogene, basophile Einschlusskörper im Kern aber nicht im Zytoplasma. Therapie Bei Polyomavirus-induzierten Krankheitsbildern sollte, soweit möglich, eine immunsup543 P Polyomaviren pressive Therapie unterbrochen oder reduziert werden. Versuche zur antiviralen Chemotherapie der PML mit Basenanaloga wie Adeninarabinosid oder Zytosinarabinosid führten in wenigen Fällen zu teilweiser Remission. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität BK- und JC-Virus dringen wahrscheinlich über den Respirationstrakt in den Körper ein, vermehren sich lokal und verbreiten sich durch eine Virämie. Nach einer Replikation in Zielorganen folgt im immunkompetenten Wirt eine lebenslange, latente Persistenz in der Niere, wahrscheinlich in peripheren Blutlymphozyten und im Gehirn. Virusreaktivierung, gekennzeichnet durch massive Virusausscheidung im Urin beobachtet man vor allem bei T-Zelldefekten. Klinische Manifestationen sind das Ergebnis der Zerstörung produktiv infizierter Zellen. Im Laufe der persistierenden Infektionen kommt es zu Rearrangements in der Transkriptionskontrollregion der Genome, die den Zelltropismus und die Replikation der viralen DNA verändern können, im Falle von JCV zum Beispiel die Fähigkeit, in Zellen des zentralen Nervensystems zu wachsen. Es besteht aber keine exakte Korrelation zwischen Rearragements und PML, so dass wahrscheinlich noch weitere Wirtsfaktoren hinzukommen. Die Fähigkeit der Polyomaviren bei abortiver Infektion Nagerzellen und bestimmte menschliche Zellen onkogen zu transformieren, könnte für die Induktion von Tumoren relevant sein. Eine ausbleibende Virusreplikation verhindert die Lyse der infizierten Zellen und die kontinuierliche Expression des T-Antigens könnte zur Zelltransformation beitragen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei die Interaktion mit den zellulären Tumorsuppressorproteinen p53 und pRb (Retinoblastom). Jedoch wurden weder JCV noch BKV regelmäßig in menschlichen Tumoren nachgewiesen. Polyomaviren sind im immunkompetenten Menschen nahezu apathogen. In Fall von JCV existiert neben einem Hauptserotyp eine weitere antigene Variante, während BKV in vier Serotypen eingeteilt werden kann. Transmission Die weite Verbreitung der Polyomaviren in der Bevölkerung spricht für eine effiziente Übertra544 gung, die wahrscheinlich über den Respirationstrakt erfolgt. Die Viren werden häufig im zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft klinisch inapparent reaktiviert und im Urin ausgeschieden. Mit Hilfe der sensitiven PCR-Methode konnte BKV DNA in einem hohen Prozentsatz bei abortiven Feten nachgewiesen werden, so dass eine diaplazentare Übertragung möglich scheint. Vermehrung und Inkubationszeit BKV repliziert in menschlichen Epithelzellen, wie embryonalen Nieren-Zellen, und humanen Fibroblasten Kulturen. Zytopathogene Effekte treten oft erst nach einigen Wochen auf; der Nachweis von BKV T-Antigen erlaubt eine Diagnose in wenigen Tagen. JCV wächst am besten in Kulturen primärer fötaler menschlicher Gliazellen, die reich sind an Spongioblasten. Resistenz Polyomaviren sind resistent gegenüber Lipidlösungsmitteln und relativ resistent gegenüber Hitzeinaktivierung. Immunantwort Infizierte Personen bilden neutralisierende Antikörper gegen Polyomaviren. Im Laufe einer PML bleiben die JCV Antikörpertiter unauffällig und sind im Allgemeinen nicht im Liquor nachweisbar. Einer intakten T-Zell-vermittelten Immunität kommt besondere Bedeutung bei der Unterdrückung der Reaktivierung zu. Wirtsbereich BKV und JCV infizieren natürlicherweise nur den Menschen. Experimentelle Infektionen von Nagetieren und Neuweltprimaten führen zu verschiedenen Tumoren. Risikogruppen Ernste klinische Symptome treten praktisch ausschließlich bei Patienten mit Grunderkrankungen, insbesondere Defekten der zellvermittelten Immunität auf. Die PML liegt inzwischen bei 4% der AIDS-Patienten mit neurologischen Symptomen vor. Sie tritt als Komplikation auf bei Patienten mit Hodgkins Erkrankung, chronisch lymphatischer Leukämie, Sarkoidose, Tuberkulose, angeborenen primären Immundefekten und nach lange andauernder, iatrogener Immunsuppression. Pongola Virus Epidemiologie Konsiliarlabor for Polyomaviren Primärinfektionen mit BKV und JCV erfolgen in der Kindheit, und zwar früher mit BKV als mit JCV. Die Durchseuchungsrate von Erwachsenen für BKV liegt weltweit zwischen 80% und 100%, bei JCV zwischen 50% und 75%. Frau Dr. K. Dörries; Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg, Versbacher Str. 7, 97078 Würzburg; Tel.: 0931 / 201-3965, -3962; Fax: 0931 / 201-3934, E-Mail: [email protected] Genetik Elektronenmikroskopische Erregerdiagnostik (EM-Schnelldiagnostik) Das ca. 4700 bis 5300 Basen-Paare große, virale Genom liegt zirkulär vor. Eine 350–400 Nukleotide lange, nicht-kodierende Region enthält den Ursprungspunkt der bidirektionalen DNA Replikation und Kontrollelemente der Transkription. Frühe und späte Gene werden auf unterschiedlichen DNA Strängen kodiert und in der Kontrollregion beginnend in entgegengesetzter Richtung transkribiert. Unterschiedliches Spleißen der weitgehend überlappenden mRNA Moleküle führt in der Frühphase des Replikationszyklus zu den Proteinen T und t, die wesentlich sind für die virale Replikation und Transkription sowie für die Zelltransformation. Die spät im Replikationszyklus transkribierten mRNAs kodieren für die Strukturproteine VP1–3 und das so genannte Agnoprotein, das eine Rolle bei der Virusreifung spielt. (Accession-Nummer für JCV: J02226; Accession-Nummer für BKV: J02038) Herr Dr. H.R. Gelderblom, Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin, Tel.: 030 / 4547-2337, Fax: 030/4547-2605, E-Mail: [email protected] Web-Adressen http://www.tulane.edu/~dmsander/WWW/ 335/Papovaviruses.html The International Committee on Taxonomy of Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/ National Center of Biotechnology Information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ All the virology on the WWW: http://www.virology.net Institut für Virologie und Immunbiologie der Universität Würzburg: http://www.zv.uni-wuerzburg.de/ forschungsbericht/register/a_zpers.htm Polyomavirus –Seite der TU Darmstadt: http://biosun.bio.tu-darmstadt.de/viro/ papova/sld001.htm Schlüsselliteratur Prävention Da Polyomavirusinfektionen bei immunkompetenten Menschen in der Regel inapparent oder zumindest harmlos verlaufen, wurden keine Präventionsstrategien entwickelt. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Es wurden keine besonderen Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle entwickelt. Meldepflicht Infektionen mit JCV und BKV stellen keine meldepflichtige Erkrankung dar. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Es existiert in Deutschland kein nationales Polyomavirusreferenzzentrum. 1. Frisque, R.J. JC and BK viruses (Papovaviridae). In: Encyclopedia of Virology, 2nd Edition, Granoff, A, Webster, R.G. (eds) Academic Press, San Diego, London, Vol. 2, (1999) 876–883. 2. Cole, C.N., Shah, K.V. Polyomavirinae: The viruses and their replication., Polyomaviruses. In: Virology, 3rd Edition, Fields, B.N., Knipe, D.N., Howley, P.M. (eds) Lippincott-Raven, Philadelphia, New York, Vol. 2, (1996) 1997–2043. 3. Reploeg, M.D., Storch, G. A. and Clifford, D.B. BK Virus: A clinical review. Clinical Infectious diseases, Vol. 33, (2001) 191–202. 4. Demeter, L.M. JC, BK, and other Polyomaviruses; progressive multifocal leucoenzephalopathie. In: Principles and Practice of Infectious Diseases, 4th Edition, Mandell, G.L., Bennett, J.E., Dolin, R.(eds), Churchill Livingstone, New York, Edinburgh, London, Madrid, Melbourne, Milan, Tokio, Vol. 2, (1995) 1400–1406. 5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Pongola Virus Bunyaviren 545 P Porphyromonas Porphyromonas Erregerbezeichnung Porphyromonas Synonym Bacteroides-melaninogenicus-Gruppe Morphologie Gramnegative, obligat anaerobe, nicht sporenbildende, unbewegliche Stäbchen oder kokkoide Stäbchen mit einer Größe von 0,5– 0,8 µm×1–3,5 µm, manchmal bis zu 6 µm lang. Taxonomie Familie: Bacteroidaceae Genus: Porphyromonas Spezies: P. asacchorolytica, P. catoniae, P. circumdentaria, P. endodontalis, P. gingivalis, (ausschließlich tierpathogen: P. cangingivalis, P. canoris, P. cansulci, P. crevioricanis, P. gingivicanis, P. gulae, P. levii, P. macacae) Erkrankungen/Symptome P. assacharolytica wurde bei einer Vielzahl von Infektionen aus Blut, Amnionflüssigkeit, Nabelschnurblut, Empyemen, peritonealen und pelvinen Abszessen, Endometritis und Wunden isoliert. Meistens handelte es sich hier allerdings um Mischinfektionen ähnlich wie bei den Bacteroides-Arten. Sehr selten ist der Nachweis dieser Art bei Infektionen im Mundbereich. Im Gegensatz hierzu spielen P. endodontalis und P. gingivalis bei Infektionen der Gingiva und des Wurzelkanales im Rahmen der Periodontitis beim Erwachsenen eine herausragende Rolle. P. gingivalis wurde auch verschiedentlich im Material von extraoralen Infektionen (Appendicitis und Peritonitis) nachgewiesen. Porphyromonas spp. tierischen Ursprunges können in Zusammenhang mit Tierbissverletzungen beim Menschen isoliert werden. P. levii-ähnliche Arten wurden verschiedentlich bei Hautinfektionen und Osteomyelitisvon Diabetikern beschrieben. Differenzialdiagnose Historie Schwarzpigmentierte Bacteroides-ähnliche Bakterien wurden erstmals von Oliver und Wherry 1921 beschrieben und aufgrund der Annahme, dass dieses auf Blutagar gebildete Pigment Melanin sei, Bacteroides melaninogenicus benannt. Obwohl über 50 Jahre zahlreiche biochemisch heterogene Varianten beschrieben wurden, blieb es bei der einen Species mit verschiedenen Subspezies. Die nichtfermentierenden Unterarten wurden 1974 als B. melaninogenicus ssp. asaccharolyticus in Bergey's Manual geführt, allerdings kurz darauf in Speziesrang erhoben und schließlich 1988 durch Shah und Collins mit 3 Spezies als Genus Porphyromonas vorgeschlagen. Bis zum heutigen Tag sind eine Reihe neuer Spezies – hauptsächlich aus dem Zahnbereich von verschiedenen Tierarten – hinzugekommen, als letztes die Spezies P. [Oribaculum] catoniae. Es ist zu erwarten, dass noch weitere Spezies, vor allem aus dem veterinärmedizinischen Bereich hinzukommen werden. P. macacae ist identisch mit P. salivosa, wobei letztere Speziesbezeichnung aufgrund der Anciennität zugunsten von P. macacae aufgegeben wurde. 546 Abszess, Periodontitis, intraabdominelle Infektionen. Labordiagnostik Kolonien auf Blutagar erreichen nach 2tägiger Bebrütung bei einer optimalen Wachstumstemperatur von 37°C eine Größe von 1–3 mm. Die Kolonien sind glatt, gelegentlich rauh, glänzend, konvex und nehmen nach Bebrütung von 6–10 Tagen vom Rande her eine schwarze Verfärbung an. Die Schwärzung beruht auf der Produktion von Protohämin. Das Wachstum wird durch Proteosepepton, Trypticase und Hefeextrakt gefördert. Alle Arten sind Indol-positiv, Nitrat wird nicht zu Nitrit reduziert, ebenso werden Stärke und Eskulin nicht hydrolisiert. Die Hauptfermentationsprodukte sind n-Butyrat und Acetat, in geringerem Umfang Propionat, Isobutyrat und Isovaleriat. Das typische Enzymmuster entspricht dem von Prevotella, d.h. es sind sowohl Malat- und Glutamatdehydrogenase vorhanden, während Glukose-6phosphat- und Phosphogluconatdehydrogenase fehlen. Geringe proteolytische Aktivität. Die Speziesdifferenzierung erfolgt vor allem durch die unterschiedlichen Fermentationsendprodukte mit Hilfe der Gaschromatographie. Porphyromonas Therapie Die Antibiotikaempfindlichkeit ist vergleichbar mit der von Prevotella spp. mit außerordentlich guter Sensitivität gegenüber Metronidazol, Clindamycin, Penemen sowie allen β-Laktam/ β-Laktamase-Inhibitor-Kombinationen. P. gingivalis ist besonders empfindlich, z.B. auch gegen Penicillin, während die von Tieren stammenden Arten in 20–25% β-Laktamase-positiv sind. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Aufgrund der Tatsache, dass lediglich für P. gingivalis im Gegensatz zu P. asaccharolytica und P. endodontalis im Tierversuch generalisierte Infektionen mit hoher Letalität nachgewiesen werden konnten, beschränkte sich die Untersuchungen zu Virulenz- und Pathogenitätsfaktoren auf diese Spezies. Doch sind bis heute die Pathogenitätsmechanismen, die für die Initiierung und Ausbildung von Periodontalinfektionen verantwortlich sind, bei weitem nicht aufgeklärt. Bei diesem multifaktoriellen Geschehen scheinen vor allem Oberflächenkomponenten wie Fimbrien, Hämagglutinine, Kapselbestandteile und Lipopolysaccharide sowie eine Reihe von gewebezerstörenden Enzymen wie Kollagenasen, Proteinasen, Heparinasen und Nukleasen eine Rolle zu spielen. Transmission Die meisten Porphyromonas-assozierten Zahninfektionen sind endogenen Ursprungs, während die beim Tier vorkommenden Arten meist durch Bissverletzungen übertragen werden. Vermehrung und Inkubationszeit ren) nachgewiesen, wobei eine Reihe dieser Keimarten noch nicht genau taxonomisch eingeordnet sind. Während P. endodontalis und P. gingivalis fast ausschließlich bei Menschen mit Gingivitis bzw. Endodontitis im Subgingival- und Zahnwurzelbereich nachweisbar ist, kann P. assacharolyticus auch beim Gesunden in vielen anderen Körperregionen, wie Gehörgang, Gastrointestinaltrakt, Zervix und Genitale nachgewiesen werden. P. endodontalis und P. gingivalis kommen erst nach Ausbildung der permanenten Zähne in der Mundhöhle vor, wobei sie beim Gesunden aufgrund der sehr geringen Keimzahl selten nachweisbar sind. Risikogruppen Keine spezifischen Risikogruppen bekannt. Epidemiologie Es liegen nur in beschränktem Umfang Daten zur Epidemiologie vor. Genetik Nukleotidsequenzen ca. 311, Proteinsequenzen ca. 418, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/ query Prävention Es sind keine spezifischen Präventionsmaßnahmen bekannt. P Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Nicht bekannt. Meldepflicht Keine. Nicht bekannt. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Resistenz Konsiliarlaboratorium für anaerobe gramnegative Stäbchen, Abteilung für Medizinische Mikrobiologie, Hygieneinstitut Universität Tübingen, Silcherstr. 7, 72076 Tübingen (Herr Prof. Dr. I. B. Authenrieth, Frau Priv. Doz. Dr. med. Schumacher) Aminoglykoside und Colistin. Immunantwort Nicht bekannt. Wirtsbereich Porphyromonas-Arten werden, außer beim Menschen, bei einer Vielzahl von Tierspezies (Katzen, Hunde, Affen, Jaguare, Pferde, Schweine, Meerschweinchen und weiteren Herbivo- Web-Adressen http://www.cbs.dtu.dk/services/GenomeAtlas/ Bacteria/Porphyromonas/gingivalis/W83/ http://www.pgingivalis.org/ 547 Posadasia esteriformis Schlüsselliteratur Morphologie 1. Jousimies-Somer, H.R. (1995): Update on the taxonomy and the clinical and laboratory characteristics of pigmented anaerobic gram-negative rods. Clin. Infect. Dis. 20(Suppl.2): S187–191. 2. Paster, B.J., F.E. Dewhirst, I. Olsen, G.J. Fraser (1994): Phylogeny of Bacteroides, Prevotella, and Porphyromonas spp. and related bacteria. J. Bacteriol. 176:725–732 3. Mayrand, D., S.C. Holt (1988): Biology of asaccharolytic black-pigmented Bacteroides species. Microbiol. Rev. 52:134–152. 4. Shah, H.N., M.D. Collins (1988): Proposal for reclassification of Bacteroides asaccharolyticus, Bacteroides gingivalis, and Bacteroides endodontalis in a new genus, Porphyromonas. Int. J. Syst. Bacteriol. 38:128– 131 5. Shah, H.N.: The genus Porphyromonas. In: Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H. Schleifer (Hrsg.) The Prokaryotes. 2. Auflage, Springer Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, 1991. Strikt anaerobe, gramnegative, nicht sporenbildende, unbewegliche, pleomorphe Stäbchen mit einer Größe von 0,5–0,7 µm × 1–5 µm, filamentöse Formen können eine Länge bis zu 15 µm erreichen. Taxonomie Familie: Bacteroidaceae Genus: Prevotella Spezies: P. bivia, P. buccae, P. buccalis, P. corporis, P. dentalis, P. denticola, P. disiens, P. enoeca, P. heparinolytica, P. intermedia, P. loescheii, P. melaninogenica, P. nigrescens, P. oralis, P. oris, P. oulora, P. pallens, P. tannerae, P. veroralis. (Nur tierpathogen: P. albensis, P. brevis, P. bryantii, P. ruminicola). Historie Post-Transfusionshepatitis Non-ANon-B-Virus Ursprünglich als Untergruppe B. melaninogenicus-oralis Teil der Bacteroides-Gruppe, wurden ein Teil der o.g. Spezies 1990 von Shah und Collins in die neue Gattung Prevotella überführt. (Vgl. Historie Bacteroides). P. dentalis wurde 1986 erstmals als Mitsuokella dentalis beschriebenen und 1995 der Gattung Prevotella zugeordnet. Hepatitis C Virus Erkrankungen/Symptome Posadasia esteriformis Coccidioides immitis Powassan-Virus Flaviviren, seltene humanpathogene Poxvirus hominis Variola- und Vacciniavirus Prevotella Erregerbezeichnung Prevotella Synonym Bacteroides melaninogenicus-oralis Gruppe 548 Entsprechend ihrem normalen Standort im menschlichen Oropharynx spielen Prevotella spp. eine Rolle bei dentoalveolären bzw. periodontitischen Infektionen (eine prominente Rolle wird besonders P. intermedia zugeschrieben) sowie bei der Entstehung von Karies. Bei Aspirationspneumonien und Lungenabszessen sind ebenfalls regelmäßig Vertreter dieser Keimgruppe nachweisbar. Neben weiteren Anaerobiern der Mundflora ist eine Mitbeteiligung von P. intermedia bei schwerer Pharyngotonsillitis im Rahmen einer infektiösen Mononukleose wahrscheinlich. Die Kommensalen des weiblichen Urogenitaltraktes P. bivia und P. disiens sind mögliche Mitversursacher von Endometritis und Adnexitis. Verschiedene Prevotella-Arten sind weiterhin als Erreger von Septikämien, bei ödematöser nekrotisierender Fasziitis, sowie P. intermedia in Zusammenhang mit Katheter-assozierten oberflächlichen, eitrigen Thrombophlebitiden beschrieben. Prevotella Differenzialdiagnose Periodontitische Prozesse, Pharyngotonsillitis, Aspirationspneumonie, Endometritis, nekrotisierende Fasziitis, intraabdominelle eitrige Erkrankungen. Labordiagnostik Kolonien auf Blutagar haben nach 2tägiger Bebrütung einen Durchmesser von 1–2 mm und sind meist glattrandig, konvex, glatt und leicht glänzend. Ihre Farbe ist variabel von grau über leicht braun bis tiefschwarz. Hämolyse auf Blutagar ist variabel. Optimale Wachstumstemperatur ist 37°C, einige Stämme wachsen allerdings auch bei 25°C bzw. 45°C. Das Wachstum der meisten Arten wird in Gegenwart von 6,5% NaCl und 20% Galle gehemmt. Die meisten Arten benötigen zum Wachstum Hämin und Menadion-Zusatz (BM-Medium). Die hauptsächlichen Fermentationsprodukte sind Acetat und Succinat, sowie in geringerer Menge Isobutyrat, Isovaleriat und Laktat. An speziellen Enzymen sind vorhanden Malat- und Glutamatdehydrogenase, dagegen fehlen die beim Genus Bacteroides vorkommenden Glukose-6-phosphat- und 6-Phosphogluconatdehydrogenase. Meist Indol-negativ, Nitrat wird nicht zu Nitrit reduziert, eingeschränkte Aminosäure-Fermentation. Nichthydroxylierte und 3-hydroxylierte Fettsäuren sind nachweisbar. Die Speziesdifferenzierung erfolgt mit Hilfe von Kohlenhydratverwertungs- bzw. dem gaschromatographischen Fettsäuremuster. Therapie Die Antibiotika-Empfindlichkeit entspricht weitgehend der der Gattung Bacteroides. Hochwirksam sind Metronidazol, Peneme, Clindamycin, Cefoxitin und alle β-Laktam/β-Laktamase-Inhibitor-Kombinationen. Bei den Makroliden zeichnen sich die neueren Substanzen gegenüber dem herkömmlichen Erythromycin durch eine etwas bessere Wirksamkeit aus. Interessant ist die gerade im zahnärztlichen Bereich bedeutsame Behandlung mit lokal wirksamen Substanzen. So zeigen bestimmte ätherische Öle (Teebaumöl, Pfefferminzöl) eine deutliche antibakterielle Aktivität gegen diese oralen Bakterien. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Bislang liegen zu spezifischen Virulenzfaktoren von Prevotella spp. nur sehr wenige Untersuchungen vor, sie dürften aber den bekannten Faktoren der Bacteroides-Gruppe, wie extrazelluläre Polysaccharidkapsel, Outer-membraneProteine (OMP) und Lipopolysaccharide mit Endotoxinaktivität entsprechen. Bei P. buccae ist als spezielle Adhäsionsstruktur bzw. als äußere Schutzschichte ein so genanntes S-Layer, das aus Proteinen und Glykoproteinen aufgebaut ist, beschrieben. Weiterhin ist bei verschiedenen Prevotella- und Porphyromonas-Arten eine IgA1-Protease, der eine Funktion bei der Invasion IgA-tragender Schleimhäute zugeordnet wird, nachgewiesen. Zusammen mit F. nucleatum scheint P. intermedia eine besondere pathophysiologische Bedeutung bei der Entstehung der akuten eitrigen A-Streptokokken-bedingten Pharyngotonsillitis und der akuten eitrigen Tonsillitis im Kindesalter zu spielen. Transmission Keine speziellen Übertragungswege bekannt, da es sich in den allermeisten Fällen um endogene Infektionen handelt. Vermehrung und Inkubationszeit Nicht bekannt. P Resistenz Natürlicher Resistenz gegen Aminoglykoside und Colistin und einem Anteil von β-Laktamasebildenden Stämmen von ca. 60%. Bei genaueren Untersuchungen stellte man in letzter Zeit fest, dass wahrscheinlich alle P. melaninogenica-Stämme β-Laktamase bilden, ohne dass der genaue Anteil an Penicillin-resistenten Stämmen bestimmt werden konnte. Immunantwort Ausbildung spezifischer nicht-protektiver Antikörper bei der Infektion. Wirtsbereich Mit Ausnahme von P. ruminicola, dessen natürlicher Standort der Intestinaltrakt von Wiederkäuern ist, sowie P. bivia und P. disiens, die im weiblichen Urogenitaltrakt nachgewiesen werden, sind die übrigen Prevotella-Arten bislang 549 Prione ausschließlich im Oropharyngealbereich des Menschen isoliert worden. Die Besiedelung findet bereits beim Neugeborenen statt und ist beim Gesunden lebenslang in weitgehend gleichbleibender Keimzahl vorhanden. Einige Beobachtungen scheinen darauf hinzuweisen, dass P. nigrescens eher in der Mundhöhle des Gesunden nachzuweisen ist, während P. intermedia vorwiegend bei Patienten mit Periodontalerkrankungen auftritt. Risikogruppen Als Risikofaktor für Infektionen mit Prevotella spp. sind, neben einer wohl genetisch determinierten Disposition (Zahnerkrankungen), in erster Linie Immundefekte, Störung der physiologischen Mundflora (mangelhafte Mundhygiene, künstliche Zähne) und invasive Eingriffe mit Durchtrennung der Haut (katheterassoziierte Thrombophlebitis) und Schleimhäute anzusehen. Epidemiologie Es liegen keine größeren Untersuchungen zur speziellen Epidemiologie von Prevotella spp. vor. Web-Adressen http://www.bacterio.cict.fr/p/prevotella.html http://www.dsmz.de/bactnom/nam3812.htm http://www.dsmz.de/species/gn304035.htm http://www.bacteriamuseum.org/species/ prevotella.shtml Schlüsselliteratur 1. Jousimies-Somer, H.R. (1995): Update on the taxonomy and the clinical and laboratory characteristics of pigmented anaerobic gram-negative rods. Clin. Infect. Dis. 20(Suppl.2): S187–191. 2. Paster, B.J., F.E. Dewhirst, I. Olsen, G.J. Fraser (1994): Phylogeny of Bacteroides, Prevotella, and Porphyromonas spp. and related bacteria. J. Bacteriol. 176:725–732 3. Shah, H.N., D.M. Collins (1990): Prevotella, a new genus to include Bacteroides melaninogenicus and related species formerly classified in the genus Bacteroides. J. Clin. Microbiol. 40:205–208 4. Shah, H.N.: The genus Bacteroides and related taxa. In: Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H. Schleifer (Hrsg.) The Prokaryotes. 2. Auflage, Springer Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, 1991. Prione Erregerbezeichnung Prion Genetik Nukleotidsequenzen ca. 94, Proteinsequenzen ca. 185, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ Prävention Neben allgemeinen mundhygienischen Maßnahmen gibt es keine spezielle Prävention für Infektionen mit dieser Keimgruppe. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Nicht bekannt. Meldepflicht Keine. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Konsiliarlaboratorium für anaerobe gramnegative Stäbchen, Abteilung für Medizinische Mikrobiologie, Hygieneinstitut Universität Tübingen, Silcherstr. 7, 72076 Tübingen (Herr Prof. Dr. I. B. Authenrieth, Frau Priv. Doz. Dr. med. Schumacher) 550 Synonym Scrapie-Erreger, PrPSc, Erreger/Agens der transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE-Erreger/Agens), infektiöses Amyloid, proteinaceous infectious particle Morphologie Kleinste Form der infektiösen Einheit nicht bekannt. Nach experimenteller Aufreinigung von PrPSc aus infizierten Gehirnen ist eine FibrillenForm elektronen-mikroskopisch darstellbar (SAF, scrapie associated fibrils bzw. prion rods). In vivo im Gehirn teilweise Akkumulation von PrPSc in pathognomonischen Amyloid Plaques färberisch nachweisbar. Taxonomie Keine Daten verfügbar. Historie Die Geschichte der Prion-Erkrankungen geht über 250 Jahre zurück. Damals wurde eine Er- Prione krankung des Schafes beschrieben, die sich durch Erregbarkeit, Juckreiz, Desorientierung und schließlich Lähmung und Tod äußerte. In den letzten Jahrzehnten wurde Scrapie als Prototyp einer ganzen Reihe übertragbarer Krankheiten des Zentralnervensystems von Mensch und Tier erforscht, die als übertragbare, schwammartige Enzephalopathien (TSE) oder Prion-Erkrankungen bezeichnet werden. Der erste wichtige Fortschritt in der experimentellen Erforschung von Scrapie fand 1936 statt, als Cuillé und Chelle zeigten, dass die Krankheit durch Überimpfung von Rückenmark erkrankter Tiere auf gesunde Schafe und Ziegen übertragen werden kann. Es wurde auch bald erkannt, dass der Erreger ungewöhnliche Eigenschaften aufweist. Er ist extrem widerstandsfähig gegenüber den üblichen Desinfektions- und Sterilisations-Verfahren. Zudem kann die Inkubationszeit außergewöhnlich lange dauern (viele Jahrzehnte). Zur Abgrenzung gegenüber „klassischen“ Erregern wie Viren wurde deshalb 1982 von S.B. Prusiner die Bezeichnung „Prion“ eingeführt (aus proteinaceous infectious particle). Unabhängig von dieser Entwicklung wurde, beginnend vor etwa 80 Jahren, eine Anzahl langsam verlaufender degenerativer Krankheiten des Zentralnervensystems des Menschen beschrieben, unter anderem die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD), das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS), Kuru und jüngst die Fatale Familiäre Insomnie (FFI). Gajdusek publizierte die erste detaillierte Beschreibung von Kuru, was William Hadlow zu Spekulationen bewog, diese Krankheit könnte das menschliche Gegenstück zu Scrapie sein. Er schlug vor, Übertragungsexperimente auf Primaten durchzuführen. Dies gelang dann C. Gajdusek, der zunächst Kuru, später auch CJD und GSS auf Affen übertragen konnte. Somit war der infektiöse Charakter dieser neurodegenerativen menschlichen Erkrankungen gezeigt. Prion-Erkrankungen sind somit einzigartig, da sie in 3 Manifestationen vorkommen können: infektiös-erworben, sporadisch und familiär/genetisch. In den letzten Jahren ist vor allem in England eine neue Prion-Erkrankung der Tiere epidemieartig aufgetreten: der Rinderwahnsinn (BSE; Bovine Spongiforme Enzephalopathie). Man führt dies auf die Verfütterung von aufgearbei- teten Schlachtabfällen zurück, in denen sich Überreste prion-infizierter Tiere befanden. Es ist unklar, ob die Krankheit ursprünglich vom Schaf oder von spontan erkrankten Rindern ausging. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang war, ob der BSE-Erreger z.B. auf dem Nahrungsmittelweg auf den Menschen übertragen werden kann. Tatsächlich trat ab 1995/96 ein neues CJD-Krankheitsbild im Vereinigten Königreich auf: die neue Variante der CJD (nvCJD; manchmal auch als vCJD bezeichnet). Es ist experimentell gesichert, dass der Erreger von BSE und von nvCJD identisch ist. Beide lassen sich deutlich von anderen Prion-Erregern (z.B. sporadisches CJD) unterscheiden. Somit ist die potenzielle Übertragbarkeit von BSE auf den Menschen in Form von nvCJD nahezu bewiesen. Das Ausmaß dieser Übertragung ist allerdings derzeitig nicht abschätzbar. Der verantwortliche Erreger scheint ohne Nukleinsäure im infektiösen Agens auszukommen. Prionen setzen sich aus der pathologischen Isoform (PrPSc; vor allem β-Faltblatt Konformation) des normalen zellulären Prion Proteins (PrPc; vor allem α-helikale Konformation) zusammen. Die Umwandlung der Konformation, assoziiert mit völlig unterschiedlichen biochemischen Eigenschaften, stellt somit das entscheidende pathogenetische Grundprinzip dar. Die zelluläre Funktion von PrPc ist bislang unklar. Versuche mit PrP knock-out Mäusen haben gezeigt, dass PrPc entbehrlich für den Organismus ist, und dass ohne PrPc keine Prion-Erkrankung entstehen kann. Erkrankungen/Symptome Krankheitsbild bei Schaf und Rind. Ein führendes Symptom bei Scrapie bei Schaf und Ziege ist der Juckreiz, bei dem sich die Tiere das Wollkleid abscheuern (to scrape, abreiben; kranke Tiere reiben sich aufgrund des auftretenden Juckreizes an Bäumen und Pfählen wund). Die Vielfalt der Symptome widerspiegelnd, hat die Erkrankung in anderen Ländern andere Namen. In Deutschland z.B. Traber-Erkrankung (wegen des gestörten Gangs), in Frankreich „la Tremblante“ (Zitterkrankheit) und in China „Sou Yiang“ (Juckreiz-Erkrankung). Es treten Ruhelosigkeit, Schreckhaftigkeit, Zittern, Ataxien, Gangunsicherheiten und progressive Schwäche auf. Diese Phase dauert 2 bis 5 Monate. Gegen Ende der Krankheit treten Schluck551 P Prione Tabelle 1 Prion-Erkrankungen beim Menschen Idiopathisch Erworben Sporadische CJD (~90%) Kuru Familiäre CJD (~10%) Iatrogene CJD Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS) neue Variante der CJD (nvCJD/vCJD) Fatale Familiäre Insomnie (FFI) lähmung, Abmagerung und Festliegen auf. Befallen werden in aller Regel Tiere ab dem 2./3. Lebensjahr. BSE als neue Seuche brach erstmals in Großbritannien aus, wo sie 1986 als eigenes Krankheitsbild erkannt wurde. An BSE sind bislang über 180.000 Tiere in Großbritannien klinisch erkrankt. Man geht davon aus, dass die Anzahl der infizierten Tiere weit höher liegt (zwischen 800.000 und 1,2 Millionen) und dass ca. 730.000 Tiere in den menschlichen Nahrungskreislauf eingegangen sind. Die Symptome entsprechen, bis auf den fehlenden Juckreiz, denen von Scrapie. Diagnose, postmortale Histologie und abzugrenzende Differenzialdiagnosen sind analog (beim Rind seit 2000 BSE-Teste als Reihentestungen). Die Inkubationszeit beim Rind beträgt 3 bis 5 Jahre, die Erkrankung selbst dauert über mehrere Monate. Weitere Erkrankungen aus dem Tierreich sind die übertragbare Enzephalopathie von Zuchtnerzen (TME), die Chronic wasting disease (CWD) bei Hirschartigen (Großhirsch, Maultierhirsch, Elch), die Exotic ungulate encephalopathy und die Feline Spongiforme Enzephalopathie (FSE). Die beiden letztgenannten Erkrankungen stehen im Zusammenhang mit der Verfütterung von infiziertem Tiermehl oder Kadavern. Betroffen waren bis in das Jahr 1996 u.a. 76 Hauskatzen, 3 Pumas, 1 Tiger, 4 Geparden, 2 Ozelot, 6 Kudus, 1 Gemsbock, 1 Nyala, 2 Oryx-Antilopen, 6 Eland-Antilopen und 2 Ankole Cows in diversen Zoos und Privatzüchtungen. Prion-Erkrankungen beim Menschen. Siehe Tabelle 1. Kuru. Im Hochland von Papua-Neuguinea wurde beim Fore-Stamm eine als Kuru oder „lachender Tod“ bezeichnete organische Nervenkrankheit angetroffen. Dabei handelt es sich um eine damals endemische degenerative Erkrankung. Die Krankheit war in allen Altersgruppen 552 Hereditär zu beobachten, am häufigsten aber unter erwachsenen Frauen und Kindern. In den besonders schwer betroffenen Siedlungen war das Leiden für mehr als die Hälfte aller Todesfälle verantwortlich. Die Erkrankung beginnt mit zerebellären Koordinationsstörungen, vor allem mit Gangunsicherheit und Dysarthrie. Ein feiner Tremor, dem Kältezittern gleichend (Kuru bedeutet Zittern in der Fore-Sprache), extrapyramidale Hyperkinesien, wie choreatiforme und athetotische Bewegungen, sowie Aktionsmyoklonie sind neurologische Leitsymptome. Die schließlich hochgradig kachektischen und dann auch verwirrten Kranken sterben meistens schon gegen Ende des ersten Jahres nach dem Einsetzen der Symptome an ihrer Inanition, an einer Aspirationspneumonie oder an den Folgen der durch die zunehmende Immobilität verursachten Dekubitalulzera. Makroskopisch ist eine prominente Kleinhirnatrophie feststellbar. Mikroskopisch ist der Untergang der Purkinje- und Körnerzellen mit starker Proliferation der Bergmann-Glia auffällig. Es finden sich Kuru-Plaques mit Amyloidablagerungen im Zentrum, das durch einen helleren granulären oder fibrillären Ring umgeben ist. Die Vakuolisierung in der Kleinhirnrinde ist nicht besonders ausgeprägt. Entzündliche Veränderungen fehlen vollkommen. Erstmals beschrieben haben dieses tödliche Leiden 1957 C.D. Gajdusek und V. Zigas. Zugezogen hatten es sich die Betroffenen wahrscheinlich durch eine bestimmte Form von rituellem Kannibalismus, bei dem die Gehirne von Verstorbenen als Zeichen der Totenverehrung gegessen wurden. Nach Christianisierung dieser Bergregion kam es zum Erlöschen des kannibalistischen Rituals und damit verbunden zur Elimination von Kuru. Aufgrund teilweise sehr langer Inkubationszeiten versterben immer noch vereinzelte KuruPatienten. Es ist aber zu keiner Erkrankung von Personen gekommen, die nach dem Verbot des Kannibalismus geboren waren. Prione Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD). Die Beschreibung dieser progressiven Nervenerkrankung stammt von H. G. Creutzfeldt (1920) und A. M. Jakob (1921). Die Inzidenz dieser Krankheit ist gering, ein Fall pro einer Million Einwohner und Jahr. Die meisten Fälle treten sporadisch auf, obwohl fünf bis 15 Prozent familiär mit einem autosomal-dominanten Vererbungsgang weitergegeben werden (kausal assoziiert mit Mutationen im PrP-Gen). Überall auf der Welt gibt es dadurch Regionen mit einer höheren Prävalenz, besonders jedoch heben sich Libyen, Nordafrika und die Slowakei hervor (genetische Formen). CJD ist nicht ansteckend, allerdings traten iatrogene Mensch-zu-Mensch Übertragungen nach Kornea- und Dura-Transplantationen (über 100 Fälle) auf, bei denen das Transplantat Infizierten entnommen worden war. Einzelne Fälle wurden auch auf eine Übertragung durch unzureichend gesäuberte, neurochirurgische Instrumente und tiefe stereotaktische, intrazerebrale Elektroden zurückgeführt. Weit mehr als 100 Fälle wurden bei Patienten mit Panhypopituitarismus oder Infertilität beobachtet, die mit Wachstumshormonen substituiert wurden, welche aus Leichenhypophysen gewonnen wurden. Die Krankheit beginnt in der Regel im 50. oder 60. Lebensjahr; ein Beginn vor dem 40. Lebensjahr ist selten. Beide Geschlechter werden zu gleichen Teilen befallen. Von den ersten Erscheinungen bis zum tödlichen Ende vergehen im Allgemeinen nur wenige Monate, selten wenige Jahre (genetische Formen). Zu den regelmäßig auftretenden und oft ersten Symptomen gehören psychische Auffälligkeit nach Art einer Wesensveränderung mit Gereiztheit, Gleichgültigkeit, depressiver Verstimmung oder auch paranoiden Zügen. Prodromal können auch weit weniger extreme Symptome, wie Schwindel, Gedächtnisschwäche und Angstzustände beobachtet werden. Bald werden grobe Leistungseinbußen erkennbar, so vor allem komplette Gedächtnis- und Merkfähigkeitsausfälle, ferner Kritiklosigkeit und schließlich Orientierungsstörungen. Eine Aphasie, Agnosie, Alexie und Apraxie können das Leistungsniveau zusätzlich senken. Zerebelläre Störungen, wie Ataxie, Intentionstremor, Dysdiadochokinese und Sprachstörungen, treten bis auf wenige Ausnahmen immer auf. Gleiches gilt für extrapyramidale Symptome, wie vor allem einer allgemei- nen Bewegungsverarmung mit Rigor, Hypomimie und Tremor. Gelegentlich entwickeln sich choreatische und athetotische Hyperkinesen. Nahezu immer treten Myoklonien auf, die sich durch äußere Reize steigern lassen. Auch Sehstörungen mit unregelmäßigen Gesichtsfeldausfällen oder eine homonymen Hemianopsie werden beobachtet.; teilweise kommt es zur kortikalen Erblindung. Die terminale Phase ist durch tiefgreifende Demenz, Dezerebration, Bewegungsunfähigkeit und Einschränkung auf die vegetativen Funktionen charakterisiert. Schließlich tritt bei den hilflosen und marantischen Kranken ein Greif- und Saugreflex auf. Generell werden drei Hauptdifferenzierungen aufgrund der Symptomatik vorgenommen. Die Brownell-Oppenheimer-Variante, die durch prominente zerebelläre Läsionsmale ausgezeichnet ist, die Heidenhain-Variante, die durch Sehstörungen und weitere Läsionszeichen der Hinterhauptlappen charakterisiert ist und die amyotrophische Variante, bei der Pyramidenbahn- und Denervationszeichen im Vordergrund stehen. Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS). Das Gerstmann-Sträussler-ScheinkerSyndrom (GSS) wurde erstmals 1936 vom Nervenarzt J. G. Gerstmann zusammen mit seinen Mitarbeitern E. Sträussler und I. Scheinker beschrieben. Es handelt sich hierbei um eine seltene, hereditäre, autosomal-dominante spinozerebelläre Degeneration. Die Patienten entwikkeln in der Lebensmitte Symptome einer progredienten zerebellären Dysfunktion, die durch Schwanken, Ungeschicktheit, Koordinationsstörungen und zunehmende Gangstörung deutlich wird. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung verschlimmern sich die zerebellären Symptome und schließen setzen Ataxie, Dysarthrie und Nystagmus ein. Aufgrund der in manchen Fällen auftretenden Stammhirnbeteiligung wird der Eindruck vermittelt, dass die Patienten unter einer olivopontizerebellären Degeneration leiden. Einige Patienten entwickeln zusätzlich Parkinson -ähnliche, pyramidale und extrapyramidale Symptome, Hörverlust, Blindheit und Blicklähmung. Im Unterschied zu ihrem Überwiegen bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung sind Demenz und Myoklonien entweder gar nicht vorhanden oder nur gering ausgeprägt 553 P Prione und werden von der Kleinhirndysfunktion überdeckt. Histopathologisch besteht die übliche spongiforme Degeneration der Neurone, mit einer ausgeprägten Fasergliose im Bereich des Kleinhirns, der Großhirnrinde und des Stammhirnes. Das Vorkommen von Amyloid-Plaques in all den oben genannten Bereichen ist für das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom ein prominentes Merkmal. Das EEG zeigt im Normalfall eine diffuse Verlangsamung, aber keine periodischen Dysrhythmien, wie bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Molekulargenetische Untersuchungen der Familien mit GSS-Syndrom ergaben regelmäßig Mutationen des PrPGens. Fatale Familiäre Insomnie (FFI). Die tödliche familiäre Insomnie wurde 1986 von Lugaresi, Medori und Gambetti entdeckt. FFI ist eine rasch progrediente autosomal-dominante Erkrankung mit einer Lebenserwartung von sechs bis 36 Monaten nach Diagnosestellung. Diese Erkrankung des mittleren oder späteren Lebensalters zeichnet sich durch nicht zu beeinflussende Insomnie, eine Steigerung des Sympathikotonus und andere autonome und endokrine Störungen aus. Dysarthrie und Störungen des motorischen Systems einschließlich Myoklonie, Tremor, Ataxie, Hyperreflexivität und Spastik sind charakteristisch. Die Demenz ist nicht vorherrschend, obwohl eine leichte Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche häufig vorkommt. Die Patienten haben oft komplexe Halluzinationen im Sinne von Wahrnehmungsanomalien. Eine Vielzahl pathologischer endokriner Veränderungen können vorkommen, beispielsweise ein Verlust der zirkadianen Schwankungen der Melatonin-, Prolaktin- und Wachstumshormon-Sekretion, eine verminderte ACTH-Ausschüttung und eine erhöhte Kortisol-Sekretion. Histopathologisch sind eine Atrophie und Gliose spezifischer Thalamuskerne, der Kleinhirnrinde und der unteren Olive typisch. Bei einem Patienten wurden spongiforme Veränderungen in den betroffenen Zonen gefunden. Im PrP-Gen findet sich eine Asn-zuAsp-Mutation im Kodon 178 (mit Valin im gleich-alleligen Kodon 129). Neue Variante der CJD (nvCJD). Seit 1995/1996 tritt ein neuartiges, vorher nicht bestehendes 554 Krankheitsbild in Großbritannien auf (nvCJD). Bis Ende 2001 waren etwa 110 nvCJD-Fälle in Großbritannien, 4 (5) Fälle in Frankreich, sowie ein Fall in Irland zu verzeichnen. Typischerweise stehen zu Beginn der Erkrankung ausgeprägte psychiatrische Symptome im Vordergrund. Es sind überwiegend jüngere Menschen betroffen, der klinische Verlauf ist deutlich prolongiert (1–2 Jahre), Ataxie und nicht Demenz steht im Vordergrund. Es findet sich in 100% ein genetischer Suszibilitäts-Faktor in Form von Homozygosität für Methionin am Kodon 129 und bei allen Patienten wurden typische floride Plaques gefunden, die bei klassischer CJD in der Regel fehlen. In anderen Ländern wurden auch bei retrospektiver Analyse keine derartigen Fälle gefunden. Experimentelle Studien haben zweifelsfrei gezeigt, dass der Erreger von BSE und nvCJD identisch ist. WHO Kriterien für die Definition eines nvCJDVerdachtfalles ◗ Kein Hinweis auf eine potenzielle iatrogene Exposition ◗ Krankheitsdauer länger als sechs Monate ◗ Erkrankungsalter unter 50 Jahren ◗ Keine PrP-Gen-Mutation ◗ Das EEG zeigt keine typischen periodischen Veränderungen ◗ Routineuntersuchungen ergaben keinen Hinweis auf eine alternative Diagnose ◗ Das MRI zeigt abnormale bilaterale hohe Signale im Pulvinar in axialen T2- und/oder Protonen gewichteten Aufnahmen Differenzialdiagnose Scrapie/BSE. Die Diagnose wird aufgrund der klinischen Symptome oder der postmortalen histopathologischen Untersuchungen bzw. bei Rindern durch die BSE-Teste aus Hirnmaterial gestellt. Differenzialdiagnostisch sind andere ZNS-Erkrankungen auszuschließen: Visna lässt sich histologisch durch Demyelinisierung abgrenzen; „Louping ill“ und Aujeszkysche Krankheit unterscheiden sich durch den akuten Verlauf und durch die entzündlichen Reaktionen im Gehirn. Ferner müssen Intoxikationen, Listeriose und Tollwut ausgeschlossen werden, in bestimmten Gegenden auch die Borna`sche Krankheit. Prione CJD/GSS. In vivo ohne histologische Methoden ergeben sich große differenzialdiagnostische Schwierigkeiten zumal gegenüber den präsenilen Demenzen und hier vor allem gegenüber der Alzheimer`schen und der Pick`schen Krankheit. Ein schneller Verlauf spricht eher für CJD. Auch das hier anzutreffende EEG-Muster dürfte bei präsenilen Demenzen nicht vorkommen. Die naheliegende Annahme einer Paralyse entfällt bei Kenntnis der humoralen Befunde. Die sehr seltene Spätform der zerebralen Lipoidose mit einem gleichartigen EEG wie bei CJD lässt sich durch biochemische Befunde abgrenzen. Die progressiven Myoklonusepilepsien beginnen durchweg früher; die periodische Dysrhythmie ist langsam und zeigt meist eine intensivere Krampfaktivität. Hier werden mitunter Leberund Rektumbiopsien von diagnostischem Wert sein. Die Jejunalbiopsie gestattet die Abgrenzung vom dem seltenen Morbus Whipple mit seiner gelegentlich ebenfalls vielfältigen zerebralen Symptomatik. Die psychopathologischen und neurologischen Erscheinungen der CJD können ferner den Verdacht auf einen Tumor oder eine andersartig umschriebene Hirnerkrankung lenken. Epileptische Anfälle, wie sie bei raumfordernden Prozessen häufig auftreten, gehören nicht zum Bild der CJD. Labordiagnostik Prionen lassen sich mit den derzeit verfügbaren Methoden weder im Blut noch routinemäßig im Liquor nachweisen. Typischerweise finden sich keine entzündlichen Veränderungen im Gehirn oder im Liquor. Somit stehen auch keine nachweisbaren Antikörper zur Verfügung. Diagnostisch zeigen sich Unterschiede im EEG zwischen der sporadischen Form der CJD und nvCJD. Die für die sporadische CJD typischen periodisch auftretenden „sharp-wave“-Komplexe finden sich bei nvCJD nicht. Im Liquor lassen sich regelmäßig einige zelluläre Zerfallsprodukte nachweisen (adjuvante Teste; z.B. 14–3-3, neuronen-spezifische Enolase (NSE), S100), die allerdings nicht spezifisch für Prion-Erkrankungen sind. Zwar hat der Nachweis des 14–3-3-Proteins eine hohe Spezifität und Sensitivität, kann allerdings auch bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis, hypoxischem Hirnschaden, intrazerebralen Metastasen, metabolischer Enzephalopathie und bei Morbus Alzheimer positiv sein. Radiologische Untersuchungen bringen in aller Regel keinen Aufschluss. Nur bei nvCJD finden sich typische Veränderungen im MRT. Hier finden sich in 70% der Fälle bilaterale pulvinare „high density“-Signale im kranialen NMR. Die Nukleinsäure-Diagnostik leistet keinen Beitrag. Natürlich muss immer eine genetische Form ausgeschlossen werden (z.B. Gewinnung von DNA aus peripheren Blutleukozyten; Sequenzierung des offenen Leserahmens des PrP). Ebenso ist die Bestimmung des Polymorphismus am Kodon 129 notwendig. Da mit Ausnahme von nvCJD ausschließlich das zentrale Nervensystem betroffen ist, ist die Untersuchung einer Hirn-Biospie bzw. -autopsie zur Diagnosesicherung unerlässlich. Aus diesem Material werden die etablierten histologischen (z.B. Vakuolierung, Gliose) und histo-pathologischen (z.B. PrP-Plaques) Untersuchungen durchgeführt. Als Gold-Standard dienen die histopathologische Untersuchungen von Gewebeschnitten auf Vorliegen von pathologischem PrP (PrPSc in situ) und der Immunoblot für PrPSc aus Hirnhomogenaten. Dabei benützt man Bedingungen, bei denen nur PrPSc und nicht PrPc nachweisbar ist (z.B. Differenzierung mittels Verdau mit Proteinase K beim Immunoblot). Die Sensitivität des Immunoblots läßt sich durch Anreicherungsverfahren erhöhen. Nur bei nvCJD ist pathologisches PrP im lymphatischen Gewebe nachweisbar (z.B. Tonsillen, Lymphknoten, ev. Appendix, Peyer’sche Plaques). Die Übertragung im Tierversuch (Affen, „humanisierte“ transgene Mäuse) spielt infolge der Aufwändigkeit und zeitlichen Latenz (mindestens 200 Tage) keine Rolle. Beim Menschen gibt es aber derzeit keine präklinischen diagnostischen Möglichkeiten (mit Ausnahme der genetischen Formen). Deshalb ist die Etablierung von neuen, sensitiven präklinischen Methoden von hohem Stellenwert. Bei Rindern sind in einigen Ländern seit 2000 Prion-Suchteste zwingend vorgeschrieben für alle geschlachteten Tiere über 30 Monaten (z.B. innerhalb der EU-Länder; nicht aber Schweiz). Dazu kommen alle Gefallenen und kranken Tiere. In Deutschland werden sogar Tiere ab 24 Monaten untersucht. Man entnimmt Hirn-Proben aus definierten Arealen (z.B. Hirnstamm) und unterzieht diese standardisierten ELISAoder Western Blot-Testen, die spezifisch PrPSc nachweisen (z.B. nach Proteinase K-Verdau der Proben). Die führenden kommerziellen Such555 P Prione Teste kommen derzeit von Prionics und Biorad. Die Bestätigung erfolgt ausschließlich an der BFAV/Riems. Infolge der Aufwändigkeit und des enormen Preises dieser Testungen bestehen derzeit erhebliche Bemühungen zur Einführung von möglichen Bluttesten. M.J. Schmerr in den U.S.A. beschäftigt sich mit dem Nachweis von Prionen aus Blut mittels Kapillar-Immun-Elektrophorese. Die Existenz von hoch- oder niederregulierten Nukleinsäuren und Proteinen als Marker wird von diversen Firmen und Forschungsgruppen untersucht. Therapie Eine Ausrottung von Scrapie ist wegen der extrem langen Inkubationszeit, dem Fehlen einer in vivo-Diagnose und dem noch weitgehend ungeklärten Übertragungsmechanismus schwierig. In Ländern mit geringem Befall hat sich die konsequente Keulung infizierter Herden bewährt. Dies gilt ebenso für BSE. Therapeutische Bemühungen sind hier obsolet. BSE scheint durch das konsequente Verbot der Tiermehl/ Kadaver-Verfütterung eliminierbar zu sein. Gegenwärtig gibt es keine Therapie gegen die menschlichen Prion-Erkrankungen, bedingt durch geringe Fallzahlen, den immer schnell tödlichen Verlauf, und dem Fehlen einer präklinischen Diagnostik. Bei der „klassischen“ Form der menschlichen PE, der sporadischen CJD, ist der Beginn der Symptomatik plötzlich, der klinische Verlauf sehr kurz und immer innerhalb weniger Monate tödlich. Die pathologischen Veränderungen im zentralen Nervensystem sind im klinischem Stadium bereits massiv und sicherlich irreversibel. Deshalb kommt an dieser Stelle jede kausale Therapie zu spät. BSE und nvCJD haben die Frage der Therapie und Prophylaxe in ein neues Licht gekleidet. Bei nvCJD sind viel jüngere Patienten betroffen (teilweise unter 20 Jahren) und der klinische Verlauf ist deutlich prolongiert. Die Fallzahlen, die zwischen wenigen Hundert und mehreren Zehntausend liegen könnten, sind derzeit nicht voraussagbar. Es ist aber davon auszugehen, dass nvCJD auch in anderen europäischen Ländern inklusive Deutschland auftreten wird. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von experimentellen Ansätzen zu Therapie und Prophylaxe in vitro und in vivo. Neue immunologische Ansätze ermöglichen vielleicht sogar eine Immunisierung gegen Prion-Erkrankungen. Prophylaktische 556 und therapeutische Möglichkeiten erscheinen daher nicht mehr in allzu weiter Ferne. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Nachdem der pathogenetische Zusammenhang zwischen Kuru und Scrapie bereits in den 50er Jahren beobachtet worden war, ging man zunächst von viralen Erregern als infektiösem Agens aus (slow virus). Aber schon bald stellte sich heraus, dass alle Verfahren, die Viren inaktivieren, indem sie die Nukleinsäure zerstören, hier keinerlei Effekt haben. Bereits damals wurde die Hypothese formuliert, dass dieser Erreger ohne Nukleinsäure auskommt und seine Infektiosität nur durch Proteine weitergibt (später als „protein-only“ Hypothese von Prusiner experimentell untermauert). Dagegen verursachte die Denaturierung der Proteine auch den totalen Verlust der Infektiosität. Tatsächlich gelang es in den 70/80er Jahren das infektiöse Agens aus den Gehirnen von experimentell-infizierten Nagetieren anzureinigen: in der Tat handelte es sich um ein Protein, das Prion-Protein (PrP) in der infektiösen Form oder PrPSc genannt wurde. PrPSc hat besondere biochemische Eigenschaften wie z.B. Unlöslichkeit, Aggregation bis hin zu Amyloid, Infektiosität und Resistenz gegen Proteasen. Letzteres wird auch diagnostisch ausgenützt. Bereits 1982 war das Kunstwort Prion von S.B. Prusiner eingeführt worden, um diesen Erreger klar von Viren oder Viroiden abzugrenzen. Wie die kleinste infektiöse Einheit allerdings aussieht, ist nicht bekannt. Bis heute konnte aber keine Nukleinsäure im Agens gezeigt werden, die mit der Infektiosität korreliert ist. 1985 wurde ein normales, zelluläres PrP gefunden (PrPc), welches fundamental andere biochemische und biophysikalische Eigenschaften aufweist. Die exakte Funktion von PrPc ist nicht bekannt. Einige Jahre später fand man, dass die genetischen Formen beim Menschen mit definierten Mutationen in PrPc segregieren. Neben diesen krankmachenden Mutationen sind die Empfänglichkeit modulierende Polymorphismen bei Mensch und Tier beschrieben. Die Aminosäure-Position 129 ist hierbei besonders zu erwähnen. Die Umwandlung der normalen, zellulären PrP Isoform in PrPSc muss auf posttranslationalem Weg erfolgen. Der genaue mo- Prione lekulare und zelluläre Mechanismus ist noch nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Umwandlung der Konformation der entscheidende Mechanismus ist: α-helikales PrPc wird in PrPSc umgewandelt, das vor allem β-Faltblatt-Konformation hat. Sie werden deshalb als Erkrankungen, die durch Konformationsänderung verursacht werden, angesehen. Analoge Proteine wurden z.B. in der Hefe und in Pilzen beschrieben. Den 3 Manifestationen der Prion-Erkrankungen liegen somit auch unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde. Bei der infektiös-erworbenen Form ist es der direkte Kontakt von PrPSc und PrPc der Empfängerzelle, bei welchem PrPc dann in Anwesenheit von Prionen in PrPSc autokaskadenartig umgewandelt wird. Bei der genetischen Form geht man davon aus, dass die Austausche destabilisierend auf PrP wirken könnten und somit die Umwandlung erleichtern. Der sporadischen Form könnte eine spontane Umwandlung zugrunde liegen. Transmission Scrapie. Die Übertragungswege sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird sowohl eine vertikale als auch horizontale Übertragung angenommen. Für die vertikale Übertragung spricht, dass Lämmer von Müttern, die Scrapie zeigten, häufig selbst an Scrapie erkrankten. Da hohe Erregerkonzentrationen in Plazentaproben nachgewiesen werden konnten, ist eine diaplazentare Infektion anzunehmen. Eine horizontale Übertragung ist für eine Infektion von gesunden Tieren in erkrankten Herden zu diskutieren. Die Möglichkeit einer Kontaktinfektion (oral, konjunktival oder über kleinste Läsionen) ist nicht auszuschließen. Schafe können sich möglicherweise auch an kontaminierten Weiden infizieren (z.B. Plazentareste). Derartige Infektionen werden durch die extreme Stabilität des Prion-Proteins gefördert. Langes Überleben des Erregers in der Umwelt, auf Weiden und in Ställen ist vermutlich auch die Erklärung für das Neuauftreten der Erkrankung in Beständen, in denen nach Keulung von infizierten Herden ein Jahr lang keine Schafe gehalten wurden. Das Angehen einer Scrapie-Infektion unterliegt auch einer genetischen Disposition, da bei einzelnen Schafsrassen Unterschiede in der Inkubationszeit auftreten und das Vorkommen in bestimmten Schaffamilien häufiger ist. Theore- tisch könnten Schafe gezüchtet werden, die resistent gegen Scrapie sind. Bei Rindern spielt die horizontale Übertragung wohl keine Rolle (kein Lymphotropismus). Eine vertikale Übertragung kann stattfinden, allerdings abhängig vom Inkubationsalter der Mutterkuh nur in 5–10%. Deshalb ist die Inzidenz von BSE nach dem Verfütterungsverbot in U.K. drastisch zurückgegangen. Mensch. Bei den klassischen humanen PrionErkrankungen einschließlich CJD und Kuru gibt es weder einen horizontale noch eine vertikale Übertragung (kein Lymphotropismus). Ein sporadischer CJD-Patient ist infolge der Kompartimentierung der Infektiosität im zentralen Nervensystem im täglichen Umgang nicht ansteckend. Dies gilt auch für dessen Blutprodukte und Sekrete/Exkremente (mit Ausnahme des Liquors). Bei nvCJD ist infolge des geänderten Tropismus (jetzt auch lymphatisch) noch keine endgültige Aussage diesbezüglich möglich. Die horizontale Ausbreitung von nvCJD innerhalb der Menschen durch Blutprodukte und/oder operative Eingriffe ist eine ernstzunehmende Möglichkeit. Experimentell lassen sich Prionen menschlichen und tierischen Ursprungs effizient innerhalb und mit Einschränkungen zwischen Arten übertragen. Als effizienteste Route ist die direkte intrazerebrale Inokulation zu nennen, gefolgt von der intraperitonealen Route. Aber auch der orale Weg ist mit in der Regel verlängerten Inkubationszeiten effektiv. Dies wurde in mehreren Modellsystemen einschließlich BSE in der Kuh gezeigt. Der intradermale und intravasale Weg ist experimentell ebenfalls dargestellt worden. Das Konzept der Spezies-Barriere. Bei der Weitergabe von Prionen zwischen Arten bestehen gewisse Gesetzmäßigkeiten, die bereits 1965 von I. Pattison formuliert worden sind und die als „Spezies-Barriere“ bezeichnet werden. So ist die Inkubationszeit bei der Passage verlängert, verkürzt sich aber bei der weiteren Passage innerhalb der Art auf ein Minimum. Zusätzlich ist die neuropathologische Verteilung der Prionen oft verändert. Tatsächlich kann die Spezies-Barriere so groß sein, dass keine klinische Erkrankung auftritt (absolute Spezies-Barriere; z.B. Hamster-Maus). Allerdings kann dies durchaus mit 557 P Prione der Vermehrung von Prion-Infektiosität verbunden sein (präklinische Infektion). Studien mit transgenen Mäusen haben gezeigt, dass die Primärstruktur von PrP bei der Determinierung der Spezies-Barriere eine entscheidende Rolle spielt. Durch Einführung eines Transgenes kodierend für Hamster PrP in Mäuse konnte die Spezies-Barriere praktisch völlig aufgehoben werden. In diesen Mäusen konnten jetzt sowohl Maus- als auch Hamster-Prionen effizient vermehrt werden. Entsprechende Studien wurden für „humanisierte“ und „bovinisierte“ Mäuse durchgeführt. Durch Einführung eines humanen oder bovinen PrP-Transgens können derartige Mäuse zu 100% mit relativ kurzen Inkubationszeiten infiziert werden. Vermehrung und Inkubationszeit Die Vermehrung der Prionen erfolgt nach peripherer Inokulation zunächst im lymphatischen System (z.B. Milz) und dann fast ausschließlich im zentralen Nervensystem. Dies ist ein langsamer und stetig fortschreitender Prozess, der immer im massiven Befall des Nervensystems mit anschließender Neurodegeneration tödlich endet. In Zellkultur lassen sich Prionen nur in sehr wenigen persistent-infizierten Zellsystemen und nur erschwert propagieren. In Gehirnen final erkrankter Mäuse werden biologische Prion-Titer von 107–8 ID50/g Gehirn, beim Syrischen Hamster sogar bis 1010 ID50/g gefunden (bei Testung im Tierversuch). In Zellkultur werden Titer von 105 ID50/107 Zellen erreicht. Für Prion-Krankheiten gelten eindeutig die Koch’schen Postulate. Der Erreger lässt sich aus Gehirnen Erkrankter isolieren und in „Reinkultur“ z.B. in kultivierten Zellen anzüchten (z.B. nach klassischer PrPSc-Präparation, die andere Erreger nicht überstehen können). In diesen Zellen kann er mehrere Jahre propagiert und stetig als PrPSc nachgewiesen werden. Er kann schließlich wieder in Tiere inokuliert werden, die dann wiederum erkranken. Die Inkubationszeiten von menschlichen PrionErkrankungen variieren von minimal 4 Jahren (vereinzelt Kuru und iatrogene CJD-Fälle) bis weit über 40–50 Jahre. Die Inkubationszeit bei den genetischen Formen ist in aller Regel bei 4– 5 Dekaden. Man beachte, dass die Keimbahnmutation ja bereits seit Geburt vorliegt. Auch Kuru-Fälle mit derart langen Inkubationszeiten werden jetzt noch vereinzelt beobachtet. Die In558 kubationszeit bei nvCJD wird mit mindestens 10 Jahren angegeben. Die jüngste Patientin war 12 Jahre bei Beginn der Symptomatik. Auch hier sind deutlich längere Inkubationszeiten mit 2–3 Dekaden sehr wahrscheinlich. Die mittlere Inkubationszeit bei Scrapie ist ~2 Jahre, bei BSE 3– 5 Jahre. In transgenen Maus-Systemen ist die Inkubationszeit deutlich von der ExpressionsMenge des PrP-Transgens abhängig. Resistenz Prionen sind eindeutig die weitaus resistentesten human- und tier-pathogenen Erreger. Übliche anti-mikrobielle Desinfektions-Methoden haben keinerlei Effekte. Formalin ist ebenfalls wirkungslos. Herkömmliches Kochen und Mikrowellen-Behandlung sind ohne wesentlichen Effekt. Trockene Hitze ist erst ab 300oC signifikant inaktivierend (mehrere Titerstufen Reduktion). Normales Autoklavieren sowie Säure-Behandlung haben eine eingeschränkte Wirkung. Sehr effektiv sind die Laugen-Behandlung (z.B. 1–2 N NaOH für mind. 30 Min.), das Autoklavieren unter erhöhten Bedingungen (z.B. 132– 136oC für mind. 30 min bei 3 bar) sowie die Kombination von beiden Verfahren. Diese Methoden töten Prionen auch in sehr hoher Dosierung sicher ab. Insgesamt gehen in diese Überlegungen natürlich sehr stark die zugrunde liegenden Dosis-Mengen ein. Weitere Details finden sich im Kapitel Prävention. Immunantwort Charakteristischerweise fehlen bei Prion-Erkrankungen entzündliche Veränderungen zellulärer oder humoraler Art vollständig. So finden sich keine Entzündungs-Zellen im Gehirn oder im Liquor; spezifische Antikörper-Reaktionen fehlen völlig. Prionen und Prion-Erkrankungen scheinen somit immunologisch völlig inert zu sein. Es stehen dadurch auch keine immunologischen Nachweismethoden für die Diagnostik zur Verfügung. Trotzdem spielen viele Komponenten des Immunsystems bei der peripheren Infektion eine wichtige Rolle (z.B. erste Vermehrung und Transport zum Gehirn). Wirtsbereich Prion-Erkrankungen kommen in fast allen Säugetier-Spezies vor (experimentell und/oder natürlich). Sie können innerhalb einer Art und zwischen Arten weitergegeben werden. Zur Spe- Prione zies-Barriere siehe das Kapitel Transmission. Hefe-Prionen stellen biochemische „PrionÄquivalente“ dar, die einen sehr ähnlichen konformationellen Vermehrungs-Mechanismus benützen. Es handelt sich aber nicht um PrPHomologe. Risikogruppen Neben verschiedenen anderen Faktoren (z.B. Dosis und Weg) hängt die individuelle Empfänglichkeit auch von der Aminosäure im Kodon 129 von PrP ab. Dabei findet sich entweder ein Valin (V) oder Methionin (M). Die drei genetischen Varianten M/M, M/V und V/V sind in Europa wie 40%:50%:10% verteilt. Bei Patienten, die an der spontanen Form der CJD erkrankt sind, liegt der M/M-Anteil bei ~80%. In den Fällen von iatrogener CJD, die durch Wachstumshormon ausgelöst waren, waren zunächst sogar nur Homozygote betroffen. Wenige Heterozygote wurden erst mit deutlich verlängerten Inkubationszeiten krank. Diese Befunde lassen vermuten, dass heterozygote Merkmalsträger weniger empfänglich sind und dass die homozygote Expression von Methionin zu einer höheren Empfindlichkeit für CJD führt. Bei nvCJD wurden bislang keine M/V- und V/VTräger gefunden. Ob Menschen mit diesen Merkmalen somit für BSE-Prionen unempfindlich sind, ist allerdings unklar. Vermutlich dürfte jedoch das Risiko geringer bzw. die Inkubationszeit deutlich verlängert sein. Nach weiteren genetischen Markern wird derzeit intensiv gesucht. Ansonsten findet sich bei nvCJD kein erkennbarer Risiko-Faktor (außer dem jungen Alter). Der vermehrte Verzehr von RindfleischProdukten stellt bei den Erkrankten kein erkennbares Risiko dar. Klassische Risikogruppen für iatrogenes CJD stellen Patienten dar, die anamnestisch Wachstumshormone aus Hirnanhangsdrüsen-Präparationen oder Dura-Mater-Transplantate erhalten haben. Bei den familiären Prion-Erkrankungen wird allgemein von einer 100%igen Penetranz ausgegangen. Epidemiologie Die Scrapie-Erkrankung ist endemisch in Europa, Asien und Nordamerika. In der südlichen Hemisphäre kommt die Krankheit selten vor. Australien und Neuseeland sind seit längerem aufgrund von strikten Bekämpfungsmaßnah- men frei von Scrapie. In letzter Zeit ist das Vorkommen auf Großbritannien, Kanada, Indien und die USA beschränkt. Einzelne Ausbrüche wurden aus Belgien und Ungarn berichtet. In der Bundesrepublik kommt es durchschnittlich bei ein bis zwei Herden pro Jahr zum Krankheitsausbruch. BSE ist ausgehend von U.K. mittlerweile ein pan-europäisches Problem geworden (mit einigen Ausnahmen). Die Inzidenz in Deutschland lag 2001 zwischen 1:15.000 und 1:20.000 bei den getesteten Kühen. Mehr als 2/3 der Fälle sind dabei aber unter den Gefallenen und symptomatischen Kühen zu verzeichnen. Die Inzidenz in den ost-europäischen Ländern ist nicht bekannt. Erste autochthone Fälle sind jetzt auch in Japan aufgetreten. Sporadisches CJD kommt weltweit konstant mit einer Inzidenz von ~1:1.000.000 vor. Familiäres CJD/GSS/FFI kommt in Clustern vor. Regionen mit einer höheren Prävalenz sind in Libyen, Israel, Nordafrika, der Slowakei und auch dem Schwarzwald anzutreffen. Bei Kuru waren über 2.500 Fälle zu verzeichnen: Es sind etwa 200 iatrogene CJD-Fälle durch Wachstumshormon und etwa 100 Fälle durch Dura-Mater-Transplantate bekannt. Die neue Variante der CJD ist Ende 2001 mit knapp 120 Fällen vertreten, mit einem leichten exponentiellen Anstieg. Die weitere Entwicklung ist nicht eindeutig beurteilbar. Szenarien mit wenigen Hundert bis einigen Hunderttausend Fällen wurden erörtert. In Deutschland wird von maximal wenigen Hundert Fällen ausgegangen. Genetik GeneBank Zugangs-Nummern für verschiedene PrPs: Maus-PrP: M13685; Humanes PrP: M13899; Rinder-PrP: X55882; Schaf-PrP: D38179. Derzeit sind die PrP-Sequenzen von über 70 Spezies bekannt. Die Aminosäure-Homologien innerhalb der Säugetiere bewegen sich zwischen 80–100%. Aviäre PrPs weisen zu Säuger-PrPs etwa 30% Aminosäure-Homologie auf. Das phylogenetisch entfernteste PrP stammt von Xenopus. Weiter entfernte PrPs sind derzeit nicht bekannt. Prävention Desinfektion und Sterilisation von Instrumenten. Aufgrund der hohen Stabilität der Prionen gegenüber thermischen oder chemischen Ein559 P Prione flüssen gestalten sich die Möglichkeit der Inaktivierung als besonders schwierig. Bei operativen Eingriffen am zentralen Nervensystem und Auge von Patienten mit erhöhtem Risiko eine CJD zu haben oder zu entwickeln, sollten möglichst nur Einmalmaterialien verwendet werden. Als derzeitige Empfehlung sollen alle wiederzuwendenden Materialien mit 1–2 M NaOH oder 2,5–5,0% Na-Hypochlorit für 24 Std. oder mit Guanidiniumthiocyanat (GdnSCN) (4 M für 1 Std. oder 6 M für 15 Min.) bei Raumtemperatur desinfiziert, gereinigt und anschließend 1 Std. lang bzw. in Zyklen bis zu einer Gesamtzeit von 1 Std. bei 134oC dampfsterilisiert werden. Bei der Aufbereitung von verwendeten flexiblen Endoskopen bei Patienten mit erhöhtem Risiko, außerhalb von ZNS und Auge, sind diese in 4 M Guanidiniumthiocyanat für 2×30 Min. mit zwischengeschaltener mechanischer Reinigung einzulegen. Dabei muss sichergestellt sein, dass GdnSCN alle inneren und äußeren Oberflächen des Endoskops erreicht. Anschließend folgt eine weitere Reinigung, möglichst in einem Dekontaminationsautomaten, nach einem validierten Verfahren mit Spülen mit Wasser, Desinfektion mit aldehydhaltigen Reinigungsmitteln, erneutem Spülen mit sterilem Wasser, Trocknen und anschließender Behandlung mit 70% Alkohol. Weiteres siehe Kapitel Strategien zur Krankheitsvorbeugung. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Wie sieht es mit prophylaktischen Möglichkeiten aus? Infolge der extrem langen Inkubationszeiten ist eigentlich ein immenses Zeitfenster für mögliche Interventions-Strategien gegeben. Hinzu kommt, dass angesichts des deutlichen lympho-retikulären Tropismus viele Experten die Möglichkeit der Weitergabe von nvCJDPrionen innerhalb der Menschen durch Blutprodukte oder operative Eingriffe durchaus als reale Möglichkeit ansehen. Viele der nvCJD-Opfer in Großbritannien waren z.B. Blutspender. Deshalb sollten neben therapeutischen Möglichkeiten durchaus auch prophylaktische oder post-expositionelle Interventions-Strategien angestrebt werden. Dies wiederum ist nur sinnvoll, wenn effiziente präklinische DiagnostikMöglichkeiten zur Verfügung stehen. 560 Behördliche Maßnahmen Zelluläre Blutkomponenten. Mit einer Bekanntmachung vom 18.08.2000 ordnete das Paul-Ehrlich-Institut an, dass ab 01.10.2001 ausschließlich solche Vollblute, Erythrozyten-Konzentrate und Thrombozyten-Konzentrate in Verkehr gebracht werden dürfen, deren Leukozytengehalt weniger als 1×106 pro Einheit (Blutkonserve) beträgt. Um dies zu erreichen, wird die Leukozytendepletion verbindlich vorgeschrieben. Diese Maßnahme wird primär mit der Reduktion der HLA-Alloimmunisierung, der Reduktion der Leukozyten-vermittelten Fieberreaktionen sowie der Vermeidung der Übertragung zellständiger Viren und somit der Prävention vielfältiger sich daraus ergebender medizinischer Komplikationen begründet. Erst im weiteren Kontext wird angeführt, dass die Leukozytendepletion als eine Vorsichtsmaßnahme gegen die Übertragung von nvCJD angesehen wird, da die Möglichkeit einer Übertragung von nvCJD durch Blut mangels epidemiologischer Daten nicht ausgeschlossen werden kann. Ferner empfiehlt der Arbeitskreis Blut aus Gründen der Risikovorsorge ab sofort Spender von der Blut- und Plasmaspende auszuschließen, die sich im Zeitraum zwischen 1980 und 1996 insgesamt länger als 6 Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten haben. Behördliche Vorschriften zur nvCJD-Sicherheit von Humanarzneimitteln. Eine Anordnung des PEI und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 29.12.2000 regelt die Inverkehrbringung von Humanarzneimitteln. Danach dürfen zur Herstellung dieser Arzneimitteln kein Blut, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit von Spenden verwendet werden, die aus einem Land stammen (Ursprungsland), in dem mehrere Fälle von nvCJD aufgetreten sind. In Ergänzung der Anordnung des PEI/BfArM vom 29.12.2000 wurde am 10.01.2001 zur Risikovorsorge ergänzt, dass zur Herstellung von Arzneimittel kein Blut oder Blutbestandteile, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit aus Spenden verwendet werden dürfen, die nach dem 15.01.2001 gewonnen und deren Spender sich in der Zeit vom 01.01.1980 bis 31.12.1996 insgesamt länger als 6 Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten haben. Prione Chirurgisches Nahtmaterial. Das BfArM hat eine Neubewertung für die Verwendung von bovinem Material als chirurgischem Nahtmaterial durchgeführt. Es wurde daher gemeinsam mit einer Entscheidung der EU-Kommission vom 27.12.2000 beschlossen, dass wegen des nicht auszuschließenden potenziellen Risikos bei Produkten boviner Herkunft, insbesondere wegen der Verwendung eines spezifizierten Risikomaterials als Ausgangsstoff (Rinderdarm: Duodenum bis Rektum), der fehlenden Möglichkeit, eine wirksame Inaktivierung bzw. Abreicherung potenziell infektiöser Erreger durchzuführen sowie der parenteralen Anwendung, die Anwendung von Catgut boviner Herkunft ein Risiko darstellt. Stand der Sicherheit von Arzneimitteln Rekombinante Medikamente, Impfstoffe. Als potenzielle BSE-Kontaminanten kommen grundsätzlich fötales Kälberserum, welches für die Herstellung der Zellkulturen bei der Produktion von rekombinanten Medikamenten oder Impfstoffen benötigt wird, und humanes Albumin, das in manchen rekombinanten Medikamenten oder Impfstoffen als Stabilisator zugesetzt wird, in Frage. Das PEI weist darauf hin, dass das fötale Kälberserum ausschließlich aus den USA, Neuseeland und Australien stammen darf. Zudem wird das fötale Kälberserum der Kategorie IV (= keine nachweisbare Infektiosität) zugeteilt. Bei bakteriologischen Impfstoffen wird in Einzelfällen eine Nährbouillon eingesetzt, in der verdautes Filtrat aus Rindfleisch (Kategorie IV) enthalten ist. Das Herkunftsland ist diesem Fall Neuseeland. In Einzelfällen wird Laktose (hergestellt aus Milch; Kategorie IV) als Stabilisator für das Impfantigen im fertigen Impfstoff verwendet. Daneben werden eine Reihe von Hilfssubstanzen bei der Herstellung von Impfstoffen oder rekombinanten Medikamenten verwendet. Es handelt sich dabei um Aminosäuren- und derivate (Kollagen, isoliert aus Knochen), Cholin (Gallenflüssigkeit), Cholesterin (Gallenflüssigkeit), hydrolysiertes Laktalbumin (Milch), Laktose (Milch), hydrolysiertes Casein (Milch), Polysorbat (Tween) 80 (Talg), Gelatinederivate (Knochen), Phosphatsalze (Knochen) und Fleischextrakte (Muskelfleisch). Die genannten Rindermaterialien werden alle der Kategorie IV zugeordnet; eine Infektiosität ist nicht nachweisbar. Des weiteren wird Pankreatin, welches aus Rinderpankreas gewonnen wird, verwendet. Diese Rindermaterial wird der Kategorie III (mäßige Infektiosität) zugeordnet. Stand der Sicherheit des Spenderplasmas in Europa. Für die Abschätzung eines theoretischen Risikos ist der Grad der Infektiosität des Ausgangsmaterials von Bedeutung. Dies wiederum hängt von der nvCJD-Inzidenz der Spenderpopulation im jeweiligen Herstellungsland ab. Des weiteren ist von Bedeutung, wo die Prionen, sofern sie im Plasma überhaupt vorkommen, während des Fraktionierungsprozesses zu finden sind. Aufgrund verschiedener experimenteller Untersuchungen darf angenommen werden, dass es im Rahmen der Fraktionierung von Faktor VIII zu einer Reduktion der nvCJD-Infektiosität um 3 bis 6 log kommt. Dies wiederum sollte ausreichen die Sicherheit von aus Plasma hergestellten, europäischen Faktor VIII zu gewährleisten. Einschränkend muss jedoch betont werden, dass für die experimentellen Studien animalische Prionen, nicht jedoch nvCJD verwendet wurden. Meldepflicht Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtige Krankheiten nach § 6: Namentlich ist zu melden der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an humaner spongiformer Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3 bis 8, § 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 oder Abs. 4 zu erfolgen. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Konsiliarlaboratorium für spongiforme Enzephalopathie (Pathologie und Genetik) Institut für Neuropathologie der LMU München, Marchioninistr. 17, 81377 München Prof. Dr. H. A. Kretzschmar; Telefon 089/70954904; Telefax 089/7095-4903; E-Mail: [email protected] 561 P Proactinomyces israeli Konsiliarlaboratorium für spongiforme Enzephalopathie (Klinische Diagnostik und Epidemiologie) CJD-Arbeitsgruppe, Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Göttingen, Robert-Koch-Str. 40, 37075 Göttingen; Frau Dr. I. Zerr, Frau M. Bodemer; Telefon 0551 / 39- 6636 / 8454 / 8401; Telefax 0551/ 397020; E-Mail: [email protected]; E-Mail: [email protected] Nationales Referenzzentrum für tierische spongiforme Enzephalopathien (BSE, Scrapie) Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten der Tiere (BFAV); ab 2002 auf der Insel Riems (Friedrich-Löffler-Institute); Bodenblick 5a, D17498 Insel Riems bei Greifswald; Tel.: 038351/70; Fax: 038351/7-219; PD Dr. Martin H. Groschup; E-Mail: [email protected] Weitere Web-Adressen ◗ Bayerischer Forschungsverbund Prionen: http://www.abayfor.de/forprion ◗ Nationale TSE-Plattform: Ansprechpartner Dr. K. Dressel; [email protected]. uni-muenchen.de ◗ U.S.A.: http://www.mad-cow.org Schlüsselliteratur 1. Prusiner, S.B. (1997). Prion diseases and the BSE crisis. Science 278, 245–251. 2. Prusiner, S.B. (1998). Prions. Proc. Natl. Acad. Sci. U. S. A. 95, 13363–13383. 3. Weissmann, C. et al. (2001). Prions and the lymphoreticular system. Philos. Trans. R. Soc. Lond. B Biol. Sci. 356, 177–184. 4. Will, R.G. et al. (1996). A new variant of Creutzfeldt-Jacob disease in the UK. Lancet 347, 921–925. 5. Zeidler, M. et al. (1997). New variant Creutzfeldt-Jakob disease: neurological features and diagnostic tests. Lancet 350, 903–907. 6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio Proactinomyces israeli Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus Propionibacterium acnes Propionibakterien 562 Propionibakterien Erregerbezeichnung Gattung: Propionibacterium Arten: P. acidipropionici, P. freudenreichii ssp. freudenreichii und P. freudenreichii ssp. shermanii, P. jensenii und P. thoenii, P. acnes, P. avidum, P. granulosum und P. lymphophilum, Propionibacterium propionicum. Synonym P. acnes: Corynebacterium acnes, Bacillus acnes, Propionicibacterium acnes Morphologie Meist relativ kurze, grampositive, diphtheroid gelagerte Stäbchen, gelegentlich auch kokkoid oder stark verzweigt und fädig. Taxonomie Bacteria: Firmicutes Phylum: Actinobacteria Subklasse: Actinobacteridae Order: Actinomycetales Suborder: Propionibacterineae Familie: Propionibacteriaceae Gattung: Propionibacterium. Die nach ihrer auffälligen Propionsäurebildung benannte Gattung Propionibacterium besteht aus 9 Spezies und 2 Subspezies, die sich in drei Gruppen unterteilen lassen: 1. „Klassische“ Propionibakterien: P. acidipropionici, P. freudenreichii ssp. freudenreichii und P. freudenreichii ssp. shermanii, P. jensenii und P. thoenii. 2. „Kutane“ Propionibakterien: P. acnes, P. avidum, P. granulosum und P. lymphophilum. 3. Propionibacterium propionicum. Historie 1906 beschrieben Freudenreich und Orla-Jensen und 1909 Orla-Jensen aus Käse und Milchprodukten isolierte Propionibakterien. P. acnes, als wichtigster Vertreter der kutanen Propionibakterien, wurde bereits 1897 von Sabouraud aus Acne-vulgaris-Läsionen isoliert; später wurden diese Bakterien unter den Bezeichnungen „anaerobe Coryneforme“ oder „anaerobe Corynebakterien“ subsumiert und erst seit Mitte dieses Jahrhunderts der Gattung Propionibacterium zugerechnet. Propionibakterien Erkrankungen/Symptome P. acnes kommt entweder alleine oder mit Staphylococcus epidermidis in Acne-vulgaris-Läsionen vor; eine ätiologische Bedeutung scheint gegeben, obwohl der Zusammenhang noch nicht restlos aufgeklärt ist; Isolierung von P. acnes und den anderen kutanen Propionibakterien aus vielen klinischen Materialien einschließlich Blutkulturen als Kontaminanten, aber gelegentlich auch nach Operationen, bei länger liegenden Kathetern und anderen Fremdkörpern und unter Immunsuppression als opportunistische Erreger von Kathetersepsis, Meningitis, Endokarditis, Bronchopneumonien, Osteomyelitis, Wundinfektionen, Otitiden und Abszessen. Propionibacterium propionicum: Angehöriger der physiologischen Mundhöhlenflora; häufigster Erreger der Canaliculitis lacrimalis; nach A. israelii und A. gerencseriae ein typischer Aktinomykoseerreger. Differenzialdiagnose Acne vulgaris: M. Pringle, Rosazea, akneiforme Reaktion durch Kortikoide „Steroidakne“. pionicum enthalten LL-DAP, gelegentlich mesoDAP und keine Mykolsäuren; Differenzierung bis zur Spezies: anhand biochemischer Leistungen mittels konventioneller oder miniaturisierter (siehe Gattung Actinomyces) Verfahren. Serodiagnostik. Bei P. acnes und P. propionicum ohne praktische Bedeutung; Agglutinationsreaktion zur serologischen Differenzierung von kutanen Propionibakterien und IF-Technik zur Identifizierung von P. propionicum gut erprobt; Antiseren kommerziell nicht erhältlich. Sensibilitätsprüfung: Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus Therapie Die Therapie der Acne vulgaris wird widersprüchlich diskutiert; antibiotische Therapie meistens sinnvoll (topische und systemische Anwendung von Antibiotika, z.B. Tetrazyklinen, ggf. als niedrig dosierte Langzeittherapie mit 50mg Doxycyclin pro die per os für Jahr); Therapie von Aktinomykose und Canaliculitis lacrimalis: siehe Gattung Actinomyces. Labordiagnostik Gewinnung und Transport von Untersuchungsmaterial. Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus Mikroskopie. Gram-Präparat: meist relativ kurze, stets unbewegliche, grampositive, diphtheroid gelagerte Stäbchen, gelegentlich auch kokkoid oder stark verzweigt und fädig. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Kutane Propionibakterien verfügen über starke lipolytische Aktivität; insbesondere von P. acnes sind Hämolysine, Hyaluronidasen, Neuraminidasen und Lipasen bekannt; Pathogenitätsmechanismen von P. propionicum bei Aktinomykosen und Canaliculitis lacrimalis bisher weitestgehend unbekannt. Kultur. Makrokolonien der kutanen Propionibakterien (nach 3–7 Tagen Bebrütung): rund, glattrandig, erhaben, undurchsichtig, weißlich bis gräulich und von weicher Konsistenz, nach längerer Bebrütung evtl. auch cremefarben bis bräunlich, rosa oder orangefarben. Mikro- und Makrokolonien von P. propionicum gleichen in ihrem Erscheinungsbild weitgehend den für Actinomyces israelii und A. gerencseriae beschriebenen Wuchsformen. Vermehrung und Inkubationszeit. Nicht bekannt, da Besiedler der menschlichen Haut. Differenzierung. Differenzierung bis zur Gattung: Bis auf P. propionicum und P. lymphophilum regelmäßig katalasepositiv; Stoffwechselendprodukt hauptsächlich Propionsäure; Zellwände von P. acnes, P. granulosum und P. pro- Resistenz. Nach langer Acnes vulgaris Behandlung gelegentliches Auftreten von Resistenzen gegen Erythromycin, Clindamycin, Tetracyclin, Doxycyclin und Trimethoprim. Sehr selten ist das Auftreten von Resistenzen von Minocyclin. Transmission Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus; Bissverletzungen spielen allerdings bei der Entstehung von Propionibacterium-Infektionen keine besondere Rolle. 563 P Prosthodendrium Immunantwort Nicht ausreichend untersucht. Wirtsbereich Die „klassischen“ Propionibakterien haben keine humanpathogene Bedeutung, sondern sind bei der Herstellung von Käse und Milchprodukten und als Produzenten von Vitamin B12 und Propionsäure von wirtschaftlicher Wichtigkeit. Kutane Propionibakterien: P. acnes und P. granulosum sind Bewohner der menschlichen Haut mit reichlich Talgdrüsen (Stirn, Nasenflügel); P. avidum ist vor allem in feuchten Hautregionen (Achselhöhle, Perineum, Naseneingang) zu finden; P. lymphophilum wurde ursprünglich aus Lymphknoten bei Patienten mit M. Hodgkin isoliert; natürlicher Standort und medizinische Bedeutung unbekannt. Risikogruppen Sporadisches Auftreten, evtl. gehäuft unter Immunsuppression und an länger liegenden Fremdkörpern (Katheter, Endoprothesen u.a.). Epidemiologie Weltweites Vorkommen des Erregers und der Erkrankungen. Genetik Das bakterielle Genom ist ein doppelsträngiges DNA Molekül. Das 16S rRNA Gen von Propionibacterium acnes ist in der USA-GenBank unter der „Accessionnumber“ M61903 registriert. Prävention Keine spezifische Prävention möglich. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Keine. Meldepflicht Zu melden ist die Erkrankung sowie der Tod an bakteriellen Meningitiden. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Arcanobakterien Schlüsselliteratur Arcanobakterien 564 Prosthodendrium Darmegel Proteinaceous infectious particle Prione Proteomyces asteroides Trichosporon Proteus mirabilis, Proteus vulgaris Erregerbezeichnung Proteus mirabilis, Proteus vulgaris Synonym Keine Daten verfügbar. Morphologie Gramnegative Stäbchenbakterien, die bei demselben Stamm einmal kurz oder einmal lang sein können, auch die Dicke wechselt (siehe Historie). Durchmesser 0,4–0,8 µm, Länge 1– 3 µm. Beweglich durch peritriche Begeißelung (auf festen Nährböden: Schwärmphänomen). Taxonomie Familie: Gattung: Enterobacteriaceae Proteus Historie Die Bezeichnung leitet sich ab von dem „Meergreis Proteus“, der auf der ägyptischen Insel Pharos heimisch ist und den die Odyssee als wechselgestaltig schildert. Mirabilis (wunderbar) vulgaris (gewöhnlich). Proteus penneri, benannt nach dem kanadischen Mikrobiologen J. L. Penner. Die Erstbeschreibung erfolgte 1885 durch P. Hauser: Über Fäulnisbakterien und deren Beziehung zur Septikämie. Ein Beitrag zur Morphologie der Spaltpilze, Vogel, Leipzig. Erkrankungen/Symptome Es lassen sich lokalisierte von generalisierten Prozessen trennen. Proteus mirabilis, Proteus vulgaris Lokalisierte Prozesse. Wundheilungsstörungen, Dekubitusinfektionen, Infektionen von Verbrennungswunden, Mediastinitis, Peritonitis, Pneumonie, Harnwegsinfektionen, Osteomyelitis, Prostatitis. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Endotoxin. Transmission Generalisierte Prozesse. Durch Übertritt in die Blutbahn kann es zur Sepsis und Endokarditis kommen. Toxische Prozesse. Durch Harnstoffspaltung kommt es zu einer starken Alkalisierung des Urins, die einer Infektion Vorschub leisten soll. Betalaktamasen. Proteus vulgaris und Proteus mirabilis können eine induzierbare oder konstitutive Breitspektrum-chromosomale Betalaktamase entwickeln. Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch direkten Kontakt über Hände bzw. als Schmierinfektion aber auch über kontaminierte Instrumente. Vermehrung und Inkubationszeit Keine Daten verfügbar. Resistenz Keine Daten verfügbar. Immunantwort Keine Daten verfügbar. Differenzialdiagnose Keine Daten verfügbar. Labordiagnostik Kulturelle Anzüchtung. Siehe fakultativ pathogene E. coli Das Schwärmphänomen wird durch CLED-Agar unterdrückt. Biochemische Differenzierung. ◗ Harnstoffspaltung ◗ H2S-Bildung ◗ Gelatineasespaltung ◗ Glukosespaltung ◗ Cellulosespaltung ◗ Proteus vulgaris ist im Gegensatz zu Proteus mirabilis und penneri indolpositiv. Serologische Differenzierung. 17 O-Antigene wurden bei Proteus vulgaris nachgewiesen, 27 bei Proteus mirabilis, 5 O-Antigene sind beiden Spezies gemeinsam, ferner werden 17 H-Antigene unterschieden. Wirtsbereich Beide Spezies kommen im Darm des Menschen und dem zahlreicher Tierarten vor. Sie finden sich als Fäulniskeime in Erdproben, in Mist, in Abwässern und gelegentlich auch in Lebensmitteln. Risikogruppen Risikogruppen für Proteus-Infektionen sind Wickelkinder, abwehrgeschwächte Patienten, Dauerkatheterträger, Patienten mit prädisponierenden Faktoren für Harnwegsinfektionen ( E. coli). Epidemiologie Proteus mirabilis ist der häufigste Erreger von Harnwegsinfektionen bei Wickelkindern männlichen Geschlechts. Im späteren Lebensalter wird er häufiger bei Frauen beobachtet. Beide Arten sind für zahlreiche im Krankenhaus erworbene Infektionen verantwortlich. Therapie Entsprechend Antibiogramm. Im ambulanten Bereich isolierte Proteus-mirabilis-Stämme sind meist empfindlich gegenüber Aminopenicillinen, Cephalosporinen, Aminoglykosiden, Cotrimoxazol, während im Krankenhaus isolierte Proteus-vulgaris- und -mirabilis-Stämme mitunter hoch resistent sind. Wirksam sind dann häufig noch Cefotaxim, Carbapeneme und Chinolone. Genetik Keine Daten verfügbar. Prävention Fakultativ pathogene E. coli. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Keine Daten verfügbar. 565 P Prototheca wickerhamii Meldepflicht Taxonomie § 23 IfSG Abs. 1: Multiresistenz ist zu dokumentieren. Obwohl die taxonomische Stellung der Prototheken nicht eindeutig determiniert ist, werden sie im Allgemeinen als chlorophylllose Algen angesehen. Die Gattung Prototheca wird der Familie Chlorophyceae (Grünalgen) zugeordnet. Sie umfasst farblose (chlorophylllose) einzellige, unbewegliche, heterotroph und aerob lebende Algen, die sich ausschließlich asexuell durch Bildung von Endosporen in freier Zellbildung vermehren. Es werden derzeit 3 Spezies anerkannt: ◗ P. zopfii (Synonyme: P. ciferri, P. segbwema, P. trispora, P. portoricensis, P. moriformis; „P. zopfii“) ◗ P. wickerhamii ◗ P. stagnora Cooke, 1968. P. stagnora ist kein Krankheitserreger für Mensch und Tier. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen http://www.cdc.gov/ Schlüsselliteratur 1. Blaser, M.J., Ph.D. Smith, J.I. Ravdin, H.B. Greenberg, R.L. Guerrant (Eds.) Infections of the Gastrointestinal Tract, Raven Press New York, 1995 2. Hahn, H., D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 4. Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokyo, 2001 3. Kist, M., J. Bockemühl, S. Aleksic, M. Altwegg, I.B. Autenrieth, W. Bär, L. Beutin, B. Gerten, E. Heintschel von Heinegg, H. Karch, A. Lehmacher, F. Mehnert, U. Sonnenborn, H. Tschäpe, Chr. V. Eichel-Streiber: Infektionen des Darmes: MiQ 9, Urban und Fischer, München, Jena, 2000 4. Konemann, E.W., H.D. Allen, W.M. Janda, P.C. Schreckenberger, W.C. Winn (Eds.) Diagnostic Microbiology, 5th Ed., Lippincott, Philadelphia, New York, 1997 5. Mandell, G.L., J.E. Bennett, R. Dolin (Eds.) Mandell, Douglas, and Bennett’s Principles and Practice of Infectious Diseases. 5th Ed. Churchill-Livingstone, Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sydney, Tokyo, Edinburgh, 2000 Prototheca wickerhamii Erregerbezeichnung Prototheca wickerhamii Tubaki und Soneda, 1959 (chlorophylllose, einzellige Alge) Synonym Entfällt. Morphologie Prototheca wickerhamii lässt sich auf Pilznährböden kultivieren. Kolonie. Oberseite: Hefeartige, halbkugelige Kolonie mit glattem Rand und glatter Oberfläche, beige bis ockerfarben. Unterseite: Farblos. Mikromorphologie der Kulturform. Runde Einzelzellen (Durchmesser 4 bis 10 µm), die kleiner als bei P. zopfii sind. Daneben größere Zellen (Sporangien) mit runden Endosporen. Plastidähnliche Granula im Protoplasma. Keine Sprosszellen! 566 Historie Das Genus Prototheca wurde 1894 von Krüger etabliert. Er hatte erstmalig Prototheken aus dem Saftfluss von Laubbäumen isoliert. Ihre Zuordnung zu Pilzen oder zu Algen war lange umstritten. Für die Zugehörigkeit zu Algen sprechen die Ultrastruktur der Zellwände, plastidähnliche Granula im Plasma und der asexuelle Vermehrungsmodus durch Bildung von Endosporen. Erkrankungen/Symptome P. wickerhamii wurde als häufigster Erreger von Protothekosen des Menschen nachgewiesen. Sie stellen seltene, meist lokalisierte, chronische Erkrankungen ohne Tendenz zur Selbstheilung dar. 1968 wurde der erste Fall einer Protothekose durch P. wickerhamii in den USA bei einer diabetischen Karzinom-Patientin beobachtet. 1974 wurde eine systemische Erkrankung durch die gleiche Alge bei einem jungen Mann mit zellulärem Immundefekt von Cox et al. beschrieben. Klinische Bilder beim Menschen. Verruköse oder schuppende Hautläsionen, primäre Hautgranulome mit lymphogener Streuung und Tendenz zur Chronizität, akute Pyodermien, Ellenbogenschleimbeutelentzündung, lokale Wundinfektionen, bevorzugt an den Extremitäten und im Gesicht sowie systemische Manifestationen. Prototheca wickerhamii Bei Tieren. Isolierung von P. wickerhamii aus subkutanem Gewebe bei Katzen und von dermalen und lymphatischen Läsionen bei einem Reh. Spezifische Merkmale Prototheken bilden im Unterschied zu Hefepilzen keine Sprosszellen. Bei der Kultur- und Gewebeform treten Sporangien mit Endosporen auf. Differenzialdiagnose Klinisch. Abgrenzung der Prototheken von Sprosspilzen (Hefen, z.B. Candida spp.) Mikrobiologisch. Ausschluss bakteriell- oder pilzbedingter Krankheitsbilder. Labordiagnostik Die mikrobiologische Diagnostik basiert auf dem mikroskopischen und kulturellen Erregernachweis. Mikroskopische Untersuchung. Von Materialproben aus Krankheitsherden: Nachweis von runden Zellen der Alge. Dafür geeignet sind die Färbungen nach Grocott-Gomori oder Grindley und die PAS-Färbung sowie die Immunfluoreszenz-Technik. Kulturelle Anzüchtung. Auf den üblichen festen Pilznährböden mit Thiamin, jedoch ohne Cycloheximid (Actidion) bei 25 bis 37°C in 2 bis 7 Tagen. Differenzierung. Von P. wickerhamii anhand der Kolonieform, der Mikromorphologie und der Assimilation von Kohlenstoffverbindungen (Glucose, Galactose, Trehalose und Glyzerin werden assimiliert), KNO3 wird nicht verwertet, Wachstum findet bei 37°C statt. Therapie Die Behandlung der Protothekosen ist außerordentlich schwierig und langwierig, oft erfolglos. Antibakterielle Antibiotika, Sulfonamide und zytotoxische Präparate sind unwirksam. Von den Antimykotika zeigen Nystatin, Amphotericin B, Miconazol und Ketoconazol in vitro einen Hemmeffekt. Gegen Griseofulvin, Fluconazol, Itraconazol und Flucytosin sind Prototheken resistent. Beim Menschen erwies sich Amphotericin B intravenös langfristig in hohen Dosen verabreicht als am wirksamsten. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität P. wickerhamii ist ein fakultativ pathogener Erreger, der bei entsprechender Vorschädigung oder in Kombination mit Immunsuppression, z.B. bei HIV-Infektion oder Kortison-Therapie, Krankheiten auslösen kann. Sie verfügt über eine geringe Virulenz. Die Existenz von Toxinen als Virulenzfaktoren wird diskutiert. Ihre antigenetische Varianz ist ungeklärt. Transmission Exogene Infektion. Keine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch. Infektion durch Umweltkontakte. Eintrittspforten für P. wickerhamii sind die Haut, die Mundschleimhaut und der Magen-Darm-Trakt. Die Alge ist gelegentlich als Kontaminant auf der Haut, auf Fingerund Fußnägeln und im Stuhl anzutreffen. Vermehrung und Inkubationszeit Vermehrung durch Endosporulation. Aerobe Kultivierung auf den üblichen Pilznährböden. 2 bis 5 Tage Inkubationsdauer bei 25 bis 28°C, Wachstum bei 37°C möglich. Inkubationszeit bei Infektion: Unbekannt. Resistenz Bei Therapie. Sensibel gegen Amphotericin B, Ketoconazol, Nystatin. Resistent gegen Flucytosin, Griseofulvin, Fluconazol, Itraconazol. In der Umwelt. Geringe Trockenresistenz, Bevorzugung feuchter Standorte. Immunantwort ◗ Induktion spezifischer Antikörper der Isotypen IgG und IgA, ◗ Hohe Phagozytoseresistenz. Für P. wickerhamii ist Überleben und Vermehrung im Makrophagen und in PMN’s möglich. 567 P Prototheca zopfii Wirtsbereich P. wickerhamii ist ein ubiquitärer Bewohner von ländlichen und städtischen Abwässern, an die sie in hohem Maße adaptiert ist. Risikogruppen Das häufige Vorkommen von P. wickerhamii in der Umwelt und die seltene Erkrankung des Menschen sprechen für eine geringe pathogene Potenz der Alge und eine geringe Empfänglichkeit des Menschen für eine Protothekeninfektion. Es erkranken abwehrgeschwächte Menschen im Alter von 18 und 75 Jahren. Prädisponierend wirken Traumen, Diabetes mellitus und Immundefekte. Epidemiologie Culture collection UTEX: http://www.bio.utexas.edu/research/utex/ Schlüsselliteratur 1. Blaschke-Hellmessen R, Schuter H, Schuster K (1985) Chlorophyllose Algen der Gattung Prototheca (Krüger) – Saprophyten und Krankheitserreger bei Mensch und Tier. Z gesamte Hygiene 31, pp. 561–564 2. Blaschke-Hellmessen R, Schuster H, Bergmann V (1985) Differenzierung von Varianten bei Prototheca zopfii Krüger 1894. Arch exper Vet med 39, pp. 387–397 3. Kwon-Chung KJ, Bennett JE (1992) Medical Mycology, 2nd ed., Chapter 29: Protothecoses, pp. 183–190. Lea & Febiger, Philadelphia, London. Prototheca zopfii P. wickerhamii ist weltweit verbreitet. Es kommt zu sporadischen Erkrankungsfällen bei Mensch und Tieren, keine epidemieartigen Häufungen. Erregerbezeichnung Genetik Synonym Prototheca zopfii Krüger, 1894 (chlorophylllose, einzellige Alge) Prävention Protoheca (P.) chlorelloides Beijerinck (1904); P. portoricensis Ashford et al. (1930); P. ciferri Negroni und Blaisten (1941); P. trispora Ciferri et al. (1957); P. segbwema Davies et al. (1964); P. salmonis Gentles und Bond (1977). Für den Menschen sind Präventivmaßnahmen kaum möglich und erforderlich. Morphologie Accession-No. der Nukleinsäuren- und Proteinsequenzen: 18S smal subunit rRNA: GenBank Accession-Nr.: X56099 und X74003 Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Im Allgemeinen nicht notwendig, Monitoring immunsupprimierter Personen. Meldepflicht Prototheca zopfii lässt sich auf Pilznährböden kultivieren. Kolonie. Oberseite: Trockene, hefeartige, flache Kolonien mit zentralem Knopf, ausgebogtem Rand und gekörnter Oberfläche, weißlich-beige. Unterseite: Farblos. Keine. Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Referenzzentren / Expertenlaboratorien Keine. Web-Adressen Further Information: http://www.prototheca.com Stammsammlung für Algenkulturen der Universität Göttingen: http://www.gwdg.de/ ~epsag/phykologia/epsag.html Culture collection ATCC: http://phage.atcc.org/searchengine/all.html 568 Mikromorphologie der Kulturform. Runde oder elliptische Einzelzellen (Durchmesser 9 bis 11 µm), plastidähnliche Granula im Protoplasma. Und besonders große Zellen (Sporangien, Durchmesser bis 30 µm) mit runden oder elliptischen Endosporen im Innern, daneben in Teilung befindliche Zwischenformen. Keine Abschnürung von Sprosszellen! Taxonomie Obwohl die taxonomische Stellung der Prototheken nicht eindeutig determiniert ist, werden sie allgemein als chlorophylllose Algen angesehen. Die Gattung Prototheca wird der Familie Chlorophyceae (Grünalgen) zugeordnet. Sie Prototheca zopfii umfasst farblose (chlorophylllose) einzellige, unbewegliche, heterotroph und aerob lebende Algen, die sich ausschließlich asexuell durch Bildung von Endosporen in freier Zellbildung vermehren. Es werden derzeit 3 Spezies anerkannt: ◗ P. zopfii ◗ P. wickerhamii ( „P. wickerhamii“) ◗ P. stagnora Cooke, 1968. P. stagnora ist kein Krankheitserreger für Mensch und Tier. Historie Das Genus Prototheca wurde 1894 von Krüger etabliert. Er hatte erstmalig Prototheken aus dem Saftfluss von Laubbäumen isoliert. Ihre Zuordnung zu Pilzen oder zu Algen war lange umstritten. Für die Zugehörigkeit zu Algen sprechen die Ultrastruktur der Zellwände, plastidähnliche Granula im Plasma und der asexuelle Vermehrungsmodus durch Bildung von Endosporen. Erkrankungen/Symptome P. zopfii ruft kutane und systemische Erkrankungen bei Mensch und Tier hervor. Dabei kommt es zu geringen Entzündungserscheinungen bis hin zu schweren Nekrosen oder Mikroabszessen. Bei Tieren verlaufen die Infektionen schwerer als beim Menschen. Infektionen beim Menschen. Sehr selten, vorwiegend Einzelfälle in tropischen und subtropischen gebieten. 1964 erste gesicherte kutane Protothekose durch Davies et al.: Verruköse Fußläsion mit nachfolgender Generalisierung bei einem afrikanischen Reisbauern durch P. segbwema (Synonym von P. zopfii). Labordiagnostik Die mikrobiologische Diagnostik basiert auf dem mikroskopischen und kulturellen Erregernachweis. Bei Protothekenmastitis des Rindes steht außerdem ein indirekter ELISA zum Nachweis von spezifischem IgG im Serum und von IgA und IgG1 im Milchserum zur Verfügung. Mikroskopische Untersuchung. Von Materialproben aus Krankheitsherden: Nachweis von runden bis ovalen Zellen (3 bis 30 µm Durchmesser) mit oder ohne Endosporen in der Dermis, Epidermis und in Organen (z.B. Eutergewebe mastitiskranker Rinder). Zur Darstellung der Prototheken-Zellen eignen sich die Färbungen nach Grocott-Gomori oder Grindley und die PAS-Färbung sowie die ImmunfluoreszenzTechnik. Kulturelle Anzüchtung. Auf den üblichen festen Pilznährböden mit Thiamin, jedoch ohne Cycloheximid (Actidion) bei 25 bis 37°C in 2 bis 5 Tagen. Zur Isolierung aus stark kontaminierten Proben (Abwasser, Kot) eignet sich der Selektivagar von PORE mit Zusatz von Kaluimhydrogenphthalat und Flucytosin (Ancotil®). Differenzierung. Von P. zopfii anhand der Kolonieform, der Mikromorphologie und der Assimilation von Kohlenstoffverbindungen (Glucose, Galactose, Trehalose und Glycerin werden assimiliert), KNO3 wird nicht verwertet, Wachstum findet bei 37°C statt. Therapie Infektionen bei Tieren. Werden am häufigsten von P. zopfii ausgelöst. Im Vordergrund stehen Systemerkrankungen mit zusätzlichem Hautund Schleimhautbefall. Besonders betroffen sind Rinder (akute und chronische Entzündung des Euters), Hunde (Befall der Haut, des Darmtraktes und der Augen) sowie Katzen. Differenzialdiagnose Klinisch. Abgrenzung der Prototheken von Sprosspilzen (Hefen, z.B. Candida spp.) Mikrobiologisch. Ausschluss bakteriell- oder pilzbedingter Krankheitsbilder. Die Behandlung der Protothekosen ist außerordentlich schwierig und langwierig, oft erfolglos. Antibakterielle Antibiotika, Sulfonamide und zytotoxische Präparate sind unwirksam. Von den Antimykotika zeigen Nystatin, Amphotericin B, Miconazol und Ketoconazol in vitro einen Hemmeffekt. Gegen Griseofulvin, Fluconazol, Itraconazol und Flucytosin sind Prototheken resistent. Beim Menschen erwies sich Amphotericin B intravenös langfristig in hohen Dosen verabreicht als am wirksamsten. Die medikamentöse Therapie der Protothekenmastitis des Rindes war bislang erfolglos. 569 P Prototheca zopfii Spezifische Merkmale Immunantwort Prototheken bilden im Unterschied zu Hefepilzen keine Sprosszellen. Bei der Kultur- und Gewebeform treten Sporangien mit Endosporen auf. ◗ Induktion spezifischer Antikörper der Isotypen IgG im Serum sowie IgA und IgG1 im Milchserum (Rind). ◗ Das Rind verfügt über eine insuffiziente Infektabwehr, da ca. 2/3 der infizierten Tiere zu intermittierenden oder persistierenden Erregerausscheidern werden. ◗ Abkapselung von P. zopfii im Gewebe. ◗ Hohe Phagozytoseresistenz. Für P. zopfii ist Überleben und Vermehrung im Makrophagen und in PMN’s möglich. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität P. zopfii ist ein fakultativ pathogener Erreger, der bei entsprechender Vorschädigung oder in Kombination mit Immunsuppression, z.B. bei HIV-Infektion oder Cortison-Therapie, Krankheiten auslösen kann. Sie verfügt über eine geringe Virulenz. Die Existenz von Toxinen als Virulenzfaktoren wird diskutiert. Es gibt deutliche Belege für die Existenz dreier Sero- und Biotypen von P. zopfii, von denen Serotyp II für die Protothekenmastitis des Rindes ursächlich zu sein scheint. Wirtsbereich Transmission P. zopfii ist ein ubiquitärer Bewohner von ländlichen und städtischen Abwässern, an die sie in hohem Maße adaptiert ist. Vorkommen im Darmtrakt von Rindern, Hunden, Ratten und Bibern. Gelegentlicher Nachweis beim Menschen als Kontaminanten im Stuhl, Sputum, auf Haut- und Nagelmaterial. Exogene Infektion. Keine direkte Übertragung von einem Wirt auf den anderen. Risikogruppen Bei Tieren. Übertragung durch kothaltiges Wasser und Abwasser, über Gülle, Melkutensilien, Stallausrüstungen und natürlich gedüngte Weideflächen. Intrazisternale und perkutane Aufnahme der Prototheken durch das Rind. Beim Menschen. Infektion durch Umweltkontakte. Eintrittspforten für Prototheken sind die Haut, die Mundschleimhaut und der MagenDarm-Trakt. Vermehrung und Inkubationszeit Vermehrung durch Endosporulation. Aerobe Kultivierung auf den üblichen Pilznährböden. 2 bis 5 Tage Inkubationsdauer bei 25 bis 28°C, bei pathogenen Isolaten Wachstum bei 37°C. Inkubationszeit bei Infektion: Unbekannt Resistenz Bei Therapie. Sensibel gegen Amphotericin B, Ketoconazol, Nystatin. Resistent gegen Flucytosin, Griseofulvin, Fluconazol, Itraconazol. In der Umwelt. Geringe Trockenresistenz, Bevorzugung feuchter Standorte. 570 Beim Menschen wirken Traumen und traumatische Implantationen in die Haut, Operationswunden, allgemeine Resistenzminderung und Immundefekte prädisponierend für eine Protothekose. Auch bei Tieren ist mit dem Einfluss disponierender Faktoren im Sinne einer allgemeinen oder lokalen Resistenzänderung zu rechnen (z.B. bakteriell bedingte Euterinfektionen und langfristige Antibiotikatherapie als Vorläufer der Protothekenmastitis beim Rind). Epidemiologie Über die Epidemiologie und Epizootiologie der Protothekosen liegt wenig gesichertes Wissen vor. P. zopfii ist weltweit verbreitet. Die Alge lebt als anspruchsloser Saprophyt in feuchten Umweltbereichen. Sie wird mit dem Kot von Rindern und Schweinen sowie mit der Milch mastitiskranker und asymptomatischer Kühe ausgeschieden. Durch protothekenhaltige Abwässer werden natürliche Wassersysteme sowie Nahrungs- und Futtermittel kontaminiert. Der Nachweis von P. zopfii gelang aus Abwasser, Flüssen, stehenden Gewässern, marinem Wasser, Erdböden und Erdölschlamm. Die Protothekenmastitis der Rinder ist eine äußerst kontagiöse Herdenerkrankung mit epidemischen Ausbrüchen. Providencia, Morganella Accession-No. der Nukleinsäuren- und Proteinsequenzen: 18S smal subunit rRNA: GenBank Accession-Nr.: X63519 und X74006 Culture collection ATCC: http://phage.atcc.org/searchengine/all.html Culture collection UTEX: http://www.bio.utexas.edu/research/utex/ Prävention Schlüsselliteratur Für den Menschen sind Präventivmaßnahmen kaum möglich und erforderlich. Eine andere Situation liegt bei Tierbeständen vor: Da mit dem Vorkommen von Prototheken in Rinderställen zu rechnen ist, sind wirksame Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Stall- und Melkhygiene erforderlich. Tiere mit Protothekenmastitis müssen mangels wirksamer Therapien getötet werden. Gesunde Tiere mit Ausscheidung von Prototheken in der Milch sind vom übrigen Tierbestand zu isolieren. Die Milch aller Tiere ist auf P. zopfii zu kontrollieren. 1. Blaschke-Hellmessen R, Schuter H, Schuster K (1985) Chlorophyllose Algen der Gattung Prototheca (Krüger) – Saprophyten und Krankheitserreger bei Mensch und Tier. Z gesamte Hygiene 31, pp. 561–564 2. Blaschke-Hellmessen R, Schuster H, Bergmann V (1985) Differenzierung von Varianten bei Prototheca zopfii Krüger 1894. Arch exper Vet med 39, pp. 387–397 3. Kwon-Chung KJ, Bennett JE (1992) Medical Mycology, 2nd ed., Chapter 29: Protothecoses, pp. 183–190. Lea & Febiger, Philadelphia, London. 4. Jensen HE, Aalbaek B, Bloch B, Huda A (1998) Bovine mammary protothecosis due to Prototheca zopfii. 36, pp. 89–95 5. Roesler U, Scholz H, Hensel A (2001) Immunodiagnostic identification of diary cows infected with Prototheca zopfii at various clinical stages and discrimination between infected and uninfected cows. J Clin Microbiol 39 (2): in press Genetik Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Mensch: Im Allgemeinen nicht notwendig, Monitoring immunsupprimierter Personen. Rind: ◗ optimierte Melkhygiene ◗ Separierung und Tötung aller Keimträger ◗ Kombination von serologischer und kultureller Untersuchung bei mehrmaligen Bestandsuntersuchungen. Providencia, Morganella Erregerbezeichnung Providencia alcalifaciens, Providencia stuartii, Providencia rettgeri, Morganella morganii Synonym Keine Daten verfügbar. Meldepflicht P Keine. Morphologie Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen Gramnegative Stäbchenbakterien, Providencia 0,6–0,8×1,5–2,5 µm, Morganella 0,6–0,7×1,0– 1,7 µm. Beweglich durch peritriche Begeißelung. Referenzzentren Keine. Taxonomie Expertenlaboratorien Familie: Enterobacteriaceae Gattungen: Providencia, Morganella ELISA zur Diagnostik der Protothekenmastitis: Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig. An den Tierkliniken 43, 04103 Leipzig Web-Adressen Further Information: http://www.prototheca.com Stammsammlung für Algenkulturen der Universität Göttingen: http://www.gwdg.de/ ~epsag/phykologia/epsag.html Historie Providencia ist benannt nach der Stadt Providence in U.S.A. (Ewing, W.H., 1962), stuartii nach dem amerikanischen Mikrobiologen C.A. Stuart (1943), rettgeri nach dem Erstbeschreiber L.F. Rettger (1909). Morganella morganii nach dem englischen Mikrobiologen H. de R. Morgan (1906). Providencia und Morganella wurden aus dem Genus Proteus ausgegliedert. 571 Providencia, Morganella Erkrankungen/Symptome Vermehrung und Inkubationszeit Typische Erreger nosokomialer Erkrankungen Proteus. Keine Daten verfügbar. Lokalisierte Prozesse. Proteus. Generalisierte Prozesse. Proteus. Resistenz Keine Daten verfügbar. Immunantwort Keine Daten verfügbar. Differenzialdiagnose Keine Daten verfügbar. Labordiagnostik Kulturelle Anzüchtung. Fakultativ pathogene E. coli. Providencia und Morganella zeigt kein Schwärmphänomen. Biochemische Differenzierung: Durch unterschiedlichen Kohlenhydratabbau und andere biochemische Reaktionen können die Spezies der beiden Gattungen voneinander unterschieden werden. Harnstoffspaltung erfolgt durch Providencia rettgeri und Morganella morganii. Wirtsbereich Providencia species finden sich häufig im Darm von Mensch und Tieren, Morganella in den Fäzes von Menschen, Hunden und anderen Säugetieren. Risikogruppen Proteus. Epidemiologie Proteus. Genetik Serologische Differenzierung. Für P. alcalifaciens sind 46 O-Antigene und für P. stuartii 17 OAntigentypen bekannt. Für P. rettgeri besteht ein Schema aus 34 O-Antigen- und 26 H-Antigentypen. Bei Morganella wurden 12 Phagentypen beschrieben und 42 Serotypen. Keine Daten verfügbar. Therapie Keine Daten verfügbar. Entsprechend Antibiogramm Proteus. Spezifische Merkmale Prävention E. coli. Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Meldepflicht § 23 IfSG Abs. 1: Multiresistenz ist zu dokumentieren. Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität Providencia rettgeri und Morganella morganii sind mit Hilfe des Enzyms Urease in der Lage, Harnstoff in CO2 und Ammoniak zu spalten. Dies scheint ein Virulenzfaktor für die Entstehung von Harnwegsinfektionen zu sein, da es durch Alkalisierung des Urins möglicherweise zu einer Schädigung des Nierenepithels kommt. Bei Providencia-Arten kommen induzierbare oder konstitutive chromosomalkodierte Betalaktamasen vor, die den Spezies eine Multiresistenz gegenüber Antibiotika verleihen können; Endotoxin. Transmission Proteus. 572 Referenzzentren, Expertenlaboratorien und Web-Adressen http://www.cdc.gov/ Schlüsselliteratur 1. Blaser, M.J., Ph.D. Smith, J.I. Ravdin, H.B. Greenberg, R.L. Guerrant (Eds.) Infections of the Gastrointestinal Tract, Raven Press New York, 1995 2. Hahn, H., D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 4. Auflage, Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona, Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokyo, 2001 3. Kist, M., J. Bockemühl, S. Aleksic, M. Altwegg, I.B. Autenrieth, W. Bär, L. Beutin, B. Gerten, E. Heintschel von Heinegg, H. Karch, A. Lehmacher, F. Mehnert, U. Sonnenborn, H. Tschäpe, Chr. V. Eichel-Streiber: Infektionen des Darmes: MiQ 9, Urban und Fischer, München, Jena, 2000 Pseudomonas 4. Konemann, E.W., H.D. Allen, W.M. Janda, P.C. Schreckenberger, W.C. Winn (Eds.) Diagnostic Microbiology, 5th Ed., Lippincott, Philadelphia, New York, 1997 5. Mandell, G.L., J.E. Bennett, R. Dolin (Eds.) Mandell, Douglas, and Bennett’s Principles and Practice of Infectious Diseases. 5th Ed. Churchill-Livingstone, Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sydney, Tokyo, Edinburgh, 2000 Pseudokuhpockenvirus Pockenviren, andere humanpathogene animalische Differenzialdiagnose Erkrankungen durch eine Vielzahl anderer Erreger mit gleicher klinischer Symptomatik Labordiagnostik Mikroskopie. Dünne gramnegative Stäbchen, beweglich aufgrund monopolarer Begeißelung. Kulturelle Anzüchtung. Auf allen Medien, die gramnegative Stäbchen nicht zu hemmen vermögen, zwischen 30° und 42°C. Differenzierung. Oft typische Koloniemorphologie mit Hämolyse, Pseudophagenlöchern, unregelmäßigen Rändern, Metallglanz, Bildung von Pyozyanin (blau) und Pyoverdin (Fluoreszein, grünlich). Pseudomonas Erregerbezeichnung Pseudomonas aeruginosa Synonym Bakterium pyocyaneum, Pyo Morphologie Gramnegatives, schlankes Stäbchen Biochemische Differenzierung. Nichtfermentierend, N2-Bildung aus Nitrat, Oxidation vieler Zucker, Oxidase-positiv. Serologische Differenzierung. Aufgrund der Lipopolysaccharidstruktur. Typisierungsverfahren. Phagen-, Pyozintypisierung; heutzutage molekulare Methoden bevorzugt. Taxonomie Familie: Pseudomonadaceae Gattungen: Pseudomonas Historie P. aeruginosa wurde erstmals 1872 von Schroeter beschrieben und Bacterium aeruginosa genannt. Gessard (1882) beschrieb die Pigmente. Migula benannte 1900 den Keim Pseudomonas aeruginosa. Erkrankungen/Symptome Alle Organsysteme können betroffen werden. Pneumonie mit oder ohne Bakteriämie, Kolonisation des Respirationstrakts (mit Progression) bei zystischer Fibrose, Septikämie (evtl. mit Ecthyma gangraenosum), Endokarditis, Harnwegsinfektionen, Meningitis Otitis externa, Keratitis, Endophthalmitis, Osteomyelitis, Wundinfektionen, Folliculitis. Die große Mehrzahl der Erkrankungen ist nosokomial erworben. Chronische Besiedlung bei Mukoviszidose. Therapie P. aeruginosa ist multiresistent. Gewöhnlich wird für die Therapie ein Pseudomonas-aktives Penicillin (Mezlocillin, Piperacillin) in Kombination mit einem Aminoglykosid verabfolgt, sofern Empfindlichkeit besteht. Alternativen sind Ceftazidim, Imipenem, Ciprofloxazin, meist ebenfalls mit Aminoglykosiden kombiniert. Spezifische Merkmale Pathogenität, Virulenz, Antigenvariabilität Pathogenitätsmechanismen: Pili zur Adhäsion, Poysaccharidkapseln (mukoide Kolonien bei zystischer Fibrose), extrazelluläre Enzyme (Elastase, Proteasen Hämolysine), Exotoxin A (Wirkungsmechanismus ähnelt dem des Diphtherietoxins), Endotoxin. Transmission Meist von der unbelebten Umwelt(z.B. Nasszonen im Krankenhaus), seltener von Mensch zu 573 P Pseudomonas maltophilia Mensch (ebenfalls bei Krankenhausaufenthalt und zystischer Fibrose). Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle Siehe Prävention. Vermehrung und Inkubationszeit P. aeruginosa sind äußerst anspruchslos und wachsen auf Minimalnährmedien (Vermehrung auch im Trinkwasser möglich. Die Inkubationszeit bei nosokomialen Infektionen beträgt Tage. Meldepflicht Es besteht keine Meldepflicht nach IfSG. Referenzzentren Keine bekannt. Resistenz P. aeruginosa sind gegen Penicillin, Ampicillin, Amoxicillin-Clavulansäure, Tetrazykline sowie Cephalosporine der 1. und 2. Generation und orale der 3. Generation resistent. Immunantwort Erkrankung durch P. aeruginosa hinterlässt keine Immunität. Aktive Immunisierung hat sich nicht bewährt. Schlüsselliteratur 1. Köhler, W., H. J. Eggers, B. Fleischer, R. Marre, H. Pfister, G. Pulverer (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie, 8. Auflage. Urban & Fischer, München, 2000 2. Murray, P., E. J. Baron, M. Pfaller, F. Tenover, R. H. Yolken (eds.) Manual of Clinical Microbiology, 7th edn. Amer. Soc. Microbiology, 1999 3. Burkhardt, F. (Hrsg.) Mikrobiologische Diagnostik. Georg Thieme Verlag Stuttgart, 1992 Wirtsbereich Pseudomonas maltophilia Mensch, Tier, Pflanzen, unbelebte Umwelt. Stenotrophomonas Risikogruppen Leukopenie, Immunsuppression (Sepsis); Verbrennungen (Wundinfektionen), antimikrobielle Therapie, lokale Feuchtigkeitsansammlungen (Otitis, Folliculitis), Diabetes mellitus (maligne Otitis), zystische Fibrose. Pseudomonas putrefaciens Shewanella Epidemiologie Pseudomonas shigelloides Da P. aeruginosa ein ubiquitärer Keim mit geringen Nährstoffansprüchen ist, kann er in vielen Arealen, v.a. auch im Spital, überleben und von dort auf Patienten übertragen werden. Meist kommt es zunächst zur Kolonisierung (z.B. im oberen Respirationstrakt oder im Dickdarm). Plesiomonas Punta Toro Virus Bunyaviren Genetik Gensequenz des Toxin A-Gens bekannt, wird als spezifischer Primer bei der molekularbiologischen Charakterisierung von P. aeruginosa verwendet. Prävention Allgemein-Maßnahmen zur Verhinderung der Übertragung von gramnegativen Keimen (z.B. Tragen von Handschuhen beim Pflegepersonal, Elimination infizierter Nasszonen). Vakzinen sind bisher nur experimentell verwendet worden. 574 Puumula-Virus Hantaviren