Optik geladener Teilchen in elektrischen und magnetischen Feldern von Andreas Mooser Die Optik geladener Teilchen ist ein wesentlicher Bestandteil der Beschleunigerphysik. Dabei ist es erforderlich, die divergenten Teilchenstrahlen immer wieder auf die Soll- bzw. Idealbahn zu fokussieren, wobei diese divergenten Teilchenstrahlen eine Folge der Maxwell-Verteilung in der Teilchenquelle und der Coulomb Abstoßung zwischen den Teilchen sind. Ebenfalls ist es erforderlich, die zumeist gekrümmte Sollbahn festzulegen. Die Fokussierung und die Festlegung der gekrümmten Bahn wird mit Hilfe von ionenoptischen Bauelementen realisiert. Der Ursprung und die Eigenschaften dieser Bauelemente werden im folgenden beschrieben. Strahlführungsmagnete In der Umgebung der Sollbahn kann man unter Berücksichtigung von horizontalen Teilchenbewegungen und transversalen Magnetfeldkomponenten das magnetische Feld wie folgt entwickeln: 2 e e e dB y 1 e d By 2 By ( x) = By 0 + x+ x + ... p p p dx 2! p dx 2 1 1 = + kx + mx 2 + ... R 2! Man erhält Terme, die konstant sind, bzw. Terme, die linear oder quadratisch vom Abstand abhängen. Der konstante Term wird dabei als Dipol, der lineare Term als Quadrupol und der quadratische Term als Sextupol bezeichnet. In der Realität versucht man stets diese idealen Felder zu erzeugen. Figur 1: Dipol Figur 2: Quadrupol Wie man an Figur 1 erkennen kann, lässt sich ein Dipol realisieren, indem man zwei ebene Polschuhe unterschiedlichen Potentials parallel gegenüberstellt. Das sich hieraus ergebende magnetische Feld ist konstant. Ein geladenes Teilchen, das sich in der horizontalen Ebene (in Strahlrichtung) durch den Dipolmagneten bewegt, erfährt eine konstante, horizontale Kraft entsprechend der Flugrichtung, der Polung des Magneten, seiner Geschwindigkeit und seiner Ladung. Daher wirkt der Dipolmagnet wie ein Ablenkmagnet in der horizontalen Ebene, während die Teilcheneigenschaften in der vertikalen Ebene unverändert bleiben. Um einen linearen magnetischen Feldverlauf zu erzeugen benötigt man Potentiale, wie sie in Figur 2 dargestellt sind. Bewegt sich hier ein Teilchen in die Zeichenebene hinein, so erfährt es in x-Richtung eine Kraft zur Idealbahn hin und in y Richtung eine Kraft von der Idealbahn weg. Für ein Teilchen, das sich auf der Idealbahn (optischen Achse) bewegt, wirkt keine Kraft, da hier das magnetische Potential verschwindet. Seine Bewegungsrichtung bleibt erhalten. Daher wirkt in diesem speziellen Fall der Quadrupol für Teilchen mit einer endlichen Abweichung von der Idealbahn in horizontaler Richtung fokussierend und in vertikaler Richtung defokussierend. 1 Polt man die Magnete um, so erhält man einen radial fokussierenden und vertikal defokussierenden Quadrupol. Geometrische Optik In der geometrischen Optik lassen sich optische Bauelemente, wie z.B. Linsen, durch Matrizen darstellen. Die Transformation des Phasenvektors folgt dann durch die Multiplikation des Phasenvektors vor dem Bauelement auf die entsprechende Transfermatrix des Bauelements. Damit erhält man den Phasenvektor nach dem Bauelement. Für die Transfermatrizen der Bauelemente gelten folgende wichtigen Beziehungen, die bei der Beschreibung der Ionenoptik von Nutzen sein werden: R21 = −1 / f M = B / G = −b / g = R11 Man kann daher das Matrixelement R(2,1) mit Brechungsindex und das Matrixelement R(1,1) mit dem Abbildungsmaßstab in Verbindung bringen. Besteht ein System aus mehreren Bauelementen, so ergibt sich die Transfermatrix, welche das gesamte System beschreibt, aus der Matrixmultiplikation der einzelnen Elemente zu: Rgesamt = RN ....R3 R2 R1 Hierbei ist die Matrix R(1), die Transfermatrix des 1. Bauelements, entsprechend R(N) die Transfermatrix des letzten Bauelements. Bewegungsgleichungen im magnetischen Feld Stellt man nun explizit die Bewegungsgleichungen für diese Bauelemente auf, so ergeben sich homogene bzw. inhomogene Differenzialgleichungen, ähnlich des harmonischen Oszillators: Differenzialgleichung für Dipolmagnet: Differenzialgleichung für Quadrupolmagnet: x"+ k x x = hδ y"+ k y y = 0 x"+ k x x = 0 y"+ k y y = 0 kx = 1 ρ 02 , k y = 0, h = 1 ρ0 kx = + ∂B gq 1 =+ y p0 ∂x ( Bρ ) 0 ky = − ∂B gq 1 =− y p0 ∂x ( Bρ ) 0 Die allgemeine Lösung ergibt sich dann aus sinus- und kosinusähnlichen Funktionen wie folgt: x( s ) = x0 c x ( s ) + x0′ s x ( s ) + δd ( s ) Dabei entspricht c(s) den kosinusähnlichen Funktionen, s(s) den sinusähnlichen Funktionen und d(s) der Dispersionsfunktion. Die konkreten Parameter für den Quadrupol- bzw. den Dipolmagneten könne in Appendix I gefunden werden. Die Symmetrie dieser Lösung lässt erahnen, dass es zweckmäßig ist, einen Matrixformalismus einzuführen. Für den Fall entkoppelter horizontaler und vertikaler Komponenten, mit entsprechenden Abbildungsbedingungen, lässt sich folgende allgemeine Matrix formulieren: 2 Es ergeben sich die in Appendix I angegebenen Transfermatrizen für die ionenoptischen Bauelemente, in welchen die entsprechenden Matrixelemente als Brechkräfte aufgefasst werden können. Da diese Matrizen zur Berechnung ionenoptischer Systeme zu komplex sind, führt man zur Vereinfachung die Näherung der dünnen Linse ein. Sie ist für den Quadrupol gegeben durch: 1 1 ≈ f = kL k sin k L 1 1 ≈−f =− fy = − kL k sinh k L fx = R12 = ±1 / f = ± 1 kL Im folgenden werden, analog zur geometrischen Optik, fokussierende Quadrupole als Sammellinsen und defokussierende Quadrupole als Zerstreuungslinsen dargestellt. Oft benutzte ionenoptische Bauelemente sind das Quadrupoldublett, um den Teilchenstrahl in beide transversalen Richtungen zu fokussieren und das teleskopische System, bei welchem verlangt wird, dass sie zum einen eine die Eigenschaften einer Punkt-zu-Punkt Abbildung und zum anderen die Eigenschaften einer Parallel-zu-Parallel Abbildung besitzt. Figur 3: Quadrupoldubell Figur 4: Teleskopisches System Figur 4 zeigt das einfachste System zur Realisierung einer teleskopischen Abbildung. Hierbei wurden zwei Quadrupolmagnete hintereinander so aufgebaut, dass ihre Brennweiten ineinander fallen. Als Transfermatrix ergibt sich die negative Einheitsmatrix. Hat man ein System, welches sowohl in der radialen, als auch in der vertikalen Richtung, die Eigenschaften eines teleskopischen Systems besitz, so spricht man von einem doppelteleskopischen System. In Figur 3 ist das Quadrupoldublett dargestellt. Für dieses ionenoptiche System ergibt sich, unter der Annahme dass die Brennweiten der beiden Quadrupole den gleichen Betrag haben, folgende Transfermatrix: d 1 − d / f R = 2 1 + d / f − d / f Wie man an der Transfermatrix erkennen kann, ergibt sich für das System insgesamt eine fokussierende Wirkung. Phasenellipse Um in der Ionenoptik den gesamten Teilchenstrahl zu beschreiben, greift man auf die Phasenraumellipse zurück. Die Phasenellipse in radialer Richtung wird durch folgende Matrix beschrieben: σ 12 σ , mit σ 12 = σ 21 σ x = 11 σ 21 σ 22 3 Sie ergibt sich durch Projektion der 6-dimensionalen Phasenraumellipse auf den 2dimensionalen Unterraum in radialer Richtung. Wie der Name schon sagt handelt es sich hierbei um eine Ellipse die den größten Teil des Strahles im Phasenraum umrandet. Um vor dem Bau des Beschleunigers theoretische Vorhersagen über den Strahlgang zu gewinnen, nimmt man in guter Näherung eine Gaußverteilung der Teilchen innerhalb der Phasenraumellipse an. Allgemein hat die Phasenraumellipse folgende Eigenschaften: E x = πε x = π det σ x = π σ 11σ 22 − σ 122 r12 = σ 12 σ 11σ 22 E (hier in radialer Richtung) wird die Emittanz der Phasenellipse genannt und beschreibt die vom Phasenraum des Teilchenstrahls eingenommen Fläche. Sie ist ein Maß für die Güte der Strahlqualität. Umso kleiner sie ist, desto besser ist die Bündelung des Strahls. Dies hat zur Folge, dass die Apparaturradien der Bauelemente kleiner gewählt werden können und die Orts-, Impuls-, Winkel- und Zeitauflösung verbessert werden. Der Parameter r wird Korrelationsparameter genannt. Mit ihm kann man Vorraussagen, ob der Teilchenstrahl fokussierend oder defokussierend verläuft. Ist dieser positiv, so handelt es sich um einen fokussierenden Strahl und umgekehrt. Da die mathematischen Beschreibung der Phasenraumellipse eine Matrix ist, folgt die Transformation dieser folgender Vorschrift: σ x ( s ) = Rx ( s )σ x (0) RxT ( s ) Transversale Bahndynamik Betrachtet man die transversale Bahndynamik in einem Kreisbeschleuniger, so erhält man eine Differenzialgleichung vom Hill’schen Typ y ' '+ K ( s) y = 0 mit K ( s + C ) = K ( s) ,mit K(s) einem periodischen Koeffizienten. Sie hat folgende Lösung: y ( s ) = ε β ( s ) cos[ψ ( s ) + ψ 0 ] Hierbei ist ε die Emittanz der Phasenellipse und β die variable Betafunktion, welche die Schwingung der Teilchen um die Sollbahn beschreibt. Eine wichtige Größe, die sich in diesen Zusammenhang ergibt, ist der Phasenvorschub pro Umlauf, welcher wie folgt definiert ist: µ=∫ s +C s ds ds =∫ β (s ) β (s ) Mit Hilfe der Lösung der Hill’schen Differenzialgleichung lässt sich nun eine allgemeine Transfermatrix (Twiss-Matrix) für einen Umlauf angeben. Man erhält: β sin µ cos µ + α sin µ M = cos µ − α sin µ − γ sin µ β 1 0 α + sin µ = cos µ 0 1 − γ − α 1 23 14243 I J 1 + α ²( s ) β ' ( s) mit: γ = und α ( s ) = − . β ( s) 2 4 Betrachtet man die Transfermatrix nach N Umläufen so ergibt sich: M N = I cos Nµ + J sin Nµ Wie man anhand dieser Gleichung erkennen kann, darf µ nicht imaginär werden. Wäre dies der Fall, so könnte der cos als ein cosh dargestellt werden und man hätte eine Trajektorie, welche gegen unendlich streben würde. Die Bahn der Teilchen würde damit instabil werden. Es lassen sich daher folgende Stabilitätskriterien ableiten: Für die FODO-Struktur, welche aus einem fokussierenden Quadrupol gefolgt von einer Driftstrecke, einem defokussierenden Quadrupol und einer weiteren Driftstrecke besteht, ergeben sich die folgenden Voraussetzungen für die Brennweiten der beiden Quadrupole. Figur 5 Wie man aus Figur 5 erkennen kann, dürfen die Brechkräfte nicht beliebig unterschiedlich gewählt werden. Konkret müssen in diesem Fall die Brennweiten der beiden Quadrupole größer als der halbe Abstand der beiden Quadrupole sein. Appendix I: Driftstrecke: Dipol: Quadrupol: 5