Mittwoch 24.10.2012 20.00 Uhr Werner-Otto

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Mittwoch
20.00 Uhr
24.10.2012
Werner-Otto-Saal
ensemble unitedberlin
Martin Glück Flöte
Erich Wagner Klarinette
Yoriko Ikeya Klavier
Andreas Bräutigam Violine
Jean-Claude Velin Viola
Lea Rahel Bader Violoncello
Lucy Shelton Sopran
Andrea Pestalozza Leitung
Pierrot in America
Hommage à Schönberg mit Auftragswerken des Arnold Schoenberg Institute L.A.
zum 100. Geburtstag der Uraufführung von Schönbergs „Pierrot lunaire“
Einführende Worte durch Pamela Rosenberg, Dean of Fellows and Programs,
American Academy Berlin
Paul Cooper (1926 – 1996)
„Landschaft“
Miriam Gideon (1906 – 1996)
„Böhmischer Krystall“
John Harbison (geb. 1938)
„Im Spiegel“
Leslie Bassett (geb. 1923)
„Die Wolken“
Karl Kohn (geb. 1926)
„Die Kirche“
Marc Neikrug (geb. 1946)
„Köpfe! Köpfe!“
Donald Harris (geb. 1931)
„Nordpolfahrt“
Ursula Mamlok (geb. 1923)
„Die Laterne“
William Kraft (geb.1923)
„Feerie“
Mel Powell (1923 – 1998)
„Die Violine“
Milton Babbitt (1916 – 2011)
„Souper“
Leonard Rosenman (1924 – 2008)
„Die Estrade“
Pause
Arnold Schönberg (1874 – 1951)
Dreimal sieben Gedichte aus Albert Girauds „Pierrot lunaire“ (Deutsch von Otto Erich
Hartleben) für eine Sprechstimme, Klavier, Flöte (auch Piccolo), Klarinette (auch
Bassklarinette), Geige (auch Bratsche) und Violoncello op. 21
„Mondestrunken“ – „Colombine“ – „Der Dandy“ – „Eine blasse Wäscherin“ – „Valse de Chopin“ –
„Madonna“ – „Der kranke Mond“
„Die Nacht“ – „Gebet an Pierrot“ – „Raub“ – „Rote Messe“ – „Galgenlied“ – „Enthauptung“ – „Die
Kreuze“
„Heimweh“ – „Gemeinheit“ – „Parodie“ – „Der Mondfleck“ – „Serenade“ – „Heimfahrt – „O alter Duft“
In Zusammenabeit mit dem ensemble unitedberlin und der American Academy in
Berlin
(Logo American Academy)
Hauptförderer des Konzerthauses Berlin
(Logo Kaisers)
Premiumpartner
(Logo 50Hertzt-Transmission)
Mobiltelefon ausgeschaltet? Vielen Dank!
Wir machen darauf aufmerksam, dass Ton und/oder Bildaufnahmen unserer Aufführungen
durch jede Art elektronischer Geräte strikt untersagt sind. Zuwiderhandlungen sind nach dem
Urheberrechtsgesetz strafbar.
Neumusik im Mondschein
Schönbergs „Pierrot“
Entstehung 1912
Uraufführung 9. Oktober 1912 (für geladene Gäste); 16. Oktober 1912 (öffentliche Uraufführung)
Berlin, Choralion-Saal (Bellevuestraße 4, am Potsdamer Platz)
Mitwirkende Albertine Zehme (Rezitation); Hans W. de Vries (Flöte), Karl Essberger (Klarinette),
Jakob Malinjak (Geige), Hans Kindler (Cello), Eduard Steuermann (Klavier); Arnold Schönberg
(Leitung)
Dauer ca. 35 Minuten
„Soll ich es letzte Gebärungswut nennen? Oder eine mehr als kranke
Zerstörungssucht, die alles Traditionelle bis zum letzten Strauß knicken will? Oder
stehen wir vor der Revolution eines futuristischen Neutönergeistes? Der primäre
Eindruck, wenn ein solcher überhaupt angenommen werden kann, versagt eine klare
Feststellung dieser vollständig hypermodernen, für mich persönlich dekadenten
Neumusik.“ So begann 1912 ein Kritiker seine Besprechung einer der ersten
Aufführungen von Arnold Schönbergs „Pierrot lunaire“. Seine Meinung war noch
geradezu dezent; im erzkonservativen Teil des Publikums löste das Werk Stürme der
Entrüstung aus – bei einer aufgeschlosseneren Minderheit aber auch frenetische
Begeisterung. Wie kam es zu diesen hitzigen Gefühlswallungen?
Im März 1912 erhielt der damals in Berlin-Zehlendorf wohnende Schönberg
von der Schauspielerin und Diseuse Albertine Zehme den Auftrag, aus der 1884
erschienenen und von Otto Erich Hartleben (1864-1905) kongenial übersetzten
Gedichtsammlung „Pierrot lunaire“ („Mondsüchtiger Pierrot" oder "Pierrot im
Mondschein“) des belgischen Dichters Albert Giraud einige Stücke zu vertonen.
„Habe Vorwort gelesen, Gedichte angeschaut, bin begeistert. Glänzende Idee, ganz
in meinem Sinn. Würde das auch ohne Honorar machen wollen“, notierte Schönberg
in seinem Tagebuch.
Die Gedichte umreißen typische Elemente symbolistischer „Fin de siècle“Stimmung. Mit ästhetischer Wollust durchmessen sie Grenzbereiche moralischer
Konventionen und schwelgen dabei genüsslich schaudernd in Blut, Groteske, Mystik
und Grauen. Zu einem nicht geringen Teil basierten die Aufführungseklats auf dieser
„immoralistischen“ Tendenz der Textvorlagen, die freilich durch die der Commedia
dell'arte entnommene, ironisch-moderne Gestalt des Pierrots gebrochen wurde (eine
Figur, die auch in Igor Strawinskys „Petruschka“ von 1911 und Ferruccio Busonis
„Arlecchino“ von 1917 eine Hauptrolle spielt). Ein zeitgenössischer Kritiker schrieb
entsetzt: „Albertine Zehme ... hat vom hochheiligen Waschtisch, mageren Brüsten,
todeskranken Mond, von einer dürren Dirne und einem Nagel im Hirn und allerlei
sonstigen Absonderlichkeiten erzählet, wobei einem, so man in sündiger Haut
stecket, es kalt über den Buckel laufet. Ueberhaupts war diese Sache pestilenzisch
und eine Gefährnuß für unsere edle musika. Mozartl, was denkst du dazu?“
Die literarischen Vorlagen (deren „alberne Provinzdämonik“ Hanns Eisler zum
ironischen Gegenentwurf „Palmström“ op. 5 nach Christian Morgenstern anregte) hat
Schönberg zu Charakterstücken verdichtet, die er als „Melodramen“ in einen
maßgeblich von Georg Benda geprägten und auch von Beethoven, Schumann und
Strauss bestückten Traditionszusammenhang stellte. Die hier übliche Verbindung
von gesprochenem Wort und Musik erweiterte Schönberg noch um eine zusätzliche
Dimension: Er notierte jede einzelne Silbe mit genauem Rhythmus und fixierter
Tonhöhe, legte aber großen Wert darauf, dass nicht eigentlich gesungen, sondern
„unter guter Berücksichtigung“ dieser Vorgaben gesprochen würde: „es darf ... nie an
Gesang erinnern“, so der Komponist im Vorwort über diese zukunftsträchtige Form
des „Sprechgesangs“.
Kurz notiert
„Da der Flötist kahlköpfig war, flehte Frau Zehme Schönberg an, niemand außer ihr solle vom
Publikum gesehen werden. Schönberg entwarf daraufhin ein ausgeklügeltes System von
Wandschirmen, welches die Musiker verbarg, Frau Zehme jedoch erlaubte, seinen Taktstock
zu sehen. Das Publikum begrüßte den Pierrot – in riesiger Halskrause unter dem angemalten
ängstlichen Gesicht und kokett dargebotenen Beinen – mit unheilvollem Murmeln. Ich
bewunderte es, wie Frau Zehme ihre Nervosität beherrschte und ohne auf das Zischen und
Buhrufe zu achten, mutig ein Gedicht nach dem anderen vortrug.“
(Salka Viertel, Schwester von Eduard Steuermann, über die öffentliche Uraufführung)
Sowohl mit dem komplex strukturierten Tonsatz wie mit der innovativ entschlackten
Instrumentation hat Schönberg ästhetische Distanz zu seiner Vorlage gehalten. Ein
„leichter, ironisch-satirischer Ton“ schwebte ihm vor; Eduard Steuermann, der Pianist
der Uraufführung, berichtet von den mehr als 40(!) Proben: „Ich erinnere mich gut
seiner Versuche, die Sprecherin von dem tragischen Heldinnenausdruck
wegzubekommen, zu dem sie neigte.“ Umgeben ist die Rezitation denn auch von
einem schillernd vielfarbigen und mannigfach wechselnden Instrumentarium, das in
kunstvoll polyphoner Verflechtung weniger begleitet, als vielmehr gleichberechtigt
auftritt, ja sogar die Stimme mitunter in den Hintergrund drängt („Eine blasse
Wäscherin“). Die Besetzung ist variabel und schmilzt in „Der kranke Mond“ auf die
Soloflöte zusammen, während nur das letzte Stück („O alter Duft“) alle acht
möglichen Instrumente vorsieht. Stets ist es Schönberg um eine individuelle
Klangphysiognomie der einzelnen Stücke zu tun.
Die in den Rondeaus Girauds angelegte formale Strenge – durchgehend wird
die erste Zeile in der siebten und in der letzten Zeile sowie die zweite in der achten
Zeile reprisenartig wiederholt – hat Schönberg in musikalischer Hinsicht überhöht,
indem er die Musik verschiedentlich an traditionellen Formmodellen anlehnte, die
gewissermaßen die „Lückenbüßer der Atonalität“ (Theodor W. Adorno) sind: Die
kompositorische Freiheit, die die „atonale“ Periode Schönbergs auszeichnete, schien
zusehends des formalen Außenhalts zu bedürfen. Als dessen systematischer
Höhepunkt entstand Anfang der zwanziger Jahre die „Methode der Komposition mit
zwölf nur aufeinander bezogenen Tönen“. Im „Pierrot“ finden sich althergebrachte
Formtypen, wie etwa die eindrucksvolle Passacaglia in „Die Nacht“, die sich in
entwickelnder Variation entfaltet; ferner zwei Walzer („Valse de Chopin“ und
„Serenade“), aber vor allem kanonische und kontrapunktische Techniken wie der
Kanon in Umkehrung („Parodie“) und ein rückläufiger Spiegelkanon („Der
Mondfleck“).
Aufgehorcht
… oder auch nicht, denn wer’s nicht weiß, der hört‘s wohl kaum: Wenn Pierrot in „Der
Mondfleck“ argwöhnisch seinen Anzug beäugt und dabei den vielbeschworenen „weißen
Fleck des hellen Mondes“ entdeckt, klappt die Bewegung der paarweise im Kanon geführten
Instrumente um: Von nun an spielen sie das bis dahin Erklungene genau rückwärts. (Hier die
Spiegelachse: „… und findet richtig | einen weißen Fleck …“)
Einen Rückbezug anderer Art enthält das letzte Stück, das den „alten Duft aus
Märchenzeit“ nicht nur literarisch, sondern auch musikalisch beschwört – in
schlichtem Liedsatz, Terzgängen und kurzzeitigem E-Dur-Klang scheint die in den
dreißiger Jahren beginnende Hinwendung Schönbergs zur Re-Integration tonaler
Elemente vorgezeichnet zu sein: „Ein glückhaft Wünschen macht mich froh/ Nach
Freuden, die ich lang verachtet ...“
Geschichtsträchtig indes wurde der „Pierrot
lunaire“ als das, was er vor allem anderen war und ist: ein „Anfang neuer Stufungen
des Horchens“ (Alfred Kerr).
Pierrot revisited
Der Umstand, dass Schönberg „nur“ 21 der insgesamt 50 Gedichte vertont hatte,
brachte das Arnold Schoenberg Institute in Los Angeles anlässlich des 75jährigen
Jubiläums des „Pierrot“ im Jahr 1987 auf die Idee, als Hommage an das epochale
Werk auch die übrigen 29 Gedichte (ebenfalls in der Übertragung Hartlebens)
vertonen zu lassen – und damit zugleich ein Schlaglicht auf Schönbergs Bedeutung
für die nordamerikanische Musik zu werfen. Vorgabe war, dass die zum Einsatz
kommenden Instrumente den Rahmen der Originalbesetzung nicht überschreiten
durften; die Stimme aber wurde nicht auf den Sprechgesang beschränkt. 16
Komponistinnen und Komponisten nahmen die Herausforderung an und vertonten
zwischen 1987 und 1990 die restlichen Gedichte (einige vertonten mehrere
Gedichte; zwei Gedichte wurden doppelt vertont).
Zum 100jährigen „Pierrot“-Jubiläums 2012 knüpfen Lucy Shelton und das
ensemble unitedberlin an diese Hommage an und stellen den dreimal sieben
Vertonungen Schönbergs dreimal vier dieser Nachträge voran: Vertonungen von
Milton Babbitt, Leslie Bassett, Paul Cooper, Miriam Gideon, John Harbison, Donald
Harris, Karl Kohn, William Kraft, Ursula Mamlok, Marc Neikrug, Mel Powell und
Leonard Rosenman. Dabei zeigt sich ein weitgespannter, mal mit bewussten
Referenzen an Schönbergs expressiv-atonaler bzw. zwölftöniger Musiksprache
spielender, mal betont individueller Umgang mit Girauds Zyklus. Paul Cooper, der
unter anderem bei Roger Sessions und Nadia Boulanger studierte, übernahm das
Gedicht „Landschaft“, das bereits 1973 seiner 4. Sinfonie („Landscape“) den Titel
gegeben hatte. Ebenfalls mit Instrumentalquintett und ebenfalls mit „traditionellem“
Gesang vertonte Miriam Gideon, die auch bei Roger Sessions studierte, „Böhmischer
Krystall“, dessen Mondstrahlen in etlichen Skalenbewegungen aufzuleuchten
scheinen. Mit der Vortragsanweisung „poco isterico“ gibt Harbison – einer der
renommiertesten Vertreter der amerikanischen Musikszene, der unter anderem in
Berlin studiert hat – den erregten Affekt seiner Vertonung von „Im Spiegel“ vor.
Sprechgesang prägt das Klavier„lied“, das weniger auf naheliegende
kontrapunktische Spiegeltechniken zurückgreift, als vielmehr „kleine Pfeile aus Licht,
Farbe und Geschwindigkeit“ (Harbison) in den Klangraum schickt.
Kurz notiert
„(Ich) habe eine Art historisierenden Ansatz verfolgt: Ich versuchte, in die fiebrige Atmosphäre
des Jahrhundertbeginns einzutauchen und dem Text mit der Virtuosität und dem Charakter
eines wahren Gläubigen zu begegnen. Daher war ein wenig Schauspielerei vonnöten. Ein
faszinierender Aspekt an diesem Projekt war die Entdeckung, wie fern diese Texte uns sind;
wir wissen, dass es sich um das überhitzte, bunt schillernde Material handelt, das Schönberg
inspiriert hat – aber aus heutiger Sicht sind es seltsame Kuriositäten.“
(John Harbison)
Leslie Bassett hatte Unterricht beispielsweise bei Arthur Honegger und Nadia
Boulanger in Paris und gewann 1966 den Pulitzer Prize für seine „Variations for
Orchestra“. Seine Vertonung von „Die Wolken“ (das erste seiner drei „Pierrot Songs“)
nutzt wieder das Instrumentalquintett, das hier im dialogischen Wechsel mit dem
Sopran agiert, bis die choralartige Schlusszeile („Mit den blitzenden Flossen“) alle
Beteiligten vereint.
Der in Wien geborene Karl Kohn emigrierte 1939 in die USA, wo er u.a. bei
Walter Piston studierte und am Pomona College unterrichtete (daneben, privat, auch
Frank Zappa!). Seine atmosphärisch dichte Vertonung des Gedichts „Die Kirche“
kann mit Instrumentalquintett, ad libitum aber auch nur mit Klavier gespielt werden –
beide Fassungen treffen die „dunkle, weihrauchschwüle Kirche“ mit farbenreicher
Akkordik. Marc Neikrug, ein Schüler von Giselher Klebe und Gunther Schuller, hat
seine Vertonung von „Köpfe! Köpfe!“ samt überraschender Schlusspointe als
Trauermarsch („Tempo di Marcia funebre“) mit teils ersticktem Klavierklang angelegt.
Dunald Harris, geboren in St. Paul/Minnesota, studierte bei Boris Blacher, Lukas
Foss und André Jolivet; „Nordpolfahrt“ zeichnet mit gedämpften Streichern und
tieferem Instrumentenklang (Bassklarinette und Bratsche statt Klarinette und Violine)
die klirrende Ruhe der Eiseshelle. Mit einer munter-spielerischen Violineröffnung
lässt die in Berlin geborene, dann über Ecuador in die USA emigrierte Ursula
Mamlok, die uunter anderem bei George Szell, Roger Sessions und Eduard
Steuermann studierte, die Posse „Die Laterne“ beginnen; unter Einsprengseln von
Sprechgesang spitzt sich die absurde Situation dramatisch zu und erstirbt schließlich
im matten Abglanz der anfänglichen Violinfigur.
Auch William Kraft – Schüler unter anderem von Henry Cowell und
langjähriger Perkussionist des Los Angeles Philharmonic Orchestra – setzt in der
„Feerie“ die Stimme in mehreren Aggregatzuständen ein: Sie spricht, summt und
singt im Klanggewand des Quintetts, bis dieses im gleißenden Glanz der Sonne
zerstiebt. Mel Powell war Pianist in den Big Bands von Benny Goodman und Glenn
Miller; eine Erkrankung zwang ihn zu einer Änderung seines Karriereplans, so dass
er sich dem Komponieren zuwandte. Er studierte bei Paul Hindemith in Yale, dessen
Nachfolger er dort wurde. In „Die Violine“ präludiert Sologesang dem Einsatz des
titelgebenden Instruments, dem allein noch das Klavier an die Seite tritt; die Stimme
moduliert zum Sprechgesang, und „der Violine zarte Seele“ verhaucht himmelwärts.
Milton Babbitt war der wohl einflussreichste Vertreter der seriellen und elektronischen
Musik in den USA; er studierte bei Roger Sessions und war stark von Schönberg
geprägt, den er auch persönlich kennenlernte. „Souper“ sieht fast durchweg
Sprechgesang vor, so dass die Momente „normalen“ Gesangs besonderes Gewicht
gewinnen; das Leuchten der Johanniswürmchen ist der erste dieser Momente.
Leonard Rosenman studierte bei Arnold Schönberg, Roger Sessions und Luigi
Dallapiccola und machte sich insbesondere als Komponist von Filmmusik einen
Namen („Jenseits von Eden“; „Denn sie wissen nicht, was sie tun“; „Star Trek IV“).
„Die Estrade“ ist eine von drei „Pierrot“-Vertonungen Rosenmans; duftig fängt sie das
seidene, silbrige Rascheln der Mondesgöttin ein, weiß aber auch die eherne
Zeitlosigkeit des Marmors kantabel abzubilden.
CD-Tipp
Eduard Steuermann u.a./Arnold Schönberg/Erika Stiedry-Wagner (1940; derzeit nicht lieferbar); Glenn
Gould u.a./Patricia Rideout, Stimme (1974; Label: Sony; nur I. Teil); Ensemble InterContemporain/
Pierre Boulez /Christine Schäfer (1997; Label: DGG)
Die Texte
Landschaft
Rotgelb, wie ein großes Ei
Scheint die Sonne durch die Nebel,
Kahle, krüppelhafte Stämme
Ragen schwarz in sie hinein.
Spröde trotzt das Land dem Lenze,
Träge wandelt sich die Welt –
Rotgelb, wie ein großes Ei
Scheint die Sonne durch die Nebel.
Und ein traurig kaltes Licht
Leuchtet durch die grauen Lüfte,
Schwarzer Vögel Klageschrei
Schrillt herab … Die Sonne sinkt,
Rotgelb, wie ein großes Ei.
Böhmischer Krystall
Ein Strahl des Mondes, wohl verschlossen
Im Glas von böhmischem Krystall,
Ein Kleinod, wundersam und selten,
Ist dieses versetolle Buch.
Ich hab mich als Pierrot verkleidet –
Ihr, die ich liebe, bring ich dar
Den Strahl des Mondes, wohl verschlossen,
Im Glas von böhmischem Krystall.
In diesem schimmernden Symbole
Liegt Alles, was ich hab und bin.
Gleich wie Pierrot im bleichen Schädel,
Trag ich in Herz und Sinnen nur
Den Strahl des Mondes – wohl verschlossen.
Im Spiegel
Eine silberklare Mondessichel,
Hoch im Blau des heitren Abendhimmels,
Blickt in Colombinchens Boudoir
Durch die Flügeltüren der Veranda.
Gegenüber in dem Riesenspiegel
Malt sich, wie das Sinnbild frohen Friedens,
Eine silberklare Mondessichel,
Hoch im Blau des heitren Abendhimmels.
Vor dem Spiegel steht Pierrot, der Eitle,
Stolz auf seine schlanken weissen Glieder.
Plötzlich lacht er hell – auf seinem Haupte
Glänzt als Diadem, brillantenfunkelnd,
Eine silberklare Mondessichel.
Die Wolken
Gleich himmlischen Fischen
Mit blitzenden Flossen,
Schillern die Wolken
In Purpur und Gold.
Sie leuchten und glühn
Vor der sterbenden Sonne,
Gleich himmlischen Fischen
Mit blitzenden Flossen.
Auf schwarzen Barken
Rudert die Nacht heran.
Aus wirft sie die Netze
Und fängt die Fische
Mit den blitzenden Flossen.
Die Kirche
In der dunklen weihrauchschwülen Kirche,
Wie ein Strahl des Mondes, der sich einstahl
Durch die halbverblassten Fensterbilder,
Teilt Pierrot die schweigend dumpfe Dämmerung.
Auf das hohe Chor, vermummt in Schatten,
Schreitet er mit weltenrückten Augen –
In der dunklen weihrauchschwülen Kirche,
Wie ein Strahl des Mondes, der sich einstahl.
Sieh – da flammen plötzlich alle Kerzen
Lodernd auf! Die Nacht zerreißt vor ihnen!
Und sie bluten auf dem lichten Altar
Wie der Finsternis zerfetzte Wunden
In der dunklen weihrauchschwülen Kirche.
Köpfe! Köpfe!
Ihren schmutzig roten Korb
Hält sie mit verschrumpften Händen
Vor des Kerkers düstrem Tore
Steht sie – eine Bettlerin.
Ihre Kiefern ohne Zähne
Knirschen wie ein Beil auf Holz.
Ihren schmutzig roten Korb
Hält sie mit verschrumpften Händen.
Armes altes Weib! Wer möchte
Mitleidslos vorüberschreiten!
Sprich, was willst du? „Köpfe! Köpfe!“
Und die Guillotine schüttelt
Ihren schmutzig roten Korb.
Nordpolfahrt
Einen Eisblock, schillernd weiß,
Scharf gewetzt vom Licht der Nächte,
Trifft Pierrot – als er verzweifelnd
Fühlt, wie schon sein Schiff versinkt.
Frisch belebten Auges starrt er
Auf den Retter, ungeahnt –
Einen Eisblock, schillernd weiß,
Scharf gewetzt vom Licht der Nächte.
Und er scheint ihm ein Collega:
Ein Pierrot mit bleichen Ärmeln.
Und mit feierlichen Gesten
Grüßt er seinen treuen Bruder,
Einen Eisblock schillernd weiß.
Laterne
Eine fröhlich leuchtende Laterne,
Drin ein windgesichert Flämmchen züngelt,
Trägt Pierrot an einem langen Stabe,
Dass er ja nicht in den Brunnen purzle!
Und in jedem Winkel hält er stille.
Sorgsam stellt er auf das Pflaster nieder
Seine fröhlich leuchtende Laterne,
Drin ein windgesichert Flämmchen züngelt.
Plötzlich schreit er, wie von Wut besessen:
Weh der Welt! Die Leuchte ist erloschen!
Rasend wirft er sich zur Erde nieder
Und mit einem Schwefelholze sucht er –
Seine fröhlich leuchtende Laterne.
Feerie
Gewaltge, goldne Purpurvögel,
Geflügelten Juwelen gleich,
Ruhn auf gigantischen Oliven
In Breughels prunkenden Feerien.
Sie flattern auf – und breite Schatten
Streun sie auf brütende Prärien –
Gewaltge goldne Purpurvögel,
Geflügelten Juwelen gleich.
Mit starken Pfeilen, heiß und gleißend
Durch üppig wucherndes Gerank
Bahnt ihre Pfade sich die Sonne
Und tiefer glühn in ihrem Strahl
Gewaltge goldne Purpurvögel.
Die Violine
Der Violine zarte Seele,
Voll schweigend reger Harmonien,
Träumt nun im offenen Gehäuse
Nachzitternder Erregung Träume.
Wer wird aus solcher Ruh sie rühren
Aufs neu mit schmerzenmächtgem Arm,
Der Violine zarte Seele,
Voll schweigend reger Harmonien?
Ein feiner zager Strahl des Mondes
Mit letzten Schmerzen süßer Qual
Ironisch tändelnd – reizt und reget
Leis mit dem silberhellen Bogen
Der Violine zarte Seele.
Souper
In einer müden Gondel
Auf dunkelblauer Flut
Sitzt traut mit Colombine
Pierrot beim roten Wein
Johanneswürmchen leuchten
Als ihres Haars Demanten –
In einer müden Gondel
Auf dunkelblauer Flut.
Der Mond in seiner Güte
Gießt all sein Gold hernieder!
Und ihr zu Füßen duften
Die Veilchen – welk, versteut
In einer müden Gondel.
Die Estrade
Auf den Marmorstufen der Estrade,
Flüchtig raschelnd, wie mit seidnem Kleide,
Tanzt der Staub in bläulich weißem Schimmer,
Wirbelnd in den Kanten jeder Stiege.
Denn die Mondesgöttin wandelt leise,
Leichten Schrittes die gewohnten Wege –
Auf den Marmorstufen der Estrade,
Flüchtig raschelnd wie mit seidnem Kleide.
In den Staub vor seine bleiche Fürstin
Wirft Pierrot sich – im Gebet ersterbend.
Und da liegt der große, weiße Körper,
Aufgerankt und in die Höh gebreitet –
Auf den Marmorstufen der Estrade.
Mondestrunken
Den Wein, den man mit Augen trinkt,
Gießt nachts der Mond in Wogen nieder,
Und eine Springflut überschwemmt
Den stillen Horizont.
Gelüste schauerlich und süß,
Durchschwimmen ohne Zahl die Fluten!
Den Wein, den man mit Augen trinkt,
Gießt nachts der Mond in Wogen nieder.
Der Dichter, den die Andacht treibt,
Berauscht sich an dem heilgen Tranke,
Gen Himmel wendet er verzückt
Das Haupt und taumelnd saugt und schlürft er
Den Wein, den man mit Augen trinkt.
Colombine
Des Mondlichts bleiche Blüten,
Die weißen Wunderrosen,
Blühn in den Julinächten –
O brach ich eine nur!
Mein banges Leid zu lindern,
Such ich am dunklen Strome
Des Mondlichts bleiche Blüten,
Die weißen Wunderrosen.
Gestillt wärr all mein Sehnen,
Dürft ich so märchenheimlich,
So selig leis – entblättern
Auf deine braueen Haare
Des Mondlichts bleiche Blüten!
Der Dandy
Mit einem phantastischen Lichtstrahl
Erleuchtet der Mond die krystallnen Flacons
Auf dem schwarzen, hochheiligen Waschtisch
Des schweigenden Dandys von Bergamo.
In tönender, bronzener Schale
Lacht hell die Fontäne, metallischen Klangs.
Mit einem phantastischen Lichtstrahl
Erleuchtet der Mond die krystallnen Flacons.
Pierrot mit dem wächsernen Antlitz
Steht sinnend und denkt: wie er heute sich schminkt?
Fort schiebt er das Rot und das Orients Grün
Und bemalt sein Gesicht in erhabenem Stil
Mit einem phantastischen Mondstrahl.
Eine blasse Wäscherin
Eine blasse Wäscherin
Wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher;
Nackte, silberweiße Arme
Streckt sie nieder in die Flut.
Durch die Lichtung schleichen Winde,
Leis bewegen sie den Strom.
Eine blasse Wäscherin
Wäscht zur Nachtzeit bleiche Tücher.
Und die sanfte Magd des Himmels,
Von den Zweigen zart umschmeichelt,
Breitet auf die dunklen Wiesen
ihre lichtgewobnen Linnen –
Eine blasse Wäscherin.
Valse de Chopin
Wie ein blasser Tropfen Bluts
Färbt die Lippen einer Kranken,
Also ruht auf diesen Tönen
Ein vernichtungssüchtger Reiz.
Wilder Lust Accorde stören
Der Verzweiflung eisgen Traum –
Wie ein blasser Tropfen Bluts
Färbt die Lippen einer Kranken.
Heiß und jauchzend, süß und schmachtend,
Melancholisch düstrer Walzer,
Kommst mir nimmer aus den Sinnen!
Haftest mir an den Gedanken,
Wie ein blasser Tropfen Bluts!
Madonna
Steig, o Mutter aller Schmerzen,
Auf den Altar meiner Verse!
Blut aus deinen magren Brüsten
Hat des Schwertes Wut vergossen.
Deine ewig frischen Wunden
Gleichen Augen, rot und offen.
Steig, o Mutter aller Schmerzen,
Auf den Altar meiner Verse!
In den abgezehrten Händen
Hältst du deines Sohnes Leiche.
Ihn zu zeigen aller Menschheit Doch der Blick der Menschen meidet
Dich, o Mutter aller Schmerzen!
Der kranke Mond
Du nächtig todeskranker Mond
Dort auf des Himmels schwarzem Pfühl,
Dein Blick, so fiebernd übergroß,
Bannt mich wie fremde Melodie.
An unstillbarem Liebesleid
Stirbst du, an Sehnsucht, tief erstickt,
Du nächtig todeskranker Mond
Dort auf des Himmels schwarzem Pfühl.
Den Liebsten, der im Sinnenrausch
Gedankenlos zur Liebsten schleicht,
Belustigt deiner Strahlen Spiel –
Dein bleiches, qualgebornes Blut,
Du nächtig todeskranker Mond.
Nacht (Passacaglia)
Finstre, schwarze Riesenfalter
Töteten der Sonne Glanz.
Ein geschlossnes Zauberbuch,
Ruht der Horizont – verschwiegen.
Aus dem Qualm verlorner Tiefen
Steigt ein Duft, Erinnrung mordend!
Finstre, schwarze Reisenfalter
Töteten der Sonne Glanz.
Und vom Himmel erdenwärts
Senken sich mit schweren Schwingen
Unsichtbar die Ungetüme
Auf die Menschenherzen nieder...
Finstre, schwarze Riesenfalter.
Gebet an Pierrot
Pierrot! Mein Lachen
Hab ich verlernt!
Das Bild des Glanzes
Zerfloss – Zerfloss!
Schwarz weht die Flagge
Mir nun vom Mast.
Pierrot! Mein Lachen
Hab ich verlernt!
O gib mir wieder,
Rossarzt der Seele,
Schneemann der Lyrik,
Durchlaucht vom Monde,
Pierrot – mein Lachen!
Raub
Rote, fürstliche Rubine,
Blutge Tropfen alten Ruhmes,
Schlummern in den Totenschreinen,
Drunten in den Grabgewölben.
Nachts, mit seinen Zechkumpanen,
Steigt Pierrot hinab – zu rauben
Rote, fürstliche Rubine,
Blutge Tropfen alten Ruhmes.
Doch da – sträuben sich die Haare,
Bleiche Furcht bannt sie am Platze:
Durch die Finsternis – wie Augen! –
Stieren aus den Totenschreinen
Rote, fürstliche Rubine.
Rote Messe
Zu grausem Abendmahle,
Beim Blendeglanz des Goldes,
Beim Flackerschein der Kerzen,
Naht dem Altar – Pierrot!
Die Hand, die gottgeweihte,
Zerreißt die Priesterkleider
Zu grausem Abendmahle,
Beim Blendeglanz des Goldes
Mit segnender Gebärde
Zeigt er den bangen Seelen
Die triefend rote Hostie:
Sein Herz – in blutgen Fingern –
Zu grausem Abendmahle!
Galgenlied
Die dürre Dirne
Mit langem Halse
Wird seine letzte
Geliebte sein.
In seinem Hirne
Steckt wie ein Nagel
Die dürre Dirne
Mit langem Halse.
Schlank wie die Pinie,
Am Hals ein Zöpfchen –
Wollüstig wird sie
Den Schelm umhalsen,
Die dürre Dirne!
Enthauptung
Der Mond, ein blankes Türkenschwert
Auf einem schwarzen Seidenkissen,
Gespenstisch groß – dräut er hinab
Durch schmerzendunkle Nacht.
Pierrot irrt ohne Rast umher
Und starrt empor in Todesängsten
Zum Mond, dem blanken Türkenschwert
Auf einem schwarzen Seidenkissen.
Es schlottern unter ihm die Knie,
Ohnmächtig bricht er jäh zusammen.
Er wähnt: es sause strafend schon
Auf seinen Sünderhals hernieder
Der Mond, das blanke Türkenschwert.
Die Kreuze
Heilge Kreuze sind die Verse,
Dran die Dichter stumm verbluten,
Blindgeschlagen von der Geier
Flatterndem Gespensterschwarme!
In den Leibern schwelgten Schwerter,
Prunkend in des Blutes Scharlach!
Heilge Kreuze sind die Verse,
Dran die Dichter stumm verbluten.
Tot das Haupt – erstarrt die Locken –
Fern, verweht der Lärm des Pöbels.
Langsam sinkt die Sonne nieder,
Eine rote Königskrone. –
Heilge Kreuze sind die Verse!
Heimweh
Lieblich klagend – ein krystallnes Seufzen
Aus Italiens alter Pantomime,
Klingts herüber: wie Pierrot so hölzern,
So modern sentimental geworden.
Und es tönt durch seines Herzens Wüste,
Tönt gedämpft durch alle Sinne wieder,
Lieblich klagend – ein krystallnes Seufzen
Aus Italiens alter Pantomime.
Da vergisst Pierrot die Trauermienen!
Durch den bleichen Feuerschein des Mondes,
Durch des Lichtmeers Fluten – schweift die Sehnsucht
Kühn hinauf, empor zum Heimathimmel
Lieblich klagend – ein krystallnes Seufzen!
Gemeinheit
In den blanken Kopf Cassanders,
Dessen Schrein die Luft durchzetert,
Bohrt Pierrot mit Heuchlermienen,
Zärtlich – einen Schädelbohrer!
Darauf stopft er mit dem Daumen
Seinen echten türkschen Taback
In den blanken Kopf Cassanders,
Dessen Schrein die Luft durchzetert!
Dann dreht er ein Rohr von Weichsel
Hinten in die glatte Glatze
Und behäbig schmaucht und pafft er
Seinen echten türkischen Taback
Aus dem blanken Kopf Cassanders!
Parodie
Stricknadeln, blank und blinkend,
In ihrem grauen Haar,
Sitzt die Duenna murmelnd,
Im roten Röckchen da.
Sie wartet in der Laube,
Sie liebt Pierrot mit Schmerzen,
Stricknadeln, blank und blinkend,
In ihrem grauen Haar.
Da plötzlich – horch! – ein Wispern!
Ein Windhauch kichert leise:
Der Mond, der böse Spötter,
Äfft nach mit seinen Strahlen –
Stricknadeln, blink und blank.
Der Mondfleck
Einen weißen Fleck des hellen Mondes
Auf dem Rücken seines schwarzen Rockes,
So spaziert Pierrot im lauen Abend,
Aufzusuchen Glück und Abenteuer.
Plötzlich – stört ihn was an seinem Anzug,
Er beschaut sich rings und findet richtig –
Einen weißen Fleck des hellen Mondes
Auf dem Rücken seines schwarzen Rockes.
Warte! denkt er: das ist so ein Gipsfleck!
Wischt und wischt, doch – bringt ihn nicht herunter!
Und so geht er, giftgeschwollen, weiter,
Reibt und reibt bis an den frühen Morgen -Einen weißen Fleck des hellen Mondes.
Serenade
Mit groteskem Riesenbogen
Kratzt Pierrot auf seiner Bratsche,
Wie der Storch auf einem Beine,
Knipst er trüb ein Pizzicato.
Plötzlich naht Cassander – wütend
Ob des nächtgen Virtuosen –
Mit groteskem Riesenbogen
Kratzt Pierrot auf seiner Bratsche.
Von sich wirft er jetzt die Bratsche:
Mit der delikaten Linken
Fasst den Kahlkopf er am Kragen –
Träumend spielt er auf der Glatze
Mit groteskem Riesenbogen.
Heimfahrt (Barcarole)
Der Mondstrahl ist das Ruder,
Seerose dient als Boot;
Drauf fährt Pierrot gen Süden
Mit gutem Reisewind.
Der Strom summt tiefe Skalen
Und wiegt den leichten Kahn.
Der Mondstrahl ist das Ruder,
Seerose dient als Boot.
Nach Bergamo, zur Heimat,
Kehrt nun Pierrot zurück;
Schwach dämmert schon im Osten
Der grüne Horizont. –
Der Mondstrahl ist das Ruder.
O alter Duft
O alter Duft aus Märchenzeit,
Berauschest wieder meine Sinne;
Ein närrisch Heer von Schelmerein
Durchschwirrt die leichte Luft.
Ein glückhaft Wünschen macht mich froh
Nach Freuden, die ich lang verachtet:
O alter Duft aus Märchenzeit,
Berauschest wieder mich!
All meinen Unmut gab ich preis;
Aus meinem sonnumrahmten Fenster
Beschau ich frei die liebe Welt
Und träum hinaus in selge Weiten ...
O alter Duft – aus Märchenzeit!
Porträt der Mitwirkenden
ensemble unitedberlin
Das 1989 gegründete Ensemble – Sinnbild der wiedergewonnenen Verbindung von
Musik und Musikern in der lange geteilten Stadt – begleitet mit Gastkonzerten auf
Festivals neuer Musik in Albanien, Brasilien, Frankreich, Israel, Polen, Russland,
Spanien, Südkorea, China, Ungarn, der Schweiz und in den USA die regelmäßige
Arbeit in Berlin. Engagements unter anderem bei der Biennale Venedig, beim
Steirischen Herbst in Graz, in der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom und
beim Festival „Milano Musica“. Neuesten Musik wird eingebettet in den Kontext des
modernen Kammermusikrepertoires – von Schönberg und Webern bis zu Nono und
Cage. Zahlreiche Konzertprogramme in enger Zusammenarbeit mit Komponisten wie
Vinko Globokar, Wolfgang Rihm, Mauricio Kagel, Christian Wolff, Toshio Hosokawa,
Helmut Lachenmann und György Kurtág.
Ein besonderes Merkmal des ensemble unitedberlin ist die
spartenübergreifende Arbeit. So widmete sich die Reihe „Musik im Dialog: Farbe,
Form, Figur“ den Bezügen zwischen bildender Kunst und Musikstücken der letzen
fünfzig Jahre. In Vinko Globokars Musiktheaterwerk „Les Emigrés“ wurden Fotografie
und Film als Gattungen des szenografischen Geschehens integriert, in Schönbergs
„Die glückliche Hand“ und Karl Amadeus Hartmanns „Simplicius Simplicissimus“ das
Theater. Im Konzerthaus Berlin ist das Ensemble regelmäßig zu Gast. In der Saison
2010/11 spielte es hier unter anderem „Schuberts Winterreise“ (Leitung: Vladimir
Jurowski) und Werke von Mahler, Katzer und Nono (Leitung: Ferenc Gábor); 2012/12
wirkte es unter anderem bei dem Festival „All‘ongarese“ mit. Zahlreiche CDProduktionen.
www.unitedberlin.de
Lucy Shelton
Die gebürtige Kalifornierin, zweimalige Gewinnerin des renommierten Walter W.
Naumburg Award, erlernte zunächst Klavier und Flöte. Gesang studierte sie am New
England Conservatory und an der Aspen Music School. Eigene Unterrichtstätigkeit
führte sie an zahlreiche bedeutende Institutionen (unter anderem University of
Oregon, Eastman School of Music, Cleveland Institut, Britten-Pears School, New
England Conservatory, Tanglewood Music Center und Manhattan School of Music’s).
Sie erhielt die Ehrendoktorwürde vom Pomona College und vom Boston
Conservatory verliehen. Ihr Repertoire mit Musik aus sechs Jahrhunderten hat den
Schwerpunkt beim Zeitgenössischen – so brachte sie unter anderem Werke von
Elliott Carter, Oliver Knussen, Alexander Goehr, Poul Ruders oder Gerard Grisey zur
Uraufführung. Weltweit konzertiert sie mit den berühmtesten Orchestern, Dirigenten
und Kammermusikpartnern und ist zu Gast beispielsweise bei den Festivals in
Tanglewood, Ravinia, Aldeburgh, Lockenhaus, Kuhmo oder den BBC Proms.
Andrea Pestalozza
wurde in Mailand geboren und war zunächst als Pianist und Schlagzeuger aktiv.
Seine Karriere als Dirigent begann er bei dem von ihm selbst begründeten Ensemble
Orfeo. Auf Einladung des Komponsiten dirigierte er bald darauf Werke von Luciano
Berio beim Orchestre National de France. Sein Repertoire reicht von Bach bis zur
zeitgenössischen Musik. Eine besonders enge Beziehung besteht seit 1990 zu
György Kurtág. Ebenso ist er ein leidenschaftlicher Interpret der Werke Toshio
Hosokawas. Andreas Pestalozza konzertierte unter anderem bereits in Paris
(Orchestre National de France), Berlin (Festwochen, Konzerthaus), Budapest,
Lissabon, Moskau, Thessaloniki, Miailand (Teatro alla Scala, Orchestra RAI,
Pomeriggi Musicali), Florenz (Maggio Musicale, Orchestra Regionale Toscana),
Venedig (Teatro La Fenice, La Biennale), Rom (Nuova Consonanza, Filarmonica
Romana, Orchestra Regionale del Lazio) und Turin. 2010 leitete er in Mailand eine
Aufführung von Michael Jarrells “Kassandra” mit Fanny Ardant und dem Scharoun
Ensemble der Berliner Philharmoniker. Mit dem ensemble unitedberlin hat er schon
mehrfach zusammengearbeitet.
Vorankündigungen
Sonnabend 10.11.2012
ab 11.00 Uhr
Alle Säle
Beethoven-Marathon
12 Stunden nonstop Beethoven – ein echt musikalischer Marathon für alle, die einmal
komplett in die Musik des großen Meisters eintauchen wollen. Mit Iván Fischer, Michael
Sanderling, Isabelle Faust, Viviane Hagner, Kolja Blacher, Alban Gerhard, Annette Dasch,
Musikern des Konzerthausorchesters Berlin und vielen anderen.
Weitere Informationen unter www.konzerthaus.de
Mittwoch
31.10.2012 20.00 Uhr
Kleiner Saal
NEUE STIMMEN
Edda Moser Künstlerische Leitung und Moderation
Der Gesangswettbewerb NEUE STIMMEN wird jährlich von der Bertelsmann Stiftung
veranstaltet, um junge Nachwuchstalente aus dem Opernfach zu fördern.
Mittwoch
07.11.2012
20.00 Uhr
Großer Saal
Il Complesso Barocco
Dmitry Sinkovsky Leitung
Joyce DiDonato Sopran
"Drama Queens" - Königliche Arien aus Opern von Georg Friedrich Händel, Claudio
Monteverdi, Johann Adolph Hasse, Giuseppe Maria Orlandini, Antonio Cesti, Geminiano
Giacomelli und Giovanni Porta sowie Instrumentalmusik von Antonio Vivaldi, Domenico
Scarlatti und Christoph Willibald Gluck
DIE BLUMENSTRÄUSSE FÜR DIE KÜNSTLER DES ABENDS WURDEN
GEPFLÜCKT IM Land fleesensee
IMPRESSUM
HERAUSGEBER Konzerthaus Berlin, Intendant Prof. Dr. Sebastian Nordmann
TEXT Horst A. Scholz
REDAKTION Andreas Hitscher
KONZEPTION/GESTALTUNG Meta Design AG
ABBILDUNGEN Archiv Konzerthaus Berlin (3), Vico Chamla
SATZ UND REINZEICHNUNG/HERSTELLUNG Reiher Grafikdesign & Druck
PREIS
Abb. 1: Plakat der Berliner Uraufführung von Schönbergs „Pierrot lunaire“
Abb. 2: Otto-Erich Hartleben
Abb. 3: ((Lucy Shelton))
Abb. 4: ((Andrea Pestalozza))
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