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P
Pärchenegel
Schistosoma
Papillomavirus
Erregerbezeichnung
Humanes Papillomavirus Typ 1 bis 87 (siehe Tabelle 1)
Synonym
Keine.
Morphologie
Das ikosaedrische Kapsid mit einem Durchmesser von 55 nm besteht aus 72 Kapsomeren und
beherbergt das doppelsträngige, zirkuläre DNA
Genom in Form eines Chromatin-ähnlichen
Komplexes mit zellulären Histonen. Alle Kapsomeren (12 umgeben von 5, 60 in Kontakt mit 6
Kapsomeren) zeigen eine fünffache Rotationssymmetrie und sind daher wahrscheinlich Pentamere, bestehend aus 5 Molekülen des Hauptstrukturproteins L1 (55 kD). Das Strukturprotein L2 ist wahrscheinlich im Zentrum der pentavalenten Kapsomere lokalisiert. Das Kapsid ist
nicht von einer Zellmembran umhüllt.
Taxonomie
Papillomviren bilden die Familie der Papillomaviridae. Anhand von DNA Verwandtschaft
(weniger als 90% Sequenzhomologie im Bereich
des Translationsleserahmens L1) unterscheidet
man 87 Genotypen, wobei Hinweise auf mehr
als 100 potenziell neue Typen durch PCR-Amplifikation partieller Sequenzen gewonnen wurden, so dass die Zahl in den nächsten Jahren
noch steigen dürfte. Einzelne HPV-Typen werden zum Teil in Subtypen bei 90–98%iger Ähn-
lichkeit und Varianten bei mehr als 98%iger
Ähnlichkeit mit dem jeweiligen HPV-Prototyp
differenziert. Andererseits werden HPVs aufgrund ihrer Sequenz-Verwandschaft 5 Supergruppen (A-E) zugeordnet. Hierbei bilden HPVs, die die Schleimhaut infizieren, die Gruppe
A, während die meisten HPVs, die die verhornende Haut infizieren, zur Gruppe B bzw. E gehören.
Historie
Warzen auf der Haut und den Genitalien sind
seit dem Altertum bekannt. Die virale Genese
wurde 1907 von Ciuffo belegt, der vulgäre Warzen durch Injektion zellfreier Filtrate von Warzenextrakten auf Freiwillige übertrug. Der
Name der Viren leitet sich ab vom lateinischen
Papilla = Brustwarze. Nach 1975 wurde mit Hilfe
molekularer Klonierung viraler DNA die große
genetische Heterogenität der Papillomviren
deutlich. Anfang der 80iger Jahre konnten zur
Hausen und Mitarbeiter die Assoziation spezifischer HPV Typen mit Genitalkrebs, insbesondere dem Karzinom der Cervix uteri, belegen.
1995 wurden die HPV-Typen 16 und 18 von der
WHO als Karzinogene eingestuft.
Erkrankungen/Symptome
Infektionen mit verschiedenen HPV-Typen manifestieren sich klinisch als Warzen der verhornenden Haut, Genitalwarzen oder spitze Kondylome, Dysplasien der Schleimhäute, Papillome der Mundhöhle und des Kehlkopfs oder
Konjunktivapapillome (Tabelle 1).
Hautwarzen. Hautwarzen sind gutartige Wucherungen mit begrenztem Wachstum, die
meist ohne Therapie nach einigen Monaten
spontan abheilen oder über Jahre unverändert
persistieren. Nach Lokalisation, Morphologie
und Histologie unterscheidet man vulgäre War485
Papillomavirus
Tabelle 1
HPV-Typen in gutartigen und bösartigen Tumoren des Menschen
HPV-Typ Vorkommen
Accession-Nummer
1
2
3
4
5
6
V01116
X55964
X74462
X70827
M17463
L41216
Plantarwarzen
Vulgärwarzen
plane, juvenile Warzen
Vulgärwarzen
benigne und maligne Hauttumoren bei EV*
spitze Kondylome, anogenitale intraepitheliale Neoplasien Konjuktiv-,
Larynxpapillome
7
Vulgärwarzen, filiforme Warzen
8
benigne und maligne Hauttumoren bei EV*
9
benigne Hautläsionen bei EV*
10
plane, juvenile Warzen
11
spitze Kondylome, anogenitale intraepitheliale Neoplasien, Konjuktiv-,
Larynxpapillome
12
benigne Hautläsionen bei EV*
13
fokale epitheliale Hyperlasie Heck
14
benigne Hautläsionen bei EV*
15
benigne Hautläsionen bei EV*
16
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome, Tonsillen-,
Larynxkarzinome
17
benigne Hautläsionen bei EV*
18
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
19
benigne Hautläsionen bei EV*
20
benigne Hautläsionen bei EV*
21
benigne Hautläsionen bei EV*
22
benigne Hautläsionen bei EV*
23
benigne Hautläsionen bei EV*
24
benigne Hautläsionen bei EV*
25
benigne Hautläsionen bei EV*
26
Vulgärwarzen
27
Vulgärwarzen
28
plane Warzen
29
Vulgärwarzen
30
anogenitale intraepitheliale Neoplasien, Larynxpapillome
31
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
32
fokale epitheliale Hyperlasie Heck, orale Papillome
33
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome, Tonsillen-,
Larynxkarzinome
34
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
35
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
* EV = Epidermodysplasia verruciformis
** Accession-Nummer noch nicht verfügbar
486
X74463
M12737
X74464
X74465
M14119
X74466
X62843
X74467
X74468
K02718
X74469
X05015
X74470
U31778
U31779
U31780
U31781
U31782
X74471
X74472
X74473
U31783
U31784
X74474
J04353
X74475
M12732
X74476
M74117
Papillomavirus
Tabelle 1
HPV-Typen in gutartigen und bösartigen Tumoren des Menschen (Forts.)
HPV-Typ Vorkommen
Accession-Nummer
36
37
38
39
40
41
42
43
44
45
47
48
49
50
51
52
53
54
55
56
57
U31785
U31786
U31787
M62849
X74478
X56147
M73236
M27022
U31788
X74479
M32305
U31789
X74480
U31790
M62877
X74481
X74482
U37488
U31791
X74483
X55965
aktinische Keratose, benigne Hautläsionen bei EV*
Keratoakanthome
benigne Hautläsionen bei EV*, Melanome
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
Vulgärwarzen, Plattenepithelkarzinome der Haut
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
benigne Hautläsionen bei EV*, Plattenepithelkarzinom
Vulgärwarzen, Plattenepithelkarzinom der Haut
Plane Warzen bei Immunsupprimierten
benigne Hautläsionen bei EV*
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
Vulgärwarzen, orale Papillome, epidermoide Zysten,
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
58
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
59
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
60
pigmentierte Warzen, epidermoide Zysten
61
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
62
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
62
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
63
Plantarwarzen
64
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
65
pigmentierte Warzen
66
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
67
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
68
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
69
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
70
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
71
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
72
anogenitale intraepitheliale Neoplasien, orale Warze
* EV = Epidermodysplasia verruciformis
** Accession-Nummer noch nicht verfügbar
D90400
X77858
U31792
U31793
U12499
U12499
X70828
U12495
X70829
U31794
D21208
X67161
AB027020
U21941
AB040456
X94164
P
487
Papillomavirus
Tabelle 1
HPV-Typen in gutartigen und bösartigen Tumoren des Menschen (Forts.)
HPV-Typ Vorkommen
Accession-Nummer
73
anogenitale intraepitheliale Neoplasien, orale Warze
74
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
75
Vulgärwarzen
76
Vulgärwarzen
77
Vulgärwarzen
78
Vulgärwarzen
79
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
80
normale Haut
82
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
83
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
84
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
85
anogenitale intraepitheliale Neoplasien und Karzinome
86
anogenitale intraepitheliale Neoplasien
87
?
* EV = Epidermodysplasia verruciformis
** Accession-Nummer noch nicht verfügbar
X94165
U40822
Y15173
Y15174
Y15175
**
**
Y15176
AB027021
AF151983
AF293960
AF131950
AF349909
AJ400628
zen, Plantarwarzen, plane oder filiforme Warzen. Mehr oder weniger ausgeprägt sind Akanthose, Keratohyalingranula im stratum granulosum und Hyperkeratose. Vulgäre Warzen an
Händen von Metzgern und Schlachthofarbeitern werden häufig von HPV7 induziert, bei
dem es sich jedoch nicht um ein animales Papillomvirus handelt.
Epidermodysplasia verruciformis (EV). Die EV
ist eine seltene, familiär gehäuft auftretende, lebenslange Hauterkrankung mit disseminierten
flachen Warzen und makulösen Veränderungen. Die Anlage wird meist autosomal rezessiv
vererbt und macht die Patienten empfänglich
für Infektionen mit einer heterogenen HPV
Gruppe (Tabelle 1). In 30–50% der Fälle entwickeln sich Plattenepithelkarzinome in der Regel
auf sonnenexponierten Hautpartien. Die lange
Persistenz der Warzen ist wahrscheinlich auf
Defekte der zellvermittelten Immunität zurückzuführen.
Spitze Kondylome. Die exophytischen Genitalwarzen treten auf am Penis, an der Vulva, am
Introitus vaginae, am Perineum und perianal.
In Ausnahmefällen können sie monströse For488
men annehmen (Buschke-Löwenstein-Tumoren).
Intraepitheliale Neoplasien des Genitaltrakts.
Ähnlich häufig wie spitze Kondylome sind klinisch sehr oft unauffällige Manifestationen einer Papillomvirusinfektion, in denen normal
differenzierende Epithelzellen in zunehmendem Maße durch undifferenzierte Keratinozyten vom Basalzelltyp ersetzt sind. Je nach Anteil
undifferenzierter Zellen im Epithel unterscheidet man nach verschiedenen Nomenklaturen
milde, mäßige und schwere Dysplasien, intraepitheliale Neoplasien (IN) der Grade I, II und
III oder geringgradige und schwergradige
„Squamous intraepithelial lesions“ (SIL). Die
Dysplasien der Gebärmutterhalsschleimhaut
(CIN) sind von besonderem klinischen Interesse, da sie als Vorläufer des Zervixkarzinoms gelten. Intraepitheliale Neoplasien der Vagina, der
Vulva, des Penis und des Anus entarten seltener
zu Karzinomen. Milde Dysplasien scheinen
zwei Entitäten zu umfassen: 1. Gewöhnlich transiente, spontan abheilende Veränderungen als
Ergebnis von Infektionen mit HPV6, 11 und verwandten Viren; 2. Frühe Manifestationen von
Infektionen mit HPV16, HPV18 oder verwandten Viren, die sich zum Teil rasch zu schweren
Papillomavirus
Dysplasien weiterentwickeln und schließlich
maligne entarten.
Larynxpapillome. Larynxpapillome zeigen eine
bimodale Altersverteilung. Sie treten bei Kindern gewöhnlich multipel auf und können lebensbedrohlich sein, wenn aufgrund üppigen
Wachstums die Atemwege verlegt werden. Häufige Rekurrenzen nach chirurgischer Abtragung
stellen ein weiteres Problem dar; maligne Entartung ist jedoch extrem selten. Etwas mehr als
ein Drittel dieser Erkrankungen beginnt bei Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren.
Die Papillome treten dann gewöhnlich einzeln
auf und entarten in etwa 20% der Fälle.
Fokale epitheliale Hyperplasie Heck. Bei diesem Krankheitsbild beobachtet man mäßig erhabene Papeln auf der gesamten Mundschleimhaut, die für mehrere Jahre persistieren können
ohne maligne zu entarten. Bemerkenswert ist
das gehäufte Auftreten bei bestimmten ethnischen Gruppen wie Indianern und Eskimos.
Genitalkrebs. HPV DNA findet man in fast
100% der Zervixkarzinome. Somit scheint es,
dass eine HPV Infektion eine notwendige (jedoch nicht ausreichende) Ursache des Zervixkarzinoms ist. Am häufigsten liegt HPV16
vor, gefolgt von HPV18, HPV45 und HPV31. Die
enge Assoziation zwischen dem Zervixkarzinom und einer Infektion mit Hoch-Risiko HPVTypen führte dazu, dass HPV16 und 18 (1995)
und die HPV Typen 31, 33, 35, 45, 51, 52 und 58
(2000) als karzinogen eingestuft wurden. In
Adenokarzinomen der Zervix uteri herrscht
HPV18 vor. Da in der Regel viele Jahre zwischen
der Primärinfektion und dem Auftreten von
Karzinomen verstreichen, sind offensichtlich
weitere Ereignisse notwendig ehe es zur malignen Entartung kommt. Die persistierende Expression viraler Onkogene scheint in vielen Fällen für die Aufrechterhaltung des malignen
Phänotyps verantwortlich zu sein. Auch Vulva-,
Vagina-, Penis- und Analkarzinome enthalten
HPV DNA. Die HPV Prävalenz liegt jedoch
niedriger und überschreitet in vielen Untersuchungen nicht 50%.
Hautkrebs. Die Rolle von HPV bei der Entstehung von Plattenepithelkarzinomen und Basaliomen der Haut ist abgesehen von dem Syn-
drom EV noch unklar. HPV Sequenzen, insbesondere nahe Verwandte zu EV-assoziierten
Viren, wurden mit Hilfe der Polymerasekettenreaktion in bis zu 70% der Hauttumoren immunsupprimierter Organempfänger aber auch
immunkompetenter Patienten nachgewiesen.
Der vermehrte Nachweis von HPV DNA in
Hauttumoren im Vergleich zu gesunder Haut
bei immunkompetenten Personen deutet auf
ein erhöhtes Risiko durch HPVs hin.
Sonstige Malignome. Fallberichte beschrieben
HPV DNA in verschiedenen Karzinomen der
Mundhöhle, des Respirationstrakts, des Ösophagus und des Auges. Höhere Prävalenz in Tumoren als im Kontrollgewebe unterstreicht die
Bedeutung der Befunde für Mundhöhlenkarzinome. Insbesondere bei Tonsillenkarzinomen
scheinen HPVs eine ursächliche Rolle bei der
Karzinogenese zu spielen.
Differenzialdiagnose
Das klinische Bild ist oft eindeutig. Zum Teil
muss gedacht werden an Mollusca contagiosa
(durch ein Pockenvirus verursacht), syphilitische Condylomata lata, physiologische Papillae
coronae glandis und andere Haut- und Schleimhautveränderungen.
Labordiagnostik
Warzen und Kondylome werden unschwer klinisch diagnostiziert. Die virologische Diagnose
könnte Bedeutung gewinnen bei Vorsorgeuntersuchungen zur Früherkennung des Zervixkarzinoms und seiner Vorläufer.
Direkter Virusnachweis. Die elektronenmikroskopische Darstellung von Viruspartikeln und
der immunhistologische Nachweis viraler
Strukturproteine sind sehr oft mangels produktiver Infektionen (vor allem in prämalignen und
malignen Tumoren) nicht möglich. Im positiven Fall sprechen sie dafür, dass die Läsion infektiös ist. DNA-Hybridisierungstests und vor
allem die Polymerasekettenreaktion sind Methoden der Wahl zum Nachweis und zur Typisierung von HPV. In situ Hybridisierungstests
erlauben eine präzise Zuordnung von viraler
Nukleinsäure und pathologischen Veränderungen. Ein besonderes diagnostisches Problem
stellt die Typenvielfalt dar, so dass ein negativer
Befund nur bedingt aussagekräftig ist. Als Un489
P
Papillomavirus
tersuchungsmaterial dienen Biopsien und Abstriche von erkrankter Schleimhaut.
Serologie. Der Nachweis von virusspezifischen
Antikörpern der Klasse IgM, IgG und IgA durch
ELISA und Western-Blot hat keine praktische
Bedeutung.
Histopathologie. Eine Reihe kutaner HPVs
führt zu sehr charakteristischen zytopathogenen Effekten, die sogar eine grobe Virustypisierung erlauben. Bei genitalen HPV Infektionen
sind so genannte Koilozyten häufig zu beobachten, die sich durch eine große, perinukleäre Vakuole, vergrößerten Kern und häufig Doppelkernigkeit auszeichnen.
Therapie
Bei ausbleibender Spontanregression versucht
man chirurgische Abtragung oder chemische
bzw. physikalische Zerstörung der HPV-induzierten Tumoren durch zytotoxische Agenzien
(z.B. Trichloressigsäure; Podophyllotoxin),
flüssigen Stickstoff oder Laser. Sehr gute Therapieerfolge können bei anogenitialen Warzen
durch Anwendung vom Immunmodulatoren
auf Salbenbasis erzielt werden. Imiquimod zeigte sich besonders wirksam bei der Behandlung
von Condylomata acuminata. Weiterhin hat
sich eine intraläsionale Applikation von Interferon bewährt. Cidofovir, ein azyklisches Nukleosidanalogon, ist erfolgreich bei der Behandlung
einiger HPV-induzierter Tumoren. Larynxpapillome werden ebenfalls durch Interferon zunächst am Wachstum gehindert und bilden sich
sogar zurück, rezidivieren aber häufig und sprechen auf Dauer schlechter auf Interferonbehandlung an.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die HPV Infektion von Basalzellen über kleinere Verletzungen des Epithels stimuliert die Zellproliferation und führt wahrscheinlich sowohl
zu lateraler als auch vertikaler Expansion. Frühe
Funktionen des Virus verzögern die physiologische Differenzierung der Keratinozyten. Die
Gene E6 und E7 der genitalen HPV sind für diese Zelltransformation notwendig und hinreichend. Die Interaktion des E5 Proteins mit
ATPase, die zur Ansäuerung intrazellulärer
490
Kompartimente führt, spielt wahrscheinlich
eine unterstützende Rolle. Die Proteine E6 und
E7 bilden Komplexe mit zellulären Proteinen,
die an der Kontrolle des Zellzyklus und der
Apoptose beteiligt sind. Unter anderem wechselwirkt E6 mit p53 und Bak, und hemmt so
Apoptose. E7 induziert die Synthese der zellulären DNA durch Interaktion mit dem Retinoblastomprotein und dem Inhibitor der „Zyklin-abhängigen Kinase“ p21. Diese Aktivitäten von E6
und E7 beeinträchtigen die genetische Stabilität
der infizierten Zelle und spielen somit eine besondere Rolle im Hinblick auf die maligne Entartung HPV induzierter Tumoren. Gesteigerte
Proliferation und verzögerte Differenzierung
führen zu einer Verdickung des Epithels und somit zur Warze. Die Genexpression der Papillomviren ist eng gekoppelt mit dem Differenzierungsgrad der Keratinozyten. Allein weitgehend differenzierte Epithelzellen sind permissiv
für HPV-Replikation, zeigen zytopathogene Effekte und Viruspartikel im Zellkern. Die Mehrzahl der HPV-Infektionen bleibt allerdings klinisch inapparent. Trotz der großen Heterogenität der Papillomviren ist die Mutationsrate bei
Papillomviren sehr gering. Man geht davon aus,
dass selbst heute nahe verwandte Virustypen
bereits vor der Entstehung des Homo sapiens sapiens als Vorläufer getrennt existierten und sich
mit der Menschheit über den Erdball verbreiteten.
Transmission
Papillomviren können durch direkten Hautkontakt, durch Kontakt mit infizierten Oberflächen, sexuell oder perinatal übertragen werden.
Genitalwarzen und HPV-induzierte intraepitheliale Neoplasien werden vorwiegend durch
sexuellen Kontakt übertragen. In einigen periunguinalen Warzen und Plattenepithelkarzinomen wurden genitale HPV Typen gefunden. In
diesen Fällen erfolgte die Infektion wahrscheinlich über direkten Kontakt mit genitalen Läsionen des Patienten oder des Sexualpartners. Perinatale Infektionen mit HPV6 oder HPV11
während der Entbindung durch einen infizierten Geburtskanal können zu Larynxpapillomen
beim Kind führen. Autoinokulation durch Kratzen ist möglich.
Papillomavirus
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Produktion infektiöser HPV Partikel findet
in vivo nur in weitgehend differenzierten Epithelzellen statt. In vitro ist die Virusvermehrung
nur unter größten Anstrengungen in organotypischen Keratinozytenkulturen möglich. Die
Inkubationszeiten variieren zwischen wenigen
Wochen und bis zu 8 Monaten.
Nord- und Südamerika, Eskimos in Grönland).
Die genetischen Grundlagen für diese Häufung
sind unbekannt.
Epidemiologie
Infizierte bilden in den meisten Fällen Antikörper gegen frühe und späte Proteine des Virus,
die über mehrere Jahre persistieren können.
Antikörper gegen das Kapsidprotein L1 können
das Virus neutralisieren und so vor einer Reinfektion mit dem gleichen HPV-Typ schützen.
Bei der Tumorregression spielt wahrscheinlich
die zellvermittelte Immunität eine entscheidende Rolle. CD8+, zytotoxische T-Zellen (z.B. gegen das E7 Protein gerichtet), natürliche Killerzellen und Makrophagen befinden sich unter
den Zellen, die HPV induzierte Tumoren bei Regression infiltrieren.
Papillomviren treten weltweit auf. Hautwarzen
sind bei Kindern und Jugendlichen weit verbreitet. Umfangreiche Studien zur HPV Prävalenz
in der Bevölkerung existieren in erster Linie für
genitale Typen. Bei ca. 4% der jungen Erwachsenen lässt sich eine subklinische anogenitale Papillomvirusinfektion identifizieren, während
10% wahrscheinlich latent infiziert sind, belegt
durch den Nachweis von HPV-DNA ohne klinische, zytologische oder histologische Befunde.
Aufgrund des Nachweises spezifischer HPV Antikörper wird die Durchseuchungsrate auf 60%
der Bevölkerung geschätzt. Im Fall von Kondylomen bei Kindern besteht der Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Es wurde jedoch auch Virusübertragung im Rahmen der Babypflege beschrieben. Relativ zur hohen Durchseuchung
mit HPV6 und HPV11 im Genitalbereich sind juvenile Larynxpapillome eine seltene Erkrankung (Inzidenz 0,1 bis 2,8 pro 100000), so dass
das Risiko der perinatalen Übertragung offensichtlich gering ist.
Wirtsbereich
Genetik
Das Wirtsspektrum von Papillomviren in vivo
und in vitro ist sehr eng. HPV befällt nur den
Menschen.
Das zirkuläre, virale Genom umfasst 7500–8000
Basenpaare. Alle Protein-kodierenden Sequenzen liegen auf einem DNA Strang. Stromabwärts
einer 400–1000 Basenpaare umfassenden,
nicht-kodierenden Region, die den Ursprungspunkt der Replikation und zahlreiche Transkriptionskontrollelemente enthält, folgen die
Translationsleserahmen E1 bis E7, die für Proteine kodieren, die für die virale DNA Replikation, Transkription und Zelltransformation benötigt werden. Es folgen zwei Leserahmen für
die Strukturproteine L1 und L2. Die viralen Genome werden ausgehend von mehreren Promotoren in zahlreiche, unterschiedlich gespleißte
und teilweise überlappende mRNA-Moleküle
transkribiert. Die Promotoraktivitäten werden
von mehreren viralen und zellulären Faktoren
kontrolliert.
Resistenz
Die nackten Viren sind resistent gegen Lipidlösungsmittel.
Immunantwort
Risikogruppen
Frühe sexuelle Aktivität und viele Partner erhöhen das Risiko für Frauen eine HPV-Infektion
der Zervix zu bekommen. Allerdings entwickelt
nur ein geringer Prozentsatz ein Zervixkarzinom, wobei neben dem vorliegenden HPV-Typ
weitere Faktoren, wie z.B. Hormone und Immunstatus eine Rolle spielen. Immunkompromittierte, z.B. Transplantatempfänger und
HIV-Infizierte, entwickeln vermehrt persistierende, HPV-induzierte Tumoren. Papillome
entstehen dort multifokal und rezidivieren häufig nach Therapie. Benigne Tumoren entarten
rascher als bei immunkompetenten Patienten.
HPV5, HPV8 und verwandte Viren führen nur
bei EV-Patienten zu klinisch apparenten Infektionen. HPV13 und HPV32 induzieren eine fokale epitheliale Hyperplasie signifikant gehäuft in
bestimmten ethnischen Gruppen (Indianer in
Prävention
Allgemeine Hygienemaßnahmen sind zu beachten, um die Übertragung von Papillomviren
über kontaminierte Oberflächen und Instru491
P
Paracoccidioides brasiliensis
mente zu verhüten. Speziell hingewiesen werden soll auf die Desinfektion der Böden in öffentlichen Bädern im Zusammenhang mit der
Übertragung von Plantarwarzen und auf die
Sterilisation medizinischer Instrumente, um die
iatrogene Übertragung von HPV bei gynäkologischen Routineuntersuchungen zu verhindern.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Große Anstrengungen gelten der Entwicklung
„prophylaktischer“ und/oder „therapeutischer“
Impfstoffe, die eine Infektion verhüten bzw. die
Elimination HPV-infizierter Tumorzellen ermöglichen sollen. Ein Impfstoff bestehend aus
den Strukturproteinen L1 und L2, die in Insektenzellen oder in Hefe produziert werden und
sich zu VLPs, „virusähnliche Partikel“, zusammen lagern, wird in klinischen Phase I/II Studien getestet. Diese Studien werden mit VLPs von
HPV6 und 11, assoziiert mit Kondylomen, und
HPV16 spezifischen VLPs durchgeführt und
sollen die Infektion mit diesen Typen verhindern. Die parenterale Gabe von VLPs führt zu
hohen Titern neutralisierender Antikörper. Bei
animalen Papillomviren konnte gezeigt werden,
dass diese Antikörper auch in der Lage sind vor
einer Infektion zu schützen. Weiterhin wird an
der Entwicklung einer Vakzine gearbeitet, die
zusätzlich eine zellvermittelte Immunantwort
induziert, um neben dem Schutz vor Infektion,
die Regression einer bestehenden Infektion auszulösen. Dafür werden neben den Strukturproteinen auch frühe virale Antigene, wie das E7
Protein, in VLPs inkorporiert.
Meldepflicht
HPV-Infektionen stellen keine meldepflichtige
Erkrankungen dar.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Referenzzentrum für humanpathogene Papillomviren
Deutsches Krebsforschungszentrum, Im Neuenheimer Feld 242, 69120 Heidelberg, Leitung:
Frau Dr. E.M. de Villiers, Tel.: 06221/42-4655, 4614,
Fax:
06221/42-4822,
E-Mail:
[email protected];
492
Web-Adressen
Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg: http://www.dkfz.de/atv/f0700/english/
index.htm
Internationale Papillomavirus Society:
http://www.ipvsoc.org/
Papillomavirus Report:
http://www.leeds.ac.uk/lmi/pvr/pvrmain.html
HPV Sequence Database:
http://hpv-web.lanl.gov/
HPV Seite des National Cancer Institute:
http://cis.nci.nih.gov/fact/3_20.htm
National Center of Biotechnology Information:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
The International Committee on Taxonomy of
Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/
Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov/
All the virology on the WWW:
http://www.virology.net
Institut für Virologie der Universität zu Köln:
http://www.medizin.Uni-Koeln.de/projekte/
gfv/institut.html
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3. Pfister, H. Papillomviren. In: Medizinische Mikrobiologie,
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5. Gross, G.E., Barasso, R.(Eds): Human papillomavirus
infections A clinical atlas. Ullstein Mosby Verlag, Berlin,
Wiesbaden, (1997)
6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Paracoccidioides brasiliensis
Erregerbezeichnung
Paracoccidioides brasiliensis, (Splendore 1912)
Almeida 1930
Synonym
Zymonema brasiliensis, Mycoderma brasiliensis, Monilia brasiliensis, Coccidioides brasilien-
Paracoccidioides brasiliensis
sis, Paracoccidioides cerebriformis, Paracoccidioides tenuis, Blastomyces brasiliensis, Aleurisma brasiliensis u.a.
Morphologie
Dimorph.
Wirtsgewebe. Kugelige Hefen mit multipler
Sprossung (Steuerrad-Formen) 2–30 µm. In alten Läsionen Hefezellen ohne Sprossung mit variabler Größe.
Kultur bei 37 ˚C. Nach 10–20 d cremefarbene
bis beige, glänzende, stark gefurchte, zerebriforme Kolonien. Mikroskopie: Kugelige Hefen mit
multipler Sprossung wie Gewebsform.
Kultur bei 24 ˚C. Extrem langsam wachsende,
flache, ledrig-filzige, weißliche bis bräunliche
Kolonien, unterseits bräunlich. Mikroskopisch
uncharakteristische, hyaline Hyphen; einzelne
Konidien auf kurzen Konidiophoren, Arthrokonidien, zahlreiche Chlamydosporen.
Taxonomie
Klasse:
Ordnung:
Familie:
Gattung:
Euascomycetes
Onygenales
Onygenaceae
Paracoccidioides,
Nicht bekannt.
Teleomorph:
Dissemination aus o.g. Herden Infektion der
Nebennieren und anderer Organe und Gewebe.
Unbehandelt mit tödlichem Verlauf. Bei Immunkompetenz meist inapparente Infektion,
bei eintretender Immundefizienz Reaktivierung
alter Herde und systemische Ausbreitung möglich
Differenzialdiagnose
Lepra, Mukokutane Leishmaniose, Syphilis,
Coccidioidomykose, Blastomykose, Sporotrichose, M. Hodgkin, Neoplasien.
Labordiagnostik
Untersuchungsmaterial. Eiter, Abstriche, Sputum, Punktate, Biopsieproben.
Mikroskopie. Im KOH-Präparat flüssiger Materialien typische Hefezellen; histologischer
Nachweis der Hefezellen mit Gomori-Färbung
im Granulom pathognomonisch.
Serologie. Tests (mit hoher Sensitivität und
Spezifität) werden nur von einigen parasitologischen bzw. tropenmedizinischen Speziallaboratorien ausgeführt.
Mikroskopische Merkmale siehe Morphologie.
Nachweis von gp43 Gen in Gewebe mittels PCR
(s. Literatur)
Historie
Kultur. Auf Spezialnährmedien im Konsiliarlabor pathognomonisch.
Erstbeschreibung der Krankheit mit Erregerkultur und Nachweis des Dimorphismus durch
A. Lutz 1908 in Brasilien. Weitere Fallbeschreibungen durch A. Splendore 1910–12.
Antikörper-Nachweis. Mittels Western-Blot
und Immundiffusion; aber Kreuzreaktivität mit
anderen Erregern von Systemmykosen.
Erkrankungen/Symptome
Biologische Sicherheitsstufe III.
Synonyme. Paracoccidioidomykose, Paracoccidioidose, Südamerikanische Blastomykose,
Lutzsche Mykose, Lutz-Splendore-AlmeidaKrankheit, Brasilianische Blastomykose.
Nach Inhalation der Sporen entwickelt sich eine
chronisch progrediente Erkrankung mit langem
Intervall zwischen Erregeraufnahme und klinischer Manifestation an Haut und Subkutis sowie Schleimhaut von Mund, Nase und Gastrointestinaltrakt mit schmerzhaften Ulzerationen
und Granulomen; lokale Lymphknotenschwellung, Fistelbildungen. Befall der Lungen ist
möglich: Thoraxschmerz, Dyspnoe, blutiger
Auswurf, später fibröser Umbau. Nach seltener
Therapie
Itraconazol, bei Dissemination Amphotericin B.
Sulfonamide als kostengünstige Alternative
sind ebenfalls wirksam.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Variabel exprimierte Oberflächenantigene vermitteln Adhäsion an epitheliale und Alveolarzellen. Adaptation an Bedingungen im Wirtsorganismus (temperaturabhängiger Dimorphismus). In nichtaktivierten Makrophagen kann
493
P
Paracoccidioides brasiliensis
Erreger überleben. In fibrotischen und verkalkten Herden persistiert der Erreger lebenslang.
Mit Virulenz assoziierbare Faktoren: lytische
Enzyme: Serin-Proteinasen und Phospholipasen, Adhäsine: 43 kDa Glykoprotein (Rezeptor
für Laminin, unterliegt Polymorphismus) und
α-Glucan der Zellwand.
◗ Paracoccidioides brasiliensis Gene für ITS1,
5.8S rRNA, ITS2: AB035710
◗ Paracoccidioides brasiliensis kleine UE rRNA
Gen: AF227151
◗ Paracoccidioides brasiliensis Glucan Synthase
(FKS) Gen: AF148715
◗ Paracoccidioides brasiliensis Heat Shock Protein 60 (HSP60) Gen: AF059523
Transmission
Inhalation erregerhaltigen Staubes.
Prävention
Keine spezifische Prävention möglich.
Vermehrung und Inkubationszeit
Inkubationszeit nicht bestimmbar, vermutlich
Monate bis viele Jahre.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Nationale Surveys in Endemieländern.
Resistenz
Der Pilz bleibt über lange Zeit im Erdboden bei
niedrigem pH-Wert lebensfähig. Im Wirt überlebt er mit eingeschränktem Stoffwechsel jahrelang in verkalkten Herden.
Meldepflicht
Immunantwort
◗ Konsiliarlabor: Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, FG212, D-13353 Berlin:
http://yellow-fever.rki.de/INFEKT/
STECKBRF/STBR_PI/PILZ.HTM
◗ Institut für Tropenmedizin der Universität
Tübingen, D-72074 Tübingen.
◗ National Centers for Disease Control, Mycotic Diseases Branch, Atlanta, GA 300333, USA.
◗ Hospital Evandro Chagas, Fiocruz, Av. Brasil,
4365, Rio de Janeiro RJ, Brasilien - 20560.
◗ E·Nationales Survey in Argentinien:
[email protected].
◗ HIV-Infektion und Paracoccidioidomykose:
University of California San Francisco and
San Francisco General Hospital:
http://hivinsite.ucsf.edu.
◗ Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov.
T-zelluläre und humorale Immunantwort (IgA,
IgM, IgG) nachweisbar. Gp43-Antigen ist immundominant.
Wirtsbereich
Mensch und verschiedene Wirbeltiere.
Risikogruppen
Männer erkranken sehr viel häufiger als Frauen.
Bei Immunsuppression (bes. AIDS) Reaktivierung alter Herde und Ausbreitung der Infektion.
Epidemiologie
Natürliches Habitat ist noch unbekannt, eventuell das Gürteltier. Nachweis des Erregers sporadisch im Erdboden von Endemiegebieten.
Endemiegebiete: Länder Lateinamerikas östlich
der Anden, besonders Brasilien; Mittelamerika,
südlicher Teil Nordamerikas.
Genetik
Paracoccidioides brasiliensis hat eine Genomgröße von ca. 45 bis 60 Mbp, 5 Chromosomen,
diploid. Ein sexueller Vermehrungszyklus ist
nicht bekannt.
◗ Paracoccidioides brasiliensis 18S rRNA Gen,
partielle Sequenz: AF241655
◗ Paracoccidioides brasiliensis 28S rRNA Gen,
partielle Sequenz: U93304
494
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Schlüsselliteratur
1. Kwong-Chung, KJ & Bennett, JW. 1992, Medical Mycology.
Lea & Febiger, Philadelphia. 594pp.
2. Müller, J. 1992. Dimorphe Pilze. In: Burkhardt F. (Ed.):
Mikrobiologische Diagnostik. G. Thieme Verlag, Stuttgart,
New York, pp. 478–486.
3. Kaufman, L 1992. Immunohistologic diagnosis of systemic
mycoses: an update. Eur. J. Epidemiol. 8, 377–382.
4. Hamilton, AJ. 1998. Serodiagnosis of histoplasmosis,
paracoccidioidomycosis and penicilliosis marneffei;
current status and future trends. Med Mycol 36; 351–364.
5. Bialek, R. et al. 2000. Detection of Paracoccidioides
brasiliensis in tissue samples by nested PCR assay. J Clin
Microbiol 38; 2940–2942.
Paragonimus
Paracoccidioides cerebriformis
Paracoccidioides brasiliensis
Paracoccidioides tenius
Paracoccidioides brasiliensis
Paragonimus
Erregerbezeichnung
Paragonimus spec.
Darmwand → Heranreifen in der Bauchwand
→ Bauchhöhle → Penetration des Diaphragmas
→ Einwanderung in die Lunge mit Nekrose des
umgebenden Parenchyms, Abkapselung der
Würmer in Bindegewebszysten, Ruptur der Zysten ins Bronchialsystem und Aushusten der
Wurmeier. Während der Migration oft akute
Phase mit Tage bis Wochen andauerndem Fieber, Durchfällen, abdominalen, schließlich thorakalen Schmerzen, auch Dyspnoe und Husten.
3–6 Monate p.i. Beginn der chronischen Phase.
Auftreten von Symptomen ist von der Anzahl
der Würmer abhängig. Bei geringgradigem Befall symptomlos; sonst chronischer Husten mit
rostbraunem Sputum und Krankheitsbild ähnlich Bronchitis und Bronchiektasie.
Synonym
Lungenegel
Morphologie
Ca. 7–16 mm lange und 3–8 mm breite zwittrige
Saugwürmer (Trematoden) von relativ kompaktem, weniger stark dorsoventral abgeplattetem Bau. Besitzen zwei Saugnäpfe (Mundsaugnapf, an den sich ein blind endender und gegabelter Intestinaltrakt anschließt; Bauchsaugnapf zur Anheftung).
Taxonomie
Klasse:
Ordnung:
Familie:
Arten:
Digenea
Plagiorchiida
Troglotrematidae (Paragonimidae).
Mehr als 40 Spezies bekannt, von
denen 7 auch beim Menschen nachgewiesen wurden.
Extrapulmonale Paragonimose. Metazerkarien
bzw. subadulte Würmer wandern nicht in die
Lunge, sondern in andere Organe ein. Krankheitsbild vielfältig je nach Lokalisation (ZNS,
Darm- und Bauchwand, Zwerchfell, Pleura,
subkutan u.a.). Besonders bedeutsam ist die zerebrale Form mit Meningoenzephalitis, Epilepsie (Jackson) und Lähmungen; während akuter
Phase tödlicher Ausgang nicht selten. Bei Befall
des Abdomens dumpfe Bauchschmerzen, verbunden mit mäßiger Bauchdeckenspannung
und Druckschmerz bei Palpation. Bei Befall der
Haut und subkutaner Gewebe Abszessbildung
möglich.
P
Differenzialdiagnose
Die Erstbeschreibung eines Lungenegels bei einem Säugetier erfolgte durch Diesing (1850), der
Nachweis beim Menschen durch Ringer (1879).
Differenzialdiagnostisch ist bei pulmonaler Paragonimose gegenüber Lungentuberkulose, bei
ZNS-Befall gegenüber Infektionen mit anderen
Parasiten sowie Tumoren und Abszessen anderer Genese, bei subkutaner Lokalisation gegenüber dem Larva migrans-Syndrom durch andere Parasiten abzugrenzen.
Erkrankungen/Symptome
Labordiagnostik
Paragonimose. Adultwürmer siedeln bevorzugt
in der Lunge (besonders rechte L.), ein nicht unerheblicher Teil weist jedoch ektopische Lokalisation auf.
Mikroskopie. Allein beweisend für das Vorliegen einer Paragonimose ist der Nachweis der
gedeckelten ca. 80–120×50–60 µm großen Eier
in Sputum oder Stuhl (gegebenenfalls bei ektopischer Lokalisation im Aspirat). Die Eiausscheidung beginnt ca. 10 Wochen p.i. (Präpatenz).
Historie
Pulmonale Paragonimose. Ursache ist der komplizierte Wanderweg der Infektionslarven (Metazerkarien) und subadulten Würmer: orale
Aufnahme der enzystierten Metazerkarien →
Freisetzen im Duodenum → Durchbrechen der
Serologie. Tests (mit hoher Sensitivität und
Spezifität) werden nur von einigen parasitologi495
Paragonimus
schen bzw. tropenmedizinischen Speziallaboratorien ausgeführt.
Therapie
Mittel der Wahl ist Praziquantel (Biltricide®)
mit nahezu 100%iger Heilungsrate. Dosierung:
3mal 25mg/kg/d an 3 aufeinanderfolgenden Tagen (u.U. bereits 2×15mg/kg/d an 2 aufeinanderfolgenden Tagen ausreichend). Bei ZNS-Befall
stärkere Nebenwirkungen möglich; dann
gleichzeitige Applikation von Corticosteroiden
erforderlich.
Spezifische Merkmale
Transmission
Übertragung auf den Menschen fast ausschließlich durch Verzehr rohen oder ungaren Fleisches von Krabben oder anderen Krebsen. Gelegentlich spielen paratenische Wirte eine Rolle,
d.h. Tiere (z.B. Wildschweine), die sich durch
Aufnahme von Metazerkarien infizieren, ohne
dass diese sich weiterentwickeln, die dann jedoch ihre Infektiosität für den Menschen bewahren.
Vermehrung und Inkubationszeit
Paragonimus spec. gehören zu den Helminthen
mit einem dreiwirtigen Entwicklungszyklus:
Ausscheidung der Eier mit Sputum oder Fäzes
des Endwirts → Weiterentwicklung nur im Süßwasser → Schlüpfen des Miracidiums und Eindringen in den 1. Zwischenwirt (Schnecken aus
den Überfamilien Rissoidea und Cerithioidea)
→ Larvenentwicklung in der Schnecke (Sporozyste, Redie, Zerkarie) → Ausschwärmen der
Zerkarien und Befall des 2. Zwischenwirts
(Krabben u.a. Krebse) → orale Aufnahme der
Metazerkarien durch den Endwirt mit Befall der
Lungen oder anderer Organe, Heranwachsen
zum Adultwurm → Beginn der Eisausscheidung
ca. 10 Wochen p.i. (= Präpatenz, Präpatentperiode).
Die Hauptvermehrungsphase der Lungenegel
findet auf dem Larvenstadium im 1. Zwischenwirt (Schnecke) statt. Im Endwirt (Mensch, Säugetiere) entspricht die Zahl der beherbergten
Adultwürmer derjenigen der aufgenommenen
Infektionsstadien (1 Metazerkarie → 1 Adultwurm). Die Vermehrung im Endwirt besteht lediglich in der Produktion von Eiern, die zur
Weiterentwicklung ins Freie gelangen müssen.
496
Eine Inkubationszeit lässt sich nicht präzise definieren, da das Entstehen von Krankheitserscheinungen von der Zahl der – in der Regel akkumulativ – aufgenommenen Metazerkarien,
dem Ansiedlungsort des Parasiten und der Dauer der Infektion abhängt. Erste Anzeichen eines
Lungenegelbefalls können 1–2 Wochen p.i. während der Migrationsphase auftreten (siehe Erkrankungen/Symptome).
Immunantwort
Die durch Lungenegel hervorgerufene Immunantwort führt weder zur Abtötung des Parasiten
noch schützt sie vor Reinfektionen. Der Antikörpernachweis spielt jedoch eine Rolle in der
Serodiagnostik.
Wirtsbereich
Die Paragonimose ist eine Anthropozoonose
und tritt außer beim Menschen bei allen Säugetieren auf, die sich vorwiegend oder gelegentlich
von Krabben u. a. Krebsen ernähren.
Risikogruppen
Personen, die Krabben oder andere Krebse bzw.
Teile dieser Tiere in rohem oder ungarem Zustand verzehren.
Epidemiologie
Voraussetzung für das Erwerben einer Paragonimus-Infektion ist der Aufenthalt in einem Endemiegebiet und der Verzehr von Krabben u.a.
Krebsen. Das Vorkommen der Paragonimose
beschränkt sich grundsätzlich auf Gebiete, in
denen geeignete Lebensbedingungen für 1. und
2. Zwischenwirte sowie für die tierischen Endwirte herrschen. Der Befall des Menschen ist
dort dann ausschließlich von dessen Essgewohnheiten abhängig. Hauptendemiegebiete
der Paragonimose des Menschen: West- und
Zentralafrika, Ost- und Südostasien, Mittelund nördliches Südamerika.
Prävention
Allein das Vermeiden von Gerichten, die rohes
oder ungares Krebs- oder Krabbenfleisch enthalten, schützt zuverlässig vor der Infektion.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Bisherige Maßnahmen bestehen in den Endemiegebieten allein in der Gesundheitserziehung
Parainfluenzaviren
mit entsprechender Propaganda. Wegen der
Existenz tierischer Reservoirwirte ist eine Ausrottung der Paragonimose jedoch praktisch
nicht zu erreichen.
Meldepflicht
Nach §§ 6 und 7 Infektionsschutzgestz (IfSG)
gehört Paragonimose nicht zu den meldepflichtigen Krankheiten wie auch der Nachweis der
Krankheitserreger nicht meldepflichtig ist.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Offizielle Referenzzentren existieren nicht; als
fachlich qualifiziert anzusehen sind sämtliche
parasitologische und tropenmedizinische Institutionen.
Expertenlaboratorien
◗ Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin, Leopoldstr. 5, 80802 München
◗ Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin,
Bernhard-Nocht-Str. 74, 20359 Hamburg
◗ Hygiene-Institut, Abteilung Parasitologie, Im
Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
◗ Hygiene-Institut, Abteilung Tropenmedizin,
Im Neuenheimer Feld 324, 69120 Heidelberg
◗ Institut für Medizinische Parasitologie, Sigmund-Freud-Str. 25, 53105 Bonn
◗ Institut für Parasitologie, Rudolf-BuchheimStr. 2, 35392 Gießen
◗ Institut für Parasitologie, Bünteweg 17, 30559
Hannover
◗ Institut für Parasitologie und Tropenveterinärmedizin, Königsweg 65, 14163 Berlin
◗ Institut für vergleichende Tropenmedizin
und Parasitologie, Leopoldstr. 5, 80802 München
◗ Institut für Tropenmedizin, Wilhelmstr. 31,
72074 Tübingen
◗ Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Wiederholdstr. 15, 70174 Stuttgart
◗ Landesinstitut für Tropenmedizin, Engeldamm 62/64, 10179 Berlin
Web-Adressen
Deutsche Gesellschaft für Parasitologie:
http://www.dgp.parasitologie.de
Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin und
Internationale Gesundheit:
http://www.dtg.mwn.de
Robert Koch-Institut Berlin: http://www.rki.de
Universität Berlin: Lehrstuhl für molekulare Parasitologie:
http://www.biologie.hu-berlin.de/molpara
British Society for Parasitology:
http://www.abdn.ac.uk/bsp/
American Society of Parasitologists:
http://www.museum.unl.edu/asp
CDC-Center for Disease Control and Prevention: http://www.cdc.gov/
WHO-World Health Organization:
http://www.who.int/
Schlüsselliteratur
1. Beaver PC, Jung RC, Cupp EW (1984) Clinical Parasitology.
9th Edition. Lea & Febiger, Philadelphia
2. Blair D, Xu ZB, Agatsuma T (1999) Paragonimiasis and the
genus Paragonimus. Adv Parasitol 42: 113–222
3. Despommier DD, Gwadz RW, Hotez PJ (1995) Parasitic
Diseases. 3rd Edition. Springer-Verlag, New York etc.
4. Janitschke K et al (1998) Qualitätsstandards in der
mikrobiologisch-infektiologischen Diagnostik:
Parasitosen. MiQ 4. Fischer, Stuttgart et al
5. Mehlhorn H, Eichenlaub D, Löscher T, Peters W (1995)
Diagnostik und Therapie der Parasitosen des Menschen. 2.
Aufl. Gustav Fischer Verlag, Stuttgart
Parainfluenzaviren
Erregerbezeichnung
Parainfluenzaviren
Synonym
Keine Synonyme bekannt.
P
Morphologie
Viruspartikel sind pleomorph, sphärisch oder
filamentös. Der Durchmesser beträgt 150–
200 nm. Die Viren besitzen eine Lipidhülle mit
Spikes (Länge ca. 10 nm) und ein helikales Nukleokapsid (Durchmesser ca. 15 nm, Länge bis
zu 1000 nm). Das Virusgenom besteht aus unsegmentierter, linearer, einzelsträngiger RNS
mit negativer Polarität. Es kodiert in der Reihenfolge der einzelnen Gene für das Nukleokapsidprotein NP, ein mit dem Nukleokapsid assoziiertes Phosphoprotein P, das an der Innenseite der Hülle liegende Matrix- oder Membranprotein M, das für Viruspenetration und
Riesenzellbildung verantwortliche Fusions-Glykoprotein F, das für Rezeptorbindung und Rezeptorabspaltung verantwortliche Hämagglutinin-Neuraminidase-Glykoprotein HN, sowie
das Polymeraseprotein L. Durch transkriptio497
Parainfluenzaviren
nelles Edieren werden weitere Produkte des PGens gebildet (C, V). Diese Proteine werden
nicht bei allen Parainfluenzaviren beobachtet.
Die Funktionsfähigkeit des F-Proteins hängt
von proteolytischer Spaltung zellulärer Proteasen ab.
Taxonomie
Die menschlichen Parainfluenzaviren gehören
zur Familie Paramyxoviridae und hier zur Subfamilie Paramyxovirinae. Man unterscheidet 4
Serotypen, die in 2 verschiedene Genera fallen.
Die menschlichen Parainfluenzaviren 1 und 3
gehören zum Genus Paramyxovirus, die Serotypen 2, 4a und 4b zum Genus Rubulavirus.
Historie
Die menschlichen Parainfluenzaviren wurden
Ende der 50iger Jahre vor allem auf Grund ihrer
hämadsorbierenden Fähigkeit entdeckt.
tik wird durch Kreuzreaktionen mit
heterotypischen Antikörpern beeinträchtigt.
Therapie
Eine spezifische Therapie gibt es nicht. Bei
schweren Verlaufsformen ist symptomatische
Therapie zur Stützung der Lungen- und Kreislauffunktionen indiziert.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Die humanen Parainfluenzaviren infizieren die
Zellen der Nasen- und Rachenschleimhäute und
breiten sich über den Kehlkopf in die Bronchien
und in die unteren Luftwege aus. Die infizierten
Gewebe zeigen ödematöse Schwellungen bei
verstärkter Schleimproduktion. Die Virulenz
geht vermutlich mit der proteolytischen Spaltung des F-Proteins durch zelluläre Proteasen
einher.
Erkrankungen/Symptome
Infektionen mit Parainfluenzaviren kommen
vor allem im Kleinkindesalter vor. Häufig ist der
tiefere Respirationstrakt betroffen, sodass es zu
fieberhafter Laryngotracheobronchitis, Bronchitis, Bronchiolitis oder Bronchopneumonie
kommt. Bei schweren Verlaufsformen kann es
im Kindesalter zur Ausbildung eines Pseudokrupps kommen, der möglicherweise eine allergische pathogenetische Komponente hat. Weitere Komplikationen sind Otitis media und bakterielle Superinfektionen mit Pneumokokken,
Staphylokokken oder Haemophilus influenzae.
Bei Patienten mit Systemerkrankungen kann
eine Parainfluenza-Infektion tödlich verlaufen.
Transmission
Differenzialdiagnose
Resistenz
Infektionen mit menschlichen Parainfluenzaviren sind klinisch nur schwer von Infektionen
mit Influenzaviren oder Respiratory Syncytial
Virus zu unterscheiden.
Es sind keine Resistenzen bekannt.
Labordiagnostik
Der Virusnachweis erfolgt durch Isolierung aus
Rachenabstrichen auf geeigneten Zellkulturen
oder durch Antigennachweis in infizierten Zellen des Respirationstraktes mit Hilfe der Immunfluoreszenzmethode. Die Serodiagnose erfolgt entweder mit KBR, ELISA oder Hämagglutinationshemmtest. Die serologische Diagnos498
Die Übertragung erfolgt durch direkten Personenkontakt oder durch Tröpfcheninfektion.
Die infektiöse Dosis ist relativ gering. Die Inkubationszeit beträgt 3 bis 6 Tage. Reinfektionen
mit dem gleichen Serotyp sind nicht selten, wobei deren Auftreten von der Höhe bereits bestehender Serumantikörpertiter abhängt.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Vermehrung der Parainfluenzaviren findet
in den Epithelzellen des unteren und oberen Respirationstraktes bei einer Inkubationszeit von
3–6 Tagen statt.
Immunantwort
Im Infektionsverlauf werden IgM-, IgA- und
IgG-Antikörper gegen die viralen Strukturporteine gebildet. Neutralisierend wirkende
IgA- und IgG-Antikörper sind gegen die viralen
HN- und F-Oberflächenproteine gerichtet. IgAAntikörper vermitteln einen zeitlich begrenzten
Immunschutz vor Reinfektion wohingegen IgGAntikörper zwar über einen längeren Zeitraum
nachweisbar sind, nicht aber vor Reinfektion
schützen.
Paravaccinia
Wirtsbereich
Als natürlicher Wirt ist nur der Mensch bekannt.
Risikogruppen
Menschliche Parainfluenzaviren, besonders der
Serotyp 3, sind gelegentlich die Ursache von
Hospitalismusinfektionen, wobei schwere Verlaufsformen nicht selten sind.
Epidemiologie
Alle Serotypen sind weit verbreitet, wobei der
Serotyp 4 jedoch relativ selten beobachtet wird.
Die Infektionen treten endemisch und epidemisch auf. Die Epidemien folgen bei ihrem Auftreten keinem klaren Periodizitätsmuster.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Konsiliarlaboratorien für respiratorische
Infektionen (viral)
Dr. Dr. R. Heckler, Niedersächsisches Landesgesundheitsamt Hannover, Roesebeckstr. 4–6,
D-30449 Hannover, Tel.: 0511/4505-201, Fax:
0511/4505-240,
E-Mail:
Rolf.Heckler@lga.
niedersachsen.de
Web-Adressen
Deutsche Vereinigung zur Bekämpfung der Viruskrankheiten e.V. (http://www.dvv-ev.de)
Gesellschaft für Virologie e.V. (http://www.
medizin.uni-koeln.de/projekte/gfv/)
Robert-Koch-Institut, Berlin
(http://www.rki.de/)
Genetik
Das Genom der Parainfluenzaviren ist eine einzelsträngige, nicht segmentierte RNA mit Negativstrangorientierung, die für 6 Strukturproteine und 2 Nichtstrukturproteine kodiert (siehe
Morphologie). Accession-No. der Nukleinsäuresequenzen des viralen Genoms:
Humanes Parainfluenzavirus 2: M37751, X57559
Humanes Parainfluenzavirus 4a: M32982,
M55975, D10241, D49821
Humanes Parainfluenzavirus 4b: M32983,
M55976, D10242, D49822, E03807
Humanes Parainfluenzavirus 1: M22347,
M31228, M80818
Humanes Parainfluenzaviurs 3: Z11575
Schlüsselliteratur
1. Collins, P., Chanock, R.M., and McIntosh, K.:
Parainfluenza viruses. Fields Virology, Third Edition, pp
1205–1241, Lippincott-Raven, New York, 1996
2. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Paramaecium coli
Balantidium coli
P
Pararauschbrand-Bazillus
Clostridien der Gasbrand-Gruppe
Prävention
Versuche mit inaktivierten Parainfluenza-Vakzinen gegen die Serotypen 1, 2 und 3 waren nicht
erfolgreich, da sie trotz Induktion neutralisierender Serumantikörper keinen Immunschutz
vermittelten. Dies ist vermutlich auf das Ausbleiben sekretorischer IgA-Antikörper zurückzuführen.
Parastrongylus cantonensis
Nematoden, seltenere
Parastrongylus costaricensis
Nematoden, seltenere
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Expositionsprophylaxe.
Paravaccinia
Meldepflicht
Pockenviren, andere humanpathogene ani-
Es besteht keine Meldepflicht.
malische
499
Parechovirus Typ 1 und 2
Parechovirus Typ 1 und 2
Echoviren und Parechoviren
Parendomyces
Trichosporon
Oberflächenantigen getestet wurden. Der Name
leitet sich vom Blutbankcode eines Blutspenders ab.
Die transiente aplastische Krise war die erste Erkrankung, die B19 als verursachendes Agens zugeordnet wurde. Seitdem erweitert sich die Reihe klinischer Syndrome, bei denen erkannt
wird, dass eine B19 Infektion (mit-)verantwortlich ist.
Erkrankungen/Symptome
Parvovirus
Erregerbezeichnung
Parvovirus B19 (B19)
Synonym
Seit der Neuklassifizierung 1995 auch als Erythrovirus B19 oder B19 virus (B19V) bezeichnet.
Morphologie
Das Virion besteht aus einem ikosaedrischen
Kapsid (22 nm), welches das virale Genom beherbergt. Die 60 Kapsidproteine des Virions bestehen zu 95% aus dem „major“ Strukturprotein
(58 kDa; VP2) und zu 5% aus dem „minor“
Strukturprotein (83 kDa; VP1). Eine Lipidhülle
fehlt.
Taxonomie
Familie:
Parvoviridae
Unterfamilie: Parvovirinae
Genus:
Erythrovirus. B19 ist der einzige
bekannte Serotyp des Genus. Seit kurzem wird
jedoch die Existenz eines weiteren Erythrovirus
(V9) diskutiert (Nguyen et al. 1998).
Historie
„Parvus“ bedeutet klein. In der Familie der Parvoviridae findet man die kleinsten bekannten
Viren. Parvoviren wurden beim Menschen erstmals 1967 von Blacklow et al. in Rachen- und
Analabstrichen nachgewiesen. Es handelte sich
bei diesen Viren um helfer-abhängige Parvoviren (Genus Dependoviren, AAV). Dependoviren gelten in der Regel als apathogen, aber ein
Zusammenhang von AAV-2 mit frühen Spontanaborten wird diskutiert.
Das Parvovirus B19 wurde 1975 als kreuzreagierende Kontamination von Yvonne Cossart in
Seren asymptomatischer Blutspender gefunden, die routinemäßig auf das Hepatitis-B500
Erythema infectiosum (E.I.). Auch als Ringelröteln oder fünfte Krankheit (fifth disease) bekannte milde, akute exanthematische Erkrankung. E.I. wird leicht mit Röteln verwechselt, ist
aber an dem charakteristischen makulopapulösen Exanthem der Wangen (slapped cheeks) zu
erkennen. Das Exanthem kann sich auf Körper
und Extremitäten ausdehnen und mehrere Wochen lang nach Stress, Sonnenexponierung oder
plötzlichen Temperaturschwankungen wieder
auftreten. Nach einer Inkubationszeit von ca. 7
Tagen kommt es zu einer 4–5 Tage andauernden Virämie, die mit grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Unwohlsein und Myalgie
einhergeht. In einer zweiten Phase, parallel zum
Erscheinen der Antikörper, manifestiert sich in
Folge der Bildung von Immunkomplexen das
makulopapulöse Exanthem. Zwischen dem 10.–
17. Tag nach Infektion sinkt die Retikulozytenzahl im peripheren Blut drastisch ab. Die Zahl
der Thrombozyten und Neutrophilen kann
ebenfalls vorübergehend abfallen. E.I. betrifft
als typische Kinderkrankheit am häufigsten
Kinder im Alter zwischen 4 und 14 Jahren. Bei
der Infektion erwachsener Frauen kommt es
häufig, gleichzeitig mit dem Erscheinen des Exanthem, zu akuten Arthopathien (siehe Arthritis). E.I. tritt vor allem im Frühjahr auf, oft epidemisch in 3–4 jährigen Rhythmen.
Aplastische Krise. Bei immundefizienten Patienten und Patienten mit angeborenen oder erworbenen hämolytischen Anämien wie Sichelzellanämie, Thalassämie, Sphärozytose, Pyruvatkinase-Mangel oder autoimmunen hämolytischen Anämien, führen akute B19 Infektionen
zur klinischen Symptomatik der transienten
aplastischen Krise. B19 wirkt zytotoxisch auf die
erythroiden Vorläuferzellen im Knochenmark.
Der durch die Virusvermehrung bedingte, vorübergehende Abbruch der Erythrozyten-Rei-
Parvovirus
fung (Dauer 5–10 Tage) führt sehr rasch zu einem drastischen Abfall des Hämatokrits und zu
einer lebensbedrohenden akuten Anämie. Die
aplastische Krise ist, neben der akuten erythroiden Hypoplasie und der stark reduzierten Retikulozytenzahl, mit variablen Graden von Neutropenie und vor allem Thrombozytopenie assoziiert. Nach Abschluss der Virusvermehrung
wird eine gesteigerte Erythropoese beobachtet.
Als Komplikation kann es in seltenen Fällen zu
Nekrosen im Knochenmark kommen. Typische
Symptome von Patienten mit transienter aplastischer Krise sind Lethargie, Müdigkeit und
Blässe. Ein Exathem wird selten beobachtet. Behandelt wird die transiente aplastische Krise,
die in 68%–100% der Fälle auf eine B19 Infektion zurückgeführt wird, durch Bluttransfusion.
Arthritis. Akute, mild verlaufende Arthralgien
werden sowohl bei Erythema infectiosum, als
auch bei stumm verlaufenden B19 Infektionen
beobachtet. In der Regel handelt es sich um eine
symmetrische, periphere Polyarthropathie, deren Symptome man 1–3 Wochen lang findet. Bei
20% der Frauen persistieren die Symptome
mehr als 2 Monaten (bis zu mehreren Jahren).
Ein Zusammenhang zwischen Antikörpern gegen das Nichtstrukturprotein NS-1 und schweren Verlaufsformen der Arthritis wurde beschrieben. Die rheumatoide Arthritis nach B19
Infektion findet man vorwiegend bei Patienten,
die den HLA Typ DR4 besitzen. In diesen Fällen
kann das Kapsidprotein VP1 in den synovialen
Läsionen nachgewiesen werden. Die Inzidenz
bei Erwachsenen liegt bei 80% (Kinder 8%) und
ist bei Frauen (60%) höher als bei Männern
(30%).
Purpura. Es handelt sich dabei um eine nicht
nekrotisierende petechiale Purpura an den Extremitäten und am Stamm. Idiopatische,
thrombozytopenische Purpura und HenochSchoenlein Purpura wurden beschrieben. In
diesem Zusammenhang wird ein Tropismus des
Virus für vaskuläre Endothelien vermutet.
„Pure red cell aplasia“. Patienten mit diesem
Krankheitsbild haben eine persistierende B19
Infektion. Es fehlen neutralisierende Antikörper und die durch den Immunkomplex verursachten Symptome der E.I., sowie Fieber und
Polyarthritis. Die persistierende B19 Infektion
und die damit verbundene „pure red cell aplasia“ wurde in vier Patientenpopulationen dokumentiert: bei Personen mit dem Nezelof Syndrom, bei Kindern mit lymphatischer Leukämie
oder anderen Krebserkrankungen nach oder
während einer Chemotherapie, bei Patienten
mit AIDS und bei Patienten nach Organtransplantation.
Hydrops fetalis. Bei ca. 30% der B19 Infektionen
während der Schwangerschaft kommt es zur
transplazentaren Infektion des Föten. Die Folgen ist ein Hydrops fetalis, der aufgrund schwerer Anämie zum intrauterinen Fruchttod führen
kann. Histologische Untersuchungen zeigen
Leukoerythroblastose, typische zytopathische
Veränderungen der Erythroblasten in der Leber, Myokarditis, Myositis der Skelettmuskulatur und Hepatitis. Das Risiko für einen spontanen Abort liegt bei etwa 5% und ist im ersten
und zweiten Trimenon der Schwangerschaft höher als im dritten. Die parvovirale Infektion des
Föten kann nach der Geburt persistieren. Der
Hydrops kann im Ultraschall diagnostiziert
werden. Ein erhöhter Gehalt an α-Fetoprotein
im Blut der Mutter wurde als diagnostisch einsetzbares Mittel für eine Infektion des Föten mit
anschließendem Hydrops fetalis vor sonographisch feststellbaren Anomalien beschrieben.
Die Behandlung des Föten durch intrauterine
Bluttransfusion ist möglich.
Myokarditis. Die mit einer B19 Infektion assoziierte Myokarditis ist selten (0,8%), aber von klinischer Relevanz. Sie wird gelegentlich nach
Transplantationen beobachtet (3%). Die immunsuppressive Medikation nach Transplantation kann einen chronischen Verlauf der B19 Infektion bewirken, der zur Abstoßung des transplantierten Herzens beiträgt. Der Zusammenhang von persistierender B19 Infektion und
Abstoßung ist spezifisch für Herztransplantate;
vermutlich durch die Expression des zellulären
B19 Rezeptors „Oberflächen P Antigen“ in Myozyten.
Differenzialdiagnose
Beim makulopapulösen Exanthem sollte auch
an Röteln, Masern und andere Krankheitsbilder
mit ähnlicher Symptomatik gedacht werden.
Die Differenzialdiagnose wird ebenfalls bei
aplastischer Krise unbekannter Ätiologie emp501
P
Parvovirus
fohlen. Hier könnte V9 verursachendes Agens
sein (Nguyen et al. 1998).
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Labordiagnostik
Eine Infektion mit Parvovirus B19 kann asymptomatisch verlaufen (20–50% der Fälle), aber
durch Laboruntersuchungen diagnostiziert
werden. Hierzu stehen folgende Methoden zur
Verfügung:
Direkter Virusnachweis. Elektronenmikroskopie, Virusisolierung über Zellkulturen, Restriktionsenzymanalyse des viralen Genoms, DNAHybridisierungstest und Polymerasekettenreaktion (PCR). Als Untersuchungsmaterial dienen Serum, Blut, Blutprodukte, Knochenmarkzellen, Amnionzellen und Autopsiematerial.
Indirekter Virusnachweis. Nachweis von virusspezifischen Antikörpern der Klasse IgM, IgG
durch RIA, (mu capture) ELISA, Western-Blot,
IFA und EIA (die beiden letzteren basieren auf
der Expression der Kapsidproteine VP1 und
VP2 durch ein Baculovirus Expressions System)
aus dem Serum.
Chemische Laboruntersuchungen. Es sind keine spezifischen Testverfahren bekannt.
Pathologie und Histopathologie. Histopathologisch manifestiert sich der zytopathische Effekt
in Riesenzellen (giant pronormoblasts). Hierbei
handelt es sich um frühe Erythrozyten mit einem Durchmesser von 25–32 µm mit multiplen
Nukleoli und zytoplasmatischer Vakuolisierung. Diese Zellen findet man vor allem im Knochenmark bei Patienten mit aplastischer Krise
und in der fötalen Leber bei Hydrops fetalis.
Kultivierte, infizierte erythroide Vorläuferzellen zeigen eine charakteristische marginale
Chromatinverdichtung, die Formation von
Pseudopoden und zytoplasmatische Vakuolisierung.
Therapie
Die Behandlung von Erythema infectiosum und
der transienten aplastischen Krise beschränkt
sich auf die Symptome. Immundefiziente Patienten werden 5–10 Tage mit intravenösen Infusionen von Immunglobulinen in einer Konzentration von 0,4 g/kg behandelt.
502
Die Pathogenität des Parvovirus B19 ist genetisch determiniert. Sie beruht auf der Expression des Nichtstrukturproteins (NS-1), das den
Tod der Wirtszelle verursacht. Der Mechanismus ist unklar, da NS-1 keine Homologie zu
Zellgiften oder Proteinen zeigt, die zur Lyse der
Zelle führen. Auch Zellen, in denen das Virus
nicht repliziert, die aber das Nichtstrukturprotein exprimieren, werden beeinflusst. Dies erklärt z.B. die Inhibition der Megakaryozytopoese bei Patienten mit B19 Infektionen. Die Virulenz von B19 ist hoch und führt vor allem in Kindergärten und Schulen zu epidemischen
Ausbrüchen von E.I., bei denen bis zu 60% der
Kinder infiziert werden. Die Antigenvariabilität
ist gering. Die genetische Variabilität liegt unter
1% bezogen auf das gesamte Genom.
Transmission
Ausscheidung und Aufnahme des Virus erfolgt
vor allem über den Respirationstrakt (Tröpfcheninfektion). Die Übertragung des Virus
durch Blut, Blutprodukte, mittels Transplantation oder intrauterin auf den Embryo ist möglich. Personen, denen der Rezeptor (Oberflächen P Antigen) der erythroiden Vorläuferzellen fehlt, werden nicht infiziert.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die produktive Infektion von B19 konnte bisher
nur in erythroiden Vorläuferzellen, kultivierten
Knochenmarkzellen und einigen Leukämiezellen und -zellinien gezeigt werden. In allen Kultursystemen ist die Virusvermehrung von der
Anwesenheit des erythroid-spezifischen Hormons Erythropoietin abhängig. Der virale Tropismus beruht auf der Expression des zellulären
Rezeptors „Oberflächen P Antigen“ („globoside“), der nur in Erythrozyten, erythroiden Vorläuferzellen, Megakaryozyten, Endothelzellen
der Plazenta, der fötalen Leber und dem Herzen
exprimiert wird. In nicht permissiven Zellen
kommt es zu einem intrazellulären Block der
Transkription. Hier ist das Muster der RNA
Transkription zugunsten der Nichtstrukturproteine verschoben.
Die Virämie ist 7 Tage nach Infektion für 4–5
Tage nachweisbar. Symptome werden in der Regel erst 16 Tage nach Infektion beobachtet.
Parvovirus
Resistenz
Parvoviren sind aufgrund ihrer kompakten
Struktur und dem Fehlen einer Lipidhülle sehr
resistent gegenüber organischen Lösungsmitteln (z.B. Äther, Alkohol), Detergenzien und
Hitze (z.B. 56oC für 60 Min.). Das Virion ist stabil bei einem pH-Wert zwischen 3 und 9. Es
kann durch Formalin oder oxidierende Agenzien inaktiviert werden. Parvoviren gehören somit zu den stabilsten Viren, was ihre Verbreitung begünstigt.
misch bevorzugt im Frühjahr in Kindergärten
und Heimen auf. Das Muster der Epidemien
folgt einem 3–4–jährigen Rhythmus mit je zwei
Jahren hoher, gefolgt von zwei Jahren mit niederer Inzidenz. Im Erwachsenenalter sind 50%
bis 70% der Bevölkerung seropositiv; mit zunehmenden Alter sind über 90% seropositiv.
Die Seroprävalenz B19 spezifischer Antikörper
ist mit Ausnahme einiger brasilianischer und
afrikanischer Stämme weltweit. Die Serokonversionsrate liegt bei 1,5% für Frauen im gebärfähigen Alter.
Immunantwort
In der Regel erwerben Patienten eine lebenslange Immunität. Die Infektion wird durch das
Auftreten neutralisierender Antikörper terminiert. Fehlen neutralisierende Antikörper, wie
z.B. bei immundefizienten Patienten, oder nach
Infektion des Föten, persistiert die Infektion
und resultiert in Erkrankungen wie chronische
Anämie oder Arthritis.
IgM Antikörper sind 4–7 Tage nach Auftreten
der Symptome bzw. 20–21 Tage nach Infektion
in 90% der Patienten nachweisbar. Die höchste
Konzentration an IgM Antikörpern wird in der
Regel nach 30 Tagen erreicht und kann bis zu
vier Monate andauern. IgG Antikörper treten 7–
10 Tage nach Erscheinen der Symptome auf. Die
höchste Konzentration wird nach einen Monat
erreicht. Persistierende IgG Antikörper erklären die lebenslange Immunität.
Wirtsbereich
Das Wirtsspektrum des Virus B19 beschränkt
sich unter natürlichen Bedingungen auf den
Menschen. Für andere Parvoviren sind spontane Wirtswechsel durch Mutationen beschrieben.
Risikogruppen
Es ist keine Prävalenz für bestimmte ethnische
Gruppen der Bevölkerung bekannt. Immundefiziente Personen sind gefährdet (siehe Aplastische Krise, „pure red cell aplasia“, Myocarditis).
Bei akuten Infektionen von Schwangeren, vor
allem während des ersten und zweiten Trimenon, ist der Fötus gefährdet (siehe Hydrops fetalis).
Epidemiologie
Die Infektion erfolgt überwiegend im Kindesalter und bei Jugendlichen. Das Virus tritt epide-
Genetik
Alle Parvoviren haben ein lineares, einzelsträngiges DNA Molekül von etwa 5000 Nukleotiden
Länge mit terminalen Palindromen am 5' und 3'
Ende des Genoms, die der Replikation dienen.
Bei B19 (5,6 kb) werden sowohl der positive, als
auch der negative Strang verpackt und repliziert. Die beiden terminalen Palindrome von
B19 sind 365 Nukleotide lang und in ihrer Sequenz identisch. Bei B19 werden alle 9 RNAs
vom linksständigen Replikationsursprung (origin of replication) transkribiert. Das Nichtstrukturprotein (NS-1) fungiert als Helikase und
Nuklease bei der DNA Replikation und Verpackung. Es wird von einem nicht gespleißten
RNA Transkript der linken Seite des Genoms
kodiert. Alle anderen RNA Transkripte werden
gespleißt. Die Transkripte der Strukturproteine
(VP1 und VP2) kodieren auf der rechten Seite
des Genoms und entstehen aus überlappenden
RNAs desselben Leserahmens. Die unterschiedlichen Konzentrationen der Kapsidprotein VP1
(5%, „minor“ Kapsidprotein, 781 aa, 84 kDa)
und VP2 (95%, „major“ Kapsidprotein, 554 aa,
58 kDa) werden durch multiple 5'-ständige AUG
Kodons reguliert. Sowohl die Funktion einer
TATA-Box in der Mitte des Genoms (eventuell
dient diese Region als Promotor), als auch die
Funktion verschiedener gespleißter RNA Transkripte und (potenzieller) daraus resultierender
Polypeptide der rechten Genomseite ist unklar.
Accession-No. der Nukleinsäuresequenz: B19
Virus, vollständiges Genom (NC_000883)
Accession-No. der Proteinsequenzen: B19 Kapsidprotein VP1 (AAG16690), B19 Kapsidprotein
VP2 (NP_050021), B19 Nichtstrukturprotein
NS-1 (AAK00800)
503
P
Pasteurella multocida
Prävention
An einem spezifischen Impfstoff auf der Basis
von im Baculovirussystem hergestellten parvoviralen B19 Kapsiden wird gearbeitet.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Nosokomiale Transmissionen sind möglich,
aber selten. Hitzeinaktivierung (80°C, 72 Stunden) von Blutprodukten kann die Infektionsgefahr verringern, aber nicht verhindern. Schwangere sollten B19 infizierte Personen meiden.
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz vom Juli 2000
sind B19 Infektionen nicht meldepflichtig. Die
namentlich Meldung wird erforderlich, falls die
örtliche und zeitliche Häufung auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist.
Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1
Nr. 2, 3 und Abs. 4, § 9 Abs. 2, 3 Satz 1 oder 3 zu
erfolgen.
Institute for molecular virology university of
Madison, Wisconsin:
http://www.bocklabs.wisc.edu/Welcome.html
Institut für Klinische und Molekulare Virologie,
Universität Erlangen:
http://www.virology.uni-erlangen.de/hyp.htm
DSMZ Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen GmbH:
http://www.dsmz.de/dsmzhome.htm
WHO World Health Organization:
http://www.who.int/
National Reference Centre (Germany):
http://hsscd.euphin.org/reference/
rome_inventory/
INV_pre_lab_org_nat_deu.html
University of Leichester, Parvoviruses:
http://www-micro.msb.le.ac.uk/335/
Parvoviruses.html
Complete Viral Genomes:
http://www.genome.ad.jp/dbget-bin/get_
htext?Viruses+-e+L+A+-s+F+-f+F+A_A10#L1
Schlüsselliteratur
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Konsiliarlaboratorium für Parvoviren
Prof. Dr. S. Modrow, Universität Regensburg,
Institut für Medizinische Mikrobiologie und
Hygiene.
Web-Adressen
Introduction to virology:
http://www-micro.msb.le.ac.uk/109/
Introduction.html
All the virology on the WWW, Parvoviruses:
http://www.virology.net/
garryfavweb13.html#Parvo
Virus databases on-line:
http://life.anu.edu.au/viruses/
The big picture book of viruses, parvoviruses:
http://www.virology.net/Big_Virology/
BVDNAparvo.html
National center of biotechnology information:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
Links to further information on viruses:
http://www2.rki.de/INFEKT/ENIVD/RS1.HTM
The International Committee on Taxonomy of
Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/
Centers for disease control and prevention:
http://www.cdc.gov/
504
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edited by Fields B.N., Knipe, D.M., et al., Raven Press, Ltd.
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Med. (1990) 41:25–43.
3. Török T.J., Parvovirus B19 and Human Disease, Adv.
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Clinical Aspects of Parvovirus B19 Infection, Crit. Rev.
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erythrovirus sequence distinct from B19 in a child with
acute anaemia. Lancet (1998) 352:1524.
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Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Pasteurella multocida
Erregerbezeichnung
Pasteurella multocida
Synonym
Entfällt.
Morphologie
Pasteurellae sind kleine (0,2–0,4×0,6–2,5 µm),
plumpe, unbewegliche, sporenlose gramnegative Stäbchen. In der Regel ist eine Kapsel vorhanden.
Pasteurella multocida
Taxonomie
Familie:
Pasteurellaceae
Gattungen: Pasteurella, Haemophilus, Actinobacillus
Spezies:
Die wichtigste Spezies mit humanmedizinischer Bedeutung ist Pasteurella multocida. Sie kann in die Subspezies Pasteurella
multocida multocida, Pasteurella multocida
septica und Pasteurella multocida gallicida unterteilt werden. Weitere Spezies mit humanmedizinischer Bedeutung sind Pasteurella dagmatis, Pasteurella stomatis, Pasteurella canis, Pasteurella Species B, Pasteurella volantium.
monie und Pleuraempyem oder als Kombination dieser Krankheitsbilder. Durch Aszension
der Erreger kann es zu Otitis, Sinusitis, Mastoiditis und intrakraniellen Infektionen kommen.
Bakteriämische Infektionen. Sie können von
Wundinfektionen oder respiratorischen Infektionen ausgehen, vielfach ist ein Sepsisherd aber
nicht zu lokalisieren. Die generalisierten Infektionen äußern sich u.a. als Meningitis, Pneumonie, Peritonitis, Arthritis oder Endokarditis.
Prädisponierende Grundleiden sind Leberzirrhose und maligne Erkrankungen.
Historie
Differenzialdiagnose
Perroncito (1878) isolierte und beschrieb die
Mikrobe als Erreger der Geflügelcholera. Trevisan (1887) schlug für ähnliche Mikroben, die bei
Rind, Schwein, Schaf u.a. hämorrhagische Septikämien verursachen, die Bezeichnung Pasteurella vor. Die Bezeichnung Pasteurella multocida wurde von Rosenbusch und Merchiand
(1939) eingeführt.
Wundinfektionen nach Tier- und Menschenbissen durch eine Vielzahl aerober und anaerober
(Problem-) Keime (z.B. Staphylococcus aureus,
Staphylococcus intermedius, Staphylococcus epidermidis, α- und β-hämolysierende Streptokokken, Enterokokken, Capnocytophagae canimorsus, Corynebakterium spp., Haemophilus
spp., Neisseria canis, Neisseris weaveri, Porphyromonas salivosa, Porphyromonas asaccharolytica, Leptotrichia buccalis, Acinetobacter spp.,
Peptostreptokokken etc.).
Erkrankungen/Symptome
Pasteurellosen manifestieren sich in erster Linie
als Wundinfektionen respiratorische Infektionen und bakteriämische Infektionen.
Wundinfektionen. Nach Biss- und Kratzverletzungen treten die klassischen Zeichen der akuten Entzündung meistens bereits wenige Stunden, seltener ein bis drei Tage nach der Verletzung auf. Eine regionäre Lymphadenitis entwickeln 30 bis 40% der Patienten. Lokale
Komplikationen wie Tendovaginitis, Periostitis,
Arthritis, Osteomyelitis werden bei ca. 40% der
Patienten beobachtet. Eine Knochenbeteiligung
wird oft erst verzögert nach initialer Wundbehandlung manifest und kann chronisch mit Defektheilungen verlaufen. Bei Wundinfektionen
im Kopfbereich können Meningitis, Gehirnabszess und subdurales Empyem resultieren. Bei
Augenverletzung besteht die Gefahr einer Endophthalmitis.
Infektionen des Respirationstraktes. Sie entstehen in der Regel auf dem Boden prädisponierender Grunderkrankungen (chronische Bronchitis, Emphysem, Bronchiektasen, chronisch
obstruktive Lungenerkrankungen) und imponieren als akute bis subakute Bronchitis, Pneu-
Labordiagnostik
Mikroskopie. Nachweis kleiner, gramnegativer
Stäbchen (siehe Morphologie). Ältere Kulturen
neigen zu Pleomorphie und zur Ausbildung filamentöser Formen. In der Regel ist eine Kapsel
vorhanden.
Kultur. Eine sichere ätiologische Diagnose erfordert den kulturellen Nachweis des Erregers.
In Abhängigkeit von der Infektionslokalisation
kommen als Untersuchungsmaterial Wundsekret, respiratorisches Sekret, Blut, Liquor cerebrospinalis, Spülwasser der Nasennebenhöhlen,
Punktate und Biopsien in Frage. Die Proben
sollten innerhalb von zwei bis drei Stunden
nach Gewinnung im Labor verarbeitet werden.
Bei längeren Transportzeiten sind Transportmedien zu verwenden. Für die primäre Anzüchtung und für Subkulturen sind komplexe Medien auf Peptonagarbasis mit Zusatz von 5 bis 8%
Serum oder Blut geeignet. Das Temperaturoptimum liegt bei 35–37°C. Die aeroben, fakultativ
anaeroben Mikroben wachsen am besten unter
mikroaerophilen Bedingungen, d.h. in einer
sauerstoffarmen Kulturatmosphäre mit 5–10
505
P
Pasteurella multocida
Vol.% CO2. Selektivmedien mit Antibiotika-Zusätzen (Bacitracin, Clindamycin, Gentamicin,
Polymyxin) kommen für spezielle Fragestellungen in Betracht. Die Bebrütungsdauer sollte bei
Blut und Liquor cerebrospinalis mindestens
eine Woche betragen. Charakteristisch sind 0,1
bis 1 (bis 3) mm große, flach konvexe, runde,
glattrandige, tautropfenartig glänzende Kolonien ohne Hämolyse. Auffallend ist ihr spermaartiger Geruch.
ein Exotoxin mit hämorrhagischen und dermonekrotischen Eigenschaften bei K-Serovaren A
und D, das die Ausbreitung im Wundgebiet begünstigt.
P. multocida kann aufgrund der Feinstruktur
des Kapselpolysaccharids in fünf (K-) Kapselserovare (A, B, D, E, F) und elf bis sechzehn somatische (O-) Serovare unterteilt werden. Infektionen des Menschen werden am häufigsten
durch die Serovare A und D hervorgerufen.
Biochemische Differenzierung. Neben Gramreaktion und Beweglichkeitsprüfung werden charakteristische Stoffwechselleistungen für die taxonomische Einordnung verwendet.
Transmission
Serologische Variäteten. Es lassen sich die kapsulären (K-) Serovare A, B, D, E, F und elf bis
sechzehn somatische (O-) Serovare unterscheiden. Die K-Serovarietät A enthält Hyaluronsäure, so dass sie bei Wachstum in der Nähe eines
Hyaluronidase produzierenden Stammes von
Staphylococcus aureus depolymerisiert wird. KSerovar B wird durch Acriflavin agglutiniert.
Therapie
Die Übertragung des Erregers von Tieren auf
den Menschen erfolgt über Biss- und Kratzwunden, durch häufigen direkten, nicht traumatischen Kontakt oder auf aerogenem Weg (Tröpfcheninfektion). In Blut, Schleim, Auswurf und
Kot kann P. multocida bis zu 10 Tagen, in Wasser bis zu 14 Tagen und in eingetrocknetem Zustand bis zu 3 Tagen vermehrungsfähig bleiben.
Vermehrung und Inkubationszeit
P. multocida vermehrt sich durch Zweiteilung.
Die Inkubationszeit nach Kratz- oder Bissverletzungen ist kurz und beträgt wenige Stunden
bis 3 Tage.
Penicillin gilt als Antibiotikum der Wahl. Ampicillin, systemische Cephalosporine und Tetracycline kommen alternativ in Frage. Ciprofloxacin zeigt in vitro eine gute antibakterielle Aktivität, die klinischen Erfahrungen in der Behandlung von Pasteurellosen sind jedoch gering.
Aminoglykoside, Oxacillin, orale Cephalosporine, Erythromycin, Lincomycin und Clindamycin werden als nicht ausreichend wirksam beurteilt. Aus Sicherheitsgründen sollte die antibiotische Empfindlichkeit (Antibiogramm) bestimmt werden. Bei Wundinfektionen ist die
chirurgische Intervention in Kombination mit
antibiotischer Therapie obligat.
Pasteurella multocida ist ein extrazelluläres
Bakterium, das sich zunächst an der Eintrittstelle frei vermehren kann. Nach Opsonisierung
und Phagozytose kann P. multocida zumeist
rasch eliminert werden (Ausnahme: Patienten
in reduziertem Allgemeinzustand oder mit Immundefekten).
Spezifische Merkmale
Wirtsbereich
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
P. multocida ist ein fakultativ pathogenes Bakterium. Die Manifestation einer Infektion ist
letztendlich abhängig von der Keimzahl und
den lokalen Gegebenheiten im Wundgebiet.
P. multocida besitzt eine Reihe von Virulenzfaktoren wie z.B. zellgebundene Neuraminidasen, Hyaluronidase bei K-Serovar B, mannoseresistentes Hämagglutinin bei K-Serovar A und
506
Resistenz
Infektionen führen zu einer längerandauernden
Immunität.
Immunantwort
Erregerreservoirs sind domestizierte und wildlebende Säugetiere und Vögel. Sie beherbergen
die Mikroben in der Regel als Kommensalen auf
den Schleimhäuten der oberen Atemwege. Die
Häufigkeit von Keimträgern variiert jedoch
nach Tierart und epizootischer Situation: Katzen 50–70%, Hunde 12–66%, Schweine ca. 50%,
Ratten 14%. Veterinärmedizinisch bedeutsam
sind Pneumonie und hämorrhagische Septikämie bei Rindern, Schweinen und Schafen sowie
Peitschenwurm
die sog. Geflügelcholera bei Hühnern, Truthühnern und Enten.
munsupprimierten Patienten bestehen. Aktive
und passive Immunisierung gegen Pasteurellosen entfallen in der Humanmedizin.
Risikogruppen
Betroffen sind vorzugsweise Tierhalter, Tierhändler, Tierzüchter, Landwirte und Schlachthauspersonal. Bei 5 bis 15% der Pasteurella multocida-Infektionen ist Tierkontakt jedoch nicht
nachzuweisen. Prädisponierend für respiratorische und generalisierte Infektionen sind bronchopulmonale Grunderkrankungen bzw. Leberzirrhose und maligne Erkrankungen.
Epidemiologie
Pasteurellosen des Menschen sind typische
Zooanthroponosen. Da die Erreger praktisch
nur nach traumatischer Inokulation oder bei
abgeschwächter Infektabwehr zu manifesten
Infektionen bei Menschen führen, sind sie als
opportunistische Infektionen zu qualifizieren.
Sie sind seltene Erkrankungen; ihre Inzidenz
wird auf 0,5 bis 25 Erkrankungsfälle/1 Mio. Einwohner/Jahr geschätzt. Gesunde Keimträger
kommen in Berufsgruppen mit intensivem
Tierkontakt (Veterinärmediziner, Tierhändler,
Landwirte) in einer Häufigkeit von ca. 2% vor.
Eine Übertragung der Erreger von Mensch zu
Mensch ist nicht ausgeschlossen, aber bislang
nicht belegt.
Genetik
Pasteurella multocida, complete genome:
NC_002663 (Zhang et al. (2001): Complete genomic sequence of Pasteurella multocida,
PM70. PNAS 13;98(6):3460-3465).
Das Genom enthält 2014 offene Leserahmen.
Übersicht siehe NCBI:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/
query.fcgi?CMD=&DB=nucleotide
Prävention
Für die Prophylaxe von Infektionen nach Bissund Kratzverletzungen ist die sofortige Wunddesinfektion und -falls erforderlich- chirurgische Wundtoilette mit offener Wundversorgung entscheidend. Eine zusätzliche Chemoprophylaxe ist bei tiefen Wunden und bei Patienten mit Infektabwehrschwäche zu erwägen.
Für die Prophylaxe nicht traumatischer Infektionen kommt allein eine Beschränkung des
Kontaktes mit Tieren in Frage. Eine Indikation
hierfür dürfte jedoch nur bei hochgradig im-
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Auf Grund der geringen Prävalenz von Pasteurella multocida-Infektionen beim Menschen bestehen hier keine besonderen Präventivmaßnahmen.
Meldepflicht
Nach § 6, 8 und 9 des IfSG besteht keine Meldepflicht.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Nationale Referenzzentren sowie Konsiliarlaboratorien sind in Deutschland nicht vorhanden.
Web-Adressen
Abteilung für Infektionen und Chemotherapie,
Universitätsklinik Innere Medizin I, AKG Wien:
http://www.ahc-net.at/antibiotika_monitor/
12_99/12_99_2.htm
University of Illinois:
http://www.cvm.uiuc.edu/courses/vp331/
Pasteurella1.html
Medical Microbiology: http://www.gsbs.
utmb.edu/microbook/ch029.htm
Building Better Health: Animal bite infections:
http://www.buildingbetterhealth.com/article/
gale/100085053
Schlüsselliteratur
1. Ansorg, R. (1994). Die Gattung Pasteurella, Pasteurellosen.
In: Brandis, H., Eggers, H. J., Köhler, W. und Pulverer, G.
(Hrsg.): Lehrbuch der Medizinischen Mikrobiologie,
S. 450–454. 7. Aufl., Gustav Fischer Verlag, Stuttgart.
2. Smith, G. R. und Phillips, J. E. (1990). Pasteurella and
actinobacillus. In: Parker, M. T. und Duerden B. I. (Hrsg.)
Topley and Wilson's principles of bacteriology, virology
and immunity, S. 384–399. Edward Arnold, London.
3. Smith, G. R., Pearson A. D. und Parker, M. T. (1990).
Pasteurella infections, tularaemia, glanders and
melioidosis. In: Smith, G. R., Easmon C. S. F. (Hrsg.):
Topley and Wilson's Principles of bacteriology, virology
and immunity, S.382–397. 3. Aufl., Edward Arnold, London
1990.
Peitschenwurm
Trichuris trichiura
507
P
Penicillium marneffei
Penicillium marneffei
Fallberichte von disseminierten P. marneffeiInfektionen bei HIV-positiven Patienten aus
Südostasien.
Erregerbezeichnung
Penicillium marneffei
Synonym
Keine Daten verfügbar.
Erkrankungen/Symptome
Erkrankung. Disseminierte Penicilliose. Hämatogene Absiedlung in diversen Organen: Im
Vordergrund steht der Befall von Haut, Lymphknoten, Lunge, Leber und Milz.
Morphologie
Temperatur-abhängiger dimorpher Pinselschimmel: In der Kultur bei 28°C Wachstum als
Pinselschimmel, im Gewebe und bei 37°C wird
eine Hefephase produziert.
Im Wirtsgewebe finden sich intrazellulär in Makrophagen kleine, einzeln gelagerte, nichtsprossende, rund-ovale hefeähnliche Zellen von
2 bis 5 µm Durchmesser. Extrazellulär sind zusätzlich längliche, wurstförmige Zellen bis 8 µm
Länge nachweisbar. Die Pilzzellen weisen typischerweise ein bei Querteilung entstandenes
Septum auf.
In der Kultur makroskopisch bei 37°C hefeähnliche Kolonien; bei 28°C flache Kolonien mit
spärlichem weißlichen Luftmyzel und überwiegend submerser Myzelbildung. Herausragendes
Merkmal: Ein intensiv rotes Pigment wird in
den Agar abgegeben.
Mikroskopischer Aufbau der Pinsel-Nebenfruchtform: Kriechende oder gebündelte Traghyphen (Konidiophoren); 3–5 Metulae; 4–7
Phialiden; kurze, ungeordnete Ketten glattwandiger, elliptischer Konidiosporen.
Taxonomie
Abteilung: Ascomycota
Klasse:
Eurotiomycetes
Ordnung: Eurotiales
Familie: Trichocomaceae
Gattung: Penicillium
Von den über 200 beschriebenen PenicilliumArten ist nur Penicillium marneffei als Erreger
von invasiven Mykosen bekannt.
Historie
Die erste menschliche Infektion wurde 1959
nach einer Nadelstichverletzung beim Arbeiten
mit Labortieren von Segretain (Institut Pasteur,
Paris) beschrieben. Die erste natürlich erworbene Infektion trat 1973 bei einem amerikanischen
Patienten mit Morbus Hodgkin auf, der in Südostasien gereist war. 1988 erschienen die ersten
508
Symptome (nach Häufigkeit). Fieber, Anämie,
Gewichtsverlust, papulonekrotische Hautläsionen (Molluscum contagiosa-ähnlich), generalisierte Lymphadenopathie, Hepatomegalie,
chronischer Husten, pulmonale Infiltrate, Diarrhoe und Splenomegalie.
Differenzialdiagnose
Tuberkulose, Kryptokokkose, Histoplasmose,
Leishmaniose, Toxoplasmose
Labordiagnostik
Kultur und histopathologische Untersuchung
von Biopsiematerial der Läsionen (z.B. Haut,
Lymphknoten, Leber). Charakteristisch sind intrazellulär gelegene kleine Hefen (siehe Morphologie), die sich mit GMS und PAS gut anfärben lassen. Auch Blutkulturen, Knochenmarkpunktate, Sputum und Aspirate pulmonaler Abszesse sind für die Kultur geeignete Materialien.
Die Anzucht erfolgt auf Sabouraud-GlucoseAgar bei 28°C und bei 37°C. Die Kulturen müssen mindestens eine Woche lang bebrütet werden. Die Identifizierung der Isolate erfolgt makroskopisch und mikromorphologisch.
Teste zum spezifischen Antigennachweis von
P. marneffei aus Serum oder Urin sind in der
Entwicklung, aber nicht kommerziell erhältlich.
Der Platelia® Aspergillus-Antigen Enzym-Immuno-Assay (BioRad, München) kreuzreagiert
mit Penicillium-Antigen und kann zur Diagnostik und Therapieüberwachung herangezogen
werden. Spezifische Antikörperteste (Immundiffusion, Immunoblot) zeigen eine variable
Sensitivität und sind nicht kommerziell verfügbar.
Therapie
Amphotericin B 0,6mg/kg/d i.V. über 2 Wochen, gefolgt von 400mg/d oralem Itraconazol
für 10 Wochen; als sekundäre Prophylaxe
Penicillium marneffei
200mg/d orales Itraconazol, wahrscheinlich lebenslang notwendig.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Keine Daten verfügbar; als möglicher Virulenzfaktor kommen phasen-spezifische Gene in Frage, die für den Wechsel von der Schimmel- zur
Hefephase verantwortlich sind.
Transmission
Der genaue Übertragungsweg ist nicht bekannt,
sehr wahrscheinlich ist eine Inhalation von Konidiosporen aus dem Staub. Als Risikofaktor
gilt eine längerdauernde Exposition gegenüber
Erde in der Regenzeit. Für eine Übertragung
von Bambusratten auf den Menschen konnten
keine Hinweise gefunden werden.
Vermehrung und Inkubationszeit
P. marneffei ist ein schnellwachsender Schimmelpilz, sichtbare Kolonien werden bereits
nach 2–3 Tagen gebildet.
Die genaue Inkubationszeit der Erkrankung ist
unklar, sie beträgt wahrscheinlich Tage bis wenige Wochen.
Resistenz
Es gibt nur wenig Daten. P. marneffei ist in vitro
sensibel gegen Itraconazol, Ketoconazol, Miconazol, 5-Fluorcytosin, mäßig gut sensibel gegen
Amphotericin B, resistent gegen Fluconazol.
Immunantwort
Die genauen Mechanismen der Immunabwehr
sind nicht geklärt, aber das zelluläre Immunsystem spielt eine entscheidende Rolle. Der Pilz
wird von mononukleären Zellen phagozytiert,
die dadurch zur Proliferation und Produktion
von TNF-alpha angeregt werden.
Epidemiologie
P. marneffei kommt endemisch vor in Südostasien, besonders in Thailand (vor allem im Norden: Chiang Mai Provinz), Süd-China (Guangxi-Provinz), Vietnam, Myanmar, Laos, Malaysia, Singapur, Indonesien, Taiwan und Ostindien (Manipur). Die P. marneffei-Infektion stellt
in Nordthailand nach Tuberkulose und Kryptokokkose die dritthäufigste opportunistische Infektion bei HIV-Patienten dar, ca. 20% der HIVPatienten sind betroffen. Sie zählt seit 1992 zu
den AIDS definierenden Erkrankungen.
Genetik
P. marneffei ist ein eukaryonter Organismus,
über dessen Genomgröße und Chromosomenzahl noch keine Daten vorliegen. Es sind bisher
nur Teile des Genoms von P. marneffei sequenziert und in die Datenbank aufgenommen. Für
die taxonomische Einordnung wichtige Sequenzen sind: AF034197 (Partielle Sequenz des 18S ribosomalen RNA Gens); L37406 (Transkribierte
Spacer 1 und 2 und 5.8S rRNA-Gen); L37407 (Mitochondriale kleine Untereinheit des rRNAGens);
Proteinsequenzen:
AAB03607,
AAB03608, AAB03609, AAB03610 (Chitin Synthase I bis IV).
Prävention
Eine spezifische Prävention ist nicht möglich.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
P
Eine sekundäre Prophylaxe nach Erkrankung
mit 200mg/d Itraconazol oral ist wahrscheinlich
lebenslang notwendig.
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz vom 01.01.01
besteht für die P. marneffei-Infektion keine
Meldepflicht.
Wirtsbereich
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
P. marneffei kommt – außer beim Menschen –
in den inneren Organen und Exkrementen von
Bambusratten (Rhizomys spp. und Cannomys
badius) in Südostasien vor.
Konsiliarlaboratorium für Erreger außereuropäischer Systemmykosen, Robert Koch Institut
Mykologie, Fr. Dr. Tintelnot, Nordufer 20, 13353
Berlin
Risikogruppen
Web-Adressen
Immunsupprimierte Patienten, vor allem AIDSPatienten.
National Center of Biotechnology Information:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
509
Pentastomida
Tabelle 1
Pentastomida des Menschen
Kriterium
Linguatula serrata
Armillifer armillatus, A. grandis,
A. moniliformis
Größe
Angaben nicht verfügbar
Verbreitung
Männchen: 18–20×3–4 mm
Weibchen: 80–130×8–10 mm
90×60–70 µm
Hund, Wolf, Mensch (selten)
Wiederkäuer, Pferd, Schwein, Nagetiere,
Mensch
Europa, Afrika, Amerika, Vorderer Orient
Lokalisation im Menschen
Nasenhöhle (Adulti)
Symptome
nasopharyngeales Syndrom („halzoun“,
„marrara“)
Nachweis der Eier in Nasenschleim oder
Stuhl
nicht bekannt
Eier
Endwirt
Zwischenwirt
Diagnose
Therapie
International Association of Physicians in AIDS
Care: http://www.iapac.org/clinmgt/diseases/
fungal/pen.html
Robert Koch Institut: http://www.rki.de/
INFEKT/STECKBRF/STBR_PI/PENICIL.HTM
Schlüsselliteratur
1. Kwon-Chung KJ, Bennett JE. 1992. Medical Mycology, 2nd
ed. Chapter 27: Infections due to miscellaneous molds:
Penicilliosis marneffei, pp. 755–758. Lea & Febiger,
Philadelphia, London.
2. Duong TA. 1996. Infection due to Penicillium marneffei, an
emerging pathogen: Review of 155 reported cases. Clin
Infect Dis 23: 125–130.
3. Cooper CR. 1998. From Bamboo Rats to Humans: The
Odyssey of Penicillium marneffei. ASM News 64: 390–397.
4. Sirisanthana T, Supparatpinyo K, Perriens J, Nelson KE.
1998. Amphotericin B and itraconazole for treatment of
disseminated Penicillium marneffei infection in human
immunodeficiency virus-infected patients. Clin Infect Dis
26: 1107–1110.
5. De Hoog GS, Guarro J, Gene J, Figuera MJ. 2000. Atlas of
Clinical Fungi, 2nd ed. Penicillium marneffei, pp. 833–835.
Centraalbureau voor Schimmelcultures, Utrecht.
Pentastomida
Pentastomida (= Linguatulida, Zungenwürmer)
sind getrenntgeschlechtliche wurmförmige Arthropoden von Annelidenhabitus. Sie parasitieren in den Lungen und Atemwegen von Reptilien und Säugetieren. Der Mensch ist relativ sel510
Angaben nicht verfügbar
Schlangen u.a. Reptilien
Säugetiere, Mensch
A. armillatus und A. grandis in Afrika, A.
moniliformis in Asien
Leber, Milz, Lunge, Auge (Larven, Nymphen)
Verengung der Luftwege, Ileus, Ikterus,
abdominelle Schmerzen, Erblindung
Nachweis in Biopsiematerial
nicht bekannt
ten betroffen, so dass die bei ihm bisher nachgewiesenen vier Arten lediglich tabellarisch
angeführt werden (siehe Tabelle 1). Der Vorderkörper der Zungenwürmer ist mit einer Mundöffnung und zwei Paar einschlagbarer Haken
versehen. Die Entwicklung ist mit Wirtswechsel
verbunden.
Schlüsselliteratur
1. Riley J (1986) The biology of Pentastomida. Adv Parasitol
25: 45–128
2. Storch V (1993) Pentastomida. In: Harrison FW, Rice ME
(eds) Microscopic anatomy of invertebrates. Vol 12:
Onychophora, Chilopoda, and lesser Protostomata, pp 115–
142
Pentatrichomonas hominis
Darmflagellaten
Pesterreger
Yersinien
Pfriemenschwanz
Enterobius vermicularis
Phaeohyphomycetes
Phaeohyphomycetes
Erregerbezeichnungen
Phaeohyphomycetes
erheben sich in verzweigten Ketten, die leicht
zerbrechen. Die unteren Konidien sind oft septierte Ramokonidien.
Gattung Alternaria: Die mehrzelligen Konidien
sind braun, mit muriformer Septierung, in Ketten oder einzeln.
Synonym
Die Phaeohyphomyzeten werden auch als
Dematiaceae = Schwärzepilze bezeichnet.
Morphologie
Wirtsgewebe. In mit Hämatoxylin und Eosin
(H&E) gefärbten oder ungefärbten Paraffinschnitten sind hellbraune oder goldfarbene, eng
septierte, gelegentlich verzweigte Myzelien
nachweisbar. Die Hyphen sind an den engsten
Stellen 2–3µm stark, zwischen den Septen jedoch oft auf 4–9 µm angeschwollen, was insgesamt einen perlschnurartigen Eindruck erweckt
und intercalaren Chlamydosporen ähnelt. In
Hirnabszessen finden sich oft reichlich dunkle
Pilzmyzelien, in Nasennebenhöhlen sind die
Myzelien eher hyalin, in subkutanem Gewebe
sind sie oft nur spärlich nachweisbar.
Kultur. Innerhalb von 14 Tagen werden bei 28
bis 37°C auf Sabouraud-Glucose-Agar dunkel
pigmentierte Kolonien von hefeartigem Glanz
oder schimmelartiger Samtoberfläche ausgebildet.
Mikromorphologie. Da insgesamt mehr als 100
Spezies mit über 20 Gattungen aus mindestens 4
Ordnungen und 7 Familien als Erreger einer
Phaeohyphomykose in Betracht kommen (siehe
Taxonomie), würde eine vollständige Abhandlung den Rahmen dieses Kapitels sprengen. Im
folgenden werden daher nur einige charakteristische Merkmale weniger Gattungen genannt.
Gattung Cladosporium. Die Kolonien breiten
sich aus und bekommen eine pulverige bis wolleartige, graugrüne bis olivgrüne Oberfläche.
Gelatine wird verflüssigt. Pilze der Gattung Cladosporium sind nicht thermotolerant. Gewöhnlich sind aufrechte, braune, sympodiale Traghyphen (Konidiophoren) mit schwärzlichbraunen Konidien-Narben vorhanden. Die Konidien sind trocken, 1-(4)-zellig, mit schwärzlich-braunen Narben an jedem Ende, blass bis
mäßig dunkelbraun, glattwandig bis warzig. Sie
Gattung Exophiala/Wangiella. Auch als
schwarze Hefen bezeichnet. Die Kolonien sind
klein und zentral schleimig aufgrund des hefeartigen Wachstums. Der Rand ist glatt. Die
Oberfläche kann später samtartig bis wolleartig
werden, olivfarben bis schwarz. Die konidiogenen Zellen sind intercalar, zylindrisch, oder frei,
flaschenförmig oder spitz zulaufend, mit relativ
engen, kurzen oder sehr kurzen annellierten
Zonen. Die Konidien bilden schleimige Köpfchen. Sie sind (sub)hyalin, glattwandig, 1–4-zellig. Oft werden Ketten sphärischer Zellen gebildet, die profus sprossen. Ketten faßförmiger,
hyphenartiger Zellen können vorkommen.
Taxonomie
Die im folgenden wiedergegebene taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten
Phaeohyphomyzeten folgt einem Vorschlag von
G. S. de Hoog, J. Guarro et al. (1), siehe Tabelle 1.
Historie
Beurmann und Gougerot beschrieben 1907 einen Fall eines intramuskulären mykotischen
Abszesses durch einen Pilz, der heute als Exophiala jeanselmei bezeichnet wird. Guido Banti
publizierte 1911 in Italien den ersten Fall einer
zerebralen Mykose durch einen Schwärzepilz,
der nach der aktuellen Nomenklatur Cladophialophora bantiana heißt (1).
Erkrankungen/Symptome
◗ Zerebrale Phaeohyphomykose: Intrazerebrale Abszesse, die sich im Verlauf der Infektion
vergrößern und schließlich zum Tod des Patienten führen; meist hervorgerufen durch Cladophialophora bantiana und Exophiala dermatitidis (neurotrope Schwärzepilze)
◗ Phaeohyphomykose der Nasennebenhöhlen
◗ Subkutane Phaeohyphomykose
( Eumyzetom (Madurella mycetomatis,
u.v.a.))
◗ Disseminierte Phaeohyphomykose
◗ Organ-Phaeohyphomykose
511
P
Phaeohyphomycetes
Tabelle 1
Taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten
Teleomorph
Division:
Klasse:
Ordnung:
Familie:
Ascomycota
Euascomycetes
Chaetothyriales
Herpotrichiellaceae
Capronia semiimmersa
Ordnung:
Familie:
Dothideales
Dothioraceae
Discosphaerina fulvida
Sydowia polyspora
512
Anamorph
Anthopsis deltoidea
Cladophialophora arxii
Cladophialophora bantiana
Cladophialophora boppii
Cladophialophora carrionii
Cladophialophora devriesii
Cladophialophora emmonsii
Cladophialophora modesta
Exophiala bergeri
Exophiala castellanii
Exophiala dermatitidis
Exophiala jeanselmei
Exophiala lecanii-corni
Exophiala moniliae
Exophiala pisciphila
Exophiala salmonis
Exophiala spinifera
Fonsecaea compacta
Fonsecaea pedrosoi
Phialophora americana
Phialophora bubakii
Phialophora europaea
Phialophora reptans
Phialophora repens
Phialophora richardsiae
Phialophora verrucosa
Ramichloridium mackenziei
Ramichloridium schulzeri
Rhinocladiella aquaspersa
Rhinocladiella atrovirens
Sarcinomyces phaeomuriformis
Aureobasidium pullulans
Cyphellophora laciniata
Cyphellophora pluriseptata
Hormonema dematioides
Hortaea werneckii
Phaeohyphomycetes
Tabelle 1
Taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten (Forts.)
Teleomorph
Anamorph
Nattrassia mangiferae
Pseudomicrodochium suttonii
Ordnung:
Familie:
Familie:
Pleosporales
Leptosphaeriaceae
Pleosporaceae
Leptosphaeria coniothyrium
Leptosphaeria senegalensis
Leptosphaeria thompkinsii
Cochliobolus australiensis
Cochliobolus hawaiiensis
Cochliobolus spiciferus
Lewia infectoria
Cochliobolus geniculatus
Cochliobolus lunatus
Cochliobolus pallescens
Cochliobolus verruculosus
Setosphaeria rostrata
Coniothyrium fuckelii
Microsphaeropsis olivacea
Bipolaris australiensis
Bipolaris hawaiiensis
Bipolaris papendorfii
Bipolaris spicifera
Alternaria alternata
Alternaria chlamydospora
Alternaria dianthicola
Alternaria infectoria
Alternaria longipes
Alternaria tenuissima
Botryomyces caespitosus
Corynespora cassiicola
Curvularia geniculata
Curvularia brachyspora
Curvularia clavata
Curvularia lunata
Curvularia pallescens
Curvularia senegalensis
Curvularia verruculosa
Dichotomophthora portulacae
Dichotomophthoropsis nymphaearum
Dissitimurus exedrus
Drechslera biseptata
Exserohilum longirostratum
Exserohilum mcginnisii
Exserohilum rostratum
Mycocentrospora acerina
Papulaspora equi
Phaeosclera dematioides
Phaeotrichoconis crotalariae
Phoma cruris-hominis
Phoma dennisii v. oculo-hominis
Phoma eupyrena
P
513
Phaeohyphomycetes
Tabelle 1
Taxonomische Einordnung der medizinisch relevanten Phaeohyphomyzeten (Forts.)
Teleomorph
Anamorph
Phoma glomerata
Phoma herbarum
Phoma minutella
Phoma minutispora
Phoma sorghina
Polycytella hominis
Ulocladium botrytis
Ulocladium chartarum
Ordnung:
Familie:
Familie:
Familie:
Sordariales
Lasiosphaeriaceae
Chaetomiaceae
Arnium leporinum
Thielavia terrestris
Achaetomium strumarium
Ascotricha chartarum
Chaetomium atrobrunneum
Chaetomium funicola
Chaetomium globosum
Chaetomium murorum
Corynascus heterothallicus
Coniochaetaceae
Coniochaeta ligniaria
Spezies unbekannter taxonomischer Zuordnung:
Anthopsis deltoidea
Ochroconis (Dactylaria) gallopava
Scytalidium infestans
Scytalidium japonicum
Scytalidium lignicola
Taeniolella stilbospora
Tetraploa aristata
514
Arthrinium phaeospermum
Nigrospora sphaerica
Acremonium alabamense
Dicyma ampullifera
Myceliophthora thermophila
Phaeorisaria clematidis
Staphylotrichum coccosporum
Acrophialophora fusispora
Lecythophora hoffmannii
Lecythophora mutabilis
Mycoleptodiscus indicus
Phaeoacremonium inflatipes
Phaeoacremonium parasiticum
Phaeoacremonium rubrigenum
Phialemonium curvatum
Phialemonium obovatum
Phaeohyphomycetes
Differenzialdiagnose
Therapie
Die Symptomatik ist je nach Lokalisation unterschiedlich und nicht spezifisch für das Vorliegen einer Phaeohyphomykose. Bei dunkel verfärbten oberflächlichen Läsionen kann bisweilen auf die Infektion durch einen Pilz mit tingierten Myzelien geschlossen werden.
Zerebrale Phaeohyphomykose: Bakterieller
Hirnabszess, mykotischer Hirnabszess durch
andere Pilze, z.B. Aspergillus spp. Phaeohyphomykose der Nasennebenhöhlen: Zygomykose,
Conidiobolomykose. Subkutane Phaeohyphomykose: Eumyzetom, Myzetom, Basidiobolomykose. Disseminierte und Organ-Phaeohyphomykose: Invasive Aspergillose, Fusariose, Zygomykose.
Zerebrale Phaeohyphomykose. Neurochirurgische Resektion des meist als Hirnabszess imponierenden Infektionsherdes in toto. Als Begleitmedikation: Itraconazol kombiniert mit Flucytosin.
Labordiagnostik
Mikroskopische Direktuntersuchung. Das Vorliegen einer Phaeohyphomykose wird durch
den Nachweis von gelb-braunen, regulären bis
pseudomyzelartigen Hyphen mit oder ohne
Sproßzellen im aspirierten Eiter, aus einer
Wunddrainage, aus Biopsiematerial oder Hautgeschabsel diagnostiziert.
Histopathologische Untersuchung von Biopsiematerial. Die dunklen Hyphen sind gut in
ungefärbten und H&E-gefärbten Schnitten zu
erkennen. PAS-Färbung und Grocott-GomorriVersilberung können die dunkle Eigenfarbe der
Myzelien verdecken.
Kultur. Im Gegensatz zur Cryptococcose finden
sich bei der zerebralen Phaeohyphomykose keine Erreger im Liquor. Auch die Kultur anderer
Körperflüssigkeiten, inkl. Sputum, führte nicht
zur Isolierung der Erreger. Eiter, Biopsie- und
Wunddrainagen-Material wird auf SabouraudGlucose-Agar bei 28°C und bei 37°C 21 Tage inkubiert. Es entwickeln sich, je nach Spezies, hefeartige oder schimmelpilzartige, in jedem Falle
jedoch dunkel pigmentierte, graue, dunkel olivgraue, dunkelbraune oder nahezu schwarze Kolonien. Die Identifizierung erfolgt mikromorphologisch in Speziallaboratorien (siehe Morphologie).
Serologische Teste. Es wurden keine serologischen Teste enwickelt.
Phaeohyphomykose der Nasennebenhöhlen.
Radikale Ethmoidektomie. Hohe Rückfallrate
nach Wochen bis Monaten. Orale antimykotische Chemotherapie: Itraconazol.
Subkutane Phaeohyphomykose. Die vollständige chirurgische Resektion der Läsionen ist im
Allgemeinen kurativ. Im Falle einer antimykotischen Begleittherapie, z.B. zur Verhinderung einer Amputation, wird Itraconazol eingesetzt.
Disseminierte Phaeohyphomykose. Itraconazol
kombiniert mit Flucytosin.
Organ-Phaeohyphomykose. Chirurgische Resektion, Itraconazol kombiniert mit Flucytosin.
Spezifische Merkmale
Das gemeinsame spezifische Merkmal der Phaeohyphomykosen sind die dunkel gefärbten Myzelien.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Einen entscheidenden Virulenzfaktor stellt das
in die Zellwand eingelagerte Melanin dar, da es
die Phagozytose der Phaehyphomyzeten durch
Abwehrzellen des Menschen hemmt. Auch die
Fähigkeit bei 37°C, und damit bei Körpertemperatur zu wachsen ist ein wichtiger Pathogenitätsfaktor.
Transmission
Subkutane Phaeohyphomykose. Mikrotraumata der Haut durch kontaminierte Holzsplitter
und Spreißel, die in situ verbleiben müssen, um
eine Infektion angehen zu lassen.
Zerebrale Phaeohyphomykose. Hämatogene
Aussaat bei subkutanen, oder selten pulmonalen Läsionen.
Nebenhöhlen-Phaeohyphomykose. Inhalation
von Konidien.
515
P
Phagicola
Vermehrung und Inkubationszeit
Genetik
Die Phaehyphomyzeten gehören zu den langsam wachsenden Pilzen, was eine sehr lange Inkubationszeit und einen langen Krankheitsverlauf von Monaten bis Jahren bedingt.
Bei einer Reihe von Phaeohyphomyzeten sind
Sequenzen z.B. der ribosomalen Gene bekannt.
Auf deren Basis kann eine molekulare Identifizierung erfolgen. Die Accession-Numbers sind
unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov abrufbar.
Resistenz
Im Mausmodell zeigte sich eine eingeschränkte
antimykotische Wirksamkeit von Amphotericin B gegenüber Erregern von Phaeohyphomykosen des ZNS.
Prävention
Vermeidung von Mikrotraumata durch Holzsplitter, bzw. sofortiges Entfernen von Fremdkörpern und desinfizierende Reinigung von
Wunden.
Immunantwort
Im Gegensatz zu anderen Mykosen spielt das TZellsystem bei der Beherrschung der Phaehyphomykose nur eine untergeordnete Rolle. Da der
Immunstatus des Wirts nur in den seltensten
Fällen im Zusammenhang mit der Erkrankung
steht, tritt die Phaehyphomykose in erster Linie
bei Personen ohne Grunderkrankung auf.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Keine Daten verfügbar.
Meldepflicht
Nicht meldepflichtig.
Wirtsbereich
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Ca. 60 Arten von Schwärzepilzen, die als Erreger menschlicher Phaeohyphomykosen beschrieben wurden, kommen in der Umwelt vor.
Es handelt sich zumeist um Bodenpilze, die als
Saprophyten oder Pathogene mit Pflanzenmaterial assoziiert sind.
◗ Europa: Centraalbureau voor Schimmelcultures, PO Box 273, NL-3740 AG Baarn, The
Netherlands. Phone +31-35-5481211, fax +3135-5416142, E-Mail: [email protected].
◗ National Center of Biotechnology Information: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
Risikogruppen
Schlüsselliteratur
Subkutane Phaeohyphomykose. Landarbeiter,
die täglich Erde, Dornen, Splintern oder anderen Verletzungen erzeugenden Gegenständen
ausgesetzt sind.
1. De Hoog GS, Guarro J, Gene J, Figuera MJ. 2000. Atlas of
Clinical Fungi, 2nd ed. Centraalbureau voor
Schimmelcultures, Utrecht.
2. De Hoog GS, Queiroz-Telles F, Haase G, FernandezZeppenfeldt G, Attili-Angelis D, Gerrits Van Den Ende AH,
Matos T, Peltroche-Llacsahuanga H, Pizzirani-Kleiner AA,
Rainer J, Richard-Yegres N, Vicente V, Yegres F. 2000.
Black fungi: clinical and pathogenic approaches. Med
Mycol. 38 Suppl 1: 243–50.
3. Tintelnot K. 1997. Therapie von Infektionen durch
Schwärzepilze. Mycoses. 40 Suppl 1: 91–6.
4. Kwon-Chung KJ, Bennett JE. 1992. Medical Mycology, 2nd
ed. Chapter 23: Phaeohyphomycosis, pp. 620–677. Lea &
Febiger, Philadelphia, London.
Zerebrale Phaeohyphomykose. Betroffen waren
überwiegend Personen zwischen 20 und 40 Jahren, Männer dreimal häufiger als Frauen. Es ist
kein Muster von Grunderkrankungen oder beruflichen Prädispositionen zu erkennen.
Nebenhöhlen-Phaeohyphomykose. Landbevölkerung.
Epidemiologie
Phagicola
Die Phaeohyphomykose kommt weltweit vor.
Die häufigste Form, die Verletzungsmykose der
Haut, tritt vorwiegend in tropischen und subtropischen Klimazonen auf. In Deutschland gehört die Infektion durch Schwärzepilze zu den
seltenen Mykosen.
Darmegel
516
Phaneropsolus
Darmegel
Piedraia hortae
Piedraia hortae
hen und schwarzbraun gefärbt sind. Davon unterschieden wird die Weiße Piedra (Erreger:
Trichosporon beigelii).
Erregerbezeichnung
Piedraia hortae (Brumpt) Fonseca et Arêa Leão,
1928 (Außereuropäischer Pilz mit Ascosporen),
Erreger der Schwarzen Piedra.
Synonym
Differenzialdiagnose
Klinisch. Abgrenzung von Weißer Piedra. Ferner Verwechslung mit Eiern der Kopflaus (Pediculus capitis) durch Anlegen eines KOH-Präparates.
Piedraia malayi Green & Mankikar, 1950
Labordiagnostik
Morphologie
P. hortae ist ein langsam wachsender Pilz.
Kolonie. Oberseite: Grau-schwarz oder grün,
später tiefschwarz, unregelmäßig, zunächst
feucht, später mit grauem Luftmyzel bedeckt,
Thallus steinhart. Unterseite: Dunkelbraunes
bis schwarzes Pigment diffundiert weit in den
Nährboden.
Mikromorphologie der Kulturform. Es werden
lediglich Hyphen in unterschiedlicher Breite gebildet, die in Arthrosporen zerfallen. Alle Pilzzellen sind dickwandig.
Taxonomie
Abteilung:
Klasse:
Ordnung:
Familie:
Gattung:
Spezies:
Ascomycota
Euascomycetes
Dothideales
Piedraiaceae
Piedraia
Anamorph: Unbekannt. Teleomorph: Piedraia hortae (vormals
Piedraia hortai)
Die Diagnostik basiert auf dem mikroskopischen und kulturellen Pilznachweis.
Mikroskopische Untersuchung. Befallene Haare in einem Haarquetschpräparat mit KOH: Die
Oberfläche der schwarzen Knötchen erscheint
wie ein pflanzliches Gewebe aus mosaikartig zusammengefügten Zellen. Die Knoten bestehen
aus einem dichten Hyphengeflecht, in das Ascusschläuche mit je 8 spindelförmigen Ascosporen eingebettet sind.
Kulturelle Anzüchtung. Aus den Knoten entwickeln sich auf speziellen festen Nährböden
langsam kleine Kolonien. Bebrütung bei 25°C
bis zu 3 Wochen.
Differenzierung. Anhand der Kolonieform und
der Mikromorphologie (s.o.).
P
Therapie
Haare abrasieren, danach Lokalbehandlung mit
Azolderivaten oder 5%iger Salizylsäure.
Spezifische Merkmale
Historie
1911 wurde die Piedra nigra durch Horta in Brasilien als selbständige Krankheit von der Weißen Piedra abgegrenzt. Brumpt hat den Erreger
der Schwarzen Piedra 1913 als Trichosporon hortai beschrieben. 1928 bezeichneten Fonseca und
Arêa Leão diesen Pilz als Piedraia hortae, nachdem sie die Zugehörigkeit zu den Ascomyzeten
entdeckt hatten.
Erkrankungen/Symptome
Die Infektion ist auf den Haarschaft begrenzt.
Charakteristisch sind festsitzende, harte, irreguläre Knötchen, die aus Pilzelementen beste-
Der gesamte Lebenszyklus – einschließlich der
Bildung von Asci und Ascosporen – vollzieht
sich auf der Oberfläche des Haarschafts.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
P. hortae ist ein autochtoner Kommensale mit
keratinolytischen Fähigkeiten. Er ist apathogen.
Transmission
Die Kontamination mit P. hortae breitet sich
vermutlich durch freigesetzte Ascosporen über
kleinste Tröpfchen im Kopfhaar eines Menschen und darüber hinaus von Mensch zu
Mensch aus.
517
Pityrosporum canis
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Vermehrung von P. hortae erfolgt über Ascosporen. Kolonien bilden sich bei 25°C innerhalb von 3 Wochen auf den üblichen Pilznährböden.
Resistenz
Bei Therapie: Sensibel gegen Azolderivate.
Immunantwort
P. hortae löst als nicht invasiver Pilz keine Immunantwort aus.
Wirtsbereich
P. hortae kommt nicht in der Umwelt vor. Primärer Standort ist der Mensch. In einigen Gegenden ist auch das Fell von Primaten befallen.
Risikogruppen
Menschen mit glattem Haar erkranken häufiger
als Menschen mit krausem Haar.
Epidemiologie
Die Schwarze Piedra kommt verbreitet unter
den Bewohnern von feucht-warmen Klimazonen vor: in Süd- und Zentralamerika, West- und
Ostindien, Südostasien und Afrika.
Genetik
Accession-No. der Nukleinsäuren- und Proteinsequenzen (Internal transcribed spacer- /IST-/
region, ribosomal DNA): Piedraia hortae: Kein
Eintrag
◗ Institut Pasteur, Unité de Mycologie, 25 Rue
du Docteur Roux, F-75015 Paris, Frankreich
Expertenlaboratorium
Hautklinik des Universitätsklinikums Leipzig
AöR, Mykologisches Labor, Stephanstraße 11,
D-04103 Leipzig
Web-Adressen
Finnland: Diagnosis of Fungal Infections (dermatomycosis, systemic mycosis):
http://www.clinical-mycology.com/
Australien: Mycology Online: Fungi / taxonomic classification:
http://www.mycology.adelaide.edu.au
Niederlande: Centraalbureau voor Schimmelcultures (CBS), Utrecht:
http://www.cbs.knaw.nl
Deutschland: Selected sequences-uniforms resource locator (URL):
http://www.ridom.hygiene.uniwuerzburg.de
Persistent uniforms resource locator (PURL):
http://www.purl.oclc.org/net/ridom
Schlüsselliteratur
1. De Hoog GS, Guarro J, Gené J, Figueras MJ (2000) Atlas of
clinical fungi, 2nd ed., Centraalbureau voor
Schimmelcultures, Utrecht, The Netherlands / Universitat
Rovira I Virgili, Reus, Spain.
2. Kwon-Chung KJ, Bennett JE (1992) Medical Mycology, 2nd
ed., Chapter 9: Piedra, pp. 183–190. Lea & Febiger,
Philadelphia, London.
Prävention
Für den Menschen sind Präventivmaßnahmen
kaum möglich und erforderlich.
Pityrosporum canis
Malassezia
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Im Allgemeinen nicht notwendig.
Pityrosporum orbiculare
Meldepflicht
Malassezia
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Pityrosporum ovale
Malassezia
Referenzzentren für medizinisch relevante
Pilze in Europa
◗ Centraalbureau voor Schimmelcultures
(CBS), Padualaan 8, Utrecht, NL-3584 CT, The
Netherlands
518
Plagiorchis
Darmegel
Plasmodium
Plasmodium
Erregerbezeichnung
Plasmodium
Synonym
Malaria-Erreger
Morphologie
Die der mikroskopischen Betrachtung leicht zugänglichen Formen des Parasiten sind die Entwicklungsstadien des erythrozytären Zyklus.
Der Parasit präsentiert sich zunächst als Ringform („Siegelring“) in den Erytrozyten mit sich
dunkel färbendem Chromatin im Nukleus, einem zirkulären Zytoplasmasaum und einer
blassen zentralen Nahrungsvakuole. Bei den
Plasmodienarten P. vivax, P. ovale und P. malariae kann man das Heranreifen der Plasmodien
über jeden 48- bzw. 72-Stunden-Zyklus bis zur
Schizogonie und den dabei freigesetzten Merozoiten verfolgen, bei P. falciparum dagegen in
der Regel nur die Entwicklungsstufen bis zur ca.
26. Stunde, da danach die Parasiten in die tiefen
Kapillaren sequestrieren, sofern es nicht bei
sehr hohen Parasitendichten zum „Überlauf“
aus den tiefen Kapillaren kommt (prognostisch
ungünstiges Zeichen).
Taxonomie
Ordnung: Haemosporidida
Gattung: Plasmodium
Spezies: P. falciparum, P. vivax, P. ovale, P.
malariae
und Corrado Tommasi-Crudelli) zum Parasiten
(Charles Louis Alphonse Laveran). Gerhardt
zeigte die Übertragbarkeit des Erregers und Ronald Ross, stimuliert durch Dr. (später Sir) Patrick Manson, brachte während seiner Tätigkeit
in den „Indian Medical Services“ die Moskitos
ins Spiel. Giemsa beschriebt 1906 die nach ihm
benannte Färbung, die bis ins molekularbiologische Zeitalter zusammen mit dem Mikroskop
unersetzlich geblieben ist. Der Lebenszyklus der
Malaria erscheint bis heute äußerst robust.
Auch die vehementesten Versuche ihn nachhaltig zu unterbrechen, sind bisher gescheitert.
Dem Vektor buchstäblich das Wasser abzugraben war nur sehr fokal erfolgreich, den Vektor
chemisch zu vernichten, endete in einem Fiasko
der WHO (DDT-Resistenz). Die Entwicklung
neuer Medikamente zur Therapie und Chemoprophylaxe droht den Wettlauf mit der Resistenzentwicklung der Malariaerreger zu verlieren. Die schon zu Zeiten der Pharaonen beliebten Moskitonetze mit der Neuerung der Imprägnierung sind zur Hoffnung für die Ebnung des
Weges der Kinder in die „Semi“-Immunität geworden. Dies um so mehr als ein Impfstoff weiter auf sich warten lässt.
Erkrankungen/Symptome
Symptomatik. Es gibt keine typischen Symptome der Malaria. Für praktisch-klinische Zwecke
ist jeder Patient, der ein Malariagebiet innerhalb der letzten Monate (bis Jahre) besucht hat
bei Fieber und „grippeartigen“ Symptomen
(Kopf- und Gliederschmerzen) - auch Durchfall
kommt vor – malariaverdächtig; und dies bei jeder derartigen Episode erneut.
Historie
Hippokrates gilt als der erste abendländische
Autor, der eine klare Beschreibung des intermittierenden Fiebers der Malaria gegeben hat.
Die Debatte um die Ursache dieses Fiebers bietet rückblickend ein buntes Bild. Noch im frühen 19. Jahrhundert hielten italienische Autoren
die Dämpfe der pontinischen Sümpfe (mal
aria = schlechte Luft) für die Verbreitung der
Malaria für verantwortlich. Erst gegen Ende des
vorletzten Jahrhunderts nahm die Charakterisierung der „Mal-aria“ als Infektionskrankheit
im Rahmen der „Koch’schen Revolution“ ihren
Lauf. Der Erreger der Malaria durchlief in diesen Jahren innerhalb kurzer Zeit eine Wandlung
vom Bakterium (Bacillus malariae; Edwin Klebs
Häufige auffällige körperliche Untersuchungsbefunde. Zeichen der Anämie, Ikterus, vergrößerte, druckschmerzhafte Milz und Leber.
Erkrankungen
Für die Praxis hat sich im Hinblick auf die Therapie folgende Unterteilung bewährt:
◗ die „gutartigen“ „Tertiana“- und die „Quartana“-Malariaerkrankungen (Plasmodium vivax, Plasmodium ovale, Plasmodium malariae)
◗ die unkomplizierte Malaria tropica (Plasmodium falciparum)
◗ die komplizierte Malaria tropica (Plasmodium falciparum)
519
P
Plasmodium
Die klinischen Manifestationen der komplizierten Malaria sind: Bewusstseinveränderungen,
Dyspnoe (azidotische Atmung), Krampfanfälle,
Kreislaufversagen, Lungenödem (radiologisch),
Blutungsneigung, Ikterus, Hämoglobinurie,
schwere Anämie.
Differenzialdiagnose
Auf Grund der unspezifischen Klinik gibt es
zahlreiche Differenzialdiagnosen; im Hinblick
auf importierte Erkrankungen mit spezifischen
Verbreitungsgebieten bzw. erhöhtem reiseassoziierten Risiko insbesondere Dengue-Fieber
(Hautausschlag, Schmerzen, keine Milzvergrößerung), Typhus abdominalis, Rickettsiosen
(Eschar, Hautausschlag, Lymphknoten), virale
Hepatitiden, Leptospirose, bakterielle Sepsis.
Labordiagnostik
Spezifisch
EDTA-Blut → Dicker Tropfen (Suchtest) und
Blutausstrich (Identifikation der PlasmodienSpezies P. falciparum, P. vivax, P. ovale, P. malariae und Bestimmung der Parasitämie):
Dicker Tropfen. Ein Bluttropfen wird auf einem
Objektträger verrührt, getrocknet, hämolysiert
und nach Giemsa gefärbt. Der Dicke Tropfen ist
als Anreicherungsmethode (6–10-fach) wesentlich sensitiver als der Blutausstrich.
Blutausstrich. Dieser wird ebenfalls nach Giemsa gefärbt. Die Form der Parasiten ist auf Grund
der Fixierung gut erhalten und die Erythrozyten
sind gut beurteilbar. Damit sind die Voraussetzungen für Malaria-Speziesbeurteilung und die
Parasitämiebestimmung erfüllt.
Bei negativem Ergebnis und fortbestehendem
Verdacht Wiederholung(en) der Untersuchung.
Weitere Nachweisverfahren
QBC (quantitative buffy coat-Methode). Anreicherung der Parasiten im buffy coat durch Zentrifugieren in speziellen Kapillarröhrchen und
Anfärbung der Parasiten-DNA mit AcridinOrange. Sensitivität mit dem Dicken Tropfen
vergleichbar, das Ergebnis liegt innerhalb von
Minuten vor, es ist jedoch eine teure Fluoreszenzeinrichtung und sehr viel Erfahrung erforderlich.
520
Malaria-Schnelltests. Immunochromatogaphische Nachweisverfahren von P. falciparum – histidine rich protein 2 (PfHRP-2) oder parasitenspezifischer Laktatdehydrogenase (pLDH). Die
Schnelltests haben sich nicht in der Selbstdiagnose für Reisende bewährt. Im Labor oder
durch den Arzt sind sie einsetzbar, wenn die Limitationen beherzigt werden: vor allem falsch
negatives Ergebnis bei noch zu geringer Parasitämie, aber auch bei hohen Parasitämien (!!!).
Malaria-Serologie. Hat für die Diagnose der
akuten Malaria keine Bedeutung! Sie ist für epidemiologische Untersuchungen und die retrospektive Diagnostik geeignet.
PCR. Diese Methode erfüllt derzeit noch nicht
die Voraussetzungen, die an die Malariadiagnostik zu stellen sind, insbesondere hinsichtlich der Zeit bis das Ergebnis zur Verfügung
steht.
Zusätzliche Laboruntersuchungen. Hämoglobin, Leukozyten, Thrombozyten, plasmatische
Blutgerinnung, Bilirubin, Transaminasen,
Kreatinin, Harnstoff, Blutzucker.
Für die weitere Differenzialdiagnose, insbesondere bei (noch) negativer Malariadiagnostik:
Blutkulturen, Stuhlkulturen, Urinstatus und
-kultur, Lumbalpunktion etc.
Therapie
Die Malaria ist ein medizinischer Notfall; demgemäß gestaltet sich die Therapie. Ist die Artdiagnose sicher gestellt, entspannt sich die Situation in soweit, als die durch P. vivax, P. ovale
und P. malariae verursachten Erkrankungen
„gutartig“ sind. Die Malaria tropica (P. falciparum) dagegen stellt entweder von Anbeginn ein
intensivmedizinisches Problem dar (komplizierte Malaria tropica) oder kann sich von einem auf den anderen Moment zu einem solchen
Problem entwickeln (unkomplizierte Malaria
tropica).
Die Therapie verfolgt zwei Ziele, die schnelle
Eradikation des Parasiten (spezifische [antiparasitäre] Therapie) und die Behandlung von
Komplikationen (symptomatische Therapie).
Die spezifische Therapie erfordert genaue
Kenntnisse über die Resistenzlage der Malariaendemiegebiete.
Resistenzbestimmungen
sind nicht als Routine-Laborleistungen verfüg-
Plasmodium
bar und würden ohnehin zu lange dauern, um
therapeutisch nützlich zu sein.
Therapie der „Tertiana“-Malaria (P. vivax und
P. ovale) und der „Quartana“-Malaria (P. malariae). Es liegt keine Notfallsituation vor außer
der Gefahr der Milzruptur als einziger, sehr selten tödlicher Komplikation dieser Malariaformen.
Mittel der 1. Wahl für die Behandlung der Blutformen der nicht resistenten Erreger: Chloroquin. Bei Chloroquin-resistenten P. vivax-Infektionen Behandlung mit Chinin oder Mefloquin (resistenzgerechte Therapie siehe Abschnitt „Resistenz“).
Eradikation der Leberformen (Hypnozoiten;
P. vivax und P. ovale): Primaquin (Ausschluss
des G6PDH-Mangels beachten!). Bei P. vivax–
Infektionen aus Gebieten mit mangelnder Ansprechbarkeit auf die Primaquin-Standarddosis
Therapie mit höherer Dosis.
Therapie der unkomplizierten Malaria tropica
(P. falciparum). Die Therapie mit Chloroquin
ist nur noch in sehr wenigen Gebieten der Welt
möglich. Die meisten Infektionen müssen mit
Mefloquin oder Atovaquon/Proguanil behandelt werden. Chinin (oral) ist ebenfalls unter bestimmten Bedingungen (z.B. Schwangerschaft)
eine Option. Halofantrin ist wegen der kardialen Risiken, der problematischen Bioverfügbarkeit und auf Grund der Tatsache, dass es gegenüber anderen Substanzen keinen Vorteil bietet,
zu recht in den Hintergrund geraten. In Multiresistenzgebieten kommen die Artemisinin-Derivate zum Einsatz. Auf Grund der kurzen Halbwertszeit und Rekrudeszenzgefahr jedoch vorzugsweise in Kombination mit Lumefrantine
oder Mefloquin (resistenzgerechte Therapie siehe Abschnitt „Resistenz“).
Therapie der komplizierten Malaria tropica (P.
falciparum). Bis auf Infektionen aus Multiresistenzgebieten ist das Mittel der Wahl nach wie
vor Chinin, das parenteral, beginnend mit einer
Aufsättigungsdosis („loading dose“), verabreicht wird. Dosierung und Dosierungsintervalle der Einzeldosen müssen sehr strikt eingehalten werden. Nebenwirkungen sind streng zu
monitorisieren: Hypoglykämie durch Chinininduzierte Hyperinsulinämie, die die Parasiteninduzierte Hypoglykämieneigung aggraviert;
Herzreizleitungsstörung (korrigierte QTc-Zeit),
Hörstörung (wobei ein etwas entferntes Hören
und ein Tinnitus in aller Regel einen guten
Wirkspiegel signalisieren, keine Gefahr darstellen und nach Therapieende verschwinden).
Je nach Resistenzlage wird zum Chinin Doxycyclin hinzugenommen oder es müssen in den
Multiresistenzgebieten
Artemisininderivate
zum Einsatz kommen.
Die Kunst der Behandlung der komplizierten
Malaria liegt in der Beherrschung der mannigfaltigen Komplikationen. Vom Organversagen
bedroht sind in erster Linie das ZNS (zerebrale
Malaria), die Lunge (ARDS), die Niere (tubuläre
Nekrose) und das Blut/Knochenmark (hämolytische Anämie/Hemmung). Die metabolische
Azidose (Laktazidose) ist ein großes Problem.
Auch unter optimalen intensivmedizinischen
Bedingungen ist die Letalität der Malaria mit
Multiorganversagen hoch.
Unter bestimmten Bedingungen hilfreiche
Maßnahmen sind Austauschtransfusion (klinisch sehr schwierige Entscheidung; Evidenzlage problematisch) und antikonvulsive Behandlung (zerebrale Malaria).
Kontraindizierte bzw. nicht bewährte Maßnahmen sind hoch dosierte Kortikosteroide, Manitol, Heparin, Deferrioxamine, Azetylsalizylsäure, TNF-Antikörper, Pentoxifylline (TNF-Inhibitor).
Spezifische Merkmale
P
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Unter den humanpathogenen Plasmodien weist
Plasmodium falciparum eine sehr viel vehementere Virulenz im Vergleich zu den anderen Plasmodienarten auf. Die Ursache dafür wird in der
Art und Weise gesehen, in der Plasmodium falciparum die Erythrozytenoberfläche verändert.
Hier wird die Verknüpfung von Virulenz und
Pathogenität vermutet. Der Parasit etabliert
während jedes asexuellen 48-Stunden-Zyklus
Proteine auf den Erythrozytenoberflächen des
Wirtes, die Voraussetzung für die beobachtete
Zytoadhärenz sind. Im Verbund mit aufgeregelten Endothelzellrezeptoren kommt es zur Sequestration parasitierter Erythrozyten in den
Zielorganen und zur Erythrozyten-Rosettenbildung mit den daraus resultierenden, die Pathologie antreibenden Prozessen. Die Fähigkeit des
Parasiten, eine enorme Antigenvariabilität zu
521
Plasmodium
entwickeln (var Gene), gerade im Bereich der
für die Zytoadhäsion verantwortlich gemachten
Liganden (PfEMP1), ermöglicht ihm, der
Immunantwort des Wirtes zu entkommen. Auf
der anderen Seite reagiert der Wirt sehr variabel
auf den Parasiten (Zytokinausschüttung, Polymorphismen der Endothelrezeptorgenen, z.B.
ICAM-1). Dieser Fluss der Ereignisse wird in zunehmendem Maß molekular erfasst mit einer
rasant wachsenden Zahl beschriebener Rezeptoren, Liganden und Kenntnissen über die genetische Variabilität des Parasiten und des Wirtes. Der Brückenschlag zur Pathophysiologie
oder gar zur Klinik der schweren Malaria lässt
jedoch hartnäckig auf sich warten. Ergebnisse
vorhergesagter Assoziationen, z.B. zwischen
Adhäsionseigenschaften und Schweregrad der
Erkrankung, enttäuschten und für die klinische
Herausforderung gängiger Hypothesen (z. B.
Adhäsion) fehlen bisher die testbaren Produkte
(z.B. anti-adhäsive Therapeutika) und die klinischen Studien zu ihrer Erprobung.
Transmission
Die Malaria wird durch mehrere Anopheles-Arten übertragen. Die Übertragung findet nicht
bei Temperaturen unter 16ºC, nicht über 33ºC
und nicht über einer Höhe von 2000 m statt. Die
meisten Anophelinen stechen abends und
nachts, unterscheiden sich jedoch darin, ob sie
im oder außerhalb des Hauses stechen.
Übertragung durch Blut- und Blutprodukte
kommt vor, ebenso über Injektionsnadeln. Die
kongenital übertragene Malaria ist sehr selten.
Vermehrung und Inkubationszeit
Lebenszyklus. Die Sporozoiten gelangen beim
Stich der weiblichen Anophelesmücke in die
Blutbahn des Menschen. Innerhalb kurzer Zeit
verschwinden sie in den Hepatozyten. Hier entwickeln sich Schizonten. Nach der Teilung gelangen die frei werdenden Merozoiten in die
Blutbahn, wo sie in Erythrozyten eindringen.
Nur bei P. vivax und P. ovale bleibt bei einigen
Sporozoiten die Entwicklung in der Leber für einige Zeit arretiert (Hypnozoiten). Sie sind in der
Lage nach Monaten bis Jahren einen Rückfall zu
verursachen. Innerhalb der Erythrozten entwickeln sich die Parasiten von der Ringform über
Trophozoiten zu Schizonten, die rupturieren
und Merozoiten freisetzen. Diese dringen wiederum in neue Erythrozyten, können sich je522
doch auch zu Gametozyten entwickeln. Werden
die Gametozyten von Moskitos aufgenommen,
entwickeln sie sich dort erneut zu Sporozoiten.
Damit ist der Zyklus geschlossen.
Präpatenz-/Inkubationszeit. P. falciparum: die
meisten Patienten mit importierter Malaria erkranken innerhalb der ersten 3 Monate nach
Rückkehr aus einem Malariaendemiegebiet, einige jedoch erst innerhalb eines Jahres und länger.
P. vivax und P. ovale: nur ca. 30 % der importierten Malariainfektionen manifestieren sich
klinisch innerhalb eines Monats nach Rückkehr, 5–10% erst nach einem Jahr und länger.
Auf Grund der Hypnozoiten kann ein Rückfall
auch erst nach Jahren eintreten.
P. malariae: Obwohl keine Hypnozoiten gebildet werden, kann diese Malariaform noch Jahrzehnte nach Erstinfektion rezidivieren.
Resistenz
Plasmodium falciparum. Es sind Resistenzen
gegenüber zahlreichen Medikamenten vorhanden. Chloroquinresistenz trat mehr oder weniger gleichzeitig in den frühen 60iger Jahren in
Südostasien und Südamerika auf, ab den 80iger
Jahren in Sub-Sahara Afrika und hat sich seitdem bis zur Unbrauchbarkeit dieses wertvollen
Medikamentes in den meisten Regionen der
Welt ausgebreitet. Resistenzen gegenüber Pyrimethamin-Sulfonamid-Kombinationen, Amodiaquin, Mefloquin, Halofantrin, Chinin, Chinin-Doxyzyclin und Atovaquon folgten. Multiresistenzen sind ein zunehmendes und gefürchtetes Problem. Sie werden seit Jahren insbes. in
den Regionen Thailand-Kambodia und Thailand-Burma beobachtet. Wahrscheinlich sind
derzeit die Artemisinin-Derivate die einzigen
Substanzen, gegen die noch keine Resistenzen
vorliegen.
Plasmodium vivax. Resistenzen gegenüber
Chloroquin sind seit einigen Jahren nun auch
bei P. vivax aufgetreten. Betroffen ist vor allem
Ozeanien. 1989 Erstbeschreibung in PapuaNeuguinea, seitdem auch in Indonesien und
Burma beobachtet, vereinzelte Fälle in Indien,
Salomon-Inseln, Thailand, Guyana, Brasilien.
Zunehmend auch verminderte Ansprechbarkeit
gegenüber Primaquin in verschiedenen Regionen der Welt.
Plasmodium
Immunantwort
Man unterscheidet die angeborene Resistenz
bzw. „Immunität“ und die durch einmalige oder
wiederholte Konfrontation mit einem Erreger
erworbene Immunität.
Resistenz
Angeborene Resistenz. Genetische Merkmale,
die sich im Laufe der Zeit als vorteilhaft, z.B. gegenüber der Infektion von Malariaerregern erwiesen haben, sind Teil der angeborenen Resistenz gegenüber Malaria-Erregern. Hierzu zählen u.a. das Hämoglobin S-Trägertum (Sichelzell-Krankheit), die Thalassämien, der G6PDHMangel oder das Fehlen der Duffy Blutgruppe.
Erworbene Immunität. Trotz intensiver Forschung ist die Malaria-Immunantwort bis heute
sehr unzureichend verstanden. In dem offensichtlich sehr komplexen Geschehen sind einige
Segmente gut beschrieben, vor allem die CD4+
T-Zell Antwort (zytotoxische T-Zellen) auf die
Leberstadien sowie Antikörper- und CD4+ TZell-Antworten auf die Blutformen des Parasiten. Es kristallisieren sich bei einigen dieser
Prozesse hohe Parasitenantigen-Spezifitäten
heraus, die derzeit als Zielantigen in Impfstoffkandidaten inkorporiert werden.
Die praktischen Belange der Immunität im Sinne des tatsächlichen Schutzes, den ein Mensch
erlangen kann, sind ebenso unvollständig verstanden und werden sehr kontrovers diskutiert.
Einigkeit besteht darüber, dass der Mensch keine komplette „anti-infektiöse“ (sterilisierende)
Immunität - vergleichbar etwa der gegen das
Masernvirus gerichteten - erlangen kann. Ins
Spiel gebracht wurde deshalb eine sog. „antidisease“ Immunität. Diese soll die Krankheitsmanifestationen modulieren, was zu der Beobachtung passt, dass Menschen, die in Endemiegebieten geboren werden und aufwachsen, mit
der Zeit zwar weiterhin regelmäßig infiziert
werden (was für die Aufrechterhaltung dieser
Immunität offensichtlich auch erforderlich ist),
jedoch keine oder nur noch milde Krankheitserscheinungen entwickeln. Es wird in diesem Zusammenhang auch von einer sog. „Semi“-Immunität gesprochen. Es dauert Jahre, bis diese
solide etabliert ist. Wie diese jedoch altersabhängig gewonnen wird, inwieweit sie verloren
geht und wie schnell sie zurückgewonnen werden kann, ist unklar.
Wirtsbereich
Plasmodien sind wirtsspezifisch. Die humanpathogenen Arten kommen nur äußerst selten
auch bei anderen Primaten vor.
Risikogruppen
Alle in Endemiegebieten lebenden Menschen
gehören hierzu, wobei in Abhängigkeit von der
Übertragungssituation Kinder besonders gefährdet sind. Ebenso alle Nicht-„Semi“-Immunen, d.h. Personen, die außerhalb von Endemiegebieten geboren und aufgewachsen sind. Auf
Grund der Tatsache, dass Menschen aus Endemiegebieten, die außerhalb von Endemiegebieten leben, oft (zu unrecht) als „semi“immun geschützt angesehen werden, stellen auch sie eine
Riskogruppe dar. Da nicht klar ist, wie schnell
die sog. „Semi“-Immunität verloren geht bzw.
wieder hergestellt ist, sollten diese Menschen –
um auf der sicheren Seite zu sein – bzgl. Malariaprophylaxe und -therapie wie Nicht-Immune
behandelt werden. Eine besondere Risikogruppe stellen Schwangere dar. In erhöhtem Maße
gefährdet sind evtl. auch Personen ohne Milz.
Epidemiologie
40% der Weltbevölkerung leben in Malaria-Endemiegebieten.
Die Malaria ist in den Tropen mit Ausnahme
von Polynesien und Micronesien verbreitet.
Plasmodium falciparum ist die führende Art in
Sub-Sahara Afrika, Neu Guinea und Haiti, P. vivax in Zentralamerika, Nordafrika, Süd- und
Westasien.
Die epidemiologische Situation variiert in weiten Grenzen. Am einen Ende der Skala befinden
sich sehr viele Länder Sub-Sahara Afrikas, in
denen die meisten Menschen bereits kurz nach
Geburt infiziert sind. Die Malaria-assoziierte
Sterberate ist hoch in der frühen Kindheit, im
Erwachsenenalter dagegen profitiert die Bevölkerung von einer erworbenen sog. „Semi“-Immunität (siehe Abschnitt „Immunantwort“).
Am anderen Ende des Spektrums befinden sich
Regionen mit sporadischer Malariaübertragung, z. B. Nordindien. Die Malaria tritt in Epidemien auf und trifft eine nicht immunologisch
vorbereitete Bevölkerung. Die Sterberate ist
523
P
Plasmodium
während dieser Epidemien in allen Altersklassen hoch.
Die Inzidenz klinischer Malariaepisoden pro
Jahr wird auf 500 Millionen geschätzt, die Sterberate auf über 2 Millionen. Schwere Erkrankungen, Tod und Folgeschäden gehen praktisch
ausschließlich auf die Rechnung von Plasmodium falciparum.
Reisende aus Nicht-Endemiegebieten sind sehr
vulnerabel und auf wirksame Präventivmaßnahmen angewiesen. In den letzten Jahren werden in Deutschland jährlich um 1000 importierte Malariafälle registriert. Die wahre Zahl liegt
wahrscheinlich doppelt so hoch. Die Sterberate
beträgt 15–20 Personen pro Jahr, allesamt durch
rigorose Prävention und sachgerechte Therapie
vermeidbar.
Genetik
Innerhalb der nächsten Jahre wird das gesamte
Genom von Plasmodium falciparum beschrieben sein; evtl. auch das einiger anderer Plasmodienarten.
Prävention
Individuelle Prävention bei Reisenden. Die Prävention der Malaria bzw. die Verhinderung von
schwerer Erkrankung und Tod besteht aus einer
Kombination von Einzelstrategien: 1) Aufklärung über das Risiko, 2) Reduktion der Stichrate
der Überträgermücke (Repellentien, Kleidung,
Mückengitter, Moskitonetze), 3) Insektizide
(auch zur Imprägnierung von Moskitonetzen;
Pyrethroide, Permethrin), 4) Chemoprophylaxe, 5) Notfallmedikamente zur Selbstbehandlung, 6) Aufklärung darüber, dass eine Malaria
trotz optimaler Prävention (Punkte 1–5) noch
Monate nach Rückkehr eintreten kann, 7) Sensibilisierung des Gesundheitssektors und Ausbildung des Personals.
Die Kombination der auf Reisen zum Einsatz
kommenden Strategien (Punkte 1 – 5) hängt von
zahlreichen Faktoren ab, u.a. vom Übertragungsrisiko und der Resistenzlage im bereisten
Gebiet, von der Dauer der Reise und persönlichen Voraussetzungen des Reisenden.
Medikamente für Chemoprophylaxe und
Selbsttherapie sind heute Regionen-spezifisch
in vielen europäischen Ländern durch Expertenkonsens abgestimmt. Wer Reisende berät,
524
muss über den aktuellen Stand dieser Leitlinien
informiert sein.
Die Prävention der Malaria für die Bevölkerung
in Endemiegebieten ist im Abschnitt „Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle“
dargestellt.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Folgende Strategien sind heute im Einsatz:
1) Frühdiagnose und prompte Therapie auf
Haushalts-, Primärversorgungs- und Krankenhausebene,
2) persönlicher Schutz mit Insektizid-imprägnierten Moskitonetzen,
3) selektive und nachhaltige Sanierungsmaßnahmen und Sprayaktionen,
4)Frühwarnsysteme und Bekämpfung von Epidemien,
5) Chemoprophylaxe für ausgewählte Gruppen
(insbes. Schwangere).
Meldepflicht
Malaria ist eine nicht-namentlich meldepflichtige Erkrankung nach § 7, 3 des Infektionsschutzgesetzes.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
◗ Alle tropenmedizinische Einrichtungen sind
Ansprechpartner für die Diagnostik und Therapie (siehe Adressenliste der DTG)
◗ Deutsche Gesellschaft für Tropenmedizin
und Internationale Gesundheit (DTG) e.V.:
http://www.dtg.mwn.de
◗ http://www.rbm.who.int
Schlüsselliteratur
1. Bradley D.J., Newbold C.I., Warrell D.A. (2000) Malaria In:
Ledingham J.G.G., Warrell D.A. (Hrsg.) Concise Oxford
Textbook of Medicine. Oxford University Press: Oxford,
1735–1750.
2. Gilles H.M., D.A. Warrell (1996) Bruce Chwatt's Essential
Malariology. 3. Aufl. Edward Arnold: London
3. Lang W., Löscher T. (Hrsg.) (2000) Tropenmedizin in
Klinik und Praxis. 3. Aufl., Georg Thieme Verlag: Stuttgart
4. White NJ (1996) Malaria. In: Cook, G.C. (Hrsg.) Tropical
Diseases. 20. Aufl. W.G. Saunders Comp. Ltd.: London,
1087–1164
5. World Health Organisation (2000) Severe falciparum
malaria. Trans Roy Soc Trop Med Hyg 94, Supplement 1
Plesiomonas
Pleistophora
Microsporidia
Plesiomonas
Erregerbezeichnung
Familie Plesiomonadaceae, Gattung Plesiomonas; die derzeit einzige bekannte, humanpathogene Spezies ist P. shigelloides.
Synonym
Eine frühere, längst überholte Speziesbezeichnung ist beispielsweise Pseudomonas shigelloides.
Morphologie
Plesiomonaden sind bewegliche, gerade geformte gramnegative Stäbchen mit 2 oder mehr
Geißeln an einem der Pole. Sie sind mikroskopisch von Vibrionen und Aeromonaden in der
Regel nicht zu unterscheiden. Auf Blutagar bilden sie anfangs kleine graue, durchsichtige Kolonien ohne Hämolysezone. Nach 24stündiger
Bebrütung sind die Kolonien etwa 1–2 mm groß.
Sie erscheinen später weißlich glatt und sind in
alten Kulturen polymorph.
Taxonomie
Typspezies der Gattung ist Plesiomonas shigelloides Habs & Schubert 1962. Diese Spezies ist
gleichzeitig die einzige Art der bisher monospezifischen Gattung. MacDonell & Colwell regten
1985 an, P. shigelloides den Enterobacteriaceae
zuzuordnen. 5S rRNA-Sequenzuntersuchungen zeigten nämlich eine engere Verwandtschaft zu Angehörigen des Genus Proteus als zu
Vibrionen. Um Plesiomonaden in die Familie
der Enterobacteriaceae integrieren zu können,
müssten allerdings wesentliche Merkmale dieser Familie neu definiert werden. Bei der medizinisch-mikrobiologischen Diagnostik ist die
Abgrenzung gegenüber den Vibrionaceae aufgrund von physiologischen, ökologischen und
epidemiologischen Gemeinsamkeiten jedoch
von größerem Interesse.
Historie
Der erste Vertreter der Gattung Plesiomonas
wurde 1954 von Bader als „Pseudomonas shigelloides“ beschrieben. Plesiomonas bedeutet
„Nachbarmonade“ zu den gasbildenden Aeromonaden.
Erkrankungen/Symptome
Diarrhö und gelegentlich opportunistische Infektionen des Menschen, einzeln oder in Gruppen. Beschrieben wurden auch Fälle mit pseudomembranöser Enterokolitis. Plesiomonaden
können verschiedene Toxine bilden, darunter
ein choleratoxinartiges Enterotoxin, ein hitzestabiles Enterotoxin und ein eisenabhängiges
Hämolysin. Infektionen erfolgen bevorzugt in
wärmeren Regionen oder in der wärmeren Jahreszeit. Bei immunsupprimierten Patienten
können auch lebensbedrohliche Erkrankungen
wie Sepsis und Meningitis zustande kommen.
Differenzialdiagnose
Aeromonadaceae und Vibrionaceae
Labordiagnostik
Material und Transport. Wie bei Aeromonas
spp.
Mikroskopie. Siehe Morphologie.
Kultur. Manche Isolate von Plesiomonas shigelloides vermehren sich bei Temperaturen zwischen 8° und 45°C und pH-Werten von 4,5–8,5.
Die Mehrzahl der Isolate toleriert jedoch nur ein
wesentlich schmaleres Temperaturspektrum.
Etwa 65% der Isolate tolerieren 5% NaCl. Bei 6%
NaCl-Gehalt des Kulturmediums werden jedoch alle bekannten Stämme am Wachstum gehindert. Im Gegensatz zu den Vibrionen wachsen Plesiomonaden nicht auf TCBS-Agar (Thiosulfate-Citrate-Bile-salts-Sucrose), aber auf
MacConkey-Agar. Für die Anzüchtung gibt es
ein
Inositol-Brilliantgrün-Gallesalz-Medium
und den Plesiomonas-Differenzial-Agar (nach
von Graevenitz & Bucher, 1983).
Differenzierung. Abzugrenzen gegen humanpathogene Vibrio spp., Aeromonas spp. und
Shewanella spp. durch positive m-Inositol-Fermentation, positive Ornithin-Decarboxylase
(außer Shewanella spp., A. veronii Biovar veronii), fehlende Gelatinasebildung, Empfindlichkeit für das Vibriostatikum O/129, Wachstum
ohne NaCl, aber nicht mit 6% NaCl (weiteres
siehe Vibrio spp.).
525
P
Plesiomonas
Therapie
Immunantwort
Plesiomonaden sind sensibel gegenüber Kombinationspräparaten mit β-Laktamase-Inhibitoren. Bei gastrointestinalen Erkrankungen
stellen Tetrazykline oder Chinolone die Mittel
der ersten Wahl dar. Eine antibiotische Resistenztestung der Isolate sollte unbedingt durchgeführt werden.
Bisher sind keine Besonderheiten bekannt.
Spezifische Merkmale
Risikogruppen
Plesiomonaden sind fakultativ-anaerobe, gramnegative Stäbchenbakterien, die die Enzyme
Oxidase und Katalase besitzen, Nitrat reduzieren und beweglich sind. Der G & C-Gehalt beträgt 51%. Weiteres ist unter Labordiagnostik
und Morphologie beschrieben.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Plesiomonaden sind ebenfalls wie einige Vibrionen in der Lage Eisen zu verwerten, was
möglicherweise ein Pathogenitätsfaktor darstellt.
Antigenstruktur. Ein internationales Schema
für die Serotypisierung von P. shigelloides wird
von einigen Wissenshaftlern als notwedig erachtet. Bisher bekannt sind 76 O- und 41 H-Antigene. Kreuzreaktionen werden beobachtet
zwischen den Gruppen O11, O17, O22, O23 und
Isolaten von Shigella sonnei, S. boydii, und
S. dysenteriae.
Transmission
Durch erregerhaltiges Wasser oder damit kontaminierte Lebensmittel in warmen Ländern
oder in der warmen Jahreszeit.
Vermehrung und Inkubationszeit
Wirtsbereich
Weltweit im Darm von Fischen und an der
Oberfläche von Süßwasser mit einer Temperatur von mehr als 8°C. Vorübergehend können
sie auch in warmem Meerwasser überleben.
An Diarrhöe und Gastroenteritis können alle
Personen nach oraler Aufnahme von erregerhaltigem Wasser oder damit kontaminierten
Lebensmitteln erkranken. Opportunistische Infektionen werden bei immunsupprimierten Patienten beobachtet. Ihr Verlauf ist abhängig
vom Ausmaß der Immunsuppression und von
der Therapie.
Epidemiologie
Bisher wurde lediglich von sporadisch aufgetretenen Einzel- oder Gruppeninfektionen berichtet. Infektionen können weltweit vorkommen.
Genetik
Bisher wurden verschiedene Genabschnitte sequenziert, wie beispielsweise jenes Gen, welches
für die Eisenverwertung verantwortlich gemacht wird (Henderson und Mitarbeiter, 2001).
Prävention
Immunsupprimierte Menschen sollten in warmen Ländern und in der warmen Jahreszeit nur
abgekochtes Wasser und ausreichend gegarte
Lebensmittel zu sich nehmen.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Zu Vermehrung siehe Labordiagnostik und
Morphologie. Die Inkubationszeit ist abhängig
von der Art der Infektion, der Anzahl der Erreger, der Immunitätslage des Patienten sowie
von der Therapie.
Ausreichende Aufklärung immunsupprimierter
Patienten. Bei vermehrtem Auftreten von Infektionen (beispielsweise auf Intensivstationen) ist
die Suche nach der Infektionsquelle und des Infektionsweges unerlässlich zur Bekämpfung einer weiteren Ausbreitung.
Resistenz
Meldepflicht
Plesiomonaden bilden β-Laktamase und sind
gegenüber den meisten Penicillinen resistent
(einschließlich Ampicillin, Ticarcillin und Carbenicillin). Unterschiedliche Reaktionsausfälle
gibt es bei der Resistenztestung von Aminoglykosiden.
526
Eine Meldepflicht besteht namentlich nach Abschnitt 3, § 6 des Infektionsschutzgesetzes vom
Juli 2000, bei Verdacht auf und Erkrankung an
einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis, wenn a) eine Person betroffen ist, die
Pneumocystis carinii
eine Tätigkeit im Sinne des § 42 Abs. 1 ausübt, b)
zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist, oder vermutet wird.
Dem Gesundheitsamt ist ferner unverzüglich
das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als
Ausbruch nichtnamentlich zu melden. Die Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, 3
und 5, § 10 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 und 4 Satz 3 zu
erfolgen.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
1. Konsiliarlaboratorium für bakterielle gastrointestinale Infektionen: Hygienie Institut
Hamburg, Abteilung Bakteriologie, Marckmannstraße 129a, 20539 Hamburg. Ansprechpartner: Herr Prof. Dr. J. Bockemühl, Telefon:
040-42837-201/-202; Telefax: 040-42837-483.
Die Leistungen umfassen Beratungen bei Fragen zur Diagnostik und Therapie. Bei diagnostischen Untersuchungen mit der Einsendung zu untersuchender Proben ist eine vorherige telefonische Absprache notwendig.
2. Konsiliarlaboratorium für gastrointestinale
Infektionen: Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene, Klinikum der Universität Freiburg, Hermann-Herder-Str. 11, 79104
Freiburg. Ansprechpartner: Herr Prof. Dr.
med. M. Kist, Telefon: 0761-203-6590; Telefax: 0761-203-6562. Die Leistungen umfassen
Beratungen zur Auswahl diagnostischer Verfahren, bei der Aufklärung von Ausbrüchen
gastrointestinaler Infektionen und bei FallKontroll-Studien zur Epidemiologie gastrointestinaler Infektionen.
Web-Adressen
http://www.rki.de/INFEKT/STECKBRF/
http://www.nobel.se/
http://www.mckinley.uiuc.edu/
http://rrna.uia.ac.be/
http://cires.colorado.edu/
http://www.sciencenet.com.au/frames/
profiles/negative/families/vibriona/family.htm
http://www.cdc.gov/ncidod/dbmd/
foodborn.htm
Schlüsselliteratur
1. Brandis, H., H. J. Eggers, W. Köhler, G. Pulverer (Hrsg.)
Medizinische Mikrobiologie, 7. Auflage, Gustav Fischer
Verlag, Stuttgart, 1994.
2. Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H.
Schleifer (Eds.) The Prokaryotes, Volume III, 2nd edition,
Springer-Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, London,
Paris, Tokyo, Hong Kong, Barcelona, Budapest, 1992.
3. Murray, P. R., E. J. Baron, M. A. Pfaller, F. C. Tenover, R. H.
Yolken (Eds.) Manual of Clinical Microbiology, 6th
edition, ASM Press, Washington, D. C., 1995.
4. Collier, L., A. Balows, M. Sussman. Vibrio, Aeromonas and
Plesiomonas; Chapter 45. In: Balows, A., B. I. Duerden
(Eds.) Topley & Wilson’s Microbiology and Microbial
Infections. 9th edition, Vol. 2. Systematic Bacteriology.
Oxford University Press, New York, 1998.
5. ICSB, Subcommittee on the taxonomy of Vibrionaceae.
Minutes of the closed meeting, 19 May 1998, Atlanta, GA,
USA. Int. J. Syst. Bacteriol. 49: 1945–1947, 1999.
Pneumocystis carinii
Erregerbezeichnung
Pneumocystis carinii
Synonym
Keine Daten verfügbar.
Morphologie
Es gibt zwei bekannte Stadien des Lebenszyklus
von P. carinii:
1. 5–8 µm große Zysten mit bis zu 8 Kernen und
charakteristischen, intrazystischen, symmetrisch zueinander angeordneten, klammerartigen Strukturen.
2. kleinere, 2–5 µm große, pleomorphe Trophozoiten.
Taxonomie
Abteilung: Ascomycota
Klasse:
Archiascomycetes
Ordnung: Pneumocystidales
Familie: Pneumocystidaceae
Gattung: Pneumocystis
Aufgrund von ribosomalen RNA-GensequenzAnalysen wird P. carinii zu den Pilzen und nicht
mehr zu den Protozoen gerechnet. P. cariniiIsolate tierischer und menschlicher Herkunft
unterscheiden sich, beim Menschen kommt P.
carinii f. sp. hominis vor.
Historie
Pneumocystis carinii wurde erstmals 1909 von
C. Chagas beschrieben, der den Erreger für ein
527
P
Pneumocystis carinii
Trypanosom hielt. Delanoe und Delanoe berichteten 3 Jahre später, dass es sich bei dem
fraglichen Erreger nicht um Trypanosomen
handelt, und nannten ihn Pneumocystis. In den
1920er bis 1950er Jahren wurden diverse Ausbrüche von interstitiellen, plasmazellulären
Pneumonien in Einrichtungen mit immungeschwächten Kindern berichtet. Vanek und Jirovec beschrieben 1952 P. carinii als Ursache dieser Pneumonie. Seit den 1980er Jahren wird
P. carinii als häufigster opportunistischer Erreger von Pneumonien bei AIDS-Patienten gesehen.
Erkrankungen/Symptome
Erkrankungen: Interstitielle, plasmazelluläre
Säuglings-Pneumonie; interstitielle Pneumonie
bei schwer immunsupprimierten Patienten (v.a.
AIDS-Patienten); extrapulmonale Pneumocystose (Lymphknoten, Milz, Leber, Knochenmark, Gastro-Intestinaltrakt, Auge, Schilddrüse, Nieren).
Symptome: zunehmende Dyspnoe, trockener
Husten, Fieber, Tachypnoe, Tachykardie; im
Röntgen-Thorax: bilaterale, diffuse, interstitielle Infiltrate.
Differenzialdiagnose
Atypische Pneumonien durch bakterielle Erreger wie Chlamydia pneumoniae, Mycoplasma
pneumoniae, Legionella pneumophila; Viruspneumonien (z.B. CMV-Pneumonie), Tuberkulose.
Labordiagnostik
P. carinii ist nicht auf Nährmedien kultivierbar,
daher beruht die Diagnostik auf dem Direktnachweis des Erregers in der Lunge.
Als Untersuchungsmaterial am besten geeignet
ist bronchoalveoläre Lavage (BAL) mit einer
Sensitivität von >90%; brauchbar als ScreeningMaterial ist induziertes Sputum (nach Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung gewonnen),
das eine geringere Sensitivität von 50–90% aufweist; selten werden transbronchiale oder offene Lungenbiopsien durchgeführt.
Zum Erregernachweis stehen verschiedene Methoden zur Verfügung:
1. Silberfärbung nach Grocott-Gomorri: Anfärbung der Zystenwand; Darstellung von Zy528
sten und deren intrazystischen charakteristischen, symmetrisch zueinander angeordneten, klammerartigen Strukturen.
2. Toluidinblau-Färbung: einfache Alternative
zur Silberfärbung, aber Färbeergebnis weniger prägnant.
3. Calcofluorweiß-Färbung: Chemo-Fluoreszenzfarbstoff, Darstellung der Zystenwand
4. Giemsa-Färbung: Darstellung von Trophozoiten und intrazystischen Körperchen, keine
Anfärbung der Zystenwand.
5. Spezifische Immunfluoreszenz-Färbungen
auf der Basis monoklonaler Antikörper: Darstellung von Zysten human- und rattenpathogener P. carinii.
6. Nukleinsäure-Amplifikationsmethoden
(PCR): seit 1990 wurden verschiedene Assays
beschrieben, es gibt aber bisher keine kommerziell verfügbare Methode; die PCR kann
eine sinnvolle Ergänzung zu den Färbeverfahren darstellen.
Der Antikörper-Nachweis ist aufgrund der hohen Durchseuchungsrate nicht sinnvoll.
Therapie
Als Therapie der 1. Wahl gilt Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol), je nach Schweregrad ambulant und oral oder stationär und intravenös. Fünffache Standarddosis: 15–20mg
Trimethoprim pro kg KG und 75–100mg Sulfamethoxazol pro kg KG in 3–4 Einzeldosen pro
Tag für die Dauer von 14–21 Tagen. Bei schweren Fällen begleitende Steroidtherapie. 80–95%
der HIV-Patienten sprechen innerhalb von 4–8
Tagen an.
Alternativen sind Pentamidin-diisethionat,
Dapson + Trimethoprim, Clindamycin + Primaquin oder Atovaquon.
Spezifische Merkmale
P. carinii ist in vitro nicht kultivierbar, im Gegensatz zu anderen Pilzen enthält die Zellwand
kein Ergosterol, und der Vermehrungszyklus
verläuft zweiphasig.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
P. carinii ist ein Erreger mit niedriger Virulenz.
Ein Hauptantigen ist das MSG (major surface
glycoprotein), das sowohl konservierte als auch
spezies-spezifische Antigendeterminanten aufweist. Das MSG ist ein wichtiger Adhärenzfak-
Pneumocystis carinii
tor und ist durch antigenetische Variabilität gekennzeichnet. Durch die Veränderung dieses
Oberflächenproteins entkommt der Erreger der
Immunabwehr des Wirtes.
Transmission
P. carinii wird aerogen übertragen, wahrscheinlich durch Übertragung von Mensch zu Mensch.
Es wurden Ausbrüche bei immunsupprimierten
Patienten im Krankenhaus beschrieben. Aber
auch für eine latente Infektion mit Reaktivierung bei verminderter Immunitätslage gibt es
Hinweise. Eine Übertragung vom Tier auf den
Menschen ist aufgrund der Wirtsspezifität des
Erregers nahezu ausgeschlossen.
Vermehrung und Inkubationszeit
P. carinii durchläuft in der Trophozoitenform
eine asexuelle Vermehrung durch Querteilung.
Daneben existiert ein sexueller Vermehrungszyklus mit der Ausbildung von Zysten, in denen
acht intrazystische Körperchen heranreifen.
Der zeitliche Ablauf der Vermehrung ist nicht
bekannt.
Die genaue Inkubationszeit ist nicht bekannt.
Patienten unter Corticosteroid-Therapie zeigen
typischerweise 1–2 Wochen lang Symptome bis
zur Diagnosestellung, bei HIV-Patienten kann
die Erkrankungsdauer Wochen bis Monate betragen.
Resistenz
Cotrimoxazol resistente Isolate kommen bei bis
zu 25% der HIV-Patienten vor. Die Resistenz gegen Sulfonamide ist durch Punktmutationen im
Dihydropteroat-Synthase (DHSP)-Gen bedingt.
Immunantwort
Die Immunantwort auf eine Infektion mit P. carinii ist komplex und nicht genau verstanden.
Die ersten Abwehrzellen nach Infektion mit
P. carinii in der Lunge sind die Alveolarmakrophagen, die den Erreger phagozytieren, abtöten
und dabei Zytokine freisetzen. Für die Überwindung der Infektion sind darüber hinaus CD4Zellen notwendig. Aber auch die humorale Abwehr spielt eine wichtige Rolle. Im Tiermodell
konnte eine Schutzwirkung von Antikörpern
gegen P. carinii, insbesondere von anti-MSGAntikörpern gezeigt werden.
Wirtsbereich
P. carinii lebt als Saprophyt im unteren Respirationstrakt von Menschen und Tieren wie Ratten, Mäusen, Kaninchen, Frettchen, Schweinen,
Pferden und Affen. Ein Reservoir in der unbelebten Natur wurde bislang nicht gefunden.
Risikogruppen
Frühgeborene, unterernährte Säuglinge, AIDSPatienten, Transplantations-Patienten, hämatologisch-onkologische Patienten unter Chemotherapie oder anderer immunsuppressiver
Therapie, Patienten unter länger dauernder
hochdosierter Corticosteroid-Therapie, Patienten mit schwerem Eiweißmangel.
Epidemiologie
P. carinii kommt bei Menschen und Tieren
weltweit vor. Die primäre Exposition des Menschen gegenüber P. carinii findet frühzeitig im
Leben statt: Im Alter von 3 Jahren haben die
meisten Kinder Antikörper gebildet. Die Häufigkeit der P. carinii-Pneumonie bei HIV-Patienten ist in den Industrienationen höher als in
den Entwicklungsländern, die Inzidenz der Erkrankung hat in den letzten Jahren nach Einführung der antiretroviralen Therapie abgenommen.
Genetik
P. carinii ist ein eukaryonter Organismus, der
seit 1988 nach Sequenzanalyse des 18S rRNAGens zu den Pilzen gerechnet wird. Die am besten untersuchte Form von P. carinii, P. carinii
f. sp. carinii scheint haploid zu sein und enthält
ca. 8 Millionen Basenpaare, entsprechend 8,5fg
DNA pro Zellkern. Das Genom verteilt sich auf
13–15 Chromosomen mit einer Länge von jeweils 300 bis 700 Kilobasenpaaren. Die Genomsequenzen der einzelnen wirtsspezifischen Formae speciales unterscheiden sich deutlich voneinander. Bisher wurden ca. zwei Dutzend Gene
sequenziert; an einem Projekt mit dem Ziel der
Sequenzierung des kompletten Genoms von
P. carinii wird zurzeit gearbeitet.
Von der humanen Form, P. carinii f. sp. hominis, sind bisher nur Teile des Genoms sequenziert und in die Datenbank aufgenommen. Für
die taxonomische Einordnung wichtige Nukleinsäuresequenzen sind z.B. AF013954 (Komplette Sequenz des 5.8S ribosomalen RNA Gens),
S42926 (Mitochondriale große Untereinheit des
529
P
Pneumokokken
rRNA-Gens); wichtige Proteinsequenzen sind
AAD05579, AAD5580, AAD5581, AAD5582 (Dihydropteroat-Synthase, DHSP).
Prävention
Patienten mit P. carinii-Pneumonie sollten von
anderen immunsupprimierten Patienten isoliert werden, um eine aerogene Übertragung
von Mensch zu Mensch zu verhindern.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Die Effektivität einer Chemoprophylaxe bei
HIV-Patienten ist erwiesen, und in den USA
sind Richtlinien dafür aufgestellt worden.
Indikationen. (1) Weniger als 200 CD4-positive
Lymphozyten pro µl Blut; (2) Oropharyngeale
Candidose; (3) Unerklärtes Fieber von mindestens 37,8°C über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen; (4) Früher dokumentierte
P. carinii-Pneumonie; (5) Säuglinge HIV-infizierter Mütter ab dem 2. Lebensmonat bis zum
Ausschluss einer HIV-Infektion bzw. bei HIVInfektion auf jeden Fall während des 1. Lebensjahres.
Mittel der Wahl für die Chemoprophylaxe (Erwachsene). Täglich oder dreimal pro Woche:
orale Einnahme von 160mg Trimethoprim und
800mg Sulfamethoxazol; effektiv ist auch die
tägliche Einnahme von 80mg Trimethoprim
und 400mg Sulfamethoxazol; Alternativ bei Unverträglichkeit: Dapson 100mg pro Tag oder Inhalation von Pentamidin 300mg einmal pro
Monat.
Chemoprophylaxe bei nicht HIV-Patienten sollte in den folgenden Fällen erwogen werden: (1)
Primärer Immundefekt; (2) Schwerer Proteinmangel; (3) Organ-Transplantation; (4) Weniger als 200 CD4-positive Lymphozyten pro µl
Blut; (5) Chemotherapie oder immunsuppressive Therapie aufgrund von Krebsleiden, Autoimmunerkrankungen oder anderer Krankheiten,
insbesondere bei Corticosteroid-Therapie mit
20mg Prednison-Äquivalent länger als 1 Monat.
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz vom 01.01.01
besteht keine Meldepflicht für die P. cariniiPneumonie. Nosokomiale Ausbrüche (≥2 Infek530
tionen) sind nichtnamentlich meldepflichtig
nach § 6 IfSG.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Ein Referenzzentrum für Pneumocystis gibt es
in Deutschland nicht.
Web-Adressen
National Center of Biotechnology Information:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
University of Kentucky, Fungal Genome Project: http://biology.uky.edu/Pc
Emedicine: http://www.emedicine.com/med/
topic1850.htm
Schlüsselliteratur
1. Stringer JR. 1996. Pneumocystis carinii: What is it exactly?
Clin Microbiol Rev 9: 489–498.
2. Wakefield AE, Stringer JR, Tamburrini E, Dei-Cas E. 1998.
Genetics, metabolism and host specificity of Pneumocystis
carinii. Med Mycol 36, Suppl. 1: 183–193.
3. Centers for Disease Control and Prevention. 1999. USPHS/
IDSA guidelines for the prevention of opportunistic
infections in persons infected with human
immunodeficiency virus. Morb Mortal Wkly Rep 48 (RR10): 1–67.
4. Mandell GL, Bennett JE, Dolin R. 2000. Mandell, Douglas,
and Bennett`s Principle and Practice of Infectious
Diseases, 5th ed. Chapter 260: Pneumocystis carinii, pp
2781–2795. Churchill Livingstone, Philadelphia, London.
Pneumokokken
Steptococcus pneumoniae
Pockenviren, andere
humanpathogene animalische
Erregerbezeichnung
Orthopockenvirus: Kuhpockenvirus
Parapockenvirus: Orf Virus und Milkers Nodules
Yatapockenvirus: Tanapockenvirus und Yaba
Affen Tumorpockenvirus.
Synonym
Kuhpockenvirus: Cowpoxvirus
Orf Virus: Kontagiöses pustuläre Dermatitis,
Kontagiöses Ektyem
Milkers Nodules: Pseudokuhpockenvirus oder
Paravaccinia
Pockenviren, andere humanpathogene animalische
Morphologie
Wie Vaccinia und Variola Virus. Parapockenviruspartikel sind etwas kleiner als Orthopockenvirionen und zeigen anstelle eines irregulären
Arrangements von Oberflächentubuli ein regelmäßiges fadenförmiges Muster.
Taxonomie
Genera Orthopoxvirus, Parapoxvirus und Yatapoxvirus in der Familie Poxviridae und der Unterfamilie Chordopoxvirinae (Wirbeltierpocken).
Historie
Das Kuhpockenvirus ist seit hunderten von Jahren als Verursacher ulzerierender Läsionen an
den Zitzen infizierter Kühe bekannt. Die Erkrankung von Kühen ist jedoch eher selten.
Melker, die sich mit Kuhpockenvirus infiziert
hatten, waren gegen die durch Variola verursachten Pocken des Menschen immun. Diese
Beobachtung führte zur Einführung der Vakzination durch Jenner.
Orf ist ein altes anglosächisches Wort und bedeutet Schorf. Die Läsionen von Pseudokuhpockenvirus wurden von Jenner als gelegentlich
aberrante Form der Kuhpocken erkannt, die
nicht zur Impfung gegen Variola taugen. Das
Orf Virus verursacht Hautläsionen bei Schafen
und Ziegen, und kann von dort auf den Menschen übertragen werden.
Milkers Nodules entstehen durch Infektion des
Menschen mit Pseudokuhpockenvirus an den
Zitzen infizierter Kühe.
Tanapockenvirus wurde zuerst als fiebrige Erkrankung mit pockenähnlichen, lokalisierten
Hautläsionen in Patienten vom Stromland des
Tana Flusses in Kenya beschrieben. Das Virus
war endemisch in dieser Gegend bis 1981. Fälle
wurden auch im intensiv WHO überwachten
Zaire beobachtet. Dasselbe Virus unter den Namen Yaba ähnliche Erkrankung, Yaba verwandte Erkrankung und Oregon „1211“ Pockenvirus
war der Erreger der Epizoonosen in Rhesus Makaken in drei Primatenzentren der USA im Jahre 1966. In jedem dieser Ausbrüche wurden einige der Tierpfleger offenbar durch Abrasionen
an ihrer Haut infiziert.
Das Yaba Affen Tumorvirus wurde zuerst von
subkutanen Tumoren in einer Kolonie von Rhesusaffen in Nigeria isoliert. Nach subkutaner Injektion verursacht es Histiozytome der Haut bei
Affen und Menschen. Infektionen von Menschen im freien Feld wurden nicht beobachtet.
Erkrankungen/Symptome
Kuhpockenvirus verursacht eine oder mehrere
lokalisierte Läsionen an der Inokulationsstelle,
Daumen, Zeigefinger Vorderarm oder Gesicht.
Die Läsion ähnelt einer primären Vaccinia Inokulation, mit einem vesikulären, pustulären
und einem Borkenstadium. Lymphangitis,
Lymphadenitis und Fieber persistieren für mehrere Tage. Bei Kindern ist das Erscheinungsbild
manchmal schwerer mit starken lokalen Ödemen und Post-Kuhpocken Enzephalitis wurde
beschrieben.
Orf Infektion beim Menschen und Milkers
Nodules sind Berufskrankheiten, erworben
durch Kontakt mit infizierten Schafen oder Kühen. Die Infektion erfolgt durch Hautabrasionen. Orf Läsionen sind großknotig und die umgebende Haut ist entzündet. Subfebrile Temperaturen gehen einher mit lokalen Ödemen und
Schwellung der regionalen Lymphknoten. Die
Läsionen sind schmerzhaft, entwickeln jedoch
bald eine Borke und heilen über 4 bis 6 Wochen
narbenlos ab. Orf Infektion der Augen kann zu
permanenter Blindheit führen. Weitere Komplikationen sind Urtikaria, Erythema multiforme bullosum und bakterielle Superinfektion.
Milkers Nodules sind kirschrote, halbrunde, feste Knoten von bis zu 2 cm Durchmesser und
sind relativ schmerzlos. Juckreiz wird beschrieben, die Knoten sind gut vaskularisiert, aber ulzerieren nicht. Die Läsion besteht aus Granulationsgewebe, das über 3 bis 4 Wochen resorbiert
wird. Das einzige Zeichen von Generalisierung
ist das Anschwellen regionaler Lymphknoten.
Tanapockenvirusläsionen sind kleine zirkuläre
Maculae, die sich zu Papeln und über 7 Tage zu
1 cm weiten Areolen mit umgebender ödematöser Haut entwickeln. Lokale Lymphangitis geht
einher mit subfebrilen Temperaturen, Kopfschmerz und einer ulzerierenden Nekrose der
Läsionen, die üblicherweise Narben hinterlässt.
Die Läsionen heilen über 6 Wochen vollständig
ab.
Yaba Tumorpockenviren erzeugen subkutane
Histiozytome in Affen. Verabreichung von infiziertem Material subkutan in menschliche Wirte führt auch hier zu Histiozytomen. Natürliche
Yaba Tumorpockeninfektionen beim Menschen sind nicht bekannt.
531
P
Pockenviren, andere humanpathogene animalische
Differenzialdiagnose
Typische Klinik.
Labordiagnostik
Diagnosen der Pockenepizoonosen werden
hauptsächlich durch klinische und epidemiologische Beobachtung gestellt. Eine Vorgeschichte von Kontakten mit infizierten Tieren kann
durch die Demonstration pockentypischer Virionpartikel mit oder ohne äußeren Lipidmembranen und anhand der Art der tubulären Oberflächenstrukturen im Elektronenmikroskop bestätigt werden.
ger die natürlichen Reservoirwirte sein könnten. Kuhpockenvirus hat einen breiten Wirtsbereich, produziert häufig Endozoonosen unter
Nagern, Katzen, Kühen und gelegentlich Epizoonosen beim Menschen. Parapockenviren sind
endemisch in Schaf- und Kuhherden weltweit,
Yatapockenviren kommen in afrikanischen
Wildtieren, vor allem Affen vor.
Risikogruppen
Bewohner von Endemiegebieten und Zoopfleger.
Epidemiologie
Nicht untersucht.
Diese Gruppe der Pockenviren verursacht Erkrankungen beim Menschen via animalischer
Primärwirte (Zoonose).
Das Kuhpockenvirus hat ein breites Wirtsspektrum und sein größtes Tierreservoir sind wildlebende Nagern (Okapis, Ratten). Es infiziert Nager und über diese Quelle in Farmgebäuden und
Zoofütterungseinrichtungen: Menschen, Kühe,
große Ameisenesser, Elefanten, Rhinozerosse
oder Katzen (carnivore Feliden). Trotz der traditionellen Verknüpfung von Kuhpockenvirus
mit Kühen, gibt es viele Fälle ohne einen Kontakt dieser Art und domestizierte Katzen sind
heute eine wichtigere Quelle der Kuhpockeninfektion.
Pseudokuhpockenviren existieren in Milchherden weltweit. Die Endozoonose ist saisonal im
Frühling und Herbst und Immunität ist kurzlebig. Orf ist weitverbreitet in Schafen und Ziegen,
wo es borkige Knoten an den Lippen der Tiere
erzeugt. Dies kann mit dem Saugen von neugeborenen Tieren interferieren und führt zu typischer Unterernährung. Immunität persistiert
langfristig und in manchen Ländern wird eine
Immunisierung der Tiere mit Orfborken durchgeführt.
Tana und Yabapockenvirus sind endemische
Erkrankungen bei afrikanischen Wildtieren,
vor allem Affen, und können gelegentlich vereinzelte oder Gruppen von Hautläsionen beim
Menschen erzeugen.
Wirtsbereich
Genetik
Kuhpockenvirus infiziert sporadisch Zootiere.
Katzen, Zootiere, Kühe und Menschen sind alle
gelegentliche und zufällige Wirte. Der Nachweis
von Kuhpockenvirus in wilden Nagern in Turkmenistan ist ein Hinweis, dass wildlebende Na-
Kuhpockenvirus hat das breiteste Genspektrum
aller Pockenviren.
Im Rahmen von Orf Virus Genomsequenzierungen wurde ein endothelspezifischer nichtEGF verwandter Wachstumsfaktor gefunden,
Therapie
Symptomatisch.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Parapockenvirusläsionen haben im Gegensatz
zu Orthopockenvirusläsionen einen proliferativen Charakter. Dermale Infiltration mit Monozyten und Lymphzellen ist prominent um hyperämische Kapillaren und Venulen.
Parapocken- und Yatapockenviren erzeugen
keine Pocken auf der Chorioallantoismembran.
Parapockenviren komplementieren nichtgenetisch hitzeinaktivierte Orthopockenviren. Angehörige beider Virusgruppen wachsen gut in
Zellkultur.
Transmission
Tier zu Mensch und sehr selten Mensch zu
Mensch durch direkten Kontakt.
Vermehrung und Inkubationszeit
Zytoplasmatische Replikation. Keine genauen
Angaben zu Inkubationszeiten.
Resistenz
Keine empfohlene medikamentöse Therapie.
Immunantwort
532
Polioviren
der für die in vivo beobachtete Endothelproliferation bei Orf Virus Infektionen verantwortlich
zu machen ist. Das ‘Poxvirus Bioinformatics
Centre’- http://www.poxvirus.org/ bietet eine
vollständige und kommentierte Sequenzsammlung sowie andere Informationen zur Pockenvirusforschung.
Prävention
Keine.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Keine.
Meldepflicht
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Konsiliarlabor für Pockenviren: Institut für Medizinische Mikrobiologie und Epidemiologie
von Infektionskrankheiten an der Ludwig-Maximilians-Universität; Veterinärstr. 13, 80538
München (Prof. Dr. O. R. Kaaden), Tel: 089/
2180-2528, Fax: -2597)
Web-Adressen
Poxvirus Bioinformatics Centre:
http://www.poxvirus.org/
Centers for Disease Control and Prevention:
http://www.cdc.gov/
World Health Organization:
http://www.who.int/en/
Schlüsselliteratur
1. Fenner, F. Pockenviren. In: Virology, Third Edition, edited
by Fields, N., et. al., Raven Press, Ltd. New York, Vol. 2,
(1996) 2673–2702.
2. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Polioviren
Erregerbezeichnung
Poliovirus Typ 1, Typ 2 und Typ 3
Synonym
Humanes Poliovirus 1, 2 und 3
Morphologie
Polioviren sind kleine, sphärische und unbehüllte RNA-Viren und die am besten charakterisierten Vertreter des Genus Enterovirus aus
der Familie der Picornaviridae. Das Virion mit
einem Molekulargewicht von 8,4×106 Da (156S,
Dichte 1,34 g/ml in CsCl) besteht aus einem ikosaedrischen Kapsid (Durchmesser 30 nm) und
einem einzelsträngigen RNA-Molekül (Abbildung 1). Das Kapsid ist aus 60 Protomeren aufgebaut. Jedes Protomer enthält die vier nichtglykosylierten
Viruskapsidproteine
VP1
(33 kDa), VP2 (30 kDa), VP3 (26 kDa) und VP4
(7,5 kDa), von denen VP4 am N-Terminus myristyliert ist. Die Röntgenstrukturanalyse zeigt,
dass die Proteine VP1, VP2 und VP3 die Kapsidoberfläche bilden. VP1–VP3 weisen im Kapsid eine pseudoäquivalente Packung auf, die
auch für sphärische Pflanzenviren zu finden ist.
Damit scheinen Picornaviren in der Evolution
sehr alte Viren zu sein. VP1 und VP3 bilden um
die fünffache Symmetrieachse des Kapsids eine
Grube (Canyon, 3 nm tief und 3 nm breit), in die
der virusspezifische Rezeptor bindet (Canyonhypothese). Die genomische RNA (2,6×106 Da)
besteht aus ca. 7440 Nukleotiden und hat am 5'Terminus ein kleines hydrophobes Protein
(VPg = Virus Protein Genome Linked, 2,4 kDa)
kovalent gebunden (Abbildung 2). Die virale
Plus-Strang-RNA kodiert in einem einzigen offenen Leserahmen (ORF) für die o.g. Strukturproteine und zusätzlich für eine Reihe funktioneller Proteine, u.a. mit RNA-Polymerase- und
Protease-Aktivität(en). Die RNA dient gleichzeitig als polycistronische mRNA und hat 5'-terminal eine nichttranslatierte Region (5'-NTR,
743 Nukleotide) und 3'-terminal eine PolyAdenosin-Region (Poly-A) mit variabler Länge
(3'-NTR). In der 5'-NTR liegt mit einer ausgeprägten Sekundärstruktur der Initiationsort der
Translation (Internal Ribosome Entry Site =
IRES). Weiteres siehe Abschnitt: Spezifische
Merkmale.
Taxonomie
Genus Enterovirus in der Familie der Picornaviridae mit den weiteren Genera: Rhinovirus, Cardiovirus, Aphthovirus, Hepatovirus und Parechovirus.
Mit dem Seventh Report of the International
Committee on Taxonomy of Viruses (2000;
http://life.bio2.edu/Ictv/) wurde eine neue Ein533
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Polioviren
VP3
VP1
VP2
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VP1
Abb. 1
Darstellung des Polioviruskapsids. Die Röntgenstrukturanalyse von Poliovirus Typ 1 durch Hogle und Mitarbeiter sowie vom verwandten humanen Rhinovirus Typ 14 durch Rossmann und Mitarbeiter (1985) zeigt
die typische ikosaedrische Kapsidstruktur für die meisten Picornaviren (siehe Rueckert, 1996). Die Kapsidoberfläche besteht aus 60 Protomeren, die sich jeweils aus VP1, VP2 und VP3 zusammensetzen. Das biologische Protomer (stark umrandet) ist nicht deckungsgleich mit dem kristallographisch bestimmten
Protomer (graues Dreieck). An jeder der 12 fünffachen Symmetrieachsen des Kapsids befindet sich ein Pentamer aus 5 Protomeren. Im Inneren des Viruskapsids befinden sich das kleine Kapsidprotein VP4 und 1 Molekül der viralen RNA
teilung für Enteroviren vorgenommen. Dabei
bleiben die 3 Serotypen von Poliovirus in einer
eigenen Spezies (für die neue Taxonomie der
Enteroviren siehe auch Kapitel: Coxsackieviren, Echoviren und Parechoviren sowie
Enteroviren 68–71). Die Grundlage dafür waren vor allem Aminosäure-Identitäten in den
Regionen P1 sowie 2C und 3CD (jeweils >70%)
sowie der Wirtsbereich und die virusspezifischen Wirtszellrezeptoren. Bezogen auf das gesamte Virusgenom besteht zwischen den einzelnen Enteroviren untereinander sowie zwischen
den beiden Genera Enterovirus und Rhinovirus
eine RNA-Sequenzhomologie von >50%. Die
Unterschiede in den Kapsidoberflächenstrukturen grenzen die Polioviren weiterhin von den
anderen Enterovirusspezies ab. Basierend auf
serologischer Typisierung und Homologievergleichen von RNA- und Proteinsequenzen werden die 3 Serotypen von Poliovirus unterschieden. Für jeden Serotyp existieren verschiedene
Wildtypstämme, die Isolate von Patienten mit
paralytischer Poliomyelitis sind (z.B. Poliovirus
Typ 1: Brunhilde; Poliovirus Typ 2: Lansing; Po534
liovirus Typ 3: Leon). Für jeden Serotyp sind attenuierte Impftypstämme nach Sabin etabliert.
picorna: von pico = piccolo, klein; rna = RNA,
ribonucleic acidentero: von griech. enteron =
Darm, Eingeweidepoliomyelitis: von griech. polios = grau; griech. myelos = Rückenmark
Historie
Die Poliomyelitis (Kinderlähmung) wurde als
Krüppelkrankheit bereits im Altertum beschrieben. Das klinische Bild der Paralyse wurde erstmals 1840 durch Heine genau dargestellt. Nach
der Beschreibung einer Poliomyelitis-Epidemie
durch Medin (1887) wurde diese Krankheit auch
als Heine-Medinsche Krankheit bezeichnet.
Landsteiner und Popper konnten 1908 zeigen,
dass es sich bei der Poliomyelitis um eine virale
Erkrankung handelt. Der Nachweis gelang
durch die Übertragung von paralytischer Poliomyelitis auf Affen, die mit einer gefilterten
Stuhlaufschwemmung eines paralytischen Patienten inokuliert wurden. Noch für die nächsten
vierzig Jahre waren Tierexperimente zum Virusnachweis notwendig. Mit der Entwicklung
der Zellkulturtechnik durch Enders und Mitar-
Polioviren
Abb. 2
Genomorganisation von Poliovirus. Die Genomkarte zeigt die einzelsträngige virale Plus-Strang-RNA (ca.
7440 Nukleotide) mit den kodierenden Bereichen (Kästen) und den nichttranslatierten Regionen am 5´und 3´-Terminus (5´-NTR und 3´-NTR) (siehe Rueckert, 1996). An das 5´-terminale Uracil der RNA ist das kleine hydrophobe Protein VPg (Virus Protein Genome Linked, 2,4 kDa) kovalent gebunden. In der 5´-NTR (743
Nukleotide) befindet sich mit einer ausgeprägten Sekundärstruktur der Initiationsort der Translation (Internal Ribosome Entry Site = IRES). Die 3´-NTR ist polyadenyliert. Während der Proteinbiosynthese wird der
kodierende Bereich der polycistronischen mRNA in ein Polyprotein übersetzt. Die Region P1 enthält die
Kapsidproteine VP0 (Vorläufer von VP4 und VP2), VP3 und VP1. Die Regionen P2 und P3 enthalten funktionelle Proteine (u.a. 2A = Protease, 3B = VPg, 3C = Protease, 3D = RNA-Polymerase). Die Prozessierung der
Proteine wird durch 3 Proteasen bewirkt. Protease 2A (Pfeil) setzt das Vorläuferprotein P1 für die Kapsidproteine frei. Die Protease 3C übernimmt die übrigen proteolytischen Spaltungen vor dem Zusammenbau
des Virus (Assembly). Im Viruskapsid wird nach Aufnahme der viralen RNA das Vorläuferprotein VP0 in die
Kapsidproteine VP2 und VP4 gespalten, wobei eine Beteiligung der RNA postuliert wird.
Die anderen Enteroviren (Coxsackieviren, ECHO Viren und Enteroviren 68–71), die humanen Rhinoviren
und die Cardioviren haben eine gleiche Genomorganisation, jedoch können die Längen der kodierenden
und nichtkodierenden Bereiche der jeweiligen RNA voneinander abweichen. Cardioviren weisen im Polyprotein N-terminal zusätzlich eine Leader- (L-)Sequenz auf ( Cardioviren)
beiter (1949) gelang erstmalig die in vitro-Propagierung von Poliovirus in einer PrimatenZellinie. Dieses war die Grundlage für die Differenzierung der Serotypen und Entwicklung von
Vakzinen (weiteres siehe: Prävention). Poliovirus Typ 1 und das verwandte humane Rhinovirus Typ 14 waren die ersten humanpathogenen
Viren, deren dreidimensionale Struktur durch
Röntgenstrukturanalyse von den Arbeitsgruppen um Hogle und Rossmann 1985 aufgeklärt
wurde. 1991 gelang Wimmer und Mitarbeitern
die in vitro-Synthese von infektiösem Poliovirus mit isolierter Poliovirus-RNA in einem zellfreien Zytoplasmaextrakt nicht infizierter Zellen.
Erkrankungen/Symptome
Poliovirus hat im Gegensatz zu den meisten anderen Enteroviren einen begrenzten Tropismus,
wobei für die Organmanifestation der Neurotropismus im Vordergrund steht. Nach fäkaloraler Übertragung vermehrt sich Poliovirus
primär in den Epithelien des Pharynx, in den
lymphoiden Organen (Tonsillen und Peyersche
Plaques) und im Darm. Die Mehrzahl der Infektionen (90–95%) verlaufen asymptomatisch un-
ter Ausbildung von neutralisierenden Antikörpern (stille Feiung). Nach der Vermehrung im
Intestinaltrakt kann das Virus durch die abführenden Lymphbahnen in den Blutkreislauf gelangen und zu einer zyklischen Infektion mit
Virämie sowie Ausbreitung auf die Zielorgane
führen. Die mittlere Inkubationszeit beträgt 6–
20 Tage (3 Tage bis 1 Monat). Folgende Krankheitsverläufe können auftreten (siehe Tabelle 1
und Abbildung 3):
Abortive Poliomyelitis (Minor Krankheit). Bei
4–8% der Poliovirus-Infizierten kommt es 6 bis
9 Tage nach der Infektion zu unspezifischen
Symptomen wie Fieber, Abgeschlagenheit,
Hals- und Kopfschmerz sowie Übelkeit (Minor
Krankheit). Schreitet die Infektion nicht weiter
voran, spricht man von der abortiven Poliomyelitis.
Nichtparalytische Poliomyelitis (Aseptische
Meningitis). Infiziert Poliovirus Zellen des ZNS,
kommt es zur nichtparalytischen (1–2%) oder
paralytischen Poliomyelitis (0,1–1%) mit Zunahme von Liquorzellen und -protein. 3–7 Tage
nach der Minor Krankheit zeigen sich bei der
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Polioviren
Abb. 3
Krankheitsverlauf nach Poliovirus-Infektion
nichtparalytischen Form Symptome einer aseptischen Meningitis mit hohem Fieber, Nackensteifigkeit, Rükkenschmerzen und Muskelspasmen.
Paralytische Poliomyelitis (Major Krankheit).
Schlaffe, durch spinale und/oder bulbäre Schäden bedingte Lähmungen charakterisieren die
paralytische Poliomyelitis (Major Krankheit).
Die bulbäre Form (aufsteigende Infektion) ist
seltener als die spinale Form und hat wegen der
Schädigung von zerebralen bzw. vegetativen
Nervenzentren eine schlechte Prognose. Bei der
spinalen Krankheit werden bestimmte motorische Funktionen bis zu einem gewissen Grade
nach mehreren Monaten wiedererlangt, eine
verbleibende Paralyse ist jedoch permanent. In
536
seltenen Fällen tritt eine enzephalitische Form
der Poliomyelitis auf.
Infolge des ausgeprägten Neurotropismus werden vornehmlich die Vorderhornzellen der Spinalganglien, aber auch die dorsalen Wurzelganglien, bestimmte Hirnstammzentren, das Zerebellum und gelegentlich auch der zerebrale motorische Kortex befallen. Die pathologischanatomischen Veränderungen in der Umgebung der Vorderhornzellen zeigen sekundär
eine Entzündungsreaktion mit Infiltration von
polymorphkernigen und mononukleären Zellen. Die Kerne der Ganglienzellen haben eine
Chromatolyse und später eine Verklumpung
des Chromatins. Der Kern schrumpft und eosinophile Körperchen erscheinen. Nach Zerstörung der Vorderhornzellen kann es in diesem
Bereich zu ödematösen Exsudaten kommen.
Polioviren
Tabelle 1
Klinische Syndrome der Infektionen mit Polioviren (nach Pallansch and Roos, 2001)
Klinische Syndrome
Abortive Poliomyelitis, Minor Krankheit, uncharakteristische fieberhafte Erkrankung
Nichtparalytische Poliomyelitis, Aseptische Meningitis
Paralytische Poliomyelitis, Major Krankheit, Enzephalitis
(selten)
Postpolio-Syndrom
Postpolio-Syndrom (Progressive Postpoliomyelitische Muskelatrophie, PPMA). Für eine
geringe Anzahl von Patienten mit paralytischer
Poliomyelitis wurde nach Jahren bis Jahrzehnten ein Fortschreiten der Paralyse mit Muskelschwund beobachtet. Die Ursache des Postpolio-Syndroms ist noch nicht vollständig aufgeklärt, scheint jedoch vor allem durch physiologische Alterungsprozesse bei den paralytischen
Patienten aufzutreten, die in hohem Maße neuromuskuläre Funktionen verloren haben. Für
eine persistierende Poliovirus-Infektion gibt es
keine Hinweise.
Differenzialdiagnose
Bei den Enteroviren können neben Polioviren
nahezu alle Coxsackieviren der Gruppen A und
B, die meisten ECHO Viren sowie die Enteroviren 70 und 71 eine Meningitis und seltener eine
Paralyse bewirken. Zur Differenzialdiagnostik
siehe Kapitel: Coxsackieviren, Echoviren
und Parechoviren sowie Enteroviren 68–71.
Zur Differenzierung von Meningitis und Paralyse, für die andere Viren verantwortlich sein
können, sind Mumpsvirus, Herpes-simplex-Viren und (seltener) andere Viren der Herpesvirusfamilie sowie das Lymphozytäre Choriomeningitis Virus in Betracht zu ziehen.
Labordiagnostik
Virusnachweis. Zum Routinenachweis von Polioviren eignen sich am besten Rachenabstrich
oder -spülwasser, Stuhl und Liquor (bei ZNSManifestation). Blut wird wegen der kurzen
Virämie i. Allg. nicht zum Virusnachweis verwendet. Für den zeitlichen Verlauf der Virusvermehrung siehe Abbildung 3. Zum Nachweis
der ZNS-Beteiligung können post mortem zusätzlich Proben von Hirnstamm (speziell Pons
Poliovirus
Typen
Typ 1, Typ 2, Typ 3
und Medulla oblongata) und Rückenmark verwendet werden.
Der direkte Virusnachweis aus dem Stuhl durch
Elektronenmikroskopie (Negativ-Kontrastierung) ist möglich, jedoch wegen der geringen
Virusgröße problematisch. Diese Methode wird
deshalb nur von wenigen Speziallaboratorien –
häufig kombiniert mit der Immun-Elektronenmikroskopie – durchgeführt. Zur Virusisolierung werden Monolayer-Zellkulturen vom
Menschen und Affen verwendet. Beispiele für
humane Zelllinien: Primäre embryonale Hautund Lungenfibroblasten, permanente Fibroblasten
(z.B.
MRC-5-Zellen),
permanente
Amnionzellen (z.B. FL-Zellen) und transformierte Zellen (z.B. KB-, HeLa-, HEp-2-Zellen).
Beispiele für Affen-Zelllinien: Primäre oder permanente Affennieren-Zellinien vor allem von
Rhesusaffen und afrikanischen grünen Meerkatzen (z.B. BGM- und Vero-Zellen).
Die Virusidentifizierung erfolgt im Neutralisationstest mit Antiseren bekannter Spezifität, z.B.
mit 8 Hyperimmunserum-Pools nach LimBenyesch-Melnick (LBM-Antiserum-Pools, erhältlich über WHO Kopenhagen, siehe Abschnitt: Referenzzentren). Die Differenzierung
zwischen Wildtyp- und Impfstämmen erfolgt
durch intratypische Serodifferenzierung und
Bestimmung genetischer Marker (rct-Marker,
Reproduktionskapazität bei supraoptimaler
Temperatur). Molekularbiologische Methoden
wie die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) verbunden mit der Restriktionsfragmentanalyse
(RFLP = Restriktionsfragmentlängen Polymorphismus), Hybridisierung und Sequenzierung
finden immer breitere Anwendung. Wegen der
hohen Sequenzhomologie der Enteroviren ist
die alleinige Anwendung der PCR zur Typisierung und Differenzierung schwierig.
537
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Polioviren
Antikörpernachweis. Zur Serodiagnostik werden der Neutralisationstest (NT), die Komplementbindungsreaktion (KBR) und der Enzymimmunoassay (EIA) eingesetzt. Durch den ausschließlichen Nachweis von Antikörpern gegen
Epitope der Virusoberfläche erlaubt der Neutralisationstest eine Differenzierung der drei Serotypen von Poliovirus. In der KBR und im EIA
werden auch Epitope im Virusinneren nachgewiesen, die häufig eine immunologische Kreuzreaktion mit anderen Enteroviren zeigen. Deshalb werden mit KBR und EIA nur gruppenspezifische Antikörper bestimmt. Zum serologischen Nachweis einer frischen PoliovirusInfektion ist entweder die Untersuchung eines
Serumpaares (min. 4facher Titeranstieg im NT
bei zwei Seren, die im Abstand von 7–14 Tagen
gewonnen sind) oder die Bestimmung virusspezifischer Antikörper der IgM-Klasse notwendig.
Therapie
Eine in vivo-Therapie mit antiviralen Substanzen ist nur begrenzt möglich. Die Substanz Pleconaril zeigte in randomisierten, doppelblind
und Placebo-kontrollierten Phase 3 Studien für
Enterovirus-bedingte Meningitis eine Reduzierung der mittleren Infektionsdauer. In einzelnen Fällen von Vakzine-assozierter paralytischer Poliomyelitis (VAPP) führte Pleconaril zu
einer schnellen kompletten Eliminierung von
Poliovirus aus dem Liquor. Diese Substanz basiert auf Untersuchungen in Zellkulturen, in denen hydrophobe Substanzen (z.B. WIN-Substanzen) durch Interkalation im Viruskapsidprotein VP1 eine Kapsidstabilisierung bewirken
und so zu einer Blockierung des viralen Uncoatings und/oder der Rezeptorerkennung führen.
In vitro kann weiterhin die virusspezifische
RNA-Synthese durch Guanidin-HCl und 2-(αHydroxybenzyl)-benzimidazol inhibiert werden.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Der Pathogenitätsmechanismus des Poliovirus
ist vor allem durch seinen Zelltropismus bedingt. Der Tropismus beruht auf der Erkennung
des Virus durch spezifische Rezeptoren auf der
Oberfläche empfänglicher Zellen. Bislang sind
drei Poliovirus-spezifische Rezeptoren charakterisiert, u.a. auf Epithelzellen, auf Zellen des
538
ZNS und lymphoiden Zellen. Der Hauptrezeptor ist ein Glykoprotein, das in verschiedenen
Isoformen auftritt (67–80 kDa) und zur Immunglobulin-Superfamilie gehört. Bei der Virusadsorption erkennt der Rezeptor den Canyon auf der Kapsidoberfläche, der eine Grube um
die fünffache Symmetrieachse des Virus darstellt (weiteres siehe Abschnitt: Morphologie).
Zellkulturuntersuchungen zeigen, dass nach Virusadsorption an den Rezeptor die Virusaufnahme in die Wirtszelle (Penetration) erfolgt.
Einer der nachgewiesenen Einschleusungswege
ist die Rezeptor-vermittelte Endozytose mit pHabhängiger Freisetzung der viralen RNA aus
dem Viruskapsid (Uncoating). Bei der Viruseinschleusung vollzieht sich im Viruskapsid
eine Konformationsänderung, wobei das Viruskapsid das interne Protein VP4 verliert, der NTerminus vom Kapsidprotein VP1 ausgestülpt
wird und das Virus seine Antigenität ändert
(Bildung von A-Partikeln). Nach dem Uncoating beginnt die virale Protein- und RNA-Synthese unter Ausnutzung der parentalen PlusStrang-RNA. Nach der Initiation der viralen
Proteinsynthese in der IRES (Internal Ribosome
Entry Site in der 5'-NTR) der polycistronischen
viralen RNA wird ein Polyprotein gebildet. Das
Initiationscodon AUG befindet sich in Nukleotidposition 743. Aus dem Polyprotein werden
durch proteolytische Spaltung (teilweise autokatalytisch, z.B. durch Protease 2A, Abbildung
2) über verschiedene Vorläufer-Proteine die Viruskapsidproteine, virusspezifische Proteasen
und RNA-Polymerase gebildet. Die Replikation
der viralen RNA läuft über Minus-Strang-Kopien. Reguliert wird die virale Transkription
durch ein Zusammenwirken der virusspezifischen RNA-Polymerase 3D mit viralen und zellulären Faktoren, wobei für die Initiation ausgeprägte Sekundärstrukturen in den NTRs von
Bedeutung sind. Die Virusreifung (Assembly)
geschieht durch Einbau eines Plus-StrangRNA-Moleküls in das Prokapsid. Der gesamte
Reproduktionszyklus benötigt 6–8 Stunden. Ort
der Virusreproduktion sind glatte und rauhe
Membranen des endoplasmatischen Retikulums. Vakuolen im Zytoplasma der infizierten
Zelle sowie Veränderungen des Zytoskeletts
und der Zelloberflächenmembran treten ab 3
Stunden p.i. auf. Anschließend kommt es im
Zellkern zur Kondensation des Chromatins.
Nach 6–8 Stunden führt dieser starke zytopathi-
Polioviren
sche Effekt (CPE) zur Zelllyse und Freisetzung
von bis zu 105 neusynthetisierten Viren pro Zelle. In den ersten beiden Stunden der Infektion
werden zelluläre Funktionen wie Protein-,
RNA- und DNA-Synthese durch das Virus abgeschaltet (Shutoff-Mechanismus). Für die Inhibition der zellulären Proteinsynthese ist die proteolytische Spaltung des zellulären Proteins
p220 (eIF-4G) verantwortlich. p220 ist Bestandteil vom Cap-Binding Complex eIF-4F, der an
der Initiation der zellulären Proteinsynthese beteiligt ist. Die genetische Analyse von Virusisolaten von Patienten mit paralytischer Poliomyelitis und attenuierten Impfstämmen zeigt, dass
die Neurovirulenz u.a. auf eine Punktmutation
im Bereich der IRES zurückzuführen ist. Dadurch wird die Sekundärstruktur dieses RNASequenzabschnitts mit Auswirkung auf die Initiation der viralen Proteinsynthese verändert.
Darüber hinaus wird der Neurotropismus
durch Punktmutationen im Bereich der Kapsidproteine und der RNA-Polymerase beeinflusst.
Transmission
Poliovirus wird hauptsächlich fäkal-oral übertragen (Abbildung 3). Schon kurz nach Infektionsbeginn kommt es zu massiver Virusreproduktion in den Darmepithelien, so dass 106 bis
109 infektiöse Viren pro Gramm Stuhl ausgeschieden werden. Die Virusausscheidung im
Stuhl kann mehrere Wochen bis Monate dauern. Fäkale Kontaminationen (Finger, Gegenstände, Lebensmittel) sind die Hauptursachen
für die Virusverbreitung. Wegen der primären
Virusvermehrung in den Rachenepithelien wird
das Virus auch respiratorisch kurz nach Infektion übertragen. Poliovirus-Infektionen sind in
Ländern mit niedrigem sozioökonomischen
Status besonders häufig, wobei die Übertragung
durch kontaminiertes Abwasser eine wesentliche Bedeutung hat.
Vermehrung und Inkubationszeit
Poliovirus vermehrt sich in den Epithelien und
lymphoiden Organen des Rachens und Darms
und in allen Organen, in denen die Infektion zu
Krankheitszeichen führt (siehe Erkrankungen/
Symptome). Die mittlere Inkubationszeit beträgt 6–20 Tage (3 Tage bis 1 Monat).
Resistenz
Poliovirus ist wie alle anderen Enteroviren als
Voraussetzung für die Magen-Darmpassage bei
niedrigem pH-Wert (<pH 3) säurestabil und gegen eine Vielzahl proteolytischer Enzyme resistent. Wegen der fehlenden Membranhülle (Envelope) ist das Virus resistent gegen lipidlösende Mittel (Äther, Chloroform und Detergenzien). Zur chemischen Inaktivierung eignen
sich u.a. Formaldehyd (3%), Salzsäure (0,1 M)
und halogenabspaltende Mittel (siehe aktuelle
Desinfektionsmittel-Liste der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie und
des Robert Koch-Instituts). Poliovirus wird bei
50 °C in einer Stunde (in Abwesenheit von Magnesiumionen) thermisch inaktiviert. Bivalente
Ionen (Mg2+, Ca2+) stabilisieren das Kapsid. Virussuspensionen sind bei 4 °C Tage bis Wochen
stabil und bei –20°C bis 80°C Monate bis Jahre
zu lagern. Poliovirus, das in Gegenwart photoaktiver Farbstoffe (Neutralrot, Proflavin) propagiert ist, wird durch Licht inaktiviert.
Immunantwort
Die humorale Immunität wird durch serotypspezifische Antikörper der IgG-, IgM- und IgAKlassen bedingt, wodurch die hämatogene Virusausbreitung zu den jeweiligen Zielorganen
verhindert wird (Abbildung 3). 7–10 Tage nach
Poliovirus-Infektion erscheint virusspezifisches
IgM und persistiert mindestens 4 Wochen (in
90% der Fälle). Einige Tage verzögert werden
typspezifisches IgG und IgA gebildet, wobei das
IgG für Jahre nachweisbar ist und eine dauerhafte humorale Immunität bewirkt. Antikörperproduktion im ZNS ist für Poliovirus-Infektionen mit ZNS-Beteiligung bekannt. Sekretorisches IgA wird 2–4 Wochen nach Infektion gebildet und ist im Pharynx und Dünndarm
nachweisbar. Durch sekretorisches IgA wird die
Virusausbreitung im Verdauungstrakt verhindert bzw. eingeschränkt. Die Beteiligung der
zellulären Immunität ist bislang wenig verstanden. Wegen des Vorhandenseins diaplazentar
übertragbarer Antikörper der IgG-Klasse sind
Säuglinge seropositiver Mütter in den ersten Lebensmonaten gegen eine Poliovirus-Infektion
geschützt.
Poliovirus kann in zwei antigenen Formen auftreten, als natives oder infektiöses Virus (N= D-Antigen) und als hitzedenaturiertes oder
nichtinfektiöses Virus (H- = C-Antigen). Auf
539
P
Polioviren
dem nativen Virus befinden sich 4 immundominante Epitope für die Erkennung von neutralisierenden Antikörpern (siehe Abschnitte: Labordiagnostik und Prävention). Eine partielle
immunologische Kreuzreaktion zeigt sich für
Poliovirus Typ 1 und 2.
Wirtsbereich
Reservoir für das Poliovirus ist ausschließlich
der Mensch. Ansonsten ist Poliovirus nur für
Affen pathogen, bei denen wie beim Menschen
asymptomatische Infektionen vorherrschen.
Direkte Virusinokulation ins Gehirn oder Rückenmark führt bei Affen zu schlaffer Lähmung.
Erst nach Adaptierung kann sich Poliovirus in
Mäusen vermehren. In vitro lässt sich Poliovirus
auf diversen Zelllinien vom Mensch und Affen
propagieren (siehe Abschnitt: Labordiagnostik).
Risikogruppen
Poliovirus-Infektionen sind typischerweise Infektionen von nichtimmunen Kleinkindern,
weshalb die Poliomyelitis auch als Kinderlähmung bezeichnet wird. Klinisch manifeste Poliovirus-Infektionen sind bei männlichen Patienten häufiger als bei weiblichen (Verhältnis
männlich : weiblich = 1,5–2,5: 1). Weiterhin ist
eine Paralyse bei Erwachsenen häufiger als bei
Kindern. Verstärkende Faktoren sind u.a. sehr
niedriges und hohes Alter, Tonsillektomie, Behandlung mit Kortikosteroiden, Röntgenbestrahlung, Erschöpfung, Hypoxie, gleichzeitige
andere Infektionserkrankungen (z.B. Erkältung) und chronische Unterernährung. Für das
erhöhte Risiko nach Tonsillektomie wird postuliert, dass das Virus im Oropharynx direkt Zugang zu Nerven hat, die nach dem operativen
Eingriff verletzt sind, so dass eine direkte Virusausbreitung im Gehirn mit bulbärer Paralyse
die Folge ist.
Epidemiologie
Poliovirus-Infektionen kommen weltweit vor.
In den gemäßigten Zonen findet die Mehrzahl
der Infektionen im Sommer, in wärmeren Ländern das ganze Jahr über statt. Wegen des fehlenden Immunschutzes sind Kleinkinder
Hauptausscheider. Nosokomiale Infektionen
sind selten (siehe: Strategien zur Krankheitsvorbeugung und Kontrolle). Ungünstige hygienische und sozioökonomische Bedingungen
540
führen zu einem hohen Infektionsrisiko. Poliovirus-Infektionen laufen häufig gleichzeitig mit
anderen Enterovirus-Infektionen (z.B. Coxsackie- und ECHO Viren), wobei die Virusreproduktion eines der Viren durch Interferenz unterdrückt sein kann. Dieses Phänomen erklärt
das in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts beobachtete Paradoxon, dass vor Einführung der
Polioimpfung mit Verbesserung der Hygiene
klinisch manifeste Poliovirus-Infektionen verstärkt auftraten. Grund dafür war, dass Infektionen mit interferierenden Enteroviren bei verbesserten hygienischen Bedingungen seltener
wurden. Vor Einführung der Polioimpfung traten Epidemien regelmäßig auf. 1988 wurden der
WHO 35251 Poliomyelitis-Fälle weltweit gemeldet. Durch die intensiven Impfprogramme der
WHO, die eine globale Ausrottung der Poliomyelitis zu Beginn des 21. Jahrhunderts zum
Ziel haben, konnte die Zahl der PoliomyelitisFälle weltweit stark reduziert werden. Ende 2001
wurden weltweit nur noch 470 Fälle gemeldet.
Durch die Impfprogramme stellt die Poliomyelitis in den westlichen Industrieländern kein
Problem mehr dar, vorausgesetzt, es tritt keine
Impfmüdigkeit auf und nichtimmune Fernreisende schleppen kein Poliovirus ein (siehe: Prävention). Vereinzelte Ausbrüche u.a. in den
Niederlanden, Kanada und den USA traten vor
1993 in Enklaven religiöser Gruppen auf, die
eine Vakzination ablehnen. 1984–1985 kam es in
Finnland zu 10 klinisch apparenten Poliomyelitis-Fällen (davon 9 paralytisch). Grund dafür
war das Auftreten eines genetisch veränderten
Wildtypvirus von Poliovirus Typ 3, gegen das
der in Finnland gebräuchliche inaktivierte
Impfstoff nur eine partielle Immunität bot. Im
Jahr 1996 traten in Albanien, Jugoslawien und
Griechenland 167 Poliomyelitis-Fälle mit 17 Todesfällen auf. Zu Beginn des Jahres 2002 verbleiben vor allem Pakistan, Indien und Nigeria die
Hauptregionen, in denen es noch zu Poliovirusübertragungen kommt.
Genetik
Für die Genomorganisation der Polioviren siehe Abschnitt: Morphologie. Die Accession-No.
der Nukleinsäure- und Proteinsequenzen sind
zu finden unter: http://life.bio2.edu/Ictv/ und
http://www.iah.bbsrc.ac.uk/virus/Picornaviridae/
picornavirus.htm.
Polioviren
Prävention
Wenige Jahre nach der Etablierung der modernen Zellkulturtechniken wurden zur aktiven
Impfung gegen Poliovirus-Infektionen zwei
Vakzinen entwickelt: Der Formaldehyd-inaktivierte, intramuskulär applizierte Impfstoff nach
Salk (inaktivierte Polio-Vakzine, IPV, 1954 eingeführt) und der Oralimpfstoff mit lebend-attenuierten Viren nach Sabin (orale Polio-Vakzine, OPV, 1962 eingeführt). Beide Impfstoffe sind
trivalent (enthalten die 3 Serotypen). Während
die IPV ausschließlich humorale Immunität
ausbildet, induziert die OPV durch eine subklinische Infektion zusätzlich sekretorisches IgA.
In sehr seltenen Fällen kann die OPV im Menschen durch Mutation Neurovirulenz erlangen.
Das Risiko für die OPV ist jedoch als sehr gering
einzustufen: Nach Erhebungen in den USA gibt
es ca. 1 Impfzwischenfall (Vakzine-assozierte
paralytische Poliomyelitis, VAPP) pro 1,2 Millionen Impfdosen. Neurovirulente Revertanten
betreffen hauptsächlich die attenuierten Impfstämme der Poliovirus Typen 2 und 3. Das Risiko einer Impfkontakt-Poliomyelitis (Infektion
einer nichtimmunen Kontaktperson durch eine
Impfvirusvariante) liegt bei ca. 1 zu 5 Millionen
Impfdosen OPV.
In Deutschland wird gegenwärtig von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen
nur noch mit der IPV zu impfen. Bei einer dreimaligen IPV-Impfung wird empfohlen (Stand:
Juli 2001): 1. Impfung im 2. Lebensmonat; 2.
Impfung im 4. Lebensmonat; 3. Impfung im 11.–
14. Lebensmonat. Zwischen dem 9. und 17. Lebensjahr sollte eine Auffrischung mit einer IPV
erfolgen. Bei Polio-Ausbrüchen wird eine Riegelungsimpfung mit OPV entsprechend den
Anordnungen
der
Gesundheitsbehörden
durchgeführt.
Zur Verhinderung einer Vakzine-assozierte paralytische Poliomyelitis (VAPP) gilt generell für
alle Impflinge, die nicht eine Grundimmunisierung gegen Poliomyelitis erhalten haben, dass
sie erst mit der IPV geimpft werden, bevor die
OPV eingesetzt wird. Wegen der möglichen Interferenz mit Coxsackieviren und ECHO Viren
ist eine OPV-Impfung in der warmen Jahreszeit
nicht angeraten. Bei Kontakt eines Seronegativen mit einem Poliovirus-Infizierten ist die
Gabe eines Immunglobulinpräparats innerhalb
von 72 Stunden sinnvoll.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen sollten Poliovirus-Infizierte von anderen
Patienten räumlich getrennt werden. Obwohl
Poliovirus-infizierte Patienten nicht als hochkontagiös einzustufen sind, wird die räumliche
Trennung wegen der Folgen einer apparenten
Infektion empfohlen. Klinisches Personal sollte
ausschließlich mit der IPV geimpft werden, um
eine Übertragung von Impfviren durch
Schmierinfektion zu verhindern.
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz sind namentlich der Krankheitsverdacht, die Erkrankung
sowie der Tod an Poliomyelitis zu melden (als
Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung, außer wenn traumatisch bedingt).
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Nationales Referenzzentrum für Poliomyelitis
und Enteroviren
◗ Prof. Dr. E. Schreier, Robert Koch-Institut,
Nordufer 20, D-13353 Berlin; Tel.: 030-45472379 /-2378, Fax: 030-4547-2617, E-Mail:
[email protected]. U.a. zuständig für: Anzucht
und Typisierung von Enteroviren, intratypische Differenzierung von Virus-Isolaten,
Feststellung der individuellen Immunität,
molekularbiologische Feincharakterisierung, Führung und Abgabe von Referenzvirusstämmen.
◗ WHO Collaborating Center for Virus Reference and Research. Dr. B. F. Vestergaard,
Statens Seruminstitut, Artillerivej 5, DK-2300
Kopenhagen S, Dänemark; Tel.: 0045-3268
3453, Fax: 0045-3268 3148, E-Mail: [email protected];
http://www.ssi.dk. U.a. zuständig für den Bezug von Lim-Benyesch-Melnick-AntiserumPools zur Virustypisierung.
Web-Adressen
The International Committee on Taxonomy of
Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.goc/ICTV/
All the virology on the WWW:
http://www.virology.net
The big picture book of viruses: http://www.
virology.net/Big_Virology/BVHomePage.html
541
P
Polyomaviren
The Picornavirus Homepage:
http://www.iah.bbsrc.ac.uk/virus/Picornaviridae
Schlüsselliteratur
1. King, A.M.Q. et al., Picornaviridae. In: Virus Taxonomy,
Classification and Nomenclature of Viruses, Seventh
Report of the International Committee on Taxonomy of
Viruses, edited by van Regenmortel, M.H.V. et al.,
Academic Press, San Diego, (2000) 657–678.
2. Pallansch, M.A. and Roos, R.P., Enteroviruses:
Polioviruses, Coxsackieviruses, Echoviruses and, Newer
Enteroviruses. In: Fields Virology, Fourth Edition, edited
by Knipe, D.M. et al., Lippincott Williams & Wilkins,
Philadelphia, Vol. 1, (2001) 723–775.
3. Racaniello, V.R., Picornaviridae: The Viruses and Their
Replication. In: Fields Virology, Fourth Edition, edited by
Knipe, D.M. et al., Lippincott Williams & Wilkins,
Philadelphia, Vol. 1, (2001) 685–722.
4. Zeichhardt, H., Enteroviren einschließlich Hepatitis-AVirus. In: Mikrobiologische Diagnostik, herausgegeben
von Burkhardt, F., Georg Thieme Verlag, Stuttgart, (1992)
345–358.
5. Zeichhardt, H. and Grunert, H.-P., Enteroviruses:
Polioviruses, Coxsackieviruses, Echovoriuses and
Enteroviruses 68–71. In: Infectious Diseases, edited by
Armstrong, D. and Cohen, J., Mosby Harcourt Publishers,
London, Vol. 2, (1999) 8.3.1–8.3.12.
6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Polyomaviren
Erregerbezeichnung
JC und BK Virus (JCV und BKV)
Synonym
Keine.
Morphologie
Die ikosaedrischen Kapside (Durchmesser
45 nm) bestehen aus 3 viruskodierten Proteinen
(VP1, VP2, VP3) und umhüllen ein zirkuläres,
doppelsträngiges DNA Molekül, das mit den
zellulären Histonen H2A, H2B, H3 und H4 einen
Chromatin-ähnlichen Komplex bildet. Die 72
pentameren Kapsomere bestehen jeweils aus 5
Molekülen VP1 und wahrscheinlich einem Molekül VP2 oder VP3. Kalzium-Ionen werden für
die Virionstabilität benötigt.
Taxonomie
Polyomaviren werden als Familie der Polyomaviridae klassifiziert. Die humanpathogenen Polyomaviren JC und BK (bezeichnet mit den Initialen der Patienten, von denen sie erstmals
isoliert wurden) zeigen etwa 75% Sequenzho542
mologie und tragen typ- und gattungsspezifische Epitope. Die natürliche Immunantwort ist
weitgehend typspezifisch. Ein Drittel der Seren
von Erwachsenen enthalten Antikörper, die mit
einem B-lymphotropen Polyomavirus afrikanischer grüner Meerkatzen reagieren. Ein entsprechendes Polyomavirus des Menschen wurde noch nicht isoliert. Polyomaviren sind bei
Säugetieren weit verbreitet. Das Affenvirus
SV40 diente als wichtiges Modell in der Tumorvirologie.
Historie
Zwischen 1955 und 1961 wurde SV40 unabsichtlich als Kontamination von Polioimpfstoffen
auf Millionen Menschen übertragen. 1965 gelang die Darstellung von Polyomaviruspartikeln
im Gehirn eines Patienten mit progressiver
multifokaler Leukoenzephalopathie (PML). JCund BK-Virus wurden erstmals 1971 aus einem
PML Gehirn bzw. aus dem Urin eines Transplantatempfängers isoliert.
Erkrankungen/Symptome
Primärinfektionen mit BKV und JCV verlaufen
meist, ebenso wie Reaktivierungen, klinisch
inapparent. Erkrankungen kommen in der Regel nur bei Immunkompromittierten vor.
Respiratorische Erkrankungen. Primärinfektionen mit BK-Virus können bei Kleinkindern
zu milden Erkrankungen des oberen Respirationstrakts führen.
Zystitis. Einige Fälle von Zystitis bei anderweitig gesunden Kindern könnten auf eine BK-Virus Primärinfektion zurückzuführen sein. Man
konnte Zellen mit charakteristischen zytopathogenen Effekten und Viruspartikel im Urin
der Patienten nachweisen.
Progressive multifokale Leukoenzephalopathie
(PML). Reaktivierung von JC-Virus kann PML
verursachen, eine subakut verlaufende, demyelinisierende Erkrankung des Zentralnervensystems, die fast ausschließlich bei Patienten
mit Immundefekten verschiedener Ursache
auftritt. Klinisch zeigen sich früh Sprach- und
Sehstörungen sowie geistiger Verfall. Die Erkrankung schreitet in der Regel rasch voran,
wobei es zu sensorischen Störungen, Inkontinenz, Erblindung und Lähmungen kommen
Polyomaviren
kann. Hirndruckzeichen und pathologische Liquorveränderungen sind nicht nachweisbar.
Der Tod tritt durchschnittlich drei bis sechs
Monate nach Erkrankungsbeginn ein; selten
überleben Patienten für wenige Jahre. Makroskopisch erkennt man im PML Gehirn subkortikal in der weißen Gehirnsubstanz Herde mit
fortgeschrittener Entmarkung und zentralen
Nekrosen. Entmarkungsherde können auch im
Kleinhirn und im Hirnstamm auftreten.
Hämorrhagische Blasenentzündung. Sie ist
wahrscheinlich auf eine Reaktivierung der persistierenden BK-Virusinfektion im Gefolge einer schweren Immunsuppression zurückzuführen. Vor allem bei Knochenmarktransplantatempfängern tritt zwei bis zwölf Wochen nach
Transplantation eine hämorrhagische Blasenentzündung auf, die mehr als 7 Tage andauern
kann und oft mit einer BK-Virurie einher geht.
Ureterstenosen. Sowohl BK- als auch JC-Virus
wurden mit Ureterstenosen als seltener und
später Komplikation bei immunsupprimierten
Transplantatempfängern in Verbindung gebracht.
Maligne Tumoren. Es gibt keine endgültigen
Beweise, dass eines der beiden Polyomaviren
Krebs verursacht oder als Kofaktor agiert, obwohl die DNAs beider Viren in einer Reihe
menschlicher Tumoren nachgewiesen werden
konnten. So wurde JC Virus DNA in menschlichen Gehirntumoren unterschiedlicher Histologie, z.B. in Medulloblastomen, detektiert. BKVirus DNA wurde in zahlreichen Studien in verschiedenen menschlichen Tumoren unter anderem des Gehirns (wie z.B. Neuroblastom, Glioblastom, Astrozytom, Meningiom), und der
Harnwege gefunden. Ähnlich unklar ist die Bedeutung des Nachweises von SV40-ähnlichen
Sequenzen mittels PCR in Mesotheliomen,
Ependymomen und Osteosarkomen. In den Tumoren wurden SV40 T-Antigen und in den Patientenseren SV40 T-Antigen-spezifische Antikörper identifiziert.
Differenzialdiagnose
Vor allem beim HIV-infizierten Patienten mit
neurologischen Symptomen ist neben PML zu
denken an Lymphome, Toxoplasmose und HIV
Enzephalitis. Polyomavirus-infizierte Zellen im
Urin können als Cytomegalovirus-infizierte
Zellen oder Krebszellen fehlinterpretiert werden.
Labordiagnostik
Direkter Virusnachweis. Die Virusisolierung ist
als Routineverfahren zu aufwändig. Die elektronenmikroskopische Darstellung von Viruspartikeln im Urin und in den Kernen von Oligodendrozyten bei PML ist möglich. Virales T-Antigen lässt sich in Paraffinschnitten von Biopsiebzw. Autopsiematerial immunhistochemisch
identifizieren. Der Nachweis viraler DNA in
PML Gehirnbiopsien erfolgt mittels Southern
Blot Hybridisierung, in situ Hybridisierung
oder PCR. Bei PML kann virale DNA auch im Liquor gefunden werden. Reaktivierung von BKV
und JCV kann im Urinsediment durch den
Nachweis von Virus-Antigen und DNA diagnostiziert werden. Dafür wurden sowohl Antigen-ELISAs als auch Sonden zur Nukleinsäurehybridisierung und PCR entwickelt.
Serologie. Der Nachweis von virusspezifischen
Antikörpern der Klasse IgM und IgG ist ohne
Bedeutung wegen der hohen Durchseuchung
und fehlender Titerbewegungen im Krankheitsverlauf. Während einer PML sind JCV Antikörper im Allgemeinen nicht im Liquor nachweisbar.
Pathologie und Histopathologie. Symptome einer asymmetrischen, multifokalen Gehirnerkrankung ohne Hirndruckzeichen bei immunkompromittierten Patienten sprechen für PML.
Computertomographie oder Magnetresonanzverfahren können die Diagnose stützen. Histologisch erkennt man im Umfeld von Entmarkungszonen vergrößerte Oligodendrocyten mit
geschwollenen Kernen und Einschlusskörpern,
im Zentrum Verlust von Myelin und Oligodendrogliazellen, Makrophagen und stark vergrößerte Astrozyten mit polymorphen, hyperchromatischen Kernen. Virusinfizierte Harnleiterepithelzellen im Urin sind vergrößert und
zeigen große, homogene, basophile Einschlusskörper im Kern aber nicht im Zytoplasma.
Therapie
Bei Polyomavirus-induzierten Krankheitsbildern sollte, soweit möglich, eine immunsup543
P
Polyomaviren
pressive Therapie unterbrochen oder reduziert
werden. Versuche zur antiviralen Chemotherapie der PML mit Basenanaloga wie Adeninarabinosid oder Zytosinarabinosid führten in wenigen Fällen zu teilweiser Remission.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
BK- und JC-Virus dringen wahrscheinlich über
den Respirationstrakt in den Körper ein, vermehren sich lokal und verbreiten sich durch
eine Virämie. Nach einer Replikation in Zielorganen folgt im immunkompetenten Wirt eine
lebenslange, latente Persistenz in der Niere,
wahrscheinlich in peripheren Blutlymphozyten
und im Gehirn. Virusreaktivierung, gekennzeichnet durch massive Virusausscheidung im
Urin beobachtet man vor allem bei T-Zelldefekten. Klinische Manifestationen sind das Ergebnis der Zerstörung produktiv infizierter Zellen.
Im Laufe der persistierenden Infektionen
kommt es zu Rearrangements in der Transkriptionskontrollregion der Genome, die den Zelltropismus und die Replikation der viralen DNA
verändern können, im Falle von JCV zum Beispiel die Fähigkeit, in Zellen des zentralen Nervensystems zu wachsen. Es besteht aber keine
exakte Korrelation zwischen Rearragements
und PML, so dass wahrscheinlich noch weitere
Wirtsfaktoren hinzukommen. Die Fähigkeit der
Polyomaviren bei abortiver Infektion Nagerzellen und bestimmte menschliche Zellen onkogen
zu transformieren, könnte für die Induktion
von Tumoren relevant sein. Eine ausbleibende
Virusreplikation verhindert die Lyse der infizierten Zellen und die kontinuierliche Expression des T-Antigens könnte zur Zelltransformation beitragen. Eine wichtige Rolle spielt hierbei
die Interaktion mit den zellulären Tumorsuppressorproteinen p53 und pRb (Retinoblastom).
Jedoch wurden weder JCV noch BKV regelmäßig in menschlichen Tumoren nachgewiesen.
Polyomaviren sind im immunkompetenten
Menschen nahezu apathogen. In Fall von JCV
existiert neben einem Hauptserotyp eine weitere antigene Variante, während BKV in vier Serotypen eingeteilt werden kann.
Transmission
Die weite Verbreitung der Polyomaviren in der
Bevölkerung spricht für eine effiziente Übertra544
gung, die wahrscheinlich über den Respirationstrakt erfolgt. Die Viren werden häufig im
zweiten und dritten Trimester der Schwangerschaft klinisch inapparent reaktiviert und im
Urin ausgeschieden. Mit Hilfe der sensitiven
PCR-Methode konnte BKV DNA in einem hohen Prozentsatz bei abortiven Feten nachgewiesen werden, so dass eine diaplazentare Übertragung möglich scheint.
Vermehrung und Inkubationszeit
BKV repliziert in menschlichen Epithelzellen,
wie embryonalen Nieren-Zellen, und humanen
Fibroblasten Kulturen. Zytopathogene Effekte
treten oft erst nach einigen Wochen auf; der
Nachweis von BKV T-Antigen erlaubt eine Diagnose in wenigen Tagen. JCV wächst am besten
in Kulturen primärer fötaler menschlicher Gliazellen, die reich sind an Spongioblasten.
Resistenz
Polyomaviren sind resistent gegenüber Lipidlösungsmitteln und relativ resistent gegenüber
Hitzeinaktivierung.
Immunantwort
Infizierte Personen bilden neutralisierende Antikörper gegen Polyomaviren. Im Laufe einer
PML bleiben die JCV Antikörpertiter unauffällig und sind im Allgemeinen nicht im Liquor
nachweisbar. Einer intakten T-Zell-vermittelten
Immunität kommt besondere Bedeutung bei
der Unterdrückung der Reaktivierung zu.
Wirtsbereich
BKV und JCV infizieren natürlicherweise nur
den Menschen. Experimentelle Infektionen von
Nagetieren und Neuweltprimaten führen zu
verschiedenen Tumoren.
Risikogruppen
Ernste klinische Symptome treten praktisch
ausschließlich bei Patienten mit Grunderkrankungen, insbesondere Defekten der zellvermittelten Immunität auf. Die PML liegt inzwischen
bei 4% der AIDS-Patienten mit neurologischen
Symptomen vor. Sie tritt als Komplikation auf
bei Patienten mit Hodgkins Erkrankung, chronisch lymphatischer Leukämie, Sarkoidose, Tuberkulose, angeborenen primären Immundefekten und nach lange andauernder, iatrogener
Immunsuppression.
Pongola Virus
Epidemiologie
Konsiliarlabor for Polyomaviren
Primärinfektionen mit BKV und JCV erfolgen
in der Kindheit, und zwar früher mit BKV als
mit JCV. Die Durchseuchungsrate von Erwachsenen für BKV liegt weltweit zwischen 80% und
100%, bei JCV zwischen 50% und 75%.
Frau Dr. K. Dörries; Institut für Virologie und
Immunbiologie der Universität Würzburg,
Versbacher Str. 7, 97078 Würzburg; Tel.: 0931 /
201-3965, -3962; Fax: 0931 / 201-3934, E-Mail:
[email protected]
Genetik
Elektronenmikroskopische Erregerdiagnostik
(EM-Schnelldiagnostik)
Das ca. 4700 bis 5300 Basen-Paare große, virale
Genom liegt zirkulär vor. Eine 350–400 Nukleotide lange, nicht-kodierende Region enthält den
Ursprungspunkt der bidirektionalen DNA Replikation und Kontrollelemente der Transkription. Frühe und späte Gene werden auf unterschiedlichen DNA Strängen kodiert und in der
Kontrollregion beginnend in entgegengesetzter
Richtung transkribiert. Unterschiedliches Spleißen der weitgehend überlappenden mRNA Moleküle führt in der Frühphase des Replikationszyklus zu den Proteinen T und t, die wesentlich
sind für die virale Replikation und Transkription sowie für die Zelltransformation. Die spät im
Replikationszyklus transkribierten mRNAs kodieren für die Strukturproteine VP1–3 und das
so genannte Agnoprotein, das eine Rolle bei der
Virusreifung spielt. (Accession-Nummer für
JCV: J02226; Accession-Nummer für BKV:
J02038)
Herr Dr. H.R. Gelderblom, Robert-Koch-Institut,
Nordufer 20, 13353 Berlin, Tel.: 030 / 4547-2337,
Fax: 030/4547-2605, E-Mail: [email protected]
Web-Adressen
http://www.tulane.edu/~dmsander/WWW/
335/Papovaviruses.html
The International Committee on Taxonomy of
Viruses: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/ICTV/
National Center of Biotechnology Information:
http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
All the virology on the WWW:
http://www.virology.net
Institut für Virologie und Immunbiologie der
Universität Würzburg:
http://www.zv.uni-wuerzburg.de/
forschungsbericht/register/a_zpers.htm
Polyomavirus –Seite der TU Darmstadt:
http://biosun.bio.tu-darmstadt.de/viro/
papova/sld001.htm
Schlüsselliteratur
Prävention
Da Polyomavirusinfektionen bei immunkompetenten Menschen in der Regel inapparent
oder zumindest harmlos verlaufen, wurden keine Präventionsstrategien entwickelt.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Es wurden keine besonderen Strategien zur
Krankheitsvorbeugung und Kontrolle entwickelt.
Meldepflicht
Infektionen mit JCV und BKV stellen keine meldepflichtige Erkrankung dar.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Es existiert in Deutschland kein nationales Polyomavirusreferenzzentrum.
1. Frisque, R.J. JC and BK viruses (Papovaviridae). In:
Encyclopedia of Virology, 2nd Edition, Granoff, A,
Webster, R.G. (eds) Academic Press, San Diego, London,
Vol. 2, (1999) 876–883.
2. Cole, C.N., Shah, K.V. Polyomavirinae: The viruses and
their replication., Polyomaviruses. In: Virology, 3rd
Edition, Fields, B.N., Knipe, D.N., Howley, P.M. (eds)
Lippincott-Raven, Philadelphia, New York, Vol. 2, (1996)
1997–2043.
3. Reploeg, M.D., Storch, G. A. and Clifford, D.B. BK Virus: A
clinical review. Clinical Infectious diseases, Vol. 33, (2001)
191–202.
4. Demeter, L.M. JC, BK, and other Polyomaviruses;
progressive multifocal leucoenzephalopathie. In:
Principles and Practice of Infectious Diseases, 4th Edition,
Mandell, G.L., Bennett, J.E., Dolin, R.(eds), Churchill
Livingstone, New York, Edinburgh, London, Madrid,
Melbourne, Milan, Tokio, Vol. 2, (1995) 1400–1406.
5. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Pongola Virus
Bunyaviren
545
P
Porphyromonas
Porphyromonas
Erregerbezeichnung
Porphyromonas
Synonym
Bacteroides-melaninogenicus-Gruppe
Morphologie
Gramnegative, obligat anaerobe, nicht sporenbildende, unbewegliche Stäbchen oder kokkoide Stäbchen mit einer Größe von 0,5–
0,8 µm×1–3,5 µm, manchmal bis zu 6 µm lang.
Taxonomie
Familie: Bacteroidaceae
Genus:
Porphyromonas
Spezies: P. asacchorolytica, P. catoniae,
P. circumdentaria, P. endodontalis, P. gingivalis, (ausschließlich tierpathogen: P. cangingivalis, P. canoris, P. cansulci, P. crevioricanis, P. gingivicanis, P. gulae, P. levii, P. macacae)
Erkrankungen/Symptome
P. assacharolytica wurde bei einer Vielzahl von
Infektionen aus Blut, Amnionflüssigkeit, Nabelschnurblut, Empyemen, peritonealen und pelvinen Abszessen, Endometritis und Wunden isoliert. Meistens handelte es sich hier allerdings
um Mischinfektionen ähnlich wie bei den Bacteroides-Arten. Sehr selten ist der Nachweis dieser Art bei Infektionen im Mundbereich. Im Gegensatz hierzu spielen P. endodontalis und
P. gingivalis bei Infektionen der Gingiva und
des Wurzelkanales im Rahmen der Periodontitis beim Erwachsenen eine herausragende Rolle.
P. gingivalis wurde auch verschiedentlich im
Material von extraoralen Infektionen (Appendicitis und Peritonitis) nachgewiesen. Porphyromonas spp. tierischen Ursprunges können in
Zusammenhang mit Tierbissverletzungen beim
Menschen isoliert werden. P. levii-ähnliche Arten wurden verschiedentlich bei Hautinfektionen und Osteomyelitisvon Diabetikern beschrieben.
Differenzialdiagnose
Historie
Schwarzpigmentierte
Bacteroides-ähnliche
Bakterien wurden erstmals von Oliver und
Wherry 1921 beschrieben und aufgrund der Annahme, dass dieses auf Blutagar gebildete Pigment Melanin sei, Bacteroides melaninogenicus
benannt. Obwohl über 50 Jahre zahlreiche biochemisch heterogene Varianten beschrieben
wurden, blieb es bei der einen Species mit verschiedenen Subspezies. Die nichtfermentierenden Unterarten wurden 1974 als B. melaninogenicus ssp. asaccharolyticus in Bergey's Manual
geführt, allerdings kurz darauf in Speziesrang
erhoben und schließlich 1988 durch Shah und
Collins mit 3 Spezies als Genus Porphyromonas
vorgeschlagen. Bis zum heutigen Tag sind eine
Reihe neuer Spezies – hauptsächlich aus dem
Zahnbereich von verschiedenen Tierarten –
hinzugekommen, als letztes die Spezies P. [Oribaculum] catoniae. Es ist zu erwarten, dass
noch weitere Spezies, vor allem aus dem veterinärmedizinischen Bereich hinzukommen werden. P. macacae ist identisch mit P. salivosa, wobei letztere Speziesbezeichnung aufgrund der
Anciennität zugunsten von P. macacae aufgegeben wurde.
546
Abszess, Periodontitis, intraabdominelle Infektionen.
Labordiagnostik
Kolonien auf Blutagar erreichen nach 2tägiger
Bebrütung bei einer optimalen Wachstumstemperatur von 37°C eine Größe von 1–3 mm. Die
Kolonien sind glatt, gelegentlich rauh, glänzend, konvex und nehmen nach Bebrütung von
6–10 Tagen vom Rande her eine schwarze Verfärbung an. Die Schwärzung beruht auf der Produktion von Protohämin. Das Wachstum wird
durch Proteosepepton, Trypticase und Hefeextrakt gefördert. Alle Arten sind Indol-positiv,
Nitrat wird nicht zu Nitrit reduziert, ebenso
werden Stärke und Eskulin nicht hydrolisiert.
Die Hauptfermentationsprodukte sind n-Butyrat und Acetat, in geringerem Umfang Propionat, Isobutyrat und Isovaleriat. Das typische
Enzymmuster entspricht dem von Prevotella,
d.h. es sind sowohl Malat- und Glutamatdehydrogenase vorhanden, während Glukose-6phosphat- und Phosphogluconatdehydrogenase fehlen. Geringe proteolytische Aktivität. Die
Speziesdifferenzierung erfolgt vor allem durch
die unterschiedlichen Fermentationsendprodukte mit Hilfe der Gaschromatographie.
Porphyromonas
Therapie
Die Antibiotikaempfindlichkeit ist vergleichbar
mit der von Prevotella spp. mit außerordentlich
guter Sensitivität gegenüber Metronidazol,
Clindamycin, Penemen sowie allen β-Laktam/
β-Laktamase-Inhibitor-Kombinationen. P. gingivalis ist besonders empfindlich, z.B. auch gegen Penicillin, während die von Tieren stammenden Arten in 20–25% β-Laktamase-positiv
sind.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Aufgrund der Tatsache, dass lediglich für P. gingivalis im Gegensatz zu P. asaccharolytica und
P. endodontalis im Tierversuch generalisierte
Infektionen mit hoher Letalität nachgewiesen
werden konnten, beschränkte sich die Untersuchungen zu Virulenz- und Pathogenitätsfaktoren auf diese Spezies. Doch sind bis heute die
Pathogenitätsmechanismen, die für die Initiierung und Ausbildung von Periodontalinfektionen verantwortlich sind, bei weitem nicht aufgeklärt. Bei diesem multifaktoriellen Geschehen
scheinen vor allem Oberflächenkomponenten
wie Fimbrien, Hämagglutinine, Kapselbestandteile und Lipopolysaccharide sowie eine Reihe
von gewebezerstörenden Enzymen wie Kollagenasen, Proteinasen, Heparinasen und Nukleasen eine Rolle zu spielen.
Transmission
Die meisten Porphyromonas-assozierten Zahninfektionen sind endogenen Ursprungs, während die beim Tier vorkommenden Arten meist
durch Bissverletzungen übertragen werden.
Vermehrung und Inkubationszeit
ren) nachgewiesen, wobei eine Reihe dieser Keimarten noch nicht genau taxonomisch eingeordnet sind. Während P. endodontalis und
P. gingivalis fast ausschließlich bei Menschen
mit Gingivitis bzw. Endodontitis im Subgingival- und Zahnwurzelbereich nachweisbar ist,
kann P. assacharolyticus auch beim Gesunden
in vielen anderen Körperregionen, wie Gehörgang, Gastrointestinaltrakt, Zervix und Genitale
nachgewiesen werden. P. endodontalis und
P. gingivalis kommen erst nach Ausbildung der
permanenten Zähne in der Mundhöhle vor, wobei sie beim Gesunden aufgrund der sehr geringen Keimzahl selten nachweisbar sind.
Risikogruppen
Keine spezifischen Risikogruppen bekannt.
Epidemiologie
Es liegen nur in beschränktem Umfang Daten
zur Epidemiologie vor.
Genetik
Nukleotidsequenzen ca. 311, Proteinsequenzen
ca. 418, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/entrez/
query
Prävention
Es sind keine spezifischen Präventionsmaßnahmen bekannt.
P
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Nicht bekannt.
Meldepflicht
Keine.
Nicht bekannt.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Resistenz
Konsiliarlaboratorium für anaerobe gramnegative Stäbchen, Abteilung für Medizinische Mikrobiologie, Hygieneinstitut Universität Tübingen, Silcherstr. 7, 72076 Tübingen (Herr Prof.
Dr. I. B. Authenrieth, Frau Priv. Doz. Dr. med.
Schumacher)
Aminoglykoside und Colistin.
Immunantwort
Nicht bekannt.
Wirtsbereich
Porphyromonas-Arten werden, außer beim
Menschen, bei einer Vielzahl von Tierspezies
(Katzen, Hunde, Affen, Jaguare, Pferde, Schweine, Meerschweinchen und weiteren Herbivo-
Web-Adressen
http://www.cbs.dtu.dk/services/GenomeAtlas/
Bacteria/Porphyromonas/gingivalis/W83/
http://www.pgingivalis.org/
547
Posadasia esteriformis
Schlüsselliteratur
Morphologie
1. Jousimies-Somer, H.R. (1995): Update on the taxonomy
and the clinical and laboratory characteristics of
pigmented anaerobic gram-negative rods. Clin. Infect. Dis.
20(Suppl.2): S187–191.
2. Paster, B.J., F.E. Dewhirst, I. Olsen, G.J. Fraser (1994):
Phylogeny of Bacteroides, Prevotella, and Porphyromonas
spp. and related bacteria. J. Bacteriol. 176:725–732
3. Mayrand, D., S.C. Holt (1988): Biology of asaccharolytic
black-pigmented Bacteroides species. Microbiol. Rev.
52:134–152.
4. Shah, H.N., M.D. Collins (1988): Proposal for
reclassification of Bacteroides asaccharolyticus,
Bacteroides gingivalis, and Bacteroides endodontalis in a
new genus, Porphyromonas. Int. J. Syst. Bacteriol. 38:128–
131
5. Shah, H.N.: The genus Porphyromonas. In: Balows, A., H.
G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H. Schleifer (Hrsg.)
The Prokaryotes. 2. Auflage, Springer Verlag, New York,
Berlin, Heidelberg, 1991.
Strikt anaerobe, gramnegative, nicht sporenbildende, unbewegliche, pleomorphe Stäbchen mit
einer Größe von 0,5–0,7 µm × 1–5 µm, filamentöse Formen können eine Länge bis zu 15 µm erreichen.
Taxonomie
Familie: Bacteroidaceae
Genus:
Prevotella
Spezies: P. bivia, P. buccae, P. buccalis, P. corporis, P. dentalis, P. denticola, P. disiens, P. enoeca, P. heparinolytica, P. intermedia, P. loescheii,
P. melaninogenica, P. nigrescens, P. oralis, P.
oris, P. oulora, P. pallens, P. tannerae, P. veroralis. (Nur tierpathogen: P. albensis, P. brevis, P.
bryantii, P. ruminicola).
Historie
Post-Transfusionshepatitis Non-ANon-B-Virus
Ursprünglich als Untergruppe B. melaninogenicus-oralis Teil der Bacteroides-Gruppe, wurden
ein Teil der o.g. Spezies 1990 von Shah und Collins in die neue Gattung Prevotella überführt.
(Vgl. Historie Bacteroides). P. dentalis wurde
1986 erstmals als Mitsuokella dentalis beschriebenen und 1995 der Gattung Prevotella zugeordnet.
Hepatitis C Virus
Erkrankungen/Symptome
Posadasia esteriformis
Coccidioides immitis
Powassan-Virus
Flaviviren, seltene humanpathogene
Poxvirus hominis
Variola- und Vacciniavirus
Prevotella
Erregerbezeichnung
Prevotella
Synonym
Bacteroides melaninogenicus-oralis Gruppe
548
Entsprechend ihrem normalen Standort im
menschlichen Oropharynx spielen Prevotella
spp. eine Rolle bei dentoalveolären bzw. periodontitischen Infektionen (eine prominente Rolle wird besonders P. intermedia zugeschrieben)
sowie bei der Entstehung von Karies. Bei Aspirationspneumonien und Lungenabszessen sind
ebenfalls regelmäßig Vertreter dieser Keimgruppe nachweisbar. Neben weiteren Anaerobiern der Mundflora ist eine Mitbeteiligung von
P. intermedia bei schwerer Pharyngotonsillitis
im Rahmen einer infektiösen Mononukleose
wahrscheinlich. Die Kommensalen des weiblichen Urogenitaltraktes P. bivia und P. disiens
sind mögliche Mitversursacher von Endometritis und Adnexitis. Verschiedene Prevotella-Arten sind weiterhin als Erreger von Septikämien,
bei ödematöser nekrotisierender Fasziitis, sowie P. intermedia in Zusammenhang mit Katheter-assozierten
oberflächlichen,
eitrigen
Thrombophlebitiden beschrieben.
Prevotella
Differenzialdiagnose
Periodontitische Prozesse, Pharyngotonsillitis,
Aspirationspneumonie, Endometritis, nekrotisierende Fasziitis, intraabdominelle eitrige Erkrankungen.
Labordiagnostik
Kolonien auf Blutagar haben nach 2tägiger Bebrütung einen Durchmesser von 1–2 mm und
sind meist glattrandig, konvex, glatt und leicht
glänzend. Ihre Farbe ist variabel von grau über
leicht braun bis tiefschwarz. Hämolyse auf Blutagar ist variabel. Optimale Wachstumstemperatur ist 37°C, einige Stämme wachsen allerdings auch bei 25°C bzw. 45°C. Das Wachstum
der meisten Arten wird in Gegenwart von 6,5%
NaCl und 20% Galle gehemmt. Die meisten Arten benötigen zum Wachstum Hämin und Menadion-Zusatz (BM-Medium). Die hauptsächlichen Fermentationsprodukte sind Acetat und
Succinat, sowie in geringerer Menge Isobutyrat,
Isovaleriat und Laktat. An speziellen Enzymen
sind vorhanden Malat- und Glutamatdehydrogenase, dagegen fehlen die beim Genus Bacteroides vorkommenden Glukose-6-phosphat- und
6-Phosphogluconatdehydrogenase. Meist Indol-negativ, Nitrat wird nicht zu Nitrit reduziert, eingeschränkte Aminosäure-Fermentation. Nichthydroxylierte und 3-hydroxylierte
Fettsäuren sind nachweisbar.
Die Speziesdifferenzierung erfolgt mit Hilfe von
Kohlenhydratverwertungs- bzw. dem gaschromatographischen Fettsäuremuster.
Therapie
Die Antibiotika-Empfindlichkeit entspricht
weitgehend der der Gattung Bacteroides. Hochwirksam sind Metronidazol, Peneme, Clindamycin, Cefoxitin und alle β-Laktam/β-Laktamase-Inhibitor-Kombinationen. Bei den Makroliden zeichnen sich die neueren Substanzen
gegenüber dem herkömmlichen Erythromycin
durch eine etwas bessere Wirksamkeit aus. Interessant ist die gerade im zahnärztlichen Bereich bedeutsame Behandlung mit lokal wirksamen Substanzen. So zeigen bestimmte ätherische Öle (Teebaumöl, Pfefferminzöl) eine deutliche antibakterielle Aktivität gegen diese oralen
Bakterien.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Bislang liegen zu spezifischen Virulenzfaktoren
von Prevotella spp. nur sehr wenige Untersuchungen vor, sie dürften aber den bekannten
Faktoren der Bacteroides-Gruppe, wie extrazelluläre Polysaccharidkapsel, Outer-membraneProteine (OMP) und Lipopolysaccharide mit
Endotoxinaktivität entsprechen. Bei P. buccae
ist als spezielle Adhäsionsstruktur bzw. als äußere Schutzschichte ein so genanntes S-Layer,
das aus Proteinen und Glykoproteinen aufgebaut ist, beschrieben. Weiterhin ist bei verschiedenen Prevotella- und Porphyromonas-Arten
eine IgA1-Protease, der eine Funktion bei der
Invasion IgA-tragender Schleimhäute zugeordnet wird, nachgewiesen. Zusammen mit F. nucleatum scheint P. intermedia eine besondere
pathophysiologische Bedeutung bei der Entstehung der akuten eitrigen A-Streptokokken-bedingten Pharyngotonsillitis und der akuten eitrigen Tonsillitis im Kindesalter zu spielen.
Transmission
Keine speziellen Übertragungswege bekannt, da
es sich in den allermeisten Fällen um endogene
Infektionen handelt.
Vermehrung und Inkubationszeit
Nicht bekannt.
P
Resistenz
Natürlicher Resistenz gegen Aminoglykoside
und Colistin und einem Anteil von β-Laktamasebildenden Stämmen von ca. 60%. Bei genaueren Untersuchungen stellte man in letzter Zeit
fest, dass wahrscheinlich alle P. melaninogenica-Stämme β-Laktamase bilden, ohne dass der
genaue Anteil an Penicillin-resistenten Stämmen bestimmt werden konnte.
Immunantwort
Ausbildung spezifischer nicht-protektiver Antikörper bei der Infektion.
Wirtsbereich
Mit Ausnahme von P. ruminicola, dessen natürlicher Standort der Intestinaltrakt von Wiederkäuern ist, sowie P. bivia und P. disiens, die im
weiblichen Urogenitaltrakt nachgewiesen werden, sind die übrigen Prevotella-Arten bislang
549
Prione
ausschließlich im Oropharyngealbereich des
Menschen isoliert worden. Die Besiedelung findet bereits beim Neugeborenen statt und ist
beim Gesunden lebenslang in weitgehend
gleichbleibender Keimzahl vorhanden. Einige
Beobachtungen scheinen darauf hinzuweisen,
dass P. nigrescens eher in der Mundhöhle des
Gesunden nachzuweisen ist, während P. intermedia vorwiegend bei Patienten mit Periodontalerkrankungen auftritt.
Risikogruppen
Als Risikofaktor für Infektionen mit Prevotella
spp. sind, neben einer wohl genetisch determinierten Disposition (Zahnerkrankungen), in erster Linie Immundefekte, Störung der physiologischen Mundflora (mangelhafte Mundhygiene,
künstliche Zähne) und invasive Eingriffe mit
Durchtrennung der Haut (katheterassoziierte
Thrombophlebitis) und Schleimhäute anzusehen.
Epidemiologie
Es liegen keine größeren Untersuchungen zur
speziellen Epidemiologie von Prevotella spp.
vor.
Web-Adressen
http://www.bacterio.cict.fr/p/prevotella.html
http://www.dsmz.de/bactnom/nam3812.htm
http://www.dsmz.de/species/gn304035.htm
http://www.bacteriamuseum.org/species/
prevotella.shtml
Schlüsselliteratur
1. Jousimies-Somer, H.R. (1995): Update on the taxonomy
and the clinical and laboratory characteristics of
pigmented anaerobic gram-negative rods. Clin. Infect. Dis.
20(Suppl.2): S187–191.
2. Paster, B.J., F.E. Dewhirst, I. Olsen, G.J. Fraser (1994):
Phylogeny of Bacteroides, Prevotella, and Porphyromonas
spp. and related bacteria. J. Bacteriol. 176:725–732
3. Shah, H.N., D.M. Collins (1990): Prevotella, a new genus to
include Bacteroides melaninogenicus and related species
formerly classified in the genus Bacteroides. J. Clin.
Microbiol. 40:205–208
4. Shah, H.N.: The genus Bacteroides and related taxa. In:
Balows, A., H. G. Trüper, M. Dworkin, W. Harder, K.-H.
Schleifer (Hrsg.) The Prokaryotes. 2. Auflage, Springer
Verlag, New York, Berlin, Heidelberg, 1991.
Prione
Erregerbezeichnung
Prion
Genetik
Nukleotidsequenzen ca. 94, Proteinsequenzen
ca. 185, http://www.ncbi.nlm.nih.gov/
Prävention
Neben allgemeinen mundhygienischen Maßnahmen gibt es keine spezielle Prävention für
Infektionen mit dieser Keimgruppe.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Nicht bekannt.
Meldepflicht
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Konsiliarlaboratorium für anaerobe gramnegative Stäbchen, Abteilung für Medizinische Mikrobiologie, Hygieneinstitut Universität Tübingen, Silcherstr. 7, 72076 Tübingen (Herr Prof.
Dr. I. B. Authenrieth, Frau Priv. Doz. Dr. med.
Schumacher)
550
Synonym
Scrapie-Erreger, PrPSc, Erreger/Agens der
transmissiblen spongiformen Enzephalopathien (TSE-Erreger/Agens), infektiöses Amyloid,
proteinaceous infectious particle
Morphologie
Kleinste Form der infektiösen Einheit nicht bekannt. Nach experimenteller Aufreinigung von
PrPSc aus infizierten Gehirnen ist eine FibrillenForm elektronen-mikroskopisch darstellbar
(SAF, scrapie associated fibrils bzw. prion rods).
In vivo im Gehirn teilweise Akkumulation von
PrPSc in pathognomonischen Amyloid Plaques
färberisch nachweisbar.
Taxonomie
Keine Daten verfügbar.
Historie
Die Geschichte der Prion-Erkrankungen geht
über 250 Jahre zurück. Damals wurde eine Er-
Prione
krankung des Schafes beschrieben, die sich
durch Erregbarkeit, Juckreiz, Desorientierung
und schließlich Lähmung und Tod äußerte. In
den letzten Jahrzehnten wurde Scrapie als Prototyp einer ganzen Reihe übertragbarer Krankheiten des Zentralnervensystems von Mensch
und Tier erforscht, die als übertragbare,
schwammartige Enzephalopathien (TSE) oder
Prion-Erkrankungen bezeichnet werden. Der
erste wichtige Fortschritt in der experimentellen Erforschung von Scrapie fand 1936 statt, als
Cuillé und Chelle zeigten, dass die Krankheit
durch Überimpfung von Rückenmark erkrankter Tiere auf gesunde Schafe und Ziegen übertragen werden kann. Es wurde auch bald erkannt, dass der Erreger ungewöhnliche Eigenschaften aufweist. Er ist extrem widerstandsfähig gegenüber den üblichen Desinfektions- und
Sterilisations-Verfahren. Zudem kann die Inkubationszeit außergewöhnlich lange dauern (viele Jahrzehnte). Zur Abgrenzung gegenüber
„klassischen“ Erregern wie Viren wurde deshalb 1982 von S.B. Prusiner die Bezeichnung
„Prion“ eingeführt (aus proteinaceous infectious particle).
Unabhängig von dieser Entwicklung wurde, beginnend vor etwa 80 Jahren, eine Anzahl langsam verlaufender degenerativer Krankheiten
des Zentralnervensystems des Menschen beschrieben, unter anderem die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD), das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS), Kuru und
jüngst die Fatale Familiäre Insomnie (FFI). Gajdusek publizierte die erste detaillierte Beschreibung von Kuru, was William Hadlow zu Spekulationen bewog, diese Krankheit könnte das
menschliche Gegenstück zu Scrapie sein. Er
schlug vor, Übertragungsexperimente auf Primaten durchzuführen. Dies gelang dann C. Gajdusek, der zunächst Kuru, später auch CJD und
GSS auf Affen übertragen konnte. Somit war der
infektiöse Charakter dieser neurodegenerativen
menschlichen Erkrankungen gezeigt. Prion-Erkrankungen sind somit einzigartig, da sie in 3
Manifestationen vorkommen können: infektiös-erworben, sporadisch und familiär/genetisch.
In den letzten Jahren ist vor allem in England
eine neue Prion-Erkrankung der Tiere epidemieartig aufgetreten: der Rinderwahnsinn (BSE;
Bovine Spongiforme Enzephalopathie). Man
führt dies auf die Verfütterung von aufgearbei-
teten Schlachtabfällen zurück, in denen sich
Überreste prion-infizierter Tiere befanden. Es
ist unklar, ob die Krankheit ursprünglich vom
Schaf oder von spontan erkrankten Rindern
ausging. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang war, ob der BSE-Erreger z.B. auf dem
Nahrungsmittelweg auf den Menschen übertragen werden kann. Tatsächlich trat ab 1995/96
ein neues CJD-Krankheitsbild im Vereinigten
Königreich auf: die neue Variante der CJD (nvCJD; manchmal auch als vCJD bezeichnet). Es
ist experimentell gesichert, dass der Erreger von
BSE und von nvCJD identisch ist. Beide lassen
sich deutlich von anderen Prion-Erregern (z.B.
sporadisches CJD) unterscheiden. Somit ist die
potenzielle Übertragbarkeit von BSE auf den
Menschen in Form von nvCJD nahezu bewiesen. Das Ausmaß dieser Übertragung ist allerdings derzeitig nicht abschätzbar.
Der verantwortliche Erreger scheint ohne Nukleinsäure im infektiösen Agens auszukommen.
Prionen setzen sich aus der pathologischen Isoform (PrPSc; vor allem β-Faltblatt Konformation) des normalen zellulären Prion Proteins
(PrPc; vor allem α-helikale Konformation) zusammen. Die Umwandlung der Konformation,
assoziiert mit völlig unterschiedlichen biochemischen Eigenschaften, stellt somit das entscheidende pathogenetische Grundprinzip dar.
Die zelluläre Funktion von PrPc ist bislang unklar. Versuche mit PrP knock-out Mäusen haben gezeigt, dass PrPc entbehrlich für den Organismus ist, und dass ohne PrPc keine Prion-Erkrankung entstehen kann.
Erkrankungen/Symptome
Krankheitsbild bei Schaf und Rind. Ein führendes Symptom bei Scrapie bei Schaf und Ziege ist
der Juckreiz, bei dem sich die Tiere das Wollkleid abscheuern (to scrape, abreiben; kranke
Tiere reiben sich aufgrund des auftretenden
Juckreizes an Bäumen und Pfählen wund). Die
Vielfalt der Symptome widerspiegelnd, hat die
Erkrankung in anderen Ländern andere Namen. In Deutschland z.B. Traber-Erkrankung
(wegen des gestörten Gangs), in Frankreich „la
Tremblante“ (Zitterkrankheit) und in China
„Sou Yiang“ (Juckreiz-Erkrankung). Es treten
Ruhelosigkeit, Schreckhaftigkeit, Zittern, Ataxien, Gangunsicherheiten und progressive
Schwäche auf. Diese Phase dauert 2 bis 5 Monate. Gegen Ende der Krankheit treten Schluck551
P
Prione
Tabelle 1
Prion-Erkrankungen beim Menschen
Idiopathisch
Erworben
Sporadische CJD (~90%)
Kuru
Familiäre CJD (~10%)
Iatrogene CJD
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom (GSS)
neue Variante der CJD (nvCJD/vCJD) Fatale Familiäre Insomnie (FFI)
lähmung, Abmagerung und Festliegen auf. Befallen werden in aller Regel Tiere ab dem 2./3.
Lebensjahr.
BSE als neue Seuche brach erstmals in Großbritannien aus, wo sie 1986 als eigenes Krankheitsbild erkannt wurde. An BSE sind bislang über
180.000 Tiere in Großbritannien klinisch erkrankt. Man geht davon aus, dass die Anzahl
der infizierten Tiere weit höher liegt (zwischen
800.000 und 1,2 Millionen) und dass ca. 730.000
Tiere in den menschlichen Nahrungskreislauf
eingegangen sind. Die Symptome entsprechen,
bis auf den fehlenden Juckreiz, denen von Scrapie. Diagnose, postmortale Histologie und abzugrenzende Differenzialdiagnosen sind analog
(beim Rind seit 2000 BSE-Teste als Reihentestungen). Die Inkubationszeit beim Rind beträgt 3 bis 5 Jahre, die Erkrankung selbst dauert
über mehrere Monate.
Weitere Erkrankungen aus dem Tierreich sind
die übertragbare Enzephalopathie von Zuchtnerzen (TME), die Chronic wasting disease
(CWD) bei Hirschartigen (Großhirsch, Maultierhirsch, Elch), die Exotic ungulate encephalopathy und die Feline Spongiforme Enzephalopathie (FSE). Die beiden letztgenannten Erkrankungen stehen im Zusammenhang mit der Verfütterung von infiziertem Tiermehl oder
Kadavern. Betroffen waren bis in das Jahr 1996
u.a. 76 Hauskatzen, 3 Pumas, 1 Tiger, 4 Geparden, 2 Ozelot, 6 Kudus, 1 Gemsbock, 1 Nyala, 2
Oryx-Antilopen, 6 Eland-Antilopen und 2 Ankole Cows in diversen Zoos und Privatzüchtungen.
Prion-Erkrankungen beim Menschen. Siehe
Tabelle 1.
Kuru. Im Hochland von Papua-Neuguinea wurde beim Fore-Stamm eine als Kuru oder „lachender Tod“ bezeichnete organische Nervenkrankheit angetroffen. Dabei handelt es sich um
eine damals endemische degenerative Erkrankung. Die Krankheit war in allen Altersgruppen
552
Hereditär
zu beobachten, am häufigsten aber unter erwachsenen Frauen und Kindern. In den besonders schwer betroffenen Siedlungen war das
Leiden für mehr als die Hälfte aller Todesfälle
verantwortlich. Die Erkrankung beginnt mit zerebellären Koordinationsstörungen, vor allem
mit Gangunsicherheit und Dysarthrie. Ein feiner Tremor, dem Kältezittern gleichend (Kuru
bedeutet Zittern in der Fore-Sprache), extrapyramidale Hyperkinesien, wie choreatiforme und
athetotische Bewegungen, sowie Aktionsmyoklonie sind neurologische Leitsymptome. Die
schließlich hochgradig kachektischen und dann
auch verwirrten Kranken sterben meistens
schon gegen Ende des ersten Jahres nach dem
Einsetzen der Symptome an ihrer Inanition, an
einer Aspirationspneumonie oder an den Folgen der durch die zunehmende Immobilität verursachten Dekubitalulzera.
Makroskopisch ist eine prominente Kleinhirnatrophie feststellbar. Mikroskopisch ist der Untergang der Purkinje- und Körnerzellen mit
starker Proliferation der Bergmann-Glia auffällig. Es finden sich Kuru-Plaques mit Amyloidablagerungen im Zentrum, das durch einen helleren granulären oder fibrillären Ring umgeben
ist. Die Vakuolisierung in der Kleinhirnrinde ist
nicht besonders ausgeprägt. Entzündliche Veränderungen fehlen vollkommen. Erstmals beschrieben haben dieses tödliche Leiden 1957
C.D. Gajdusek und V. Zigas. Zugezogen hatten
es sich die Betroffenen wahrscheinlich durch
eine bestimmte Form von rituellem Kannibalismus, bei dem die Gehirne von Verstorbenen als
Zeichen der Totenverehrung gegessen wurden.
Nach Christianisierung dieser Bergregion kam
es zum Erlöschen des kannibalistischen Rituals
und damit verbunden zur Elimination von Kuru. Aufgrund teilweise sehr langer Inkubationszeiten versterben immer noch vereinzelte KuruPatienten. Es ist aber zu keiner Erkrankung von
Personen gekommen, die nach dem Verbot des
Kannibalismus geboren waren.
Prione
Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung (CJD). Die Beschreibung dieser progressiven Nervenerkrankung stammt von H. G. Creutzfeldt (1920) und
A. M. Jakob (1921). Die Inzidenz dieser Krankheit ist gering, ein Fall pro einer Million Einwohner und Jahr. Die meisten Fälle treten sporadisch auf, obwohl fünf bis 15 Prozent familiär
mit einem autosomal-dominanten Vererbungsgang weitergegeben werden (kausal assoziiert
mit Mutationen im PrP-Gen). Überall auf der
Welt gibt es dadurch Regionen mit einer höheren Prävalenz, besonders jedoch heben sich Libyen, Nordafrika und die Slowakei hervor (genetische Formen). CJD ist nicht ansteckend, allerdings traten iatrogene Mensch-zu-Mensch
Übertragungen nach Kornea- und Dura-Transplantationen (über 100 Fälle) auf, bei denen das
Transplantat Infizierten entnommen worden
war. Einzelne Fälle wurden auch auf eine Übertragung durch unzureichend gesäuberte, neurochirurgische Instrumente und tiefe stereotaktische, intrazerebrale Elektroden zurückgeführt.
Weit mehr als 100 Fälle wurden bei Patienten
mit Panhypopituitarismus oder Infertilität beobachtet, die mit Wachstumshormonen substituiert wurden, welche aus Leichenhypophysen
gewonnen wurden.
Die Krankheit beginnt in der Regel im 50. oder
60. Lebensjahr; ein Beginn vor dem 40. Lebensjahr ist selten. Beide Geschlechter werden zu
gleichen Teilen befallen. Von den ersten Erscheinungen bis zum tödlichen Ende vergehen
im Allgemeinen nur wenige Monate, selten wenige Jahre (genetische Formen). Zu den regelmäßig auftretenden und oft ersten Symptomen
gehören psychische Auffälligkeit nach Art einer
Wesensveränderung mit Gereiztheit, Gleichgültigkeit, depressiver Verstimmung oder auch paranoiden Zügen. Prodromal können auch weit
weniger extreme Symptome, wie Schwindel, Gedächtnisschwäche und Angstzustände beobachtet werden. Bald werden grobe Leistungseinbußen erkennbar, so vor allem komplette Gedächtnis- und Merkfähigkeitsausfälle, ferner
Kritiklosigkeit und schließlich Orientierungsstörungen. Eine Aphasie, Agnosie, Alexie und
Apraxie können das Leistungsniveau zusätzlich
senken. Zerebelläre Störungen, wie Ataxie, Intentionstremor,
Dysdiadochokinese
und
Sprachstörungen, treten bis auf wenige Ausnahmen immer auf. Gleiches gilt für extrapyramidale Symptome, wie vor allem einer allgemei-
nen Bewegungsverarmung mit Rigor, Hypomimie und Tremor. Gelegentlich entwickeln sich
choreatische und athetotische Hyperkinesen.
Nahezu immer treten Myoklonien auf, die sich
durch äußere Reize steigern lassen. Auch Sehstörungen mit unregelmäßigen Gesichtsfeldausfällen oder eine homonymen Hemianopsie
werden beobachtet.; teilweise kommt es zur
kortikalen Erblindung. Die terminale Phase ist
durch tiefgreifende Demenz, Dezerebration, Bewegungsunfähigkeit und Einschränkung auf die
vegetativen
Funktionen
charakterisiert.
Schließlich tritt bei den hilflosen und marantischen Kranken ein Greif- und Saugreflex auf.
Generell werden drei Hauptdifferenzierungen
aufgrund der Symptomatik vorgenommen. Die
Brownell-Oppenheimer-Variante, die durch
prominente zerebelläre Läsionsmale ausgezeichnet ist, die Heidenhain-Variante, die durch
Sehstörungen und weitere Läsionszeichen der
Hinterhauptlappen charakterisiert ist und die
amyotrophische Variante, bei der Pyramidenbahn- und Denervationszeichen im Vordergrund stehen.
Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom
(GSS). Das Gerstmann-Sträussler-ScheinkerSyndrom (GSS) wurde erstmals 1936 vom Nervenarzt J. G. Gerstmann zusammen mit seinen
Mitarbeitern E. Sträussler und I. Scheinker beschrieben. Es handelt sich hierbei um eine seltene, hereditäre, autosomal-dominante spinozerebelläre Degeneration. Die Patienten entwikkeln in der Lebensmitte Symptome einer progredienten zerebellären Dysfunktion, die durch
Schwanken, Ungeschicktheit, Koordinationsstörungen und zunehmende Gangstörung deutlich wird. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung verschlimmern sich die zerebellären Symptome und schließen setzen Ataxie, Dysarthrie
und Nystagmus ein. Aufgrund der in manchen
Fällen auftretenden Stammhirnbeteiligung wird
der Eindruck vermittelt, dass die Patienten unter einer olivopontizerebellären Degeneration
leiden. Einige Patienten entwickeln zusätzlich
Parkinson -ähnliche, pyramidale und extrapyramidale Symptome, Hörverlust, Blindheit und
Blicklähmung. Im Unterschied zu ihrem Überwiegen bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung
sind Demenz und Myoklonien entweder gar
nicht vorhanden oder nur gering ausgeprägt
553
P
Prione
und werden von der Kleinhirndysfunktion
überdeckt.
Histopathologisch besteht die übliche spongiforme Degeneration der Neurone, mit einer
ausgeprägten Fasergliose im Bereich des Kleinhirns, der Großhirnrinde und des Stammhirnes.
Das Vorkommen von Amyloid-Plaques in all
den oben genannten Bereichen ist für das Gerstmann-Sträussler-Scheinker-Syndrom ein prominentes Merkmal. Das EEG zeigt im Normalfall eine diffuse Verlangsamung, aber keine periodischen Dysrhythmien, wie bei der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Molekulargenetische
Untersuchungen der Familien mit GSS-Syndrom ergaben regelmäßig Mutationen des PrPGens.
Fatale Familiäre Insomnie (FFI). Die tödliche
familiäre Insomnie wurde 1986 von Lugaresi,
Medori und Gambetti entdeckt. FFI ist eine
rasch progrediente autosomal-dominante Erkrankung mit einer Lebenserwartung von sechs
bis 36 Monaten nach Diagnosestellung. Diese
Erkrankung des mittleren oder späteren Lebensalters zeichnet sich durch nicht zu beeinflussende Insomnie, eine Steigerung des Sympathikotonus und andere autonome und endokrine Störungen aus. Dysarthrie und Störungen
des motorischen Systems einschließlich Myoklonie, Tremor, Ataxie, Hyperreflexivität und
Spastik sind charakteristisch. Die Demenz ist
nicht vorherrschend, obwohl eine leichte Gedächtnis- und Konzentrationsschwäche häufig
vorkommt. Die Patienten haben oft komplexe
Halluzinationen im Sinne von Wahrnehmungsanomalien. Eine Vielzahl pathologischer endokriner Veränderungen können vorkommen,
beispielsweise ein Verlust der zirkadianen
Schwankungen der Melatonin-, Prolaktin- und
Wachstumshormon-Sekretion, eine verminderte ACTH-Ausschüttung und eine erhöhte Kortisol-Sekretion. Histopathologisch sind eine
Atrophie und Gliose spezifischer Thalamuskerne, der Kleinhirnrinde und der unteren Olive typisch. Bei einem Patienten wurden spongiforme
Veränderungen in den betroffenen Zonen gefunden. Im PrP-Gen findet sich eine Asn-zuAsp-Mutation im Kodon 178 (mit Valin im
gleich-alleligen Kodon 129).
Neue Variante der CJD (nvCJD). Seit 1995/1996
tritt ein neuartiges, vorher nicht bestehendes
554
Krankheitsbild in Großbritannien auf (nvCJD).
Bis Ende 2001 waren etwa 110 nvCJD-Fälle in
Großbritannien, 4 (5) Fälle in Frankreich, sowie
ein Fall in Irland zu verzeichnen. Typischerweise stehen zu Beginn der Erkrankung ausgeprägte psychiatrische Symptome im Vordergrund.
Es sind überwiegend jüngere Menschen betroffen, der klinische Verlauf ist deutlich prolongiert (1–2 Jahre), Ataxie und nicht Demenz steht
im Vordergrund. Es findet sich in 100% ein genetischer Suszibilitäts-Faktor in Form von Homozygosität für Methionin am Kodon 129 und
bei allen Patienten wurden typische floride Plaques gefunden, die bei klassischer CJD in der
Regel fehlen. In anderen Ländern wurden auch
bei retrospektiver Analyse keine derartigen Fälle gefunden. Experimentelle Studien haben
zweifelsfrei gezeigt, dass der Erreger von BSE
und nvCJD identisch ist.
WHO Kriterien für die Definition eines nvCJDVerdachtfalles
◗ Kein Hinweis auf eine potenzielle iatrogene
Exposition
◗ Krankheitsdauer länger als sechs Monate
◗ Erkrankungsalter unter 50 Jahren
◗ Keine PrP-Gen-Mutation
◗ Das EEG zeigt keine typischen periodischen
Veränderungen
◗ Routineuntersuchungen ergaben keinen Hinweis auf eine alternative Diagnose
◗ Das MRI zeigt abnormale bilaterale hohe Signale im Pulvinar in axialen T2- und/oder
Protonen gewichteten Aufnahmen
Differenzialdiagnose
Scrapie/BSE. Die Diagnose wird aufgrund der
klinischen Symptome oder der postmortalen histopathologischen Untersuchungen bzw. bei
Rindern durch die BSE-Teste aus Hirnmaterial
gestellt. Differenzialdiagnostisch sind andere
ZNS-Erkrankungen auszuschließen: Visna lässt
sich histologisch durch Demyelinisierung abgrenzen; „Louping ill“ und Aujeszkysche
Krankheit unterscheiden sich durch den akuten
Verlauf und durch die entzündlichen Reaktionen im Gehirn. Ferner müssen Intoxikationen,
Listeriose und Tollwut ausgeschlossen werden,
in bestimmten Gegenden auch die Borna`sche
Krankheit.
Prione
CJD/GSS. In vivo ohne histologische Methoden
ergeben sich große differenzialdiagnostische
Schwierigkeiten zumal gegenüber den präsenilen Demenzen und hier vor allem gegenüber der
Alzheimer`schen und der Pick`schen Krankheit. Ein schneller Verlauf spricht eher für CJD.
Auch das hier anzutreffende EEG-Muster dürfte
bei präsenilen Demenzen nicht vorkommen.
Die naheliegende Annahme einer Paralyse entfällt bei Kenntnis der humoralen Befunde. Die
sehr seltene Spätform der zerebralen Lipoidose
mit einem gleichartigen EEG wie bei CJD lässt
sich durch biochemische Befunde abgrenzen.
Die progressiven Myoklonusepilepsien beginnen durchweg früher; die periodische Dysrhythmie ist langsam und zeigt meist eine intensivere
Krampfaktivität. Hier werden mitunter Leberund Rektumbiopsien von diagnostischem Wert
sein. Die Jejunalbiopsie gestattet die Abgrenzung vom dem seltenen Morbus Whipple mit
seiner gelegentlich ebenfalls vielfältigen zerebralen Symptomatik. Die psychopathologischen und neurologischen Erscheinungen der
CJD können ferner den Verdacht auf einen Tumor oder eine andersartig umschriebene Hirnerkrankung lenken. Epileptische Anfälle, wie sie
bei raumfordernden Prozessen häufig auftreten, gehören nicht zum Bild der CJD.
Labordiagnostik
Prionen lassen sich mit den derzeit verfügbaren
Methoden weder im Blut noch routinemäßig im
Liquor nachweisen. Typischerweise finden sich
keine entzündlichen Veränderungen im Gehirn
oder im Liquor. Somit stehen auch keine nachweisbaren Antikörper zur Verfügung. Diagnostisch zeigen sich Unterschiede im EEG zwischen
der sporadischen Form der CJD und nvCJD. Die
für die sporadische CJD typischen periodisch
auftretenden „sharp-wave“-Komplexe finden
sich bei nvCJD nicht. Im Liquor lassen sich regelmäßig einige zelluläre Zerfallsprodukte
nachweisen (adjuvante Teste; z.B. 14–3-3, neuronen-spezifische Enolase (NSE), S100), die allerdings nicht spezifisch für Prion-Erkrankungen sind. Zwar hat der Nachweis des 14–3-3-Proteins eine hohe Spezifität und Sensitivität, kann
allerdings auch bei einer Herpes-simplex-Enzephalitis, hypoxischem Hirnschaden, intrazerebralen Metastasen, metabolischer Enzephalopathie und bei Morbus Alzheimer positiv sein.
Radiologische Untersuchungen bringen in aller
Regel keinen Aufschluss. Nur bei nvCJD finden
sich typische Veränderungen im MRT. Hier finden sich in 70% der Fälle bilaterale pulvinare
„high density“-Signale im kranialen NMR. Die
Nukleinsäure-Diagnostik leistet keinen Beitrag.
Natürlich muss immer eine genetische Form
ausgeschlossen werden (z.B. Gewinnung von
DNA aus peripheren Blutleukozyten; Sequenzierung des offenen Leserahmens des PrP).
Ebenso ist die Bestimmung des Polymorphismus am Kodon 129 notwendig. Da mit Ausnahme von nvCJD ausschließlich das zentrale Nervensystem betroffen ist, ist die Untersuchung
einer Hirn-Biospie bzw. -autopsie zur Diagnosesicherung unerlässlich. Aus diesem Material
werden die etablierten histologischen (z.B. Vakuolierung, Gliose) und histo-pathologischen
(z.B. PrP-Plaques) Untersuchungen durchgeführt. Als Gold-Standard dienen die histopathologische Untersuchungen von Gewebeschnitten
auf Vorliegen von pathologischem PrP (PrPSc in
situ) und der Immunoblot für PrPSc aus Hirnhomogenaten. Dabei benützt man Bedingungen, bei denen nur PrPSc und nicht PrPc nachweisbar ist (z.B. Differenzierung mittels Verdau
mit Proteinase K beim Immunoblot). Die Sensitivität des Immunoblots läßt sich durch Anreicherungsverfahren erhöhen. Nur bei nvCJD ist
pathologisches PrP im lymphatischen Gewebe
nachweisbar (z.B. Tonsillen, Lymphknoten, ev.
Appendix, Peyer’sche Plaques). Die Übertragung im Tierversuch (Affen, „humanisierte“
transgene Mäuse) spielt infolge der Aufwändigkeit und zeitlichen Latenz (mindestens 200 Tage) keine Rolle. Beim Menschen gibt es aber
derzeit keine präklinischen diagnostischen
Möglichkeiten (mit Ausnahme der genetischen
Formen). Deshalb ist die Etablierung von neuen, sensitiven präklinischen Methoden von hohem Stellenwert.
Bei Rindern sind in einigen Ländern seit 2000
Prion-Suchteste zwingend vorgeschrieben für
alle geschlachteten Tiere über 30 Monaten (z.B.
innerhalb der EU-Länder; nicht aber Schweiz).
Dazu kommen alle Gefallenen und kranken Tiere. In Deutschland werden sogar Tiere ab 24
Monaten untersucht. Man entnimmt Hirn-Proben aus definierten Arealen (z.B. Hirnstamm)
und unterzieht diese standardisierten ELISAoder Western Blot-Testen, die spezifisch PrPSc
nachweisen (z.B. nach Proteinase K-Verdau der
Proben). Die führenden kommerziellen Such555
P
Prione
Teste kommen derzeit von Prionics und Biorad.
Die Bestätigung erfolgt ausschließlich an der
BFAV/Riems. Infolge der Aufwändigkeit und
des enormen Preises dieser Testungen bestehen
derzeit erhebliche Bemühungen zur Einführung
von möglichen Bluttesten. M.J. Schmerr in den
U.S.A. beschäftigt sich mit dem Nachweis von
Prionen aus Blut mittels Kapillar-Immun-Elektrophorese. Die Existenz von hoch- oder niederregulierten Nukleinsäuren und Proteinen als
Marker wird von diversen Firmen und Forschungsgruppen untersucht.
Therapie
Eine Ausrottung von Scrapie ist wegen der extrem langen Inkubationszeit, dem Fehlen einer
in vivo-Diagnose und dem noch weitgehend ungeklärten Übertragungsmechanismus schwierig. In Ländern mit geringem Befall hat sich die
konsequente Keulung infizierter Herden bewährt. Dies gilt ebenso für BSE. Therapeutische
Bemühungen sind hier obsolet. BSE scheint
durch das konsequente Verbot der Tiermehl/
Kadaver-Verfütterung eliminierbar zu sein.
Gegenwärtig gibt es keine Therapie gegen die
menschlichen Prion-Erkrankungen, bedingt
durch geringe Fallzahlen, den immer schnell
tödlichen Verlauf, und dem Fehlen einer präklinischen Diagnostik. Bei der „klassischen“ Form
der menschlichen PE, der sporadischen CJD, ist
der Beginn der Symptomatik plötzlich, der klinische Verlauf sehr kurz und immer innerhalb
weniger Monate tödlich. Die pathologischen
Veränderungen im zentralen Nervensystem
sind im klinischem Stadium bereits massiv und
sicherlich irreversibel. Deshalb kommt an dieser Stelle jede kausale Therapie zu spät. BSE und
nvCJD haben die Frage der Therapie und Prophylaxe in ein neues Licht gekleidet. Bei nvCJD
sind viel jüngere Patienten betroffen (teilweise
unter 20 Jahren) und der klinische Verlauf ist
deutlich prolongiert. Die Fallzahlen, die zwischen wenigen Hundert und mehreren Zehntausend liegen könnten, sind derzeit nicht voraussagbar. Es ist aber davon auszugehen, dass
nvCJD auch in anderen europäischen Ländern
inklusive Deutschland auftreten wird. Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von experimentellen
Ansätzen zu Therapie und Prophylaxe in vitro
und in vivo. Neue immunologische Ansätze ermöglichen vielleicht sogar eine Immunisierung
gegen Prion-Erkrankungen. Prophylaktische
556
und therapeutische Möglichkeiten erscheinen
daher nicht mehr in allzu weiter Ferne.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Nachdem der pathogenetische Zusammenhang
zwischen Kuru und Scrapie bereits in den 50er
Jahren beobachtet worden war, ging man zunächst von viralen Erregern als infektiösem
Agens aus (slow virus). Aber schon bald stellte
sich heraus, dass alle Verfahren, die Viren inaktivieren, indem sie die Nukleinsäure zerstören,
hier keinerlei Effekt haben. Bereits damals wurde die Hypothese formuliert, dass dieser Erreger ohne Nukleinsäure auskommt und seine Infektiosität nur durch Proteine weitergibt (später
als „protein-only“ Hypothese von Prusiner experimentell untermauert). Dagegen verursachte
die Denaturierung der Proteine auch den totalen Verlust der Infektiosität. Tatsächlich gelang
es in den 70/80er Jahren das infektiöse Agens
aus den Gehirnen von experimentell-infizierten
Nagetieren anzureinigen: in der Tat handelte es
sich um ein Protein, das Prion-Protein (PrP) in
der infektiösen Form oder PrPSc genannt wurde. PrPSc hat besondere biochemische Eigenschaften wie z.B. Unlöslichkeit, Aggregation bis
hin zu Amyloid, Infektiosität und Resistenz gegen Proteasen. Letzteres wird auch diagnostisch
ausgenützt. Bereits 1982 war das Kunstwort Prion von S.B. Prusiner eingeführt worden, um
diesen Erreger klar von Viren oder Viroiden abzugrenzen. Wie die kleinste infektiöse Einheit
allerdings aussieht, ist nicht bekannt. Bis heute
konnte aber keine Nukleinsäure im Agens gezeigt werden, die mit der Infektiosität korreliert
ist.
1985 wurde ein normales, zelluläres PrP gefunden (PrPc), welches fundamental andere biochemische und biophysikalische Eigenschaften
aufweist. Die exakte Funktion von PrPc ist nicht
bekannt. Einige Jahre später fand man, dass die
genetischen Formen beim Menschen mit definierten Mutationen in PrPc segregieren. Neben
diesen krankmachenden Mutationen sind die
Empfänglichkeit modulierende Polymorphismen bei Mensch und Tier beschrieben. Die
Aminosäure-Position 129 ist hierbei besonders
zu erwähnen. Die Umwandlung der normalen,
zellulären PrP Isoform in PrPSc muss auf posttranslationalem Weg erfolgen. Der genaue mo-
Prione
lekulare und zelluläre Mechanismus ist noch
nicht bekannt. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass die Umwandlung der Konformation der
entscheidende Mechanismus ist: α-helikales
PrPc wird in PrPSc umgewandelt, das vor allem
β-Faltblatt-Konformation hat. Sie werden deshalb als Erkrankungen, die durch Konformationsänderung verursacht werden, angesehen.
Analoge Proteine wurden z.B. in der Hefe und in
Pilzen beschrieben. Den 3 Manifestationen der
Prion-Erkrankungen liegen somit auch unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde. Bei
der infektiös-erworbenen Form ist es der direkte Kontakt von PrPSc und PrPc der Empfängerzelle, bei welchem PrPc dann in Anwesenheit
von Prionen in PrPSc autokaskadenartig umgewandelt wird. Bei der genetischen Form geht
man davon aus, dass die Austausche destabilisierend auf PrP wirken könnten und somit die
Umwandlung erleichtern. Der sporadischen
Form könnte eine spontane Umwandlung zugrunde liegen.
Transmission
Scrapie. Die Übertragungswege sind noch nicht
vollständig geklärt. Es wird sowohl eine vertikale als auch horizontale Übertragung angenommen. Für die vertikale Übertragung spricht,
dass Lämmer von Müttern, die Scrapie zeigten,
häufig selbst an Scrapie erkrankten. Da hohe Erregerkonzentrationen in Plazentaproben nachgewiesen werden konnten, ist eine diaplazentare Infektion anzunehmen. Eine horizontale
Übertragung ist für eine Infektion von gesunden Tieren in erkrankten Herden zu diskutieren. Die Möglichkeit einer Kontaktinfektion
(oral, konjunktival oder über kleinste Läsionen)
ist nicht auszuschließen. Schafe können sich
möglicherweise auch an kontaminierten Weiden infizieren (z.B. Plazentareste). Derartige Infektionen werden durch die extreme Stabilität
des Prion-Proteins gefördert. Langes Überleben
des Erregers in der Umwelt, auf Weiden und in
Ställen ist vermutlich auch die Erklärung für das
Neuauftreten der Erkrankung in Beständen, in
denen nach Keulung von infizierten Herden ein
Jahr lang keine Schafe gehalten wurden. Das
Angehen einer Scrapie-Infektion unterliegt
auch einer genetischen Disposition, da bei einzelnen Schafsrassen Unterschiede in der Inkubationszeit auftreten und das Vorkommen in
bestimmten Schaffamilien häufiger ist. Theore-
tisch könnten Schafe gezüchtet werden, die resistent gegen Scrapie sind. Bei Rindern spielt die
horizontale Übertragung wohl keine Rolle (kein
Lymphotropismus). Eine vertikale Übertragung
kann stattfinden, allerdings abhängig vom Inkubationsalter der Mutterkuh nur in 5–10%.
Deshalb ist die Inzidenz von BSE nach dem Verfütterungsverbot in U.K. drastisch zurückgegangen.
Mensch. Bei den klassischen humanen PrionErkrankungen einschließlich CJD und Kuru
gibt es weder einen horizontale noch eine vertikale Übertragung (kein Lymphotropismus). Ein
sporadischer CJD-Patient ist infolge der Kompartimentierung der Infektiosität im zentralen
Nervensystem im täglichen Umgang nicht ansteckend. Dies gilt auch für dessen Blutprodukte und Sekrete/Exkremente (mit Ausnahme des
Liquors). Bei nvCJD ist infolge des geänderten
Tropismus (jetzt auch lymphatisch) noch keine
endgültige Aussage diesbezüglich möglich. Die
horizontale Ausbreitung von nvCJD innerhalb
der Menschen durch Blutprodukte und/oder
operative Eingriffe ist eine ernstzunehmende
Möglichkeit.
Experimentell lassen sich Prionen menschlichen und tierischen Ursprungs effizient innerhalb und mit Einschränkungen zwischen Arten
übertragen. Als effizienteste Route ist die direkte intrazerebrale Inokulation zu nennen, gefolgt
von der intraperitonealen Route. Aber auch der
orale Weg ist mit in der Regel verlängerten Inkubationszeiten effektiv. Dies wurde in mehreren Modellsystemen einschließlich BSE in der
Kuh gezeigt. Der intradermale und intravasale
Weg ist experimentell ebenfalls dargestellt worden.
Das Konzept der Spezies-Barriere. Bei der Weitergabe von Prionen zwischen Arten bestehen
gewisse Gesetzmäßigkeiten, die bereits 1965 von
I. Pattison formuliert worden sind und die als
„Spezies-Barriere“ bezeichnet werden. So ist die
Inkubationszeit bei der Passage verlängert, verkürzt sich aber bei der weiteren Passage innerhalb der Art auf ein Minimum. Zusätzlich ist die
neuropathologische Verteilung der Prionen oft
verändert. Tatsächlich kann die Spezies-Barriere so groß sein, dass keine klinische Erkrankung
auftritt (absolute Spezies-Barriere; z.B. Hamster-Maus). Allerdings kann dies durchaus mit
557
P
Prione
der Vermehrung von Prion-Infektiosität verbunden sein (präklinische Infektion). Studien
mit transgenen Mäusen haben gezeigt, dass die
Primärstruktur von PrP bei der Determinierung
der Spezies-Barriere eine entscheidende Rolle
spielt. Durch Einführung eines Transgenes kodierend für Hamster PrP in Mäuse konnte die
Spezies-Barriere praktisch völlig aufgehoben
werden. In diesen Mäusen konnten jetzt sowohl
Maus- als auch Hamster-Prionen effizient vermehrt werden. Entsprechende Studien wurden
für „humanisierte“ und „bovinisierte“ Mäuse
durchgeführt. Durch Einführung eines humanen oder bovinen PrP-Transgens können derartige Mäuse zu 100% mit relativ kurzen Inkubationszeiten infiziert werden.
Vermehrung und Inkubationszeit
Die Vermehrung der Prionen erfolgt nach peripherer Inokulation zunächst im lymphatischen
System (z.B. Milz) und dann fast ausschließlich
im zentralen Nervensystem. Dies ist ein langsamer und stetig fortschreitender Prozess, der immer im massiven Befall des Nervensystems mit
anschließender Neurodegeneration tödlich endet. In Zellkultur lassen sich Prionen nur in sehr
wenigen persistent-infizierten Zellsystemen
und nur erschwert propagieren. In Gehirnen final erkrankter Mäuse werden biologische Prion-Titer von 107–8 ID50/g Gehirn, beim Syrischen Hamster sogar bis 1010 ID50/g gefunden
(bei Testung im Tierversuch). In Zellkultur werden Titer von 105 ID50/107 Zellen erreicht. Für
Prion-Krankheiten gelten eindeutig die
Koch’schen Postulate. Der Erreger lässt sich aus
Gehirnen Erkrankter isolieren und in „Reinkultur“ z.B. in kultivierten Zellen anzüchten (z.B.
nach klassischer PrPSc-Präparation, die andere
Erreger nicht überstehen können). In diesen
Zellen kann er mehrere Jahre propagiert und
stetig als PrPSc nachgewiesen werden. Er kann
schließlich wieder in Tiere inokuliert werden,
die dann wiederum erkranken.
Die Inkubationszeiten von menschlichen PrionErkrankungen variieren von minimal 4 Jahren
(vereinzelt Kuru und iatrogene CJD-Fälle) bis
weit über 40–50 Jahre. Die Inkubationszeit bei
den genetischen Formen ist in aller Regel bei 4–
5 Dekaden. Man beachte, dass die Keimbahnmutation ja bereits seit Geburt vorliegt. Auch
Kuru-Fälle mit derart langen Inkubationszeiten
werden jetzt noch vereinzelt beobachtet. Die In558
kubationszeit bei nvCJD wird mit mindestens 10
Jahren angegeben. Die jüngste Patientin war 12
Jahre bei Beginn der Symptomatik. Auch hier
sind deutlich längere Inkubationszeiten mit 2–3
Dekaden sehr wahrscheinlich. Die mittlere Inkubationszeit bei Scrapie ist ~2 Jahre, bei BSE 3–
5 Jahre. In transgenen Maus-Systemen ist die
Inkubationszeit deutlich von der ExpressionsMenge des PrP-Transgens abhängig.
Resistenz
Prionen sind eindeutig die weitaus resistentesten human- und tier-pathogenen Erreger. Übliche anti-mikrobielle Desinfektions-Methoden
haben keinerlei Effekte. Formalin ist ebenfalls
wirkungslos. Herkömmliches Kochen und Mikrowellen-Behandlung sind ohne wesentlichen
Effekt. Trockene Hitze ist erst ab 300oC signifikant inaktivierend (mehrere Titerstufen Reduktion). Normales Autoklavieren sowie Säure-Behandlung haben eine eingeschränkte Wirkung.
Sehr effektiv sind die Laugen-Behandlung (z.B.
1–2 N NaOH für mind. 30 Min.), das Autoklavieren unter erhöhten Bedingungen (z.B. 132–
136oC für mind. 30 min bei 3 bar) sowie die
Kombination von beiden Verfahren. Diese Methoden töten Prionen auch in sehr hoher Dosierung sicher ab. Insgesamt gehen in diese Überlegungen natürlich sehr stark die zugrunde liegenden Dosis-Mengen ein. Weitere Details finden sich im Kapitel Prävention.
Immunantwort
Charakteristischerweise fehlen bei Prion-Erkrankungen entzündliche Veränderungen zellulärer oder humoraler Art vollständig. So finden sich keine Entzündungs-Zellen im Gehirn
oder im Liquor; spezifische Antikörper-Reaktionen fehlen völlig. Prionen und Prion-Erkrankungen scheinen somit immunologisch völlig
inert zu sein. Es stehen dadurch auch keine immunologischen Nachweismethoden für die Diagnostik zur Verfügung. Trotzdem spielen viele
Komponenten des Immunsystems bei der peripheren Infektion eine wichtige Rolle (z.B. erste
Vermehrung und Transport zum Gehirn).
Wirtsbereich
Prion-Erkrankungen kommen in fast allen Säugetier-Spezies vor (experimentell und/oder natürlich). Sie können innerhalb einer Art und
zwischen Arten weitergegeben werden. Zur Spe-
Prione
zies-Barriere siehe das Kapitel Transmission.
Hefe-Prionen stellen biochemische „PrionÄquivalente“ dar, die einen sehr ähnlichen konformationellen
Vermehrungs-Mechanismus
benützen. Es handelt sich aber nicht um PrPHomologe.
Risikogruppen
Neben verschiedenen anderen Faktoren (z.B.
Dosis und Weg) hängt die individuelle Empfänglichkeit auch von der Aminosäure im Kodon 129 von PrP ab. Dabei findet sich entweder
ein Valin (V) oder Methionin (M). Die drei genetischen Varianten M/M, M/V und V/V sind in
Europa wie 40%:50%:10% verteilt. Bei Patienten, die an der spontanen Form der CJD erkrankt sind, liegt der M/M-Anteil bei ~80%. In
den Fällen von iatrogener CJD, die durch
Wachstumshormon ausgelöst waren, waren zunächst sogar nur Homozygote betroffen. Wenige Heterozygote wurden erst mit deutlich verlängerten Inkubationszeiten krank. Diese Befunde lassen vermuten, dass heterozygote
Merkmalsträger weniger empfänglich sind und
dass die homozygote Expression von Methionin
zu einer höheren Empfindlichkeit für CJD führt.
Bei nvCJD wurden bislang keine M/V- und V/VTräger gefunden. Ob Menschen mit diesen
Merkmalen somit für BSE-Prionen unempfindlich sind, ist allerdings unklar. Vermutlich dürfte jedoch das Risiko geringer bzw. die Inkubationszeit deutlich verlängert sein. Nach weiteren
genetischen Markern wird derzeit intensiv gesucht. Ansonsten findet sich bei nvCJD kein erkennbarer Risiko-Faktor (außer dem jungen Alter). Der vermehrte Verzehr von RindfleischProdukten stellt bei den Erkrankten kein erkennbares Risiko dar. Klassische Risikogruppen für iatrogenes CJD stellen Patienten dar, die
anamnestisch Wachstumshormone aus Hirnanhangsdrüsen-Präparationen oder Dura-Mater-Transplantate erhalten haben. Bei den familiären Prion-Erkrankungen wird allgemein von
einer 100%igen Penetranz ausgegangen.
Epidemiologie
Die Scrapie-Erkrankung ist endemisch in Europa, Asien und Nordamerika. In der südlichen
Hemisphäre kommt die Krankheit selten vor.
Australien und Neuseeland sind seit längerem
aufgrund von strikten Bekämpfungsmaßnah-
men frei von Scrapie. In letzter Zeit ist das Vorkommen auf Großbritannien, Kanada, Indien
und die USA beschränkt. Einzelne Ausbrüche
wurden aus Belgien und Ungarn berichtet. In
der Bundesrepublik kommt es durchschnittlich
bei ein bis zwei Herden pro Jahr zum Krankheitsausbruch. BSE ist ausgehend von U.K.
mittlerweile ein pan-europäisches Problem geworden (mit einigen Ausnahmen). Die Inzidenz
in Deutschland lag 2001 zwischen 1:15.000 und
1:20.000 bei den getesteten Kühen. Mehr als 2/3
der Fälle sind dabei aber unter den Gefallenen
und symptomatischen Kühen zu verzeichnen.
Die Inzidenz in den ost-europäischen Ländern
ist nicht bekannt. Erste autochthone Fälle sind
jetzt auch in Japan aufgetreten.
Sporadisches CJD kommt weltweit konstant mit
einer Inzidenz von ~1:1.000.000 vor. Familiäres
CJD/GSS/FFI kommt in Clustern vor. Regionen
mit einer höheren Prävalenz sind in Libyen, Israel, Nordafrika, der Slowakei und auch dem
Schwarzwald anzutreffen. Bei Kuru waren über
2.500 Fälle zu verzeichnen: Es sind etwa 200 iatrogene CJD-Fälle durch Wachstumshormon
und etwa 100 Fälle durch Dura-Mater-Transplantate bekannt. Die neue Variante der CJD ist
Ende 2001 mit knapp 120 Fällen vertreten, mit
einem leichten exponentiellen Anstieg. Die weitere Entwicklung ist nicht eindeutig beurteilbar.
Szenarien mit wenigen Hundert bis einigen
Hunderttausend Fällen wurden erörtert. In
Deutschland wird von maximal wenigen Hundert Fällen ausgegangen.
Genetik
GeneBank Zugangs-Nummern für verschiedene
PrPs: Maus-PrP: M13685; Humanes PrP:
M13899; Rinder-PrP: X55882; Schaf-PrP: D38179.
Derzeit sind die PrP-Sequenzen von über 70
Spezies bekannt. Die Aminosäure-Homologien
innerhalb der Säugetiere bewegen sich zwischen
80–100%. Aviäre PrPs weisen zu Säuger-PrPs
etwa 30% Aminosäure-Homologie auf. Das
phylogenetisch entfernteste PrP stammt von
Xenopus. Weiter entfernte PrPs sind derzeit
nicht bekannt.
Prävention
Desinfektion und Sterilisation von Instrumenten. Aufgrund der hohen Stabilität der Prionen
gegenüber thermischen oder chemischen Ein559
P
Prione
flüssen gestalten sich die Möglichkeit der Inaktivierung als besonders schwierig. Bei operativen Eingriffen am zentralen Nervensystem und
Auge von Patienten mit erhöhtem Risiko eine
CJD zu haben oder zu entwickeln, sollten möglichst nur Einmalmaterialien verwendet werden. Als derzeitige Empfehlung sollen alle wiederzuwendenden Materialien mit 1–2 M NaOH
oder 2,5–5,0% Na-Hypochlorit für 24 Std. oder
mit Guanidiniumthiocyanat (GdnSCN) (4 M für
1 Std. oder 6 M für 15 Min.) bei Raumtemperatur
desinfiziert, gereinigt und anschließend 1 Std.
lang bzw. in Zyklen bis zu einer Gesamtzeit von
1 Std. bei 134oC dampfsterilisiert werden.
Bei der Aufbereitung von verwendeten flexiblen
Endoskopen bei Patienten mit erhöhtem Risiko,
außerhalb von ZNS und Auge, sind diese in 4 M
Guanidiniumthiocyanat für 2×30 Min. mit zwischengeschaltener mechanischer Reinigung
einzulegen. Dabei muss sichergestellt sein, dass
GdnSCN alle inneren und äußeren Oberflächen
des Endoskops erreicht. Anschließend folgt eine
weitere Reinigung, möglichst in einem Dekontaminationsautomaten, nach einem validierten
Verfahren mit Spülen mit Wasser, Desinfektion
mit aldehydhaltigen Reinigungsmitteln, erneutem Spülen mit sterilem Wasser, Trocknen und
anschließender Behandlung mit 70% Alkohol.
Weiteres siehe Kapitel Strategien zur Krankheitsvorbeugung.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Wie sieht es mit prophylaktischen Möglichkeiten aus? Infolge der extrem langen Inkubationszeiten ist eigentlich ein immenses Zeitfenster
für mögliche Interventions-Strategien gegeben.
Hinzu kommt, dass angesichts des deutlichen
lympho-retikulären Tropismus viele Experten
die Möglichkeit der Weitergabe von nvCJDPrionen innerhalb der Menschen durch Blutprodukte oder operative Eingriffe durchaus als
reale Möglichkeit ansehen. Viele der nvCJD-Opfer in Großbritannien waren z.B. Blutspender.
Deshalb sollten neben therapeutischen Möglichkeiten durchaus auch prophylaktische oder
post-expositionelle
Interventions-Strategien
angestrebt werden. Dies wiederum ist nur sinnvoll, wenn effiziente präklinische DiagnostikMöglichkeiten zur Verfügung stehen.
560
Behördliche Maßnahmen
Zelluläre Blutkomponenten. Mit einer Bekanntmachung vom 18.08.2000 ordnete das
Paul-Ehrlich-Institut an, dass ab 01.10.2001 ausschließlich solche Vollblute, Erythrozyten-Konzentrate und Thrombozyten-Konzentrate in
Verkehr gebracht werden dürfen, deren Leukozytengehalt weniger als 1×106 pro Einheit (Blutkonserve) beträgt. Um dies zu erreichen, wird
die Leukozytendepletion verbindlich vorgeschrieben. Diese Maßnahme wird primär mit
der Reduktion der HLA-Alloimmunisierung,
der Reduktion der Leukozyten-vermittelten
Fieberreaktionen sowie der Vermeidung der
Übertragung zellständiger Viren und somit der
Prävention vielfältiger sich daraus ergebender
medizinischer Komplikationen begründet. Erst
im weiteren Kontext wird angeführt, dass die
Leukozytendepletion als eine Vorsichtsmaßnahme gegen die Übertragung von nvCJD angesehen wird, da die Möglichkeit einer Übertragung von nvCJD durch Blut mangels epidemiologischer Daten nicht ausgeschlossen werden
kann. Ferner empfiehlt der Arbeitskreis Blut
aus Gründen der Risikovorsorge ab sofort Spender von der Blut- und Plasmaspende auszuschließen, die sich im Zeitraum zwischen 1980
und 1996 insgesamt länger als 6 Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten haben.
Behördliche Vorschriften zur nvCJD-Sicherheit von Humanarzneimitteln. Eine Anordnung des PEI und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 29.12.2000
regelt die Inverkehrbringung von Humanarzneimitteln. Danach dürfen zur Herstellung dieser Arzneimitteln kein Blut, Gewebe, Körpersekret oder Körperflüssigkeit von Spenden verwendet werden, die aus einem Land stammen
(Ursprungsland), in dem mehrere Fälle von nvCJD aufgetreten sind. In Ergänzung der Anordnung des PEI/BfArM vom 29.12.2000 wurde am
10.01.2001 zur Risikovorsorge ergänzt, dass zur
Herstellung von Arzneimittel kein Blut oder
Blutbestandteile, Gewebe, Körpersekret oder
Körperflüssigkeit aus Spenden verwendet werden dürfen, die nach dem 15.01.2001 gewonnen
und deren Spender sich in der Zeit vom
01.01.1980 bis 31.12.1996 insgesamt länger als 6
Monate im Vereinigten Königreich aufgehalten
haben.
Prione
Chirurgisches Nahtmaterial. Das BfArM hat
eine Neubewertung für die Verwendung von
bovinem Material als chirurgischem Nahtmaterial durchgeführt. Es wurde daher gemeinsam
mit einer Entscheidung der EU-Kommission
vom 27.12.2000 beschlossen, dass wegen des
nicht auszuschließenden potenziellen Risikos
bei Produkten boviner Herkunft, insbesondere
wegen der Verwendung eines spezifizierten Risikomaterials als Ausgangsstoff (Rinderdarm:
Duodenum bis Rektum), der fehlenden Möglichkeit, eine wirksame Inaktivierung bzw. Abreicherung potenziell infektiöser Erreger
durchzuführen sowie der parenteralen Anwendung, die Anwendung von Catgut boviner Herkunft ein Risiko darstellt.
Stand der Sicherheit von Arzneimitteln
Rekombinante Medikamente, Impfstoffe. Als
potenzielle BSE-Kontaminanten kommen
grundsätzlich fötales Kälberserum, welches für
die Herstellung der Zellkulturen bei der Produktion von rekombinanten Medikamenten
oder Impfstoffen benötigt wird, und humanes
Albumin, das in manchen rekombinanten Medikamenten oder Impfstoffen als Stabilisator
zugesetzt wird, in Frage. Das PEI weist darauf
hin, dass das fötale Kälberserum ausschließlich
aus den USA, Neuseeland und Australien stammen darf. Zudem wird das fötale Kälberserum
der Kategorie IV (= keine nachweisbare Infektiosität) zugeteilt. Bei bakteriologischen Impfstoffen wird in Einzelfällen eine Nährbouillon
eingesetzt, in der verdautes Filtrat aus Rindfleisch (Kategorie IV) enthalten ist. Das Herkunftsland ist diesem Fall Neuseeland. In Einzelfällen wird Laktose (hergestellt aus Milch;
Kategorie IV) als Stabilisator für das Impfantigen im fertigen Impfstoff verwendet. Daneben
werden eine Reihe von Hilfssubstanzen bei der
Herstellung von Impfstoffen oder rekombinanten Medikamenten verwendet. Es handelt sich
dabei um Aminosäuren- und derivate (Kollagen, isoliert aus Knochen), Cholin (Gallenflüssigkeit), Cholesterin (Gallenflüssigkeit), hydrolysiertes Laktalbumin (Milch), Laktose (Milch),
hydrolysiertes Casein (Milch), Polysorbat
(Tween) 80 (Talg), Gelatinederivate (Knochen),
Phosphatsalze (Knochen) und Fleischextrakte
(Muskelfleisch). Die genannten Rindermaterialien werden alle der Kategorie IV zugeordnet;
eine Infektiosität ist nicht nachweisbar. Des
weiteren wird Pankreatin, welches aus Rinderpankreas gewonnen wird, verwendet. Diese
Rindermaterial wird der Kategorie III (mäßige
Infektiosität) zugeordnet.
Stand der Sicherheit des Spenderplasmas in Europa. Für die Abschätzung eines theoretischen
Risikos ist der Grad der Infektiosität des Ausgangsmaterials von Bedeutung. Dies wiederum
hängt von der nvCJD-Inzidenz der Spenderpopulation im jeweiligen Herstellungsland ab. Des
weiteren ist von Bedeutung, wo die Prionen, sofern sie im Plasma überhaupt vorkommen,
während des Fraktionierungsprozesses zu finden sind. Aufgrund verschiedener experimenteller Untersuchungen darf angenommen werden, dass es im Rahmen der Fraktionierung von
Faktor VIII zu einer Reduktion der nvCJD-Infektiosität um 3 bis 6 log kommt. Dies wiederum
sollte ausreichen die Sicherheit von aus Plasma
hergestellten, europäischen Faktor VIII zu gewährleisten. Einschränkend muss jedoch betont
werden, dass für die experimentellen Studien
animalische Prionen, nicht jedoch nvCJD verwendet wurden.
Meldepflicht
Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtige
Krankheiten nach § 6: Namentlich ist zu melden
der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie
der Tod an humaner spongiformer Enzephalopathie, außer familiär-hereditärer Formen. Die
Meldung nach Satz 1 hat gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1,
3 bis 8, § 9 Abs. 1, 2, 3 Satz 1 oder 3 oder Abs. 4 zu
erfolgen.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Konsiliarlaboratorium für spongiforme Enzephalopathie (Pathologie und Genetik)
Institut für Neuropathologie der LMU München, Marchioninistr. 17, 81377 München
Prof. Dr. H. A. Kretzschmar; Telefon 089/70954904;
Telefax
089/7095-4903;
E-Mail:
[email protected]
561
P
Proactinomyces israeli
Konsiliarlaboratorium für spongiforme Enzephalopathie (Klinische Diagnostik und Epidemiologie)
CJD-Arbeitsgruppe, Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Göttingen, Robert-Koch-Str.
40, 37075 Göttingen; Frau Dr. I. Zerr, Frau M.
Bodemer; Telefon 0551 / 39- 6636 / 8454 / 8401;
Telefax
0551/
397020;
E-Mail:
[email protected];
E-Mail:
[email protected]
Nationales Referenzzentrum für tierische
spongiforme Enzephalopathien (BSE, Scrapie)
Bundesforschungsanstalt für Viruskrankheiten
der Tiere (BFAV); ab 2002 auf der Insel Riems
(Friedrich-Löffler-Institute); Bodenblick 5a, D17498 Insel Riems bei Greifswald; Tel.: 038351/70; Fax: 038351/7-219; PD Dr. Martin H. Groschup; E-Mail: [email protected]
Weitere Web-Adressen
◗ Bayerischer Forschungsverbund Prionen: http://www.abayfor.de/forprion
◗ Nationale TSE-Plattform: Ansprechpartner
Dr. K. Dressel; [email protected].
uni-muenchen.de
◗ U.S.A.: http://www.mad-cow.org
Schlüsselliteratur
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3. Weissmann, C. et al. (2001). Prions and the
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5. Zeidler, M. et al. (1997). New variant Creutzfeldt-Jakob
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6. Tidona, C.A., Darai, G. (Eds.) (2001), The Springer Index of
Viruses, Springer Berlin, Heidelberg, New York, Tokio
Proactinomyces israeli
Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus
Propionibacterium acnes
Propionibakterien
562
Propionibakterien
Erregerbezeichnung
Gattung: Propionibacterium
Arten:
P. acidipropionici, P. freudenreichii
ssp. freudenreichii und P. freudenreichii ssp.
shermanii, P. jensenii und P. thoenii, P. acnes,
P. avidum, P. granulosum und P. lymphophilum, Propionibacterium propionicum.
Synonym
P. acnes: Corynebacterium acnes, Bacillus acnes,
Propionicibacterium acnes
Morphologie
Meist relativ kurze, grampositive, diphtheroid
gelagerte Stäbchen, gelegentlich auch kokkoid
oder stark verzweigt und fädig.
Taxonomie
Bacteria: Firmicutes
Phylum: Actinobacteria
Subklasse: Actinobacteridae
Order:
Actinomycetales
Suborder: Propionibacterineae
Familie: Propionibacteriaceae
Gattung: Propionibacterium. Die nach ihrer
auffälligen Propionsäurebildung benannte Gattung Propionibacterium besteht aus 9 Spezies
und 2 Subspezies, die sich in drei Gruppen unterteilen lassen: 1. „Klassische“ Propionibakterien: P. acidipropionici, P. freudenreichii ssp.
freudenreichii und P. freudenreichii ssp. shermanii, P. jensenii und P. thoenii. 2. „Kutane“
Propionibakterien: P. acnes, P. avidum, P. granulosum und P. lymphophilum. 3. Propionibacterium propionicum.
Historie
1906 beschrieben Freudenreich und Orla-Jensen und 1909 Orla-Jensen aus Käse und Milchprodukten isolierte Propionibakterien. P. acnes,
als wichtigster Vertreter der kutanen Propionibakterien, wurde bereits 1897 von Sabouraud
aus Acne-vulgaris-Läsionen isoliert; später wurden diese Bakterien unter den Bezeichnungen
„anaerobe Coryneforme“ oder „anaerobe
Corynebakterien“ subsumiert und erst seit Mitte dieses Jahrhunderts der Gattung Propionibacterium zugerechnet.
Propionibakterien
Erkrankungen/Symptome
P. acnes kommt entweder alleine oder mit Staphylococcus epidermidis in Acne-vulgaris-Läsionen vor; eine ätiologische Bedeutung scheint
gegeben, obwohl der Zusammenhang noch
nicht restlos aufgeklärt ist; Isolierung von P. acnes und den anderen kutanen Propionibakterien aus vielen klinischen Materialien einschließlich Blutkulturen als Kontaminanten, aber gelegentlich auch nach Operationen, bei länger liegenden Kathetern und anderen Fremdkörpern
und unter Immunsuppression als opportunistische Erreger von Kathetersepsis, Meningitis,
Endokarditis, Bronchopneumonien, Osteomyelitis, Wundinfektionen, Otitiden und Abszessen. Propionibacterium propionicum: Angehöriger der physiologischen Mundhöhlenflora;
häufigster Erreger der Canaliculitis lacrimalis;
nach A. israelii und A. gerencseriae ein typischer
Aktinomykoseerreger.
Differenzialdiagnose
Acne vulgaris: M. Pringle, Rosazea, akneiforme
Reaktion durch Kortikoide „Steroidakne“.
pionicum enthalten LL-DAP, gelegentlich mesoDAP und keine Mykolsäuren; Differenzierung
bis zur Spezies: anhand biochemischer Leistungen mittels konventioneller oder miniaturisierter (siehe Gattung Actinomyces) Verfahren.
Serodiagnostik. Bei P. acnes und P. propionicum ohne praktische Bedeutung; Agglutinationsreaktion zur serologischen Differenzierung
von kutanen Propionibakterien und IF-Technik
zur Identifizierung von P. propionicum gut erprobt; Antiseren kommerziell nicht erhältlich.
Sensibilitätsprüfung: Aktinomyzeten mit
fermentativem Kohlenhydratmetabolismus
Therapie
Die Therapie der Acne vulgaris wird widersprüchlich diskutiert; antibiotische Therapie
meistens sinnvoll (topische und systemische
Anwendung von Antibiotika, z.B. Tetrazyklinen, ggf. als niedrig dosierte Langzeittherapie
mit 50mg Doxycyclin pro die per os für Jahr);
Therapie von Aktinomykose und Canaliculitis
lacrimalis: siehe Gattung Actinomyces.
Labordiagnostik
Gewinnung und Transport von Untersuchungsmaterial. Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus
Mikroskopie. Gram-Präparat: meist relativ kurze, stets unbewegliche, grampositive, diphtheroid gelagerte Stäbchen, gelegentlich auch kokkoid oder stark verzweigt und fädig.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Kutane Propionibakterien verfügen über starke
lipolytische Aktivität; insbesondere von P. acnes
sind Hämolysine, Hyaluronidasen, Neuraminidasen und Lipasen bekannt; Pathogenitätsmechanismen von P. propionicum bei Aktinomykosen und Canaliculitis lacrimalis bisher weitestgehend unbekannt.
Kultur. Makrokolonien der kutanen Propionibakterien (nach 3–7 Tagen Bebrütung): rund,
glattrandig, erhaben, undurchsichtig, weißlich
bis gräulich und von weicher Konsistenz, nach
längerer Bebrütung evtl. auch cremefarben bis
bräunlich, rosa oder orangefarben. Mikro- und
Makrokolonien von P. propionicum gleichen in
ihrem Erscheinungsbild weitgehend den für Actinomyces israelii und A. gerencseriae beschriebenen Wuchsformen.
Vermehrung und Inkubationszeit. Nicht bekannt, da Besiedler der menschlichen Haut.
Differenzierung. Differenzierung bis zur Gattung: Bis auf P. propionicum und P. lymphophilum regelmäßig katalasepositiv; Stoffwechselendprodukt hauptsächlich Propionsäure; Zellwände von P. acnes, P. granulosum und P. pro-
Resistenz. Nach langer Acnes vulgaris Behandlung gelegentliches Auftreten von Resistenzen
gegen Erythromycin, Clindamycin, Tetracyclin,
Doxycyclin und Trimethoprim. Sehr selten ist
das Auftreten von Resistenzen von Minocyclin.
Transmission
Aktinomyzeten mit fermentativem Kohlenhydratmetabolismus; Bissverletzungen spielen
allerdings bei der Entstehung von Propionibacterium-Infektionen keine besondere Rolle.
563
P
Prosthodendrium
Immunantwort
Nicht ausreichend untersucht.
Wirtsbereich
Die „klassischen“ Propionibakterien haben keine humanpathogene Bedeutung, sondern sind
bei der Herstellung von Käse und Milchprodukten und als Produzenten von Vitamin B12 und
Propionsäure von wirtschaftlicher Wichtigkeit.
Kutane Propionibakterien: P. acnes und P. granulosum sind Bewohner der menschlichen Haut
mit reichlich Talgdrüsen (Stirn, Nasenflügel);
P. avidum ist vor allem in feuchten Hautregionen (Achselhöhle, Perineum, Naseneingang) zu
finden; P. lymphophilum wurde ursprünglich
aus Lymphknoten bei Patienten mit
M. Hodgkin isoliert; natürlicher Standort und
medizinische Bedeutung unbekannt.
Risikogruppen
Sporadisches Auftreten, evtl. gehäuft unter Immunsuppression und an länger liegenden
Fremdkörpern (Katheter, Endoprothesen u.a.).
Epidemiologie
Weltweites Vorkommen des Erregers und der
Erkrankungen.
Genetik
Das bakterielle Genom ist ein doppelsträngiges
DNA Molekül. Das 16S rRNA Gen von Propionibacterium acnes ist in der USA-GenBank unter
der „Accessionnumber“ M61903 registriert.
Prävention
Keine spezifische Prävention möglich.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Keine.
Meldepflicht
Zu melden ist die Erkrankung sowie der Tod an
bakteriellen Meningitiden.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Arcanobakterien
Schlüsselliteratur
Arcanobakterien
564
Prosthodendrium
Darmegel
Proteinaceous infectious particle
Prione
Proteomyces asteroides
Trichosporon
Proteus mirabilis, Proteus vulgaris
Erregerbezeichnung
Proteus mirabilis, Proteus vulgaris
Synonym
Keine Daten verfügbar.
Morphologie
Gramnegative Stäbchenbakterien, die bei demselben Stamm einmal kurz oder einmal lang
sein können, auch die Dicke wechselt (siehe Historie). Durchmesser 0,4–0,8 µm, Länge 1–
3 µm. Beweglich durch peritriche Begeißelung
(auf festen Nährböden: Schwärmphänomen).
Taxonomie
Familie:
Gattung:
Enterobacteriaceae
Proteus
Historie
Die Bezeichnung leitet sich ab von dem „Meergreis Proteus“, der auf der ägyptischen Insel
Pharos heimisch ist und den die Odyssee als
wechselgestaltig schildert. Mirabilis (wunderbar) vulgaris (gewöhnlich). Proteus penneri, benannt nach dem kanadischen Mikrobiologen J.
L. Penner. Die Erstbeschreibung erfolgte 1885
durch P. Hauser: Über Fäulnisbakterien und deren Beziehung zur Septikämie. Ein Beitrag zur
Morphologie der Spaltpilze, Vogel, Leipzig.
Erkrankungen/Symptome
Es lassen sich lokalisierte von generalisierten
Prozessen trennen.
Proteus mirabilis, Proteus vulgaris
Lokalisierte Prozesse. Wundheilungsstörungen, Dekubitusinfektionen, Infektionen von
Verbrennungswunden, Mediastinitis, Peritonitis, Pneumonie, Harnwegsinfektionen, Osteomyelitis, Prostatitis.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Endotoxin.
Transmission
Generalisierte Prozesse. Durch Übertritt in die
Blutbahn kann es zur Sepsis und Endokarditis
kommen.
Toxische Prozesse. Durch Harnstoffspaltung
kommt es zu einer starken Alkalisierung des
Urins, die einer Infektion Vorschub leisten soll.
Betalaktamasen. Proteus vulgaris und Proteus
mirabilis können eine induzierbare oder konstitutive Breitspektrum-chromosomale Betalaktamase entwickeln.
Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch direkten Kontakt über Hände bzw. als Schmierinfektion aber auch über kontaminierte Instrumente.
Vermehrung und Inkubationszeit
Keine Daten verfügbar.
Resistenz
Keine Daten verfügbar.
Immunantwort
Keine Daten verfügbar.
Differenzialdiagnose
Keine Daten verfügbar.
Labordiagnostik
Kulturelle Anzüchtung. Siehe fakultativ pathogene E. coli Das Schwärmphänomen wird
durch CLED-Agar unterdrückt.
Biochemische Differenzierung.
◗ Harnstoffspaltung
◗ H2S-Bildung
◗ Gelatineasespaltung
◗ Glukosespaltung
◗ Cellulosespaltung
◗ Proteus vulgaris ist im Gegensatz zu Proteus
mirabilis und penneri indolpositiv.
Serologische Differenzierung. 17 O-Antigene
wurden bei Proteus vulgaris nachgewiesen, 27
bei Proteus mirabilis, 5 O-Antigene sind beiden
Spezies gemeinsam, ferner werden 17 H-Antigene unterschieden.
Wirtsbereich
Beide Spezies kommen im Darm des Menschen
und dem zahlreicher Tierarten vor. Sie finden
sich als Fäulniskeime in Erdproben, in Mist, in
Abwässern und gelegentlich auch in Lebensmitteln.
Risikogruppen
Risikogruppen für Proteus-Infektionen sind
Wickelkinder, abwehrgeschwächte Patienten,
Dauerkatheterträger, Patienten mit prädisponierenden Faktoren für Harnwegsinfektionen
( E. coli).
Epidemiologie
Proteus mirabilis ist der häufigste Erreger von
Harnwegsinfektionen
bei
Wickelkindern
männlichen Geschlechts. Im späteren Lebensalter wird er häufiger bei Frauen beobachtet. Beide Arten sind für zahlreiche im Krankenhaus
erworbene Infektionen verantwortlich.
Therapie
Entsprechend Antibiogramm. Im ambulanten
Bereich isolierte Proteus-mirabilis-Stämme sind
meist empfindlich gegenüber Aminopenicillinen, Cephalosporinen, Aminoglykosiden,
Cotrimoxazol, während im Krankenhaus isolierte Proteus-vulgaris- und -mirabilis-Stämme
mitunter hoch resistent sind. Wirksam sind
dann häufig noch Cefotaxim, Carbapeneme und
Chinolone.
Genetik
Keine Daten verfügbar.
Prävention
Fakultativ pathogene E. coli.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Keine Daten verfügbar.
565
P
Prototheca wickerhamii
Meldepflicht
Taxonomie
§ 23 IfSG Abs. 1: Multiresistenz ist zu dokumentieren.
Obwohl die taxonomische Stellung der Prototheken nicht eindeutig determiniert ist, werden
sie im Allgemeinen als chlorophylllose Algen
angesehen. Die Gattung Prototheca wird der Familie Chlorophyceae (Grünalgen) zugeordnet.
Sie umfasst farblose (chlorophylllose) einzellige, unbewegliche, heterotroph und aerob lebende Algen, die sich ausschließlich asexuell durch
Bildung von Endosporen in freier Zellbildung
vermehren. Es werden derzeit 3 Spezies anerkannt:
◗ P. zopfii (Synonyme: P. ciferri, P. segbwema,
P. trispora, P. portoricensis, P. moriformis;
„P. zopfii“)
◗ P. wickerhamii
◗ P. stagnora Cooke, 1968. P. stagnora ist kein
Krankheitserreger für Mensch und Tier.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
http://www.cdc.gov/
Schlüsselliteratur
1. Blaser, M.J., Ph.D. Smith, J.I. Ravdin, H.B. Greenberg, R.L.
Guerrant (Eds.) Infections of the Gastrointestinal Tract,
Raven Press New York, 1995
2. Hahn, H., D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann (Hrsg.)
Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 4. Auflage,
Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona,
Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokyo, 2001
3. Kist, M., J. Bockemühl, S. Aleksic, M. Altwegg, I.B.
Autenrieth, W. Bär, L. Beutin, B. Gerten, E. Heintschel von
Heinegg, H. Karch, A. Lehmacher, F. Mehnert, U.
Sonnenborn, H. Tschäpe, Chr. V. Eichel-Streiber:
Infektionen des Darmes: MiQ 9, Urban und Fischer,
München, Jena, 2000
4. Konemann, E.W., H.D. Allen, W.M. Janda, P.C.
Schreckenberger, W.C. Winn (Eds.) Diagnostic
Microbiology, 5th Ed., Lippincott, Philadelphia, New York,
1997
5. Mandell, G.L., J.E. Bennett, R. Dolin (Eds.) Mandell,
Douglas, and Bennett’s Principles and Practice of
Infectious Diseases. 5th Ed. Churchill-Livingstone,
Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sydney, Tokyo,
Edinburgh, 2000
Prototheca wickerhamii
Erregerbezeichnung
Prototheca wickerhamii Tubaki und Soneda,
1959 (chlorophylllose, einzellige Alge)
Synonym
Entfällt.
Morphologie
Prototheca wickerhamii lässt sich auf Pilznährböden kultivieren.
Kolonie. Oberseite: Hefeartige, halbkugelige
Kolonie mit glattem Rand und glatter Oberfläche, beige bis ockerfarben. Unterseite: Farblos.
Mikromorphologie der Kulturform. Runde
Einzelzellen (Durchmesser 4 bis 10 µm), die
kleiner als bei P. zopfii sind. Daneben größere
Zellen (Sporangien) mit runden Endosporen.
Plastidähnliche Granula im Protoplasma. Keine
Sprosszellen!
566
Historie
Das Genus Prototheca wurde 1894 von Krüger
etabliert. Er hatte erstmalig Prototheken aus
dem Saftfluss von Laubbäumen isoliert. Ihre
Zuordnung zu Pilzen oder zu Algen war lange
umstritten. Für die Zugehörigkeit zu Algen
sprechen die Ultrastruktur der Zellwände, plastidähnliche Granula im Plasma und der asexuelle Vermehrungsmodus durch Bildung von Endosporen.
Erkrankungen/Symptome
P. wickerhamii wurde als häufigster Erreger von
Protothekosen des Menschen nachgewiesen. Sie
stellen seltene, meist lokalisierte, chronische Erkrankungen ohne Tendenz zur Selbstheilung
dar. 1968 wurde der erste Fall einer Protothekose durch P. wickerhamii in den USA bei einer
diabetischen Karzinom-Patientin beobachtet.
1974 wurde eine systemische Erkrankung durch
die gleiche Alge bei einem jungen Mann mit zellulärem Immundefekt von Cox et al. beschrieben.
Klinische Bilder beim Menschen. Verruköse
oder schuppende Hautläsionen, primäre Hautgranulome mit lymphogener Streuung und
Tendenz zur Chronizität, akute Pyodermien, Ellenbogenschleimbeutelentzündung,
lokale
Wundinfektionen, bevorzugt an den Extremitäten und im Gesicht sowie systemische Manifestationen.
Prototheca wickerhamii
Bei Tieren. Isolierung von P. wickerhamii aus
subkutanem Gewebe bei Katzen und von dermalen und lymphatischen Läsionen bei einem
Reh.
Spezifische Merkmale
Prototheken bilden im Unterschied zu Hefepilzen keine Sprosszellen. Bei der Kultur- und Gewebeform treten Sporangien mit Endosporen
auf.
Differenzialdiagnose
Klinisch. Abgrenzung der Prototheken von
Sprosspilzen (Hefen, z.B. Candida spp.)
Mikrobiologisch. Ausschluss bakteriell- oder
pilzbedingter Krankheitsbilder.
Labordiagnostik
Die mikrobiologische Diagnostik basiert auf
dem mikroskopischen und kulturellen Erregernachweis.
Mikroskopische Untersuchung. Von Materialproben aus Krankheitsherden: Nachweis von
runden Zellen der Alge. Dafür geeignet sind die
Färbungen nach Grocott-Gomori oder Grindley
und die PAS-Färbung sowie die Immunfluoreszenz-Technik.
Kulturelle Anzüchtung. Auf den üblichen festen
Pilznährböden mit Thiamin, jedoch ohne Cycloheximid (Actidion) bei 25 bis 37°C in 2 bis 7
Tagen.
Differenzierung. Von P. wickerhamii anhand
der Kolonieform, der Mikromorphologie und
der Assimilation von Kohlenstoffverbindungen
(Glucose, Galactose, Trehalose und Glyzerin
werden assimiliert), KNO3 wird nicht verwertet,
Wachstum findet bei 37°C statt.
Therapie
Die Behandlung der Protothekosen ist außerordentlich schwierig und langwierig, oft erfolglos.
Antibakterielle Antibiotika, Sulfonamide und
zytotoxische Präparate sind unwirksam. Von
den Antimykotika zeigen Nystatin, Amphotericin B, Miconazol und Ketoconazol in vitro einen
Hemmeffekt. Gegen Griseofulvin, Fluconazol,
Itraconazol und Flucytosin sind Prototheken
resistent. Beim Menschen erwies sich Amphotericin B intravenös langfristig in hohen Dosen
verabreicht als am wirksamsten.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
P. wickerhamii ist ein fakultativ pathogener Erreger, der bei entsprechender Vorschädigung
oder in Kombination mit Immunsuppression,
z.B. bei HIV-Infektion oder Kortison-Therapie,
Krankheiten auslösen kann.
Sie verfügt über eine geringe Virulenz. Die Existenz von Toxinen als Virulenzfaktoren wird
diskutiert. Ihre antigenetische Varianz ist ungeklärt.
Transmission
Exogene Infektion. Keine direkte Übertragung
von Mensch zu Mensch. Infektion durch Umweltkontakte. Eintrittspforten für P. wickerhamii sind die Haut, die Mundschleimhaut und
der Magen-Darm-Trakt. Die Alge ist gelegentlich als Kontaminant auf der Haut, auf Fingerund Fußnägeln und im Stuhl anzutreffen.
Vermehrung und Inkubationszeit
Vermehrung durch Endosporulation. Aerobe
Kultivierung auf den üblichen Pilznährböden.
2 bis 5 Tage Inkubationsdauer bei 25 bis 28°C,
Wachstum bei 37°C möglich.
Inkubationszeit bei Infektion: Unbekannt.
Resistenz
Bei Therapie. Sensibel gegen Amphotericin B,
Ketoconazol, Nystatin. Resistent gegen Flucytosin, Griseofulvin, Fluconazol, Itraconazol.
In der Umwelt. Geringe Trockenresistenz, Bevorzugung feuchter Standorte.
Immunantwort
◗ Induktion spezifischer Antikörper der Isotypen IgG und IgA,
◗ Hohe Phagozytoseresistenz. Für P. wickerhamii ist Überleben und Vermehrung im Makrophagen und in PMN’s möglich.
567
P
Prototheca zopfii
Wirtsbereich
P. wickerhamii ist ein ubiquitärer Bewohner
von ländlichen und städtischen Abwässern, an
die sie in hohem Maße adaptiert ist.
Risikogruppen
Das häufige Vorkommen von P. wickerhamii in
der Umwelt und die seltene Erkrankung des
Menschen sprechen für eine geringe pathogene
Potenz der Alge und eine geringe Empfänglichkeit des Menschen für eine Protothekeninfektion. Es erkranken abwehrgeschwächte Menschen im Alter von 18 und 75 Jahren. Prädisponierend wirken Traumen, Diabetes mellitus und
Immundefekte.
Epidemiologie
Culture collection UTEX:
http://www.bio.utexas.edu/research/utex/
Schlüsselliteratur
1. Blaschke-Hellmessen R, Schuter H, Schuster K (1985)
Chlorophyllose Algen der Gattung Prototheca (Krüger) –
Saprophyten und Krankheitserreger bei Mensch und Tier.
Z gesamte Hygiene 31, pp. 561–564
2. Blaschke-Hellmessen R, Schuster H, Bergmann V (1985)
Differenzierung von Varianten bei Prototheca zopfii
Krüger 1894. Arch exper Vet med 39, pp. 387–397
3. Kwon-Chung KJ, Bennett JE (1992) Medical Mycology, 2nd
ed., Chapter 29: Protothecoses, pp. 183–190. Lea & Febiger,
Philadelphia, London.
Prototheca zopfii
P. wickerhamii ist weltweit verbreitet. Es kommt
zu sporadischen Erkrankungsfällen bei Mensch
und Tieren, keine epidemieartigen Häufungen.
Erregerbezeichnung
Genetik
Synonym
Prototheca zopfii Krüger, 1894 (chlorophylllose,
einzellige Alge)
Prävention
Protoheca (P.) chlorelloides Beijerinck (1904);
P. portoricensis Ashford et al. (1930); P. ciferri
Negroni und Blaisten (1941); P. trispora Ciferri
et al. (1957); P. segbwema Davies et al. (1964);
P. salmonis Gentles und Bond (1977).
Für den Menschen sind Präventivmaßnahmen
kaum möglich und erforderlich.
Morphologie
Accession-No. der Nukleinsäuren- und Proteinsequenzen: 18S smal subunit rRNA: GenBank
Accession-Nr.: X56099 und X74003
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Im Allgemeinen nicht notwendig, Monitoring
immunsupprimierter Personen.
Meldepflicht
Prototheca zopfii lässt sich auf Pilznährböden
kultivieren.
Kolonie. Oberseite: Trockene, hefeartige, flache
Kolonien mit zentralem Knopf, ausgebogtem
Rand und gekörnter Oberfläche, weißlich-beige.
Unterseite: Farblos.
Keine.
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Referenzzentren / Expertenlaboratorien
Keine.
Web-Adressen
Further Information:
http://www.prototheca.com
Stammsammlung für Algenkulturen der Universität Göttingen: http://www.gwdg.de/
~epsag/phykologia/epsag.html
Culture collection ATCC:
http://phage.atcc.org/searchengine/all.html
568
Mikromorphologie der Kulturform. Runde
oder elliptische Einzelzellen (Durchmesser 9 bis
11 µm), plastidähnliche Granula im Protoplasma. Und besonders große Zellen (Sporangien,
Durchmesser bis 30 µm) mit runden oder elliptischen Endosporen im Innern, daneben in Teilung befindliche Zwischenformen. Keine Abschnürung von Sprosszellen!
Taxonomie
Obwohl die taxonomische Stellung der Prototheken nicht eindeutig determiniert ist, werden
sie allgemein als chlorophylllose Algen angesehen. Die Gattung Prototheca wird der Familie
Chlorophyceae (Grünalgen) zugeordnet. Sie
Prototheca zopfii
umfasst farblose (chlorophylllose) einzellige,
unbewegliche, heterotroph und aerob lebende
Algen, die sich ausschließlich asexuell durch
Bildung von Endosporen in freier Zellbildung
vermehren. Es werden derzeit 3 Spezies anerkannt:
◗ P. zopfii
◗ P. wickerhamii ( „P. wickerhamii“)
◗ P. stagnora Cooke, 1968. P. stagnora ist kein
Krankheitserreger für Mensch und Tier.
Historie
Das Genus Prototheca wurde 1894 von Krüger
etabliert. Er hatte erstmalig Prototheken aus
dem Saftfluss von Laubbäumen isoliert. Ihre
Zuordnung zu Pilzen oder zu Algen war lange
umstritten. Für die Zugehörigkeit zu Algen
sprechen die Ultrastruktur der Zellwände, plastidähnliche Granula im Plasma und der asexuelle Vermehrungsmodus durch Bildung von Endosporen.
Erkrankungen/Symptome
P. zopfii ruft kutane und systemische Erkrankungen bei Mensch und Tier hervor. Dabei
kommt es zu geringen Entzündungserscheinungen bis hin zu schweren Nekrosen oder Mikroabszessen. Bei Tieren verlaufen die Infektionen schwerer als beim Menschen.
Infektionen beim Menschen. Sehr selten, vorwiegend Einzelfälle in tropischen und subtropischen gebieten. 1964 erste gesicherte kutane
Protothekose durch Davies et al.: Verruköse
Fußläsion mit nachfolgender Generalisierung
bei einem afrikanischen Reisbauern durch
P. segbwema (Synonym von P. zopfii).
Labordiagnostik
Die mikrobiologische Diagnostik basiert auf
dem mikroskopischen und kulturellen Erregernachweis. Bei Protothekenmastitis des Rindes
steht außerdem ein indirekter ELISA zum
Nachweis von spezifischem IgG im Serum und
von IgA und IgG1 im Milchserum zur Verfügung.
Mikroskopische Untersuchung. Von Materialproben aus Krankheitsherden: Nachweis von
runden bis ovalen Zellen (3 bis 30 µm Durchmesser) mit oder ohne Endosporen in der Dermis, Epidermis und in Organen (z.B. Eutergewebe mastitiskranker Rinder). Zur Darstellung
der Prototheken-Zellen eignen sich die Färbungen nach Grocott-Gomori oder Grindley und
die PAS-Färbung sowie die ImmunfluoreszenzTechnik.
Kulturelle Anzüchtung. Auf den üblichen festen
Pilznährböden mit Thiamin, jedoch ohne Cycloheximid (Actidion) bei 25 bis 37°C in 2 bis 5
Tagen. Zur Isolierung aus stark kontaminierten
Proben (Abwasser, Kot) eignet sich der Selektivagar von PORE mit Zusatz von Kaluimhydrogenphthalat und Flucytosin (Ancotil®).
Differenzierung. Von P. zopfii anhand der Kolonieform, der Mikromorphologie und der Assimilation von Kohlenstoffverbindungen (Glucose, Galactose, Trehalose und Glycerin werden
assimiliert), KNO3 wird nicht verwertet, Wachstum findet bei 37°C statt.
Therapie
Infektionen bei Tieren. Werden am häufigsten
von P. zopfii ausgelöst. Im Vordergrund stehen
Systemerkrankungen mit zusätzlichem Hautund Schleimhautbefall. Besonders betroffen
sind Rinder (akute und chronische Entzündung
des Euters), Hunde (Befall der Haut, des Darmtraktes und der Augen) sowie Katzen.
Differenzialdiagnose
Klinisch. Abgrenzung der Prototheken von
Sprosspilzen (Hefen, z.B. Candida spp.)
Mikrobiologisch. Ausschluss bakteriell- oder
pilzbedingter Krankheitsbilder.
Die Behandlung der Protothekosen ist außerordentlich schwierig und langwierig, oft erfolglos.
Antibakterielle Antibiotika, Sulfonamide und
zytotoxische Präparate sind unwirksam. Von
den Antimykotika zeigen Nystatin, Amphotericin B, Miconazol und Ketoconazol in vitro einen
Hemmeffekt. Gegen Griseofulvin, Fluconazol,
Itraconazol und Flucytosin sind Prototheken
resistent. Beim Menschen erwies sich Amphotericin B intravenös langfristig in hohen Dosen
verabreicht als am wirksamsten. Die medikamentöse Therapie der Protothekenmastitis des
Rindes war bislang erfolglos.
569
P
Prototheca zopfii
Spezifische Merkmale
Immunantwort
Prototheken bilden im Unterschied zu Hefepilzen keine Sprosszellen. Bei der Kultur- und Gewebeform treten Sporangien mit Endosporen
auf.
◗ Induktion spezifischer Antikörper der Isotypen IgG im Serum sowie IgA und IgG1 im
Milchserum (Rind).
◗ Das Rind verfügt über eine insuffiziente Infektabwehr, da ca. 2/3 der infizierten Tiere zu
intermittierenden oder persistierenden Erregerausscheidern werden.
◗ Abkapselung von P. zopfii im Gewebe.
◗ Hohe Phagozytoseresistenz. Für P. zopfii ist
Überleben und Vermehrung im Makrophagen und in PMN’s möglich.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
P. zopfii ist ein fakultativ pathogener Erreger,
der bei entsprechender Vorschädigung oder in
Kombination mit Immunsuppression, z.B. bei
HIV-Infektion oder Cortison-Therapie, Krankheiten auslösen kann.
Sie verfügt über eine geringe Virulenz. Die Existenz von Toxinen als Virulenzfaktoren wird
diskutiert. Es gibt deutliche Belege für die Existenz dreier Sero- und Biotypen von P. zopfii,
von denen Serotyp II für die Protothekenmastitis des Rindes ursächlich zu sein scheint.
Wirtsbereich
Transmission
P. zopfii ist ein ubiquitärer Bewohner von ländlichen und städtischen Abwässern, an die sie in
hohem Maße adaptiert ist. Vorkommen im
Darmtrakt von Rindern, Hunden, Ratten und
Bibern. Gelegentlicher Nachweis beim Menschen als Kontaminanten im Stuhl, Sputum, auf
Haut- und Nagelmaterial.
Exogene Infektion. Keine direkte Übertragung
von einem Wirt auf den anderen.
Risikogruppen
Bei Tieren. Übertragung durch kothaltiges
Wasser und Abwasser, über Gülle, Melkutensilien, Stallausrüstungen und natürlich gedüngte
Weideflächen. Intrazisternale und perkutane
Aufnahme der Prototheken durch das Rind.
Beim Menschen. Infektion durch Umweltkontakte. Eintrittspforten für Prototheken sind die
Haut, die Mundschleimhaut und der MagenDarm-Trakt.
Vermehrung und Inkubationszeit
Vermehrung durch Endosporulation. Aerobe
Kultivierung auf den üblichen Pilznährböden. 2
bis 5 Tage Inkubationsdauer bei 25 bis 28°C, bei
pathogenen Isolaten Wachstum bei 37°C.
Inkubationszeit bei Infektion: Unbekannt
Resistenz
Bei Therapie. Sensibel gegen Amphotericin B,
Ketoconazol, Nystatin. Resistent gegen Flucytosin, Griseofulvin, Fluconazol, Itraconazol.
In der Umwelt. Geringe Trockenresistenz, Bevorzugung feuchter Standorte.
570
Beim Menschen wirken Traumen und traumatische Implantationen in die Haut, Operationswunden, allgemeine Resistenzminderung und
Immundefekte prädisponierend für eine Protothekose. Auch bei Tieren ist mit dem Einfluss
disponierender Faktoren im Sinne einer allgemeinen oder lokalen Resistenzänderung zu
rechnen (z.B. bakteriell bedingte Euterinfektionen und langfristige Antibiotikatherapie als
Vorläufer der Protothekenmastitis beim Rind).
Epidemiologie
Über die Epidemiologie und Epizootiologie der
Protothekosen liegt wenig gesichertes Wissen
vor. P. zopfii ist weltweit verbreitet. Die Alge lebt
als anspruchsloser Saprophyt in feuchten Umweltbereichen. Sie wird mit dem Kot von Rindern und Schweinen sowie mit der Milch mastitiskranker und asymptomatischer Kühe ausgeschieden. Durch protothekenhaltige Abwässer
werden natürliche Wassersysteme sowie Nahrungs- und Futtermittel kontaminiert. Der
Nachweis von P. zopfii gelang aus Abwasser,
Flüssen, stehenden Gewässern, marinem Wasser, Erdböden und Erdölschlamm. Die Protothekenmastitis der Rinder ist eine äußerst kontagiöse Herdenerkrankung mit epidemischen
Ausbrüchen.
Providencia, Morganella
Accession-No. der Nukleinsäuren- und Proteinsequenzen: 18S smal subunit rRNA: GenBank
Accession-Nr.: X63519 und X74006
Culture collection ATCC:
http://phage.atcc.org/searchengine/all.html
Culture collection UTEX:
http://www.bio.utexas.edu/research/utex/
Prävention
Schlüsselliteratur
Für den Menschen sind Präventivmaßnahmen
kaum möglich und erforderlich. Eine andere Situation liegt bei Tierbeständen vor: Da mit dem
Vorkommen von Prototheken in Rinderställen
zu rechnen ist, sind wirksame Reinigungs- und
Desinfektionsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Stall- und Melkhygiene erforderlich.
Tiere mit Protothekenmastitis müssen mangels
wirksamer Therapien getötet werden. Gesunde
Tiere mit Ausscheidung von Prototheken in der
Milch sind vom übrigen Tierbestand zu isolieren. Die Milch aller Tiere ist auf P. zopfii zu kontrollieren.
1. Blaschke-Hellmessen R, Schuter H, Schuster K (1985)
Chlorophyllose Algen der Gattung Prototheca (Krüger) –
Saprophyten und Krankheitserreger bei Mensch und Tier.
Z gesamte Hygiene 31, pp. 561–564
2. Blaschke-Hellmessen R, Schuster H, Bergmann V (1985)
Differenzierung von Varianten bei Prototheca zopfii
Krüger 1894. Arch exper Vet med 39, pp. 387–397
3. Kwon-Chung KJ, Bennett JE (1992) Medical Mycology, 2nd
ed., Chapter 29: Protothecoses, pp. 183–190. Lea & Febiger,
Philadelphia, London.
4. Jensen HE, Aalbaek B, Bloch B, Huda A (1998) Bovine
mammary protothecosis due to Prototheca zopfii. 36, pp.
89–95
5. Roesler U, Scholz H, Hensel A (2001) Immunodiagnostic
identification of diary cows infected with Prototheca zopfii
at various clinical stages and discrimination between
infected and uninfected cows. J Clin Microbiol 39 (2): in
press
Genetik
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Mensch: Im Allgemeinen nicht notwendig, Monitoring immunsupprimierter Personen.
Rind:
◗ optimierte Melkhygiene
◗ Separierung und Tötung aller Keimträger
◗ Kombination von serologischer und kultureller Untersuchung bei mehrmaligen Bestandsuntersuchungen.
Providencia, Morganella
Erregerbezeichnung
Providencia alcalifaciens, Providencia stuartii,
Providencia rettgeri, Morganella morganii
Synonym
Keine Daten verfügbar.
Meldepflicht
P
Keine.
Morphologie
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
Gramnegative Stäbchenbakterien, Providencia
0,6–0,8×1,5–2,5 µm, Morganella 0,6–0,7×1,0–
1,7 µm. Beweglich durch peritriche Begeißelung.
Referenzzentren
Keine.
Taxonomie
Expertenlaboratorien
Familie: Enterobacteriaceae
Gattungen: Providencia, Morganella
ELISA zur Diagnostik der Protothekenmastitis:
Institut für Tierhygiene und Öffentliches Veterinärwesen der Universität Leipzig. An den
Tierkliniken 43, 04103 Leipzig
Web-Adressen
Further Information:
http://www.prototheca.com
Stammsammlung für Algenkulturen der Universität Göttingen: http://www.gwdg.de/
~epsag/phykologia/epsag.html
Historie
Providencia ist benannt nach der Stadt Providence in U.S.A. (Ewing, W.H., 1962), stuartii
nach dem amerikanischen Mikrobiologen C.A.
Stuart (1943), rettgeri nach dem Erstbeschreiber
L.F. Rettger (1909). Morganella morganii nach
dem englischen Mikrobiologen H. de R. Morgan
(1906).
Providencia und Morganella wurden aus dem
Genus Proteus ausgegliedert.
571
Providencia, Morganella
Erkrankungen/Symptome
Vermehrung und Inkubationszeit
Typische Erreger nosokomialer Erkrankungen
Proteus.
Keine Daten verfügbar.
Lokalisierte Prozesse. Proteus.
Generalisierte Prozesse. Proteus.
Resistenz
Keine Daten verfügbar.
Immunantwort
Keine Daten verfügbar.
Differenzialdiagnose
Keine Daten verfügbar.
Labordiagnostik
Kulturelle Anzüchtung. Fakultativ pathogene E. coli. Providencia und Morganella zeigt
kein Schwärmphänomen.
Biochemische Differenzierung: Durch unterschiedlichen Kohlenhydratabbau und andere
biochemische Reaktionen können die Spezies
der beiden Gattungen voneinander unterschieden werden. Harnstoffspaltung erfolgt durch
Providencia rettgeri und Morganella morganii.
Wirtsbereich
Providencia species finden sich häufig im Darm
von Mensch und Tieren, Morganella in den Fäzes von Menschen, Hunden und anderen Säugetieren.
Risikogruppen
Proteus.
Epidemiologie
Proteus.
Genetik
Serologische Differenzierung. Für P. alcalifaciens sind 46 O-Antigene und für P. stuartii 17 OAntigentypen bekannt. Für P. rettgeri besteht
ein Schema aus 34 O-Antigen- und 26 H-Antigentypen. Bei Morganella wurden 12 Phagentypen beschrieben und 42 Serotypen.
Keine Daten verfügbar.
Therapie
Keine Daten verfügbar.
Entsprechend Antibiogramm Proteus.
Spezifische Merkmale
Prävention
E. coli.
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Meldepflicht
§ 23 IfSG Abs. 1: Multiresistenz ist zu dokumentieren.
Pathogenität, Virulenz und Antigenvariabilität
Providencia rettgeri und Morganella morganii
sind mit Hilfe des Enzyms Urease in der Lage,
Harnstoff in CO2 und Ammoniak zu spalten.
Dies scheint ein Virulenzfaktor für die Entstehung von Harnwegsinfektionen zu sein, da es
durch Alkalisierung des Urins möglicherweise
zu einer Schädigung des Nierenepithels kommt.
Bei Providencia-Arten kommen induzierbare
oder konstitutive chromosomalkodierte Betalaktamasen vor, die den Spezies eine Multiresistenz gegenüber Antibiotika verleihen können;
Endotoxin.
Transmission
Proteus.
572
Referenzzentren, Expertenlaboratorien und
Web-Adressen
http://www.cdc.gov/
Schlüsselliteratur
1. Blaser, M.J., Ph.D. Smith, J.I. Ravdin, H.B. Greenberg, R.L.
Guerrant (Eds.) Infections of the Gastrointestinal Tract,
Raven Press New York, 1995
2. Hahn, H., D. Falke, S.H.E. Kaufmann, U. Ullmann (Hrsg.)
Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. 4. Auflage,
Springer Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Barcelona,
Hongkong, London, Mailand, Paris, Singapur, Tokyo, 2001
3. Kist, M., J. Bockemühl, S. Aleksic, M. Altwegg, I.B.
Autenrieth, W. Bär, L. Beutin, B. Gerten, E. Heintschel von
Heinegg, H. Karch, A. Lehmacher, F. Mehnert, U.
Sonnenborn, H. Tschäpe, Chr. V. Eichel-Streiber:
Infektionen des Darmes: MiQ 9, Urban und Fischer,
München, Jena, 2000
Pseudomonas
4. Konemann, E.W., H.D. Allen, W.M. Janda, P.C.
Schreckenberger, W.C. Winn (Eds.) Diagnostic
Microbiology, 5th Ed., Lippincott, Philadelphia, New York,
1997
5. Mandell, G.L., J.E. Bennett, R. Dolin (Eds.) Mandell,
Douglas, and Bennett’s Principles and Practice of
Infectious Diseases. 5th Ed. Churchill-Livingstone,
Philadelphia, London, Toronto, Montreal, Sydney, Tokyo,
Edinburgh, 2000
Pseudokuhpockenvirus
Pockenviren, andere humanpathogene animalische
Differenzialdiagnose
Erkrankungen durch eine Vielzahl anderer Erreger mit gleicher klinischer Symptomatik
Labordiagnostik
Mikroskopie. Dünne gramnegative Stäbchen,
beweglich aufgrund monopolarer Begeißelung.
Kulturelle Anzüchtung. Auf allen Medien, die
gramnegative Stäbchen nicht zu hemmen vermögen, zwischen 30° und 42°C.
Differenzierung. Oft typische Koloniemorphologie mit Hämolyse, Pseudophagenlöchern, unregelmäßigen Rändern, Metallglanz, Bildung
von Pyozyanin (blau) und Pyoverdin (Fluoreszein, grünlich).
Pseudomonas
Erregerbezeichnung
Pseudomonas aeruginosa
Synonym
Bakterium pyocyaneum, Pyo
Morphologie
Gramnegatives, schlankes Stäbchen
Biochemische Differenzierung. Nichtfermentierend, N2-Bildung aus Nitrat, Oxidation vieler
Zucker, Oxidase-positiv.
Serologische Differenzierung. Aufgrund der Lipopolysaccharidstruktur.
Typisierungsverfahren. Phagen-, Pyozintypisierung; heutzutage molekulare Methoden bevorzugt.
Taxonomie
Familie: Pseudomonadaceae
Gattungen: Pseudomonas
Historie
P. aeruginosa wurde erstmals 1872 von Schroeter beschrieben und Bacterium aeruginosa genannt. Gessard (1882) beschrieb die Pigmente.
Migula benannte 1900 den Keim Pseudomonas
aeruginosa.
Erkrankungen/Symptome
Alle Organsysteme können betroffen werden.
Pneumonie mit oder ohne Bakteriämie, Kolonisation des Respirationstrakts (mit Progression)
bei zystischer Fibrose, Septikämie (evtl. mit Ecthyma gangraenosum), Endokarditis, Harnwegsinfektionen, Meningitis Otitis externa, Keratitis, Endophthalmitis, Osteomyelitis, Wundinfektionen, Folliculitis. Die große Mehrzahl
der Erkrankungen ist nosokomial erworben.
Chronische Besiedlung bei Mukoviszidose.
Therapie
P. aeruginosa ist multiresistent. Gewöhnlich
wird für die Therapie ein Pseudomonas-aktives
Penicillin (Mezlocillin, Piperacillin) in Kombination mit einem Aminoglykosid verabfolgt, sofern Empfindlichkeit besteht. Alternativen sind
Ceftazidim, Imipenem, Ciprofloxazin, meist
ebenfalls mit Aminoglykosiden kombiniert.
Spezifische Merkmale
Pathogenität, Virulenz, Antigenvariabilität
Pathogenitätsmechanismen: Pili zur Adhäsion,
Poysaccharidkapseln (mukoide Kolonien bei
zystischer Fibrose), extrazelluläre Enzyme (Elastase, Proteasen Hämolysine), Exotoxin A (Wirkungsmechanismus ähnelt dem des Diphtherietoxins), Endotoxin.
Transmission
Meist von der unbelebten Umwelt(z.B. Nasszonen im Krankenhaus), seltener von Mensch zu
573
P
Pseudomonas maltophilia
Mensch (ebenfalls bei Krankenhausaufenthalt
und zystischer Fibrose).
Strategien zur Krankheitsvorbeugung und
Kontrolle
Siehe Prävention.
Vermehrung und Inkubationszeit
P. aeruginosa sind äußerst anspruchslos und
wachsen auf Minimalnährmedien (Vermehrung
auch im Trinkwasser möglich. Die Inkubationszeit bei nosokomialen Infektionen beträgt Tage.
Meldepflicht
Es besteht keine Meldepflicht nach IfSG.
Referenzzentren
Keine bekannt.
Resistenz
P. aeruginosa sind gegen Penicillin, Ampicillin,
Amoxicillin-Clavulansäure, Tetrazykline sowie
Cephalosporine der 1. und 2. Generation und
orale der 3. Generation resistent.
Immunantwort
Erkrankung durch P. aeruginosa hinterlässt keine Immunität. Aktive Immunisierung hat sich
nicht bewährt.
Schlüsselliteratur
1. Köhler, W., H. J. Eggers, B. Fleischer, R. Marre, H. Pfister,
G. Pulverer (Hrsg.) Medizinische Mikrobiologie, 8.
Auflage. Urban & Fischer, München, 2000
2. Murray, P., E. J. Baron, M. Pfaller, F. Tenover, R. H. Yolken
(eds.) Manual of Clinical Microbiology, 7th edn. Amer.
Soc. Microbiology, 1999
3. Burkhardt, F. (Hrsg.) Mikrobiologische Diagnostik. Georg
Thieme Verlag Stuttgart, 1992
Wirtsbereich
Pseudomonas maltophilia
Mensch, Tier, Pflanzen, unbelebte Umwelt.
Stenotrophomonas
Risikogruppen
Leukopenie, Immunsuppression (Sepsis); Verbrennungen (Wundinfektionen), antimikrobielle Therapie, lokale Feuchtigkeitsansammlungen (Otitis, Folliculitis), Diabetes mellitus (maligne Otitis), zystische Fibrose.
Pseudomonas putrefaciens
Shewanella
Epidemiologie
Pseudomonas shigelloides
Da P. aeruginosa ein ubiquitärer Keim mit geringen Nährstoffansprüchen ist, kann er in vielen Arealen, v.a. auch im Spital, überleben und
von dort auf Patienten übertragen werden.
Meist kommt es zunächst zur Kolonisierung
(z.B. im oberen Respirationstrakt oder im Dickdarm).
Plesiomonas
Punta Toro Virus
Bunyaviren
Genetik
Gensequenz des Toxin A-Gens bekannt, wird
als spezifischer Primer bei der molekularbiologischen Charakterisierung von P. aeruginosa
verwendet.
Prävention
Allgemein-Maßnahmen zur Verhinderung der
Übertragung von gramnegativen Keimen (z.B.
Tragen von Handschuhen beim Pflegepersonal,
Elimination infizierter Nasszonen). Vakzinen
sind bisher nur experimentell verwendet worden.
574
Puumula-Virus
Hantaviren
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