3 Der erste Hauptsatz der Thermodynamik Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik bringt das Prinzip von der Erhaltung der Energie zum Ausdruck. Der Erfahrungssatz der Mechanik, der sich auf kinetische und potentielle Energie bezieht (siehe Kap. 1), wird von der Thermodynamik auf andere Energieformen, wie innere Energie und Wärme erweitert. Das Prinzip besteht darin, eine Energiebilanz aufzustellen, die die Änderung der im System gespeicherten Energie mit derjenigen Energie verknüpft, die die Systemgrenze als Arbeit oder Wärme überschreitet. 3.1 Energie, Arbeit 3.1.1 Äußere Arbeit Aus der Mechanik kennen wir den Begriff der mechanischen Arbeit: Tritt an einer Systemgrenze eine Kraft auf, deren Angriffspunkt sich auf der Kraftwirkungslinie um die differentielle Strecke dx verschiebt, so wird von dieser Kraft die differentielle Arbeit dW verrichtet: dW = F ⋅ dx (Gl. 3.1) Findet die Verschiebung des Kraftangriffspunktes über eine längere Strecke statt, so ist Gl. 3.1 zwischen dem Anfangszustand (1) und dem Endzustand (2) zu integrieren: 2 W12 = ∫ F ( x ) ⋅ dx (Gl. 3.2) 1 Für den Fall, dass die Kraft während des Vorgangs konstant wirkt, lässt sich das Integral leicht berechnen. Man erhält: 2 W12 = F ⋅ ∫ dx = F ⋅ ( x 2 − x1 ) (Gl. 3.3) 1 Abb. 3.1: Verschiebung eines Systems durch eine Kraft F Greifen mehrere Kräfte an einem System an, so ist die Gesamtarbeit gleich der Summe der Arbeiten der Einzelkräfte. 41 Ein System kann Arbeit sowohl aufnehmen als auch abgeben. Wir vereinbaren: Abb. 3.2: Vorzeichenvereinbarung für die Zu- und Abfuhr von Arbeit Durch eine an der Systemgrenze angreifende Kraft, die eine Verschiebung in Kraftrichtung bewirkt, wird einem System Arbeit zugeführt. Nach dem Energieerhaltungssatz der Mechanik wird diese Arbeit in Form von kinetischer und potentieller Energie vom System gespeichert. Sie wird als äußere Arbeit bezeichnet, weil sie die Arbeit der äußeren Zustandsgrößen ist. Es gilt: Wa 12 mit = Ea 2 − Ea 1 Ea 2 − Ea 1 = ( ) m 2 2 c 2 − c1 + m ⋅ g ⋅ ( z 2 − z 1 ) 2 (Gl. 3.4) Energieerhaltungssatz der Mechanik: Bei einem thermodynamischen System mit starrer Systemgrenze ist die über die Grenze transportierte äußere Arbeit gleich der Änderung der kinetischen und potentiellen Energie des Systems. Arbeit ist eine Erscheinung, die nur während der Dauer der Wechselwirkung gegenwärtig ist und weder davor noch danach existiert. Sie ist kein Charakteristikum des Systems, sondern sie widerfährt einem System. Sie unterscheidet sich daher von Größen, die den Zustand des Systems beschreiben, z. B. Druck oder Temperatur, die auch in einem ruhenden System dauernd existent sind. Arbeit ist keine Zustandsgröße sondern eine Prozessgröße. Man erkennt Prozessgrößen bereits am Formelzeichen. Im Gegensatz zu Zustandsgrößen haben sie einen Doppelindex, so wie bei W12. Energie und Arbeit haben dieselbe Einheit. Es ist das Joule (J). 42 3.1.2 Volumenänderungsarbeit Neben den Kräften, die den Bewegungs- oder Lagezustand eines Systems verändern, können auch Kraftwirkungen auftreten, die eine Verschiebung oder Deformation der Systemgrenze vornehmen. So können an einer Systemgrenze z. B. Druckkräfte und Schubkräfte wirken. Die Arbeit der Druckkräfte, die bei einer Verschiebung der Systemgrenze eine Volumenänderung bewirken, nennt man Volumenänderungsarbeit. Sie tritt insbesondere bei fluiden Systemen, also bei Gasen und Flüssigkeiten auf. Abb. 3.3: Zustandsänderung von (1) nach (2) in einem Zylinder und Darstellung der spezifischen Volumenänderungsarbeit im p,v-Diagramm Je weiter der Kolben in den Zylinder hineinbewegt wird, desto höher wird innen der Druck p und desto größer ist die erforderliche Kraft F. Die Kraft ist somit nicht konstant. Sie hängt vom Weg x ab. Setzt man eine quasistatische und reversible Zustandsänderung voraus, dann steht die Kraft F während des Prozesses zu jeder Zeit mit der Druckkraft p⋅A im Innern des Zylinders im Gleichgewicht. 43 Für die verrichtete Arbeit gilt dann nach Gl. 3.2: 2 W = ∫ F ( x ) dx 2 = 1 ∫ p( x ) A dx (Gl. 3.5) 1 Mit A⋅dx = −dV folgt daraus die Berechnungsgleichung für die Volumenänderungsarbeit: 2 WV 12 = − ∫ p(V ) dV (Gl. 3.6) 1 Dividiert man Gl. 3.6 durch die im Zylinder enthaltene Gasmasse, so führt dies zur spezifischen Volumenänderungsarbeit. An die Stelle des Volumens V tritt dabei das spezifische Volumen v: wV 12 = − WV 12 m 2 = − ∫ p( v ) dv (Gl. 3.7) 1 Das negative Vorzeichen in den Gln. 3.6 und 3.7 bewirkt, dass die getroffene Vorzeichenvereinbarung erfüllt ist. Arbeitszufuhr bedeutet Verkleinerung des Volumens im Zylinder, d. h. dV < 0. Da der Druck p(V) eine stets positive Größe ist, wird der Ausdruck unter dem Integral negativ. Erst durch das Minuszeichen vor dem Integral ergibt sich für die Zufuhr von Volumenänderungsarbeit ein positiver Zahlenwert. Die Gln. 3.6 und 3.7 gelten sowohl für die Zufuhr, als auch für die Abfuhr von Volumenänderungsarbeit. Es ergibt sich automatisch das richtige Vorzeichen. Die Einheit der Volumenänderungsarbeit ist J, die der spezifischen Volumenänderungsarbeit J/kg. Die spezifische Volumenänderungsarbeit kann in einem p,v-Diagramm anschaulich dargestellt werden. Wie Abb. 3.3 zu entnehmen ist, erscheint sie als Fläche zwischen der Zustandsänderungslinie p(v) und der durch p = 0 gehenden Abszisse. Man kann sich anhand der Darstellung im p,v-Diagramm auch klarmachen, dass es sich bei der (spezifischen) Volumenänderungsarbeit um eine Prozessgröße und keine Zustandsgröße handelt, denn wenn vom Zustand (1) aus der Zustand (2) auf einem anderen als dem eingezeichneten Weg erreicht wird, dann ist auch die Fläche unter der Zustandsänderungslinie anders und damit auch wV12. Da wir bei der Herleitung eine reversible Zustandsänderung vorausgesetzt hatten, können wir wie folgt zusammenfassen: Die spezifische Volumenänderungsarbeit ist eine bei einem geschlossenen System reversibel (umkehrbar) über die Systemgrenze ausgetauschte Arbeit. Sie wird im p,vDiagramm als Fläche unter der p(v)-Kurve dargestellt. Befindet sich der Zylinder in einer Umgebung mit dem Umgebungsdruck pamb = 0, d. h. im Vakuum, dann muss bei einer Kompression die gesamte vom Zylinder aufzunehmende Volumenänderungsarbeit über die Kolbenstange zugeführt werden. Im 44 Fall der Expansion kann die gesamte vom Zylinder abgeführte Volumenänderungsarbeit als Nutzarbeit an der Kolbenstange abgenommen werden. Befindet sich der Zylinder jedoch in einer Umgebung mit dem Umgebungsdruck pamb = konst. > 0, z. B. in der irdischen Atmosphäre, so wird bei einer Kompression des Zylindergases das Volumen der Umgebung entsprechend vergrößert. Die Atmosphäre gibt über die Kolbenrückseite Volumenänderungsarbeit an den Zylinder ab und vermindert damit den Arbeitsaufwand an der Kolbenstange. Im Fall der Expansion wird ein Teil der vom Zylinder abgeführten Volumenänderungsarbeit dazu verwendet, die Atmosphäre auf der Kolbenrückseite zu verdrängen. Lediglich der zu diesem Zweck nicht benötigte Anteil der Volumenänderungsarbeit des Zylindergases kann an der Kolbenstange als Nutzarbeit abgenommen werden. Zur Berechnung der an der Kolbenstange aufzuwendenden bzw. abzunehmenden Arbeit kann die folgende Beziehung herangezogen werden, deren Herleitung der Literatur (vgl. Cerbe, Hoffmann, 1994, S. 38) zu entnehmen ist: 2 WK12 = − ∫ p(V ) dV + p amb (V2 − V1 ) (Gl. 3.8) 1 bzw. in spezifischen Größen: 2 w K12 = − ∫ p( v) dv + p amb ( v 2 − v1 ) (Gl. 3.9) 1 Wenn der Weg, den die Funktion p(v) im p,v-Diagramm nimmt, bekannt ist, d. h., wenn die Zustandsänderung bekannt ist und sich mathematisch beschreiben lässt, dann kann das Integral in den Gln. 3.6 und 3.7 gelöst und die spezifische Volumenänderungsarbeit wV12 berechnet werden. In einem Zylinder mit Kolben befindet sich ein Gas bei einem Druck von p1 = 7 bar. Es kommt ein Prozess in Gang, bei dem sich das Gasvolumen um ∆V = 0,5 m³ vergrößert und eine Volumenänderungsarbeit von WV12 = −150 kJ über die Systemgrenze gelangt. Welche Arbeit tritt an der Kolbenstange auf, wenn auf der Rückseite des Kolbens ein Umgebungsdruck von pamb = 1,0 bar herrscht? Muss die Arbeit an der Kolbenstange zugeführt oder kann sie abgenommen werden? 2 Gl. 3.8: WK12 = − ∫ p(V ) dV + p amb (V2 − V1 ) 1 WK12 = − 150000 J + 10 5 J ⋅ 0,5 m 3 3 m = − 100000 J WK12 ist negativ, d. h., die Arbeit kann an der Kolbenstange abgenommen werden. 45 3.1.3 Dissipationsenergie Im vorigen Abschnitt ist der Volumenänderungsprozess reibungsfrei behandelt worden. Wenn im Innern des Systems Reibungskräfte und als Folge der Zähigkeit des Arbeitsfluids Turbulenzen auftreten, so muss ein Teil der an der Kolbenstange aufgewendeten bzw. über die Systemgrenze transferierten Arbeit zur Überwindung der Reibung eingesetzt werden. Man sagt, ein Teil der über die Systemgrenze gehenden Arbeit wird im System dissipiert (zerstreut). Für eine Volumenänderung mit Reibung erhält man: 2 W12 = − ∫ p dV + J 12 1 = WV 12 (Gl. 3.10) + J 12 Bei Arbeitszufuhr ist J12 der Teil der über die Systemgrenze transferierten Arbeit, die zusätzlich aufgewendet werden muss, weil bei der Zustandsänderung Energie im System dissipiert wird. Da dieser zusätzliche Teil nicht als Volumenänderungsarbeit ins System fließt, kann er auch nicht als Volumenänderungsarbeit vom System wieder abgeführt werden. Die Größe J12 wird als Dissipationsenergie (in älterer Literatur auch als Reibungsarbeit) bezeichnet. Sie kann nur positiv sein, d. h. dem System nur zufließen. Bei Arbeitsabfuhr ist die Volumenänderungsarbeit des Systems negativ. Sie wird, wenn keine Dissipation auftritt, vollständig über die Systemgrenze nach außen geleitet. Tritt jedoch Dissipation auf, dann dient ein Teil der Volumenänderungsarbeit zur Deckung der Dissipation und fließt dem System als Dissipationsenergie wieder zu, bzw. verbleibt als Dissipationsenergie im System. Für die Dissipationsenergie gilt somit stets: J 12 ≥ 0 (Gl. 3.11) Die Dissipationsenergie ist stets positiv. Sie verschwindet im Fall der reversiblen Zustandsänderung. 46 3.1.4 Wellen- oder Rührarbeit Neben den Normalkräften (Druckkräfte) können an der Systemgrenze auch Schubkräfte auftreten, die bei einer Verschiebung der Systemgrenze Arbeit verrichten. In ein geschlossenes System ragt eine Welle hinein, die ein Schaufelrad antreibt. Im Systeminneren soll ein Widerstand gegenüber der Drehbewegung vorhanden sein. Im zur Systemgrenze gehörenden Querschnitt der Welle treten Schubkräfte auf, deren Arbeit berechnet werden kann (vgl. Baehr, 1973, S. 47): WW 12 = 2π 2 ∫ M (τ ) n (τ ) dτ d d 1 Wenn die Drehzahl nd und das Drehmoment Md als Funktion der Zeit τ bekannt sind, dann kann die Wellenarbeit berechnet werden. Im einfachsten Fall, d. h. für nd, Md = konst. erhält man die Wellenarbeit zu WW 12 = 2π ⋅ M d ⋅ n d ⋅ ∆τ (Gl. 3.13) In Gl. 3.13 ist ∆τ die Zeitspanne, während der das Drehmoment ausgeübt wird und sich die Welle dreht. Die Wellen- oder Rührarbeit ist eine stets positive Größe. Ein ruhendes geschlossenes System kann Wellenarbeit nur aufnehmen, nicht abgeben. Die Wellenarbeit wird innerhalb des geschlossenen Systems vollständig dissipiert. Insofern kann sie als Dissipationsenergie aufgefasst werden. Es gilt: WW 12 = J 12 ≥ 0 (Gl. 3.14) 47 3.1.5 Elektrische Arbeit Neben der Arbeit der mechanischen Kräfte kann an der Systemgrenze auch ein Energietranport in Form von elektrischer Ladung stattfinden. Diese Art von Energieübertragung bezeichnet man als elektrische Arbeit. Abb. 3.5: System, in dessen Inneren sich der ohmsche Widerstand Rel befindet und dessen Grenze zwei elektrische Leiter schneidet Die Spannung Uel und der Strom Iel sind jeweils Größen, die an der Systemgrenze messbar sind und im Allgemeinen von der Zeit τ abhängen. Für die ans System übertragene elektrische Arbeit erhält man (vgl. Baehr, 1973, S. 53): 2 Wel- 12 = ∫ U (τ ) ⋅ I (τ ) dτ el el (Gl. 3.15) 1 Ob ein geschlossenes System elektrische Arbeit nur aufnehmen oder auch aufgenommene elektrische Arbeit wieder abgeben kann, hängt davon ab, welche elektrischen Bauteile im Systeminneren vorhanden sind. Existiert im System, wie in Abb. 3.5 dargestellt, lediglich ein ohmscher Widerstand, so kann elektrische Arbeit nur aufgenommen werden. Für die elektrische Arbeit erhält man in diesem Fall: 2 Wel- 12 = ∫R el ⋅ I el (τ ) dτ 2 (Gl. 3.16) 1 Sie wird, ähnlich wie die Wellenarbeit, vollständig dissipiert. Es gilt: Wel-12 = J 12 ≥ 0 (Gl. 3.17) Enthält das Systeminnere z. B. einen Kondensator oder eine elektrochemische Zelle, so kann die elektrische Arbeit sowohl aufgenommen als auch abgegeben werden. 48 Beispiel: In einem geschlossenen System befinden sich m = 0,75 kg N2 und ein ohmscher Widerstand von Rel = 10 Ω. Wie groß ist die dem System zugeführte spezifische elektrische Arbeit wel-12, wenn über ∆τ = 1 h ein Gleichstrom von Iel = 2,5 A fließt? 2 Gl. 3.16: Wel- 12 = ∫R ⋅ I el (τ ) dτ 2 el 1 Für Iel = konst. folgt: Wel- 12 = Rel ⋅ I el ⋅ ∆τ 2 Wel-12 = 10 Ω ⋅ 2,5 2 A 2 ⋅ 1 h ⋅ 3600 spezifische Arbeit: s h Wel- 12 = 2,25 ⋅10 5 Ws = 2,25 ⋅10 5 J wel- 12 = Wel- 12 m = 2,25 ⋅10 5 J kJ = 3000 0,75 kg kg 49 3.2 Der erste Hauptsatz für geschlossene Systeme 3.2.1 Innere Energie In Kap. 3.1 haben wir Arbeit in verschiedener Form kennen gelernt. Noch nicht untersucht haben wir, was mit der Energie geschieht, die einem geschlossenen System als Arbeit z. B. zugeführt wird. Nach dem Energieerhaltungsprinzip kann Arbeit nicht verloren gehen. Sie muss in irgendeiner Weise als Energie im System gespeichert werden. Bei einem ruhenden geschlossenen System ist diese Speicherung nicht als kinetische oder potentielle Energie möglich, sondern es muss daneben noch eine weitere Energieform existieren, die als innere Energie bezeichnet wird. Im Folgenden werden die Grenzen unseres Systems als adiabat (wärmedicht) vorausgesetzt. Es kann dann nur, wie die Beispiele in Abb. 3.6 zeigen, ein Energietransport in Form von Arbeit über die Systemgrenze erfolgen. Abb. 3.6: Adiabate Systeme: a) Zufuhr von elektrischer Arbeit, b) Zufuhr von Volumenänderungsarbeit Für ein adiabates geschlossenes System gilt, dass die zugeführte Arbeit zu einer Veränderung der inneren Energie U führt: W12 ad = U 2 − U1 (Gl. 3.18) Gl. 3.18 ist als Definitionsgleichung der inneren Energie aufzufassen. Die Einheit der inneren Energie ist das Joule (J). Die Erfahrung lehrt, dass der Arbeitsaufwand W12 ad für alle Prozesse, die das adiabate geschlossene System von seinem Anfangszustand (1) in einen Zustand (2) bringen, stets der gleiche ist. Die Größe W12 ad und damit U2 − U1 ist nicht von den durchlaufenen Zuständen abhängig, d. h. die innere Energie ist eine Zustandsgröße. Nach der Gl. 3.18 kann nur die Änderung der inneren Energie angegeben werden, nicht ihr absoluter Betrag. Die innere Energie ist atomistisch interpretierbar als Summe von kinetischer und potentieller Energie der Moleküle des Systems. 50 3.2.2 Wärme Wenn zwei Körper unterschiedlicher Temperatur miteinander in Kontakt gebracht werden, ist eine Wechselwirkung zu beobachten, die als Wärmeübertragung bezeichnet wird. Von dem Körper mit der höheren Temperatur T1 wird Energie in Form von Wärme auf den Körper mit der niedrigeren Temperatur T2 übertragen. Dabei nimmt die Temperatur T1 ab, und die Temperatur T2 wird größer. Abb. 3.7: Wärmeübertragung zwischen zwei Körpern unterschiedlicher Temperatur Begriffsbestimmung: Wärme ist die Wechselwirkung zwischen zwei Systemen, die dann in Erscheinung tritt, wenn diese bei verschiedener Temperatur miteinander in Kontakt gebracht werden. Eine Übertragung von Wärme setzt also immer einen Temperaturunterschied voraus. Um einen Zusammenhang zwischen den Begriffen Arbeit und Wärme herzustellen, betrachten wir die beiden in der Abb. 3.8 dargestellten Systeme. Abb. 3.8: Zufuhr von Wellenarbeit und Zufuhr von Wärme Im ersten Fall ändert das adiabate geschlossene System seine innere Energie aufgrund der zugeführten Wellenarbeit. Dabei erhöht sich seine Temperatur von T1 auf T2. Hierfür gilt: W12 ad = U 2 − U1 Q12 = 0 (Gl. 3.19) 51 Denselben Zustand (2) kann man erreichen, wenn die adiabate Systemgrenze an einer Seite wärmedurchlässig ist und das System in Kontakt mit einem großen System konstanter Temperatur T* = T2 gebracht wird. Wenn W12 = 0 ist, d. h. das System arbeitsdicht ist, so gilt nach dem Temperaturausgleich: = U 2 − U1 Q12 W12 = 0 (Gl. 3.20) Wir erkennen, dass die Wärme eine Energie ist, die die Systemgrenze passiert und mit der Arbeit äquivalent ist. Weil ein System Wärme sowohl aufnehmen als auch abgeben kann, müssen wir — wie für die Arbeit — auch für die Wärme eine Vorzeichenfestlegung treffen, Wir vereinbaren: Abb. 3.9: Vorzeichenvereinbarung für die Zu- und Abfuhr von Wärme Wie wir gesehen haben, reicht der Begriff der Arbeit nicht aus, um bei geschlossenen Systemen die beobachtete Änderung der inneren Energie des Systems zu erklären. Wir definieren deshalb die Energie, die als Wärme die Systemgrenze überschreitet durch die Gleichung (vgl. Baehr, 1973, S.59) Q12 = U 2 − U 1 − W12 (Gl. 3.21) Die bei einem beliebigen Prozess als Wärme übertragene Energie ist gleich der Änderung der inneren Energie des Systems, vermindert um die als Arbeit übertragene Energie. Durch diese Definition wird die Wärme auf bereits bekannte Größen zurückgeführt. Gl. 3.21 ist gültig für Prozesse in allgemeinen geschlossenen Systemen, d. h. die Systeme brauchen weder adiabat noch arbeitsdicht zu sein. Die Wärme ist keine Zustandsgröße; sie ist wie die Arbeit eine Prozessgröße. Ihre Einheit ist das Joule (J). Dividiert man die Wärme durch die im System enthaltene Masse, so erhält man die spezifische Wärme mit der Einheit J/kg: q12 = Q12 m (Gl. 3.22) 52 3.2.3 Formulierung des ersten Hauptsatzes für geschlossene Systeme Das Prinzip von der Erhaltung der Energie, nach dem diese weder entsteht noch verschwindet, kann nur unter Benutzung der Begriffe „innere Energie“, „Arbeit“ und „Wärme“ quantitativ ausgedrückt werden. Mit diesen Begriffen lautet der erste Hauptsatz für geschlossene Systeme: Q12 + W12 = U 2 − U1 (Gl. 3.23) Die einem System als Wärme Q12 oder Arbeit W12 zugeführte Energie ist gleich der Zunahme seiner inneren Energie. Der Satz ist gültig für ruhende geschlossene Systeme. Im Prinzip ist er bereits durch die Definitionsgleichung der Wärme, Gl. 3.21, gegeben. Es ist jedoch üblich, im ersten Hauptsatz die Prozessgrößen auf die linke und die Zustandsgrößen auf die rechte Gleichungsseite zu schreiben. Alle in Gl. 3.23 vorkommenden Größen haben extensiven Charakter. Man kann sie auf die Systemmasse m beziehen und erhält den ersten Hauptsatz in spezifischen Größen: q12 + w12 = u2 − u1 (Gl. 3.24) In den Gln. 3.23 und 3.24 können die Arbeiten W12 bzw. w12 Volumenänderungsarbeit, Wellenarbeit, elektrische Arbeit und Dissipationsenergie sein. Da die Wellenarbeit und in vielen Fällen auch die elektrische Arbeit vollständig im System dissipiert wird, lassen sich diese Arbeiten der Einfachheit halber als Dissipationsenergie auffassen und es gilt W12 = WV 12 + J 12 (Gl. 3.25) bzw. im Fall spezifischer Größen w12 = wV 12 + j12 (Gl. 3.26) Prozesse, bei denen die Arbeit nur aus Volumenänderungsarbeit besteht, bezeichnet man als reversibel (umkehrbar). Für sie wird der erste Hauptsatz besonders einfach. Mit WW12 = Wel12 = J12 = 0 gilt: Q12 rev + WV 12 = U 2 − U1 (Gl. 3.27) 53 Einer zähen Flüssigkeit wird Wellenarbeit, elektrische Arbeit und Wärme von jeweils 100 J zugeführt. Dabei dehnt sich die Flüssigkeit um ∆V = 10-4 m³ in einer Umgebung mit dem Druck pamb = 1 bar aus. Wie groß ist die Änderung der inneren Energie? Erster Hauptsatz für geschlossene Systeme: Q12 + W12 = U 2 − U 1 W12 = WW 12 + Wel 12 + WV 12 2 WV 12 = − ∫ p dV 1 2 WV 12 = − p amb ∫ dV = − p amb ⋅ ∆V 1 WV 12 = − 10 5 W12 = 100 J + 100 J − 10 J ⇒ N ⋅10 −4 m 3 = − 10 J 2 m = 190 J ∆U = U 2 − U 1 = Q12 + W12 = 100 J + 190 J = 290 J Erweitert man den ersten Hauptsatz, Gl. 3.23, auf bewegte geschlossene Systeme, so ist zu beachten, dass hier auch eine Energiespeicherung in Form von kinetischer und potentieller Energie möglich ist. Es gilt dann: Q12 + W12 = E 2 − E1 mit E 2 − E1 = U2 ( ) (Gl. 3.28) 1 2 2 − U 1 + m c 2 − c1 + m g ( z 2 − z1 ) 2 Die in einem System in Form von Wärme und Arbeit zugeführte Energie ist gleich der Änderung der inneren Energie und der äußeren Energie des Systems. In Gl. 3.28 besteht die Arbeit W12 neben den möglichen Arbeiten beim ruhenden System zusätzlich aus äußerer Arbeit. In der Praxis wird der erste Hauptsatz in dieser Form selten benötigt. In der Thermodynamik dient er als Grundlage zur Formulierung des ersten Hauptsatzes für stationäre Fließprozesse. 54 3.3 Der erste Hauptsatz für stationäre Fließprozesse Bei den geschlossenen Systemen haben wir einen einmal ablaufenden Prozess behandelt, der vom Zustand seines zeitlichen Beginns bis zum Zustand seines zeitlichen Endes führt. Jetzt wollen wir uns einem Prozess zuwenden, der kontinuierlich abläuft. Wie bereits in Kap. 2.4 kurz dargelegt, ist dies möglich, wenn ein Fluid ein offenes System als Fließprozess stationär durchströmt und dabei seinen Zustand vom Eintritt in das System längs der Stromlinie bis zum Austritt aus dem System verändert. Für derartige stationäre Fließprozesse wird im folgenden eine besondere Form des ersten Hauptsatzes zur Verfügung gestellt. 3.3.1 Prozessgrößen bei stationären Fließprozessen Bei einem offenen System treten wie beim geschlossenen System Zustandsgrößen und Prozessgrößen auf. Während die Zustandsgrößen den Eintritts- und den Austrittszustand des Fluids kennzeichnen, geben die Prozessgrößen Auskunft über die Arbeit und Wärme, die über die Kontrollraumgrenzen des offenen Systems übertragen werden. Die im Zusammenhang mit einem stationären Fließprozess auftretenden Größen lassen sich anhand der in Abb. 3.10 schematisch dargestellten Turbinenanlage mit nachgeschaltetem Wärmeübertrager erläutern. Abb. 3.10 : Schema eines offenen Systems 55 Dazu betrachten wir das offene System während einer kurzen Zeitspanne ∆τ. Während dieser Zeitspanne tritt am Eintritt die Masse ∆m über die Kontrollraumgrenze in das System ein. Ebenso verlässt am Austritt eine gleich große Masse das System. Indem man das Massenelement ∆m durch die Zeitspanne ∆τ dividiert, erhält man den durch das offene System fließenden Massenstrom: ∆m ∆τ • m = (Gl. 3.29) Mit diesem Massenstrom treten am Ein- und Austritt Energien, die Zustandsgrößen sind, über die Kontrollraumgrenze, so z. B. kinetische Energie, die der Stoffstrom aufgrund seiner Geschwindigkeit hat. Über die Kontrollraumgrenzen des Systems, die nicht Ein- oder Austrittsquerschnitt des Stoffstroms sind, kann Arbeit als Wellenarbeit übertragen werden. Im Gegensatz zum geschlossenen System, wo Rühr- oder Wellenarbeit nur aufgenommen und in innere Energie umgewandelt werden kann, ist beim stationären Fließprozess auch eine Abgabe von Wellenarbeit möglich. Der Stoffstrom treibt ein Schaufelrad an, an dessen Welle die Arbeit abgenommen werden kann. Da sowohl die Abfuhr, als auch die Zufuhr von Wellenarbeit bei offenen Systemen von besonderer technischer Relevanz ist, wird diese Form von Arbeit als technische Arbeit bezeichnet. Allgemein definieren wir technische Arbeit wie folgt: Die technische Arbeit ist eine Energie, die bei einem stationären Fließprozess als Arbeit über die Grenzen des Kontrollraums geht, mit Ausnahme von Ein- und Austrittsquerschnitt des Fluids. Nicht zur technischen Arbeit gehört somit, die vom Stoffstrom am Ein- und Austrittsquerschnitt verrichtete Arbeit. Wir bezeichnen die während des kurzen Zeitabschnitts ∆τ verrichtete technische Arbeit mit Wt12 und den Quotienten P12 = Wt 12 (Gl. 3.30) ∆τ als (mechanische) Leistung. Ihre Einheit ist Watt (W = J/s). Bei einem stationären Fließprozess ist die Leistung konstant. Häufig bezieht man die technische Arbeit auf die Masse ∆m des Fluids, das während derselben Zeitspanne ∆τ in den Kontrollraum einströmt, während der auch die technische Arbeit Wt12 verrichtet wird. Man erhält dann die spezifische technische Arbeit wt 12 = Wt 12 ∆m . (Gl. 3.31) Mit Gl. 3.29 folgt daraus wt 12 = Wt 12 • m ⋅ ∆τ = P12 • . (Gl. 3.32) m 56 Die Einheit der spezifischen technischen Arbeit ist J/kg. Wie am Doppelindex zu erkennen ist, handelt es sich bei der technischen Arbeit Wt12, der spezifischen technischen Arbeit wt12 und der Leistung P12 um Prozessgrößen. Als weitere Prozessgröße tritt bei einem stationären Fließprozess die pro Zeitintervall ∆τ über die Kontrollraumgrenze des offenen Systems gehende Wärme Q12 auf. Wir bezeichnen den Quotienten • Q 12 = Q12 ∆τ (Gl. 3.33) als Wärmestrom. Seine Einheit lautet Watt (W = J/s). Bei einem stationären Fließprozess ist der Wärmestrom konstant. Häufig bezieht man die übertragene Wärme auf die Fluidmasse ∆m, die während der Zeitspanne ∆τ in den Kontrollraum einströmt. Man erhält dann die spezifische Wärme q12 = Q12 . ∆m (Gl. 3.34) Mit Gl. 3.29 folgt hieraus • q12 = Q12 • m ⋅ ∆τ = Q 12 • . (Gl. 3.35) m Die spezifische Wärme hat die Einheit J/kg. 3.3.2 Formulierung des ersten Hauptsatzes für stationäre Fließprozesse Zur Aufstellung der Energiebilanz eines stationären Fließprozesses lässt sich ein offenes System wie ein gedachtes geschlossenes System behandeln, das sich während einer kurzen Zeitspanne ∆τ in Fließrichtung bewegt (vgl. Baehr, 1973, S. 71ff). In Abb. 3.11 sind zwei Zustände des gedachten geschlossenen Systems dargestellt. Es besteht aus der im offenen System enthaltenen Masse m und aus der Masse ∆m. Zu Beginn des Prozesses befindet sich die Masse ∆m vor dem Eintritt in den Kontrollraum des offenen Systems, Abb. 3.11 a. Sie hat in dieser Position den Zustand (1), gekennzeichnet durch die Zustandsgrößen T1 , p1 , v1 , u1 , c1 und z1. Am Ende des Prozesses, nach Ablauf der Zeitspanne ∆τ, ist die Masse ∆m durch den Eintrittsquerschnitt im offenen System verschwunden. Eine gleich große Masse ∆m ist am Austritt erschienen, Abb. 3.11 b. Sie hat dort den Zustand (2), gekennzeichnet durch die Zustandsgrößen T2 , p2 , v2 , u2 , c2 und z2. 57 Abb. 3.11 : Modell zur Aufstellung der Energiebilanz am offenen System Wir wenden den ersten Hauptsatz auf das bewegte geschlossene System an: Q12 + W12 = E 2 − E1 (Gl. 3.36) Der Energieinhalt des geschlossenen Systems setzt sich zusammen aus dem stets konstanten Energieinhalt E* in den Grenzen des offenen Systems sowie aus der in der Masse ∆m gespeicherten Energie. Zu Beginn der Zeitspanne ∆τ hat die Masse ∆m den Zustand (1). Somit ist der Energieinhalt des geschlossenen Systems zu diesem Zeitpunkt E1 = 2 c E * + ∆m u1 + 1 + g z 1 2 (Gl. 3.37) Entsprechend gilt für den Endzustand nach Ablauf der Zeitspanne ∆τ: E2 = 2 c2 E * + ∆m u2 + + g z 2 2 (Gl. 3.38) Damit folgt aus Gl. 3.36: 2 2 c c Q12 + W12 = ∆m u2 + 2 + g z 2 − ∆m u1 + 1 + g z 1 (Gl. 3.39) 2 2 In Gl. 3.39 ist Q12 die Wärme, die dem gedachten geschlossenen System während des Prozesses zugeführt wird. Sie ist mit der Wärme identisch, die im Zeitintervall ∆τ die Kontrollraumgrenze des offenen Systems überschreitet, siehe Kap. 3.3.1. 58 Die im Zeitintervall ∆τ verrichtete Gesamtarbeit W12 besteht aus der technischen Arbeit Wt12, die an der sich drehenden Welle die Systemgrenze überschreitet, und aus der Volumenänderungsarbeit, die am Eintritts- und am Austrittsquerschnitt verrichtet wird. Das Volumen des gedachten geschlossenen Systems verringert sich durch den Eintritt von ∆m um ∆V1 = −v1 ⋅ ∆m. Dadurch folgt für die Volumenänderungsarbeit an dieser Stelle p1 ⋅ v1 ⋅ ∆m. Am Austrittsquerschnitt erhält man für die Volumenänderungsarbeit −p2 ⋅ v2 ⋅ ∆m. Sie ist negativ, weil das Volumen des geschlossenen Systems an dieser Stelle zunimmt. Für die Gesamtarbeit W12 folgt damit: W12 = Wt 12 + p1 ⋅ v1 ⋅ ∆m − p 2 ⋅ v 2 ⋅ ∆m = Wt 12 − ∆m ⋅ ( p 2 v 2 − p1 v1 ) (Gl. 3.40) Die in Gl. 3.40 auftretende Differenz (p2 v2 − p1 v1) wird als spezifische Verschiebearbeit bezeichnet. Ihr Wert ist unabhängig vom Verlauf des Prozesses. Er wird lediglich von den Zustandsgrößen im Ein- und Austrittsquerschnitt bestimmt. Damit hat die spezifische Verschiebearbeit den Charakter einer Zustandsgröße. Wird Gl. 3.40 in Gl. 3.39 eingesetzt, so erhält man: Q12 + Wt 12 − ∆m ⋅ ( p 2 v 2 − p1 v1 ) 2 2 c2 c1 + g z 1 = ∆m u2 + + g z 2 − ∆m u1 + 2 2 (Gl. 3.41) Gl. 3.41 gilt für das Zeitintervall ∆τ, in dem die Masse in das offene System eintritt und eine gleich große Masse das System durch den Austrittsquerschnitt verlässt. Dividiert man Gl. 3.41 durch das Zeitintervall ∆τ, so ergibt sich mit den Beziehungen 3.29, 3.30 und 3.33 (siehe Kap. 3.3.1): • Q 12 + P12 = 2 c2 m u2 + p 2 v 2 + + g z 2 2 • 2 c − m u1 + p1 v1 + 1 + g z 1 2 (Gl. 3.42) • Mit Gl. 3.42 liegt der erste Hauptsatz für stationäre Fließprozesse vor. Wie beim ersten Hauptsatz für geschlossene Systeme, befinden sich auf der linken Gleichungsseite die Prozessgrößen und auf der rechten Gleichungsseite die Zustandsgrößen. Aus pragmatischen Gründen fasst man die in den Klammerausdrücken von Gl. 3.42 vorkommenden Summen (u + p⋅v) zu einer neuen Zustandsgröße zusammen. Man definiert die spezifische Enthalpie: h ≡ u + p⋅v (Gl. 3.43) 59 Diese Größe ist — ebenso wie die spezifische innere Energie — eine Zustandsgröße. Sie ist hauptsächlich für die Verwendung bei Fließprozessen definiert worden. Allerdings ist ihre Anwendbarkeit nicht auf stationäre Fließprozesse beschränkt. Die Beziehung 3.43 kann als Rechengröße auch bei geschlossenen Systemen eingesetzt werden. Mit der spezifischen Enthalpie nimmt der erste Hauptsatz für stationäre Fließprozesse die folgende Form an: • Q 12 + P12 = • • m ( h2 − h1 ) ( ) • m 2 2 + c 2 − c1 + m g ( z 2 − z 1 ) 2 (Gl. 3.44) Wir erhalten den ersten Hauptsatz für stationäre Fließprozesse in spezifischen Größen, wenn wir Gl. 3.44 durch den Massenstrom dividieren: q12 + wt 12 = ( h2 − h1 ) + ( ) 1 2 2 c 2 − c1 + g ( z 2 − z 1 ) 2 (Gl. 3.45) Somit gilt: Für ein Medium, das in einem stationären Fließprozess durch einen Kontrollraum strömt, ist die Summe aus zugeführter Wärme und zugeführter technischer Arbeit gleich der Änderung der Enthalpie sowie der kinetischen und potentiellen Energie des Mediums. Da die Gln. 3.44 und 3.45 nur Größen enthalten, die an der Kontrollraumgrenze des offenen Systems messbar sind, gelten diese Beziehungen auch dann, wenn im Inneren des Systems irreversible Prozesse ablaufen. In vielen technischen Anwendungsfällen ist der Beitrag der kinetischen und potentiellen Energien vernachlässigbar gering. Man wird dann den ersten Hauptsatz für stationäre Fließprozesse in einer entsprechend vereinfachten Form verwenden. Auf der Basis von Gl. 3.44 gilt dann: • • Q 12 + P12 = m (h2 − h1 ) (Gl. 3.46) 60 3.3.3 Druckänderungsarbeit und Dissipation bei stationären Fließprozessen Wie wir in Kap. 3.1 und 3.2 gesehen haben, muss bei der Anwendung des ersten Hauptsatzes für ruhende geschlossene Systeme (Gl. 3.24) die spezielle Art der Zustandsänderung bekannt sein, d. h. im p,v-Diagramm der Weg, auf dem das System von seinem Anfangszustand (1) in seinen Endzustand (2) gelangt, um die Volumenänderungsarbeit wV12 und in weiterer Folge den Wärmeumsatz q12 berechnen zu können. Zusätzlich tritt in der am geschlossenen System verrichteten Gesamtarbeit w12 (Gl. 3.26) neben der Volumenänderungsarbeit wV12 auch noch die mit Arbeitsverlusten verbundene Dissipationsenergie j12 in Erscheinung. Beim ersten Hauptsatz für stationäre Fließprozesse (Gl. 3.45) müssen die Zustandsgrößen am Ein- und Austritt des Stoffstroms bekannt sein, um die technische Arbeit wt12 und den Wärmeaustausch q12 berechnen zu können. Die Zustandsänderung des Fluids und die im Inneren des Kontrollraums auftretende Dissipation kommen in Gl. 3.45 nicht explizit vor. Der Zusammenhang zwischen dem Verlauf der Zustandsänderung im Kontrollraum, der technischen Arbeit und der auftretenden Dissipation soll im folgenden hergestellt werden. Wir betrachten ein Fluidteilchen auf seinem Weg vom Eintritt (1) zum Austritt (2) durch den Kontrollraum, zunächst auf einem differentiell kurzen Wegstück, Abb. 3.12. Abb. 3.12: Fluidelement auf dem Weg durch den Kontrollraum Auf diesem Wegstück gehen die Wärmen dqF und die Arbeit dwF — jeweils auf die Masse bezogen — über die Grenze des Teilchenkontrollraums. Der erste Hauptsatz für das bewegte geschlossene System lautet: 61 dqF + dwF = du dwF = + dea dwV + dj + dwa dwV = − pdv ; dwa = dwF = − pdv + dj + dea = du dqF + dj − pdv + dea dqF + dj − pdv = du − = dh dqF + dj = dea + dea pdv − vdp − vdp dh Die Integration über die gesamte Länge der Stromröhre vom Eintritt bis zum Austritt liefert 2 2 ∫ dq F + 1 2 2 ∫ dj = ∫ dh 1 1 − ∫ v dp 1 2 + q12 j12 = h2 − h1 − ∫ v dp (Gl. 3.47) 1 In Gl. 3.47 ist q12 die spezifische Wärme, die über die Grenze des Kontrollraums des offenen Systems geht, und j12 die durch Reibungsverluste zwischen Eintritt und Austritt des offenen Systems bedingte spezifische Dissipationsenergie. Ein Vergleich von Gl. 3.47 mit dem ersten Hauptsatz für stationäre Fließprozesse, Gl. 3.45, liefert eine wichtige Gleichung für die technische Arbeit bei quasistatischer Zustandsänderung im Kontrollraum: wt 12 = j12 + wP 12 + 2 mit wP 12 = ( ) 1 2 2 c 2 − c1 + g ( z 2 − z 1 ) 2 (Gl. 3.48) ∫ v dp 1 Das in Gl. 3.48 vorkommende Integral ist die spezifische Druckänderungsarbeit wP12. Es ist ein wichtiger Anteil an der technischen Arbeit. Es kann berechnet werden, wenn für den gesamten Weg durch die Stromröhre des Kontrollraums die Zustandsänderung v = v(p) bekannt ist. Für eine dissipationsfreie Strömung, bei der die äußeren Energien vernachlässigt werden können, ist die technische Arbeit mit der spezifischen Druckänderungsarbeit identisch. 2 wt 12 = wP 12 = ∫ v dp (Gl. 3.49) 1 62 Die spezifische Druckänderungsarbeit lässt sich im p,v-Diagramm ebenso wie die spezifische Volumenänderungsarbeit darstellen. Sie ergibt sich als Fläche zwischen der Ordinate und der Zustandsänderungslinie v(p), siehe Abb. 3.13. Abb. 3.13: Druckänderungsarbeit und Volumenänderungsarbeit im p,v-Diagramm Beim stationären Fließprozess besteht zwischen der Druckänderungsarbeit und der Volumenänderungsarbeit der folgende Zusammenhang: wP12 = wV 12 + p2 v 2 − p1 v1 (Gl. 3.50) Das Integral v⋅dp kann formal auch für Prozesse in geschlossenen Systemen berechnet werden. Es hat dann allerdings nicht die Bedeutung einer Druckänderungsarbeit. Es ist in diesem Fall eine reine Rechengröße. 3.4 Kalorische Zustandsgleichungen Mit der Angabe von zwei der drei thermischen Zustandsgrößen p, v, T ist nicht nur die dritte Zustandsgröße eindeutig festgelegt, sondern es sind damit auch alle anderen Zustandsgrößen bestimmt. Das bedeutet, dass die Zustandsgrößen, die den Energiegehalt eines Systems beschreiben, sich ebenfalls als Funktion von zwei thermischen Zustandsgrößen darstellen lassen (Langeheinecke et al., 1999, S. 120). Es ist üblich, die spezifische innere Energie u als Funktion der Temperatur T und des spezifischen Volumens v anzugeben: u = u(T , v ) (Gl. 3.51) 63 Für die spezifische Enthalpie h werden die Temperatur T und der Druck p als die unabhängigen Variablen benutzt: h = h(T , p) (Gl. 3.52) Diese als kalorische Zustandsgleichungen bekannten Zusammenhänge sind im Allgemeinen kompliziert. Jedoch lassen sich auf der Basis der Stoffmodelle des idealen Gases und der idealen Flüssigkeit einfach zu handhabende Gleichungen angegeben. 3.4.1 Kalorische Zustandsgleichungen idealer Gase Für ideale Gase sind die spezifische innere Energie u und die spezifische Enthalpie h nur eine Funktion der Temperatur: u = u(T ) (Gl. 3.53 a) h = h(T ) (Gl. 3.53 b) Damit können die Differentiale du und dh proportional zum Differential der Temperatur T angesetzt werden: du = c V ⋅ dT (Gl. 3.54) dh = c P ⋅ dT (Gl. 3.55) Darin sind die Proportionalitätsfaktoren die isochore spezifische Wärmekapazität cV und die isobare spezifische Wärmekapazität cP. Die kalorische Zustandsgleichungen für die spezifische innere Energie und die spezifische Enthalpie erhält man durch Integration der Gln. 3.54 und 3.55: 2 u2 − u1 h2 − h1 = = ∫ du 2 = ∫ c ( T ) dT V 1 1 2 2 ∫ dh 1 = ∫ c ( T ) dT P (Gl. 3.56) (Gl. 3.57) 1 Für praktische Rechnungen ist es häufig ausreichend, anstelle der temperaturabhängigen spezifischen Wärmekapazitäten mit geeigneten Mittelwerten zu rechnen und so in den Gln. 3.56 und 3.57 die Integration über T zu vereinfachen. Mit konstanten, d. h. temperaturunabhängigen spezifischen Wärmekapazitäten cV und cP erhält man: u2 − u1 = c V (T2 − T1 ) (Gl. 3.58) = c P (T2 − T1 ) (Gl. 3.59) und h2 − h1 64 Mit diesen Gleichungen können die Änderungen der spezifischen inneren Energie u und der spezifischen Enthalpie h berechnet werden, wenn sich bei einer Zustandsänderung von (1) nach (2) die Temperatur von T1 nach T2 ändert. Anstelle der Differenz der absoluten Temperaturen kann in den Gln. 3.58 und 3.59 auch die Differenz der CELSIUS-Temperaturen t2 − t1 eingesetzt werden (vgl. Langeheinecke, 1999, S. 120). Wichtig: Bei der Berechnung von Differenzen der spezifischen inneren Energie idealer Gase ist die isochore spezifische Wärmekapazität cV zu verwenden, unabhängig davon, ob die Zustandsänderung bei konstantem Volumen abläuft oder nicht. Ebenso erfolgt die Berechnung von Differenzen der spezifischen Enthalpie mit der isobaren spezifische Wärmekapazität cP auch dann, wenn die Zustandsänderung nicht bei konstantem Druck abläuft (vgl. Lucas, 1995, S. 122f). Die kalorischen Zustandsgleichungen 3.55 und 3.56 lassen sich auch mit extensiven Größen schreiben. Dazu ist die spezifische innere Energie mit der im geschlossenen System enthaltenen Masse zu multiplizieren: U 2 − U1 = m ⋅ ( u2 − u1 ) = m ⋅ c V ⋅ (T2 − T1 ) (Gl. 3.60) Bei der Anwendung auf stationäre Fließprozesse wird die spezifische Enthalpie mit dem Massenstrom multipliziert: • • H 2 − H1 • • = m ⋅ ( h2 − h1 ) = m ⋅ c P ⋅ (T2 − T1 ) (Gl. 3.61) Bei den molaren Formen der kalorischen Zustandsgleichungen treten als Proportionalitätsfaktoren die molaren Wärmekapazitäten CmV und CmP auf (Langeheinecke et al., 1999, S. 121): U m 2 − U m1 = Cm V ⋅ (T2 − T1 ) (Gl. 3.62) H m 2 − H m1 = Cm P ⋅ (T2 − T1 ) (Gl. 3.63) Der Zusammenhang zwischen molaren und spezifischen Wärmekapazitäten ist über die Molmasse gegeben: Cm V = cV ⋅ M Cm P = cP ⋅ M (Gl. 3.64 a, b) 65 Differenz der spezifischen Wärmekapazitäten — Für ideale Gase können folgende Zusammenhänge zwischen den spezifischen Wärmekapazitäten und der spezifischen Gaskonstanten R sowie den molaren Wärmekapazitäten und der molaren (allgemeinen) Gaskonstanten Rm hergestellt werden (vgl. Langeheinecke et. al., 1999, S. 123 u. 131): − cV cP =R (Gl. 3.65 a, b) C m P − C m V = Rm Isentropenexponent — Zur Behandlung von reversiblen Prozessen in adiabaten Systemen benötigt man den Isentropenexponenten κ. Für ideale Gase ist diese Größe mit dem Verhältnis der spezifischen Wärmekapazitäten identisch (vgl. Langeheinecke et al., 1999, S. 131): κ = cP cV = Cm P (Gl. 3.66 a, b) Cm V Die Werte von κ liegen je nach Anzahl der Atome im Molekül zwischen 1 und 1,667. Für die einatomigen Edelgase ist κ = 1,667 und für hochmolekulare Stoffe immer näher an 1, je höher molekular der jeweilige Stoff ist. Mit den Gln. 3.65 und 3.66 ergeben sich schließlich die folgenden Beziehungen: cP Cm P = κ ⋅R κ− 1 κ = ⋅R κ− 1 m cV Cm V 1 ⋅R κ− 1 1 = ⋅R κ− 1 m = (Gl. 3.67 a − d) Temperaturabhängigkeit — Die spezifischen Wärmekapazitäten der Gase müssen experimentell bestimmt werden. Die folgende Tabelle zeigt die isobare spezifische Wärmekapazität cP einiger Gase in Abhängigkeit von der Temperatur. Man erkennt: Je höher die Molekularität des Gases ist, desto größer ist die Temperaturabhängigkeit der Wärmekapazität. Alle Edelgase kommen atomar vor. Ihre Wärmekapazitäten sind temperaturunabhängig. 66 t °C H2 N2 O2 H2O CO2 SO2 Luft 0 100 200 400 600 800 1000 14,197 14,433 14,506 14,591 14,790 15,121 15,532 1,039 1,042 1,052 1,090 1,137 1,179 1,212 0,915 0,935 0,964 1,024 1,069 1,100 1,112 1,859 1,892 1,941 2,064 2,201 2,342 2,478 0,816 0,914 0,994 1,113 1,195 1,253 1,294 0,608 0,655 0,715 0,789 0,833 0,860 0,879 1,004 1,012 1,026 1,069 1,115 1,155 1,186 Tab. 3.1: Spezifische Wärmekapazität cP verschiedener Gase bei verschiedenen Temperaturen, cP in kJ/(kg K) (vgl. Hahne, 1993, S. 113) 3.4.2 Kalorische Zustandsgleichungen idealer Flüssigkeiten Für ideale Flüssigkeiten ist die spezifische innere Energie eine reine Temperaturfunktion. Ihre spezifische Enthalpie hängt dagegen sowohl von der Temperatur als auch vom Druck ab. Des Weiteren sind bei idealen Flüssigkeiten die isochore und die isobare spezifische Wärmekapazität nicht zu unterscheiden. Mit cV = cP = cF gilt (Lucas, 1995, S. 124f): 2 u2 − u1 = ∫ c ( T ) ⋅ dT (Gl. 3.68) F 1 2 h2 − h1 = ∫ c ( T ) ⋅ dT F + v ⋅ ( p 2 − p1 ) (Gl. 3.69) 1 Für cF = konst. erhält man u2 − u1 = c F ⋅ (T2 − T1 ) (Gl. 3.70) = c F ⋅ (T2 − T1 ) + v ⋅ ( p 2 − p1 ) (Gl. 3.71) und h2 − h1 Die spezifische Wärmekapazität cF muss für jede Flüssigkeit experimentell bestimmt werden. Für Wasser gilt bis zu einer Temperatur von t = 100 °C mit einer Toleranz von ± 0,3 %: cF = 4,186 kJ/(kg K). 67 Kontrollfragen 3.1 Was ist der Unterschied zwischen Prozessgrößen und Zustandsgrößen? 3.2 Wie lautet die Vorzeichenkonvention für die Energiegrößen Arbeit und Wärme? 3.3 Worin besteht der grundlegende Unterschied zwischen Volumenänderungsarbeit von 100 kJ und Wellenarbeit von 100 kJ, die an einem geschlossenen System verrichtet werden? 3.4 Ein geschlossenes System enthält ein Gas. Bei einem Prozess kommt es zur Expansion dieses Gases. Welches Vorzeichen hat die Volumenänderungsarbeit? 3.5 Einem geschlossenen System wird bei einem Prozess Wärme zugeführt. Welchen Einfluss hat dabei der Ausgangszustand auf die Änderung der inneren Energie? 3.6 Was versteht man bei einem offenen System unter den Begriffen „technische Arbeit“ und „Leistung“? 3.7 Wie lautet der erste Hauptsatz für einen stationären Fließprozess in einem adiabaten System, wenn äußere Energien vernachlässigt werden können? 3.8 Auf welche Weise macht sich die Erhöhung der inneren Energie eines idealen Gases bemerkbar? 3.9 Was kann man sich unter der spezifischen Wärmekapazität eines Stoffes vorstellen? Übungsaufgaben 3.1 In einem elektrischen Heißwasserspeicher sollen 169,3 Liter Wasser von t1 = 10 °C auf t2 = 90 °C erwärmt werden. Es soll das Stoffmodell der idealen Flüssigkeit gelten mit ρ = 1000 kg/m³ = konst. und der spezifischen Wärmekapazität cW = 4,186 kJ/(kg K) = konst. Wie groß ist die aufgenommene elektrische Leistung, wenn der Speicher in 5 Stunden aufgeladen sein soll und 10 % der zugeführten Elektroenergie vom Speicher als Wärmeverlust an die Umgebung gehen? 3.2 Der Eintrittsstutzen einer Wasserturbine hat einen Durchmesser von d1 = 1,2 m. Dort wird bei einem Überdruck von p1 = 29 bar eine Geschwindigkeit von c1 = 5,4 m/s gemessen. Im 5,8 m tiefer liegenden Abflussrohr strömt das Wasser mit einer Geschwindigkeit von c2 = 8,5 m/s ohne Überdruck ab. Der Luftdruck beträgt pamb = 980 mbar. Zwischen Eintrittsstutzen und Abfluss68 rohr wird eine Temperaturerhöhung des Wassers von ∆t = t2 − t1 = 0,15 K gemessen. Die Turbine ist adiabat. Für Wasser kann das Modell der idealen Flüssigkeit mit der Dichte ρW = 1000 kg/m³ und der Wärmekapazität cW = 4,19 kJ/(kg K) angenommen werden. a) Welche Leistung P12 liefert die Turbine? b) Wie groß ist die hydraulische Leistung Ph12 und die dissipierte Leistung Pdiss 12 der Turbine? Hinweis: Multiplizieren Sie Gl. 3.48 mit dem Massenstrom. Sie erhalten dann dieselbe Beziehung in Leistungsgrößen. Die hydraulische und die dissipierte Leistung sind darin die Ausdrücke • Ph 12 = m ⋅ wP 12 3.3 • und Pdiss12 = m ⋅ j12 . In einem Lufterhitzer werden pro Stunde 2400 kg Luft durch einen Axiallüfter angesaugt und durch ein Heizregister gedrückt. Die Antriebsleitung des Axiallüfters beträgt dabei P = 1,2 kW. Die Luft tritt mit einer Außentemperatur von −15 °C in den Lufterhitzer ein. Im Heizregister wird sie bei konstantem Druck erwärmt. Bei dem Heizregister handelt es sich um einen von Wasser durchflossenen Wärmeübertrager. Das Wasser tritt mit einem Massenstrom von 1350 kg/h und einer Temperatur von 85 °C in den Wärmeübertrager ein. Im Wärmeübertrager kühlt es sich bei konstantem Druck auf 65 °C ab. Für das Wasser kann eine konstante Wärmekapazität von cW = 4,19 kJ/(kg K) angenommen werden. Die isobare Wärmekapazität der Luft beträgt cP,L = 1,004 kJ/(kg K). Äußere Energien sind zu vernachlässigen. a) Welcher Wärmestrom wird im Heizregister auf die Luft übertragen, wenn der Lufterhitzer als adiabates Gesamtsystem angesehen wird? b) Mit welcher Temperatur tritt die Luft aus dem Heizregister aus? 69 4. Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik Wie der erste, basiert auch der zweite Hauptsatz der Thermodynamik auf Erfahrung. Während der erste Hauptsatz das Prinzip von der Erhaltung der Energie widerspiegelt, bringt der zweite Hauptsatz das Prinzip von der Irreversibilität zum Ausdruck. Der zweite Hauptsatz ermöglicht die Überprüfung der Durchführbarkeit und die quantitative Bewertung von Prozessen thermodynamischer Systeme. Der erste Hauptsatz lässt alle Prozesse uneingeschränkt zu, die das Prinzip der Energieerhaltung erfüllen. Das heißt aber nicht, dass alle Prozesse, die den ersten Hauptsatz erfüllen, auch durchführbar sind. Erst der zweite Hauptsatz gestattet es, bei diesen, nach dem ersten Hauptsatz zulässigen Prozessen, zusätzlich zwischen möglichen und unmöglichen Prozessen zu unterscheiden und die Irreversibilität der möglichen Prozesse zu beziffern. Beispiel: In einem adiabaten, starren Behälter befindet sich ein viskoses Fluid. Dem geschlossenen System wird über einen Rührer Rührarbeit zugeführt. Dabei erhöht sich die innere Energie des Systems, und die Temperatur des Fluids steigt an. Dies ist ein möglicher Prozess. Nicht möglich ist es dagegen, dem adiabaten System Rührarbeit unter Verringerung der inneren Energie und der Temperatur des Fluids zu entnehmen. Dem ersten Hauptsatz würde ein derartiger Vorgang nicht widersprechen. Aus Erfahrung wissen wir jedoch, dass er in dieser Richtung nicht vorkommt. Die Entscheidung, ob ein zwischen zwei Zuständen (1) und (2) ablaufender Prozess möglich oder unmöglich ist, trifft der zweite Hauptsatz auf mathematischer Basis. Er bedient sich hierzu einer für diese Zwecke speziell entwickelten (siehe Baehr, 1973, S.95ff) Zustandsgröße, der Entropie S. Die Entropie ist keine unmittelbar messbare Größe. Sie ist auch nicht direkt zu veranschaulichen. Mit ihrer Hilfe ist es jedoch möglich, den Richtungssinn der natürlichen Prozesse quantitativ zu beschreiben sowie reversible und irreversible Prozesse zu unterscheiden. Sie gestattet die zahlenmäßige Bewertung der Irreversibilität und die anschauliche Darstellung der bei einem Prozess auftretenden Wärme und Dissipationsenergie. 4.1 Entropie und Entropiestrom Geschlossenes System — Jedes geschlossene System hat eine extensive Zustandsgröße, die Entropie S, die sich bei Ablauf eines Prozesses — wie andere Zustandsgrößen auch — ändern kann. Die Entropie ist durch ihr Differential dS definiert, wobei zwei Darstellungsarten möglich sind: dS = m ⋅ ds ≡ m ⋅ du + p dv T = m⋅ dh − v dp T (Gl. 4.1 a, b) In Gl. 4.1 a, b ist T die nicht negative thermodynamische Temperatur. Dividiert man durch die Systemmasse m, so erhält man die differentielle Änderung der spezifischen Entropie ds. 70 Die Entropie ist eine kalorische Zustandsgröße; ihre Einheit ist J/K. Die Einheit der spezifischen Entropie ist J/(kg K). Stationärer Fließprozess — Anders als bei einem geschlossenen System, findet bei einem offenen System der Prozess zwischen dem Fluid-Eintritt und dem FluidAustritt des Kontrollraums statt. Entsprechend kann sich bei einem stationären Fließprozess die Entropie entlang der Stromlinie durch den Kontrollraum ändern. Aus diesem Grunde interessiert bei einem stationären Fließprozess anstatt der Änderung der im offenen System insgesamt enthaltenen Entropie vielmehr die Änderung der mit der Strömung transportierten Entropie. Somit wird für stationäre Fließprozesse ein an die Fluidströmung gebundener Entropiestrom als Zustandsgröße verwendet. Wie die Entropie beim geschlossenen System, wird beim stationären Fließprozess der fluidgebundene Entropiestrom durch sein Differential definiert. Analog zu den Gln. 4.1 a, b erhält man: • dS • = m⋅ ds ≡ • m⋅ du + p dv T • = m⋅ d h − v dp T (Gl. 4.2 a, b) • Division durch den Massenstrom m führt auch hier auf die differentielle Änderung der spezifischen Entropie ds. Die Einheit des Entropiestroms ist J/(s K), die der spezifischen Entropie wiederum J/(kg K). Für einen zwischen den Zuständen (1) und (2) ablaufenden Prozess erhält man die Änderung der Entropie bzw. des Entropiestroms durch Integration der Gln. 4.1 a, b bzw. 4.2 a, b. Einfache Stoffmodelle, wie das der idealen Flüssigkeit oder das des idealen Gases führen dabei auf leicht zu handhabende Beziehungen zur Berechnung der auftretenden Differenzen der Entropie bzw. des Entropiestroms. Entropieänderung bei Prozessen mit idealen Flüssigkeiten: Für ideale Flüssigkeiten konstanter spezifischer Wärmekapazität gilt: du = cF dT , cF = konst. und dv = 0. Aus Gl. 4.1 a oder 4.2 a folgt damit für die spezifische Entropie ds = s 2 − s1 cF dT T = c F ln bzw. nach Integration T2 T1 (Gl. 4.3) 71 Die Änderung der Entropie beim geschlossenen System bzw. des Entropiestroms beim stationären Fließprozess ergibt sich aus Gl. 4.3 durch Multiplikation mit der Masse bzw. dem Massenstrom: • = m ⋅ ( s2 − s1 ) S 2 − S1 bzw. • S 2 − S1 • = m⋅ ( s2 − s1 ) . Entropieänderung bei Prozessen mit idealen Gasen: Für ideale Gase konstanter spezifischer Wärmekapazität gilt: du = cV dT , cV = konst. und p/T = R/v. Aus Gl. 4.1 a bzw. 4.2 a folgt damit für die spezifische Entropie ds = s2 − s1 cV dT dv + R⋅ T v = cV ln bzw. nach Integration T2 v + R ⋅ ln 2 T1 v1 (Gl. 4.4) Daneben gilt: dh = cP dT , cP = konst. und v/T = R/p. Aus Gl. 4.1 b bzw. 4.2 b folgt damit für die spezifische Entropie ds = s 2 − s1 cP dT dp − R⋅ T p = c P ln bzw. nach Integration T2 p − R ⋅ ln 2 T1 p1 (Gl. 4.5) Die Beziehungen für die Änderung der Entropie beim geschlossenen System bzw. des Entropiestroms beim stationären Fließprozess erhält man durch Multiplikation der Gln. 4.4 und 4.5 mit der Masse bzw. dem Massenstrom: S 2 − S1 = m ⋅ ( s2 − s1 ) • bzw. • S 2 − S1 • = m⋅ ( s2 − s1 ) . Selbstverständlich können Entropieänderungen auch mithilfe von molaren Größen beschrieben werden. Es gilt somit auch: S 2 − S1 = n ⋅ ( S m2 − S m1 ) • bzw. • S 2 − S1 • = n⋅ ( S m2 − S m1 ) . Die Gln. 4.4 und 4.5 sind unterschiedliche Darstellungen desselben Sachverhalts. Sie gelten gleichberechtigt nebeneinander und führen beide zu demselben Ergebnis. Welche dieser Gleichungen im konkreten Fall zur Berechnung einer Entropiedifferenz herangezogen wird, hängt von der jeweiligen Aufgabenstellung ab, insbesonde72 re davon, welche der in den Gleichungen vorkommenden Größen bereits als gegeben vorliegen. 4.2 Entropieverhalten geschlossener Systeme Die Entropie eines geschlossenen Systems ändert sich, wenn an der Systemgrenze Wärme übertragen wird oder im System irreversible Prozesse ablaufen. Dieser Zusammenhang lässt sich aus dem ersten Hauptsatz für geschlossene Systeme, z. B. in spezifischen Größen, ableiten: 2 q12 − ∫ p dv + j12 = u2 − u1 (Gl. 4.6) 1 Nach Differentiation und Division durch die thermodynamische Temperatur T folgt (vgl. Langeheinecke et al., 1999, S. 89): dq T dj T + = du + p dv . T (Gl. 4.7) Die rechte Gleichungsseite ist nach Gl. 4.1 a mit dem Differential der spezifischen Entropie ds identisch. Es gilt somit: dq T dj T + = ds . (Gl. 4.8) Durch Integration erhält man hieraus: = ∆s Q-12 + ∆s J-12 s2 − s1 2 mit ∆s Q-12 = dq ∫1 T 2 und ∆s J-12 = dj ∫T ≥ 0 (Gl. 4.9) 1 bzw. in extensiven Größen: S 2 − S1 = ∆S Q-12 + ∆S J-12 2 mit ∆S Q-12 = dQ ∫1 T 2 und ∆S J-12 = dJ ∫T ≥ 0 (Gl. 4.10) 1 Man erkennt, dass die Entropieänderung eines geschlossenen Systems aus zwei Teilen besteht: 1.) aus der mit der Wärme über die Systemgrenze transportierten Entropie ∆SQ-12 (mit ∆SQ-12 > 0 wegen dQ > 0 bei Wärmezufuhr, ∆SQ-12 < 0 wegen dQ < 0 bei Wärmeabfuhr und ∆SQ-12 = 0 wegen dQ = 0 bei adiabaten Systemen); 73 2.) aus der im Innern des Systems durch Irreversibilität erzeugten Entropie ∆SJ-12 (mit ∆SJ-12 ≥ 0 wegen dJ ≥ 0, wobei ∆SJ-12 = 0 im reversiblen Grenzfall gilt). Der Wert von ∆SJ-12 stellt ein Maß für die Irreversibilität des zwischen den Zuständen (1) und (2) ablaufenden Prozesses dar, mit dem seine Abweichung vom Ideal des reversiblen Prozesses quantifiziert werden kann. Hieraus lassen sich für das Zustandsverhalten von adiabaten geschlossenen Systemen die folgenden Aussagen treffen: • Bei irreversiblen Prozessen nimmt die Entropie eines adiabaten geschlossenen Systems stets zu. Die Entropieänderung ist mit der Entropie-Erzeugung ∆SJ-12 identisch. Es gilt S2 – S1 = ∆SJ-12 > 0. Die Entropie-Erzeugung ist ein Maß für die Irreversibilität des Prozesses. • Bei reversiblen Prozessen bleibt die Entropie eines adiabaten geschlossenen Systems konstant. Es gilt ∆SQ-12 = 0 (wegen adiabat) und ∆SJ-12 = 0 (wegen reversibel). Damit ist S2 – S1 = 0 bzw. S2 = S1 oder S = konst. • Die Entropie eines adiabaten geschlossenen Systems kann niemals abnehmen. D. h., dass die Änderung der Entropie adiabater Systeme immer größer oder (im reversiblen Grenzfall) gleich Null ist. Es gilt stets dSad ≥ 0. Für das Zustandsverhalten in nichtadiabaten geschlossenen Systemen gelten die folgenden Aussagen: • Bei reversiblen Prozessen in nichtadiabaten geschlossenen Systemen kann die Entropie zunehmen oder abnehmen. Die Entropieänderung ist mit der über die Systemgrenze transportierten Entropie ∆SQ-12 identisch. Es gilt S2 – S1 = ∆SQ-12 > 0 bei Wärmezufuhr und S2 – S1 = ∆SQ-12 < 0 bei Wärmeabfuhr. • Bei irreversiblen Prozessen in nichtadiabaten geschlossenen Systemen wird sich die Entropie durch Irreversiblitäten im Innern vergrößern. Dieser Vorgang wird überlagert durch die Entropiezu- oder -abnahme, die durch die Zu- oder Abfuhr von Wärme bedingt ist. 74 4.3 Entropieverhalten bei stationären Fließprozessen Bei einem stationären Fließprozess überquert ein fluidgebundener Entropiestrom die Kontrollraumgrenze am Ein- und Austritt des offenen Systems. Im Innern des Systems erfährt der fluidgebundene Entropiestrom eine Änderung, wenn ein Wärmestrom die Systemgrenze überschreitet oder im System irreversible Prozesse ablaufen. Dieser Zusammenhang lässt sich für das offene System aus dem ersten Hauptsatz für stationäre Fließprozesse, z. B. in spezifischen Größen, ableiten: 2 q12 + ∫ v dp + j12 = h2 − h1 (Gl. 4.11) 1 Nach Differentiation und Division durch die thermodynamische Temperatur T folgt: dq T dj T + dh − v dp . T = (Gl. 4.12) Die rechte Gleichungsseite ist nach Gl. 4.2 b mit dem Differential der spezifischen Entropie ds identisch. Es gilt somit: dq T dj T + = ds . (Gl. 4.13) Durch Integration erhält man hieraus: = ∆s Q-12 + ∆s J-12 s2 − s1 2 ∆s Q-12 = mit 2 dq ∫1 T und ∆s J-12 = dj ∫T ≥ 0 (Gl. 4.14) 1 bzw. in Stromgrößen: • • S 2 − S1 = • mit S Q-12 • • S Q-12 + S J-12 2 • dQ = ∫ T 1 • und S J-12 2 • dJ = ∫ ≥ 0 T 1 (Gl. 4.15) Die Gln. 4.9 und 4.14 zeigen, dass in spezifischen Größen für geschlossene Systeme und für stationäre Fließprozesse dieselben Beziehungen gelten. Erst bei der Verwendung von extensiven Größen (Gln. 4.10 und 4.15) unterscheiden sich die Darstellungen für geschlossene Systeme und für stationäre Fließprozesse. Aus Gl. 4.15 erkennt man: Beim stationären Fließprozess kann der fluidgebundene Entropiestrom auf zweierlei Weise verändert werden: 75 1.) durch den mit einem Wärmestrom über die Systemgrenze transportierten Entro• • • • piestrom S Q-12 (mit S Q-12 > 0 wegen d Q > 0 bei Wärmezufuhr, S Q-12 < 0 wegen • • • d Q < 0 bei Wärmeabfuhr und S Q-12 = 0 wegen d Q = 0 bei adiabaten Systemen); 2.) durch den im Innern des Systems infolge von Irreversibilität erzeugten Entro• • piestrom S J-12 ≥ 0, wobei im reversiblen Grenzfall S J-12 = 0 gilt. Hieraus lassen sich für das Zustandsverhalten von stationären Fließprozessen in adiabaten offenen Systemen die folgenden Aussagen treffen: • Bei einem irreversiblen stationären Fließprozess in einem adiabaten System nimmt der fluidgebundene Entropiestrom stets zu. Die Änderung des fluidgebundenen Entropiestroms ist mit dem durch Irreversiblitäten erzeugten Entropiestom • • • • S J-12 identisch. Es gilt S 2 − S 1 = S J-12 > 0 . Die Stärke des erzeugten Entropiest- roms ist ein Maß für die Irreversibilität des Prozesses. • Bei einem reversiblen stationären Fließprozess in einem adiabaten System bleibt • der fluidgebundene Entropiestrom konstant. Es gilt S Q-12 = 0 (wegen adiabat) • und S J-12 = 0 (wegen reversibel). Damit ist • • • • S 2 − S 1 = 0 bzw. S 2 = S 1 oder • S = konst. • Der fluidgebundene Entropiestrom bei einem stationären Fließprozess in einem adiabaten System kann niemals abnehmen. D. h., dass die Änderung des fluidgebundenen Entropiestroms bei stationären Fließprozessen in adiabaten Systemen immer größer oder (im reversiblen Grenzfall) gleich Null ist. Es gilt stets • d S ad ≥ 0 . Für das Zustandsverhalten von stationären Fließprozessen in nichtadiabaten Systemen gelten die folgenden Aussagen: • Bei reversiblen stationären Fließprozessen in nichtadiabaten Systemen kann der fluidgebundene Entropiestrom zunehmen oder abnehmen. Die Änderung des fluidgebundenen Entropiestroms ist mit dem über die Systemgrenze gehenden • • • • Entropiestrom S Q-12 identisch. Es gilt S 2 − S 1 = S Q-12 > 0 • • • bei Wärmezufuhr und S 2 − S 1 = S Q-12 < 0 bei Wärmeabfuhr. 76 • Bei irreversiblen stationären Fließprozessen in nichtadiabaten Systemen wird sich der fluidgebundene Entropiestrom durch Irreversiblitäten im Innern des Systems vergrößern. Dieser Vorgang wird überlagert durch die wärmebedingte Zu- oder Abnahme des fluidgebundenen Entropiestroms. 4.4 Vorgehensweise bei Plausibilitätsuntersuchungen Soll ein Prozess überprüft werden, ob er irreversibel, reversibel oder gar unmöglich ist, so geschieht dies mithilfe von Gl. 4.9 / 4.14, indem sie nach ∆sJ-12 umgestellt wird: ∆s J-12 = ( s2 − s1 ) − ∆s Q-12 (Gl. 4.16) In einem zweiten Schritt ist die Differenz der spezifischen Entropie s2 −s1 zu berechnen. Für ideale Gase geschieht dies mit den Gln. 4.4 oder 4.5. Die Bestimmung von ∆sQ-12 erfolgt durch Lösung des Integrals 2 ∆s Q-12 = dq ∫T . (Gl. 4.17) 1 Für den allgemeinen Fall, d. h. für beliebige Zustandsänderungen (1) → (2) ist dies praktisch nur auf numerischem Wege möglich. Lediglich für den Sonderfall einer isothermen Zustandsänderung resultiert aus Gl. 4.17 folgende einfache Lösung: 2 ∆s Q-12 = 1 ⋅ dq = T ∫1 q12 . T (Gl. 4.18) Schließlich sind die Ergebnisse für s2 −s1 und ∆sQ-12 in Gl. 4.16 einzusetzen. Wird das Ergebnis ∆sJ-12 > 0, so ist der untersuchte Prozess irreversibel, ergibt sich ∆sJ-12 = 0, so liegt der reversible Grenzfall vor, und bei einem Ergebnis ∆sJ-12 < 0 handelt es sich um einen unmöglichen Prozess. Das folgende einfache Beispiel soll den Umgang mit dem zweiten Hauptsatz und der Zustandsgröße Entropie demonstrieren: Beispiel: Ein Turbokompressor setzt einen Luftmassenstrom von 2 kg/s durch. Er verdichtet die Luft von p1 = 1 bar auf p2 = 5 bar. Aufgrund einer sehr guten Kühlung bleibt die Lufttemperatur während des gesamten Verdichtungsprozesses konstant bei T = 300 K. Die zuzuführende technische Leistung beträgt Pt12 = 250 kW. 77 Für die Luft kann das Stoffmodell des idealen Gases mit konstanter spezifischer Wärmekapazität herangezogen werden mit R = 0,287 kJ/(kg K) und cP = 1,004 kJ/(kg K). Der Verdichtungsprozess ist mithilfe des zweiten Hauptsatzes auf Plausibilität zu überprüfen. Äußere Energien können vernachlässigt werden. Lösung: Ansatz von Gl. 4.16: = ( s2 − s1 ) − ∆s Q-12 ∆s J-12 Berechnung von s2 −s1 . Für ideales Gas gilt Gl. 4.5: s 2 − s1 = c P ln T2 p − R ⋅ ln 2 T1 p1 s2 − s1 = 1, 004 300 K 5 bar kJ kJ ⋅ ln − 0,287 ⋅ ln kg K 300 K kg K 1 bar s2 − s1 = − 0,462 kJ kg K Der 1. HS für stationäre Fließprozesse, q12 + w t12 = c P ⋅ (T2 − T1 ) liefert wegen T1 = T2: q12 = − w t12 = − Pt 12 • = − m 250 kJ / s 2 kg / s = − 125 kJ kg Für isotherme Zustandsänderung gilt Gl. 4.18: 2 ∆s Q-12 = 1 ⋅ dq = T ∫1 q12 T = −125 kJ / kg 300 K = − 0,417 kJ kg K Somit folgt mit Gl. 4.16: ∆s J-12 = − 0,462 kJ kJ + 0,417 kg K kg K = − 0,045 kJ kg K Da stets gelten muss ∆sJ-12 ≥ 0, handelt es sich bei dem beschriebenen Vorgang um einen unmöglichen Prozess. 78 4.5 Das T,s-Diagramm Im 2. Kapitel war das p,v-Diagramm vorgestellt worden. Dieses Diagramm gilt in der Thermodynamik als ein wichtiges Hilfsmittel, um die während eines Prozesses auftretenden Zustandsänderungen von Stoffen verfolgen zu können. Des Weiteren waren wir mithilfe dieses Diagramms in der Lage, wichtige Prozessgrößen des ersten Hauptsatzes — so die im ersten Hauptsatz für geschlossenen Systeme explizit auftretende spezifische Volumenänderungsarbeit wV12 oder die für den ersten Hauptsatz für stationäre Fließprozesse besonders wichtige spezifische Druckänderungsarbeit wP12 — als Fläche darzustellen. Dagegen konnte die im ersten Hauptsatz für geschlossene Systeme und für stationäre Fließprozesse ebenfalls auftretende Prozessgröße der spezifischen Wärme q12 im p,v-Diagramm nicht unmittelbar veranschaulicht werden. Mithilfe der spezifischen Entropie ist es nun möglich, Prozessgrößen, wie die spezifische Wärme und die spezifische Dissipationsenergie in einem Diagramm zu veranschaulichen. Ausgangspunkt hierfür ist die Gleichung 4.8 bzw. 4.13: ds = dq T + dj . T (Gl. 4.19) Bringt man die thermodynamische Temperatur T auf die linke Gleichungsseite und integriert entlang eines beliebigen Weges von einem Startzustand (1) bis zu einem Zielzustand (2), so erhält man einen allgemeinen Zusammenhang zwischen der spezifischen Entropie, der spezifischen Wärme und der spezifischen Dissipationsenergie, der sowohl für geschlossene Systeme als auch für stationäre Fließprozesse gilt: 2 ∫ T ds = q12 + j12 (Gl. 4.20) 1 Dies bedeutet, dass sich in einem T,s-Diagramm die Summe aus q12 und j12 als Fläche zwischen einer beliebigen Zustandsänderungslinie T(s) und der bei T = 0 K zu zeichnenden Abszisse darstellen lässt, Abb. 4.1 a. Bei reversiblen Vorgängen ist die spezifische Dissipationsenergie j12 = 0. In diesem Fall stellt die Fläche unter der Zustandsänderungslinie allein die zu- bzw. abgeführte spezifische Wärme q12 dar, Abb. 4.1 b. In adiabaten Systemen ist die über die Systemgrenze hinweggehende spezifische Wärme q12 = 0. Bei irreversiblen Prozessen ist dann die Fläche unter der Zustandsänderungslinie mit der auftretenden spezifischen Dissipationsenergie j12 > 0 identisch, Abb. 4.1 c. 79 a) nicht adiabates System, irreversibler Prozess b) nicht adiabates System, reversibler Prozess c) adiabates System, irreversibler Prozess Abb. 4.1: Bedeutung von Flächen unter Zustandsänderungslinien im T,s-Diagramm Über die für beliebige Zustandsänderungen getroffenen Aussagen hinaus kommen den Flächen im T,s-Diagramm weitere Bedeutungen zu, wenn die Zustandsänderungen isochor oder isobar sind. Um dies zu zeigen, greifen wir auf die Definitionsgleichung für die spezifische Entropie zurück, siehe Gln. 4.1 und 4.2, und bringen die thermodynamische Temperatur T auf die linke Gleichungsseite. Wir erhalten: T ds = du + p dv . bzw. T ds = dh − v dp (Gl. 4.21 a, b) Mit dv = 0 für eine isochore Zustandsänderung folgt aus Gl. 4.21 a durch Integration vom Startzustand (1) bis zum Zielzustand (2): 2 ∫ T ds = u2 − u1 (v = konst.) (Gl. 4.22) 1 In gleicher Weise erhält man mit dp = 0 für eine isobare Zustandsänderung aus Gl. 4.21 b durch Integration: 2 ∫ T ds = h2 − h1 (p = konst .) (Gl. 4.23) 1 80 Abb. 4.2: Darstellung der Differenzen u2 − u1 und h2 − h1 im T,s-Diagramm (Baehr, 1973, S. 110) Die Gln. 4.22 und 4.23 besagen, dass im T,s-Diagramm die Fläche unter einer Isochore mit der Differenz der spezifischen inneren Energie und die Fläche unter einer Isobare mit der Differenz der spezifischen Enthalpie identisch ist, Abb. 4.2. Isotherme Zustandsänderung — Isotherme Zustandsänderungen verlaufen unabhängig vom betrachteten Stoff im T,s-Diagramm horizontal, Abb. 4.3 a. Für alle isothermen Zustandsänderungen gilt als Erweiterung von Gl. 4.20 der folgende Zusammenhang: 2 ∫ T ds = T ⋅ ( s2 − s1 ) = q12 + j12 (Gl. 4.24) 1 Isentrope Zustandsänderung — Ein besonderer Zustandsverlauf liegt vor, wenn bei einem Prozess q12 + j12 = 0 gilt. In diesem Fall verschwindet in Gl. 4.20 das Integral und damit die Fläche im T,s-Diagramm. Das ist nur möglich, wenn ds = 0 ist und die Zustandsänderung im T,s-Diagramm auf einer vertikalen Linie s = konst. verläuft, Abb. 4.3 b. Linien konstanter Entropie heißen in der Thermodynamik Isentropen. Entsprechend wird eine bei konstanter Entropie ablaufende Zustandsänderung als isentrope Zustandsänderung bezeichnet. Isentrope Zustandsänderungen liegen insbesondere dann vor, wenn in adiabaten Systemen reversible Prozesse ablaufen. In diesen Fällen gilt sowohl q12 = 0 als auch j12 = 0. Derartige isentrope Prozesse sind als idealisierte Grenzfälle von Vorgängen in Maschinen, wie sie in Kolbenverdichtern und Motoren sowie in Turboverdichtern und Turbinen ablaufen, von besonderem technischen Interesse. 81 Abb. 4.3: Isotherme (a) und isentrope (b) Zustandsänderung im T,s-Diagramm Um eine isentrope Zustandsänderung handelt es sich im Allgemeinen auch dann, wenn bei einem irreversiblen Prozess die im System zerstreute Dissipationsenergie j12 > 0 durch eine entsprechende Wärmeabfuhr, d h. durch q12 < 0, neutralisiert wird. Dieser Fall soll hier nicht betrachtet werden. Ideale Gase — Das T,s-Diagramm wird wie das p,v-Diagramm hauptsächlich für die qualitative Darstellung von thermodynamischen Prozessen benutzt. Hierzu ist es erforderlich, den Verlauf der Parameterlinien p = konst. und v = konst. zu kennen. Dieser Verlauf hängt maßgeblich vom jeweils vorliegenden Stoff ab. Für das Stoffmodell des idealen Gases gelten die folgenden Aussagen. Abb. 4.4: Kurvenschar der Isobaren und der Isochoren eines idealen Gases im T,s-Diagramm (Hahne, 1993, S. 133) 82 Im T,s-Diagramm eines idealen Gases sind die Isochoren und die Isobaren Exponentialkurven, wobei die Isochoren bei derselben Temperatur stets steiler als die Isobaren verlaufen, siehe Abb. 4.4. Für ideale Gase mit konstanten spezifischen Wärmekapazitäten liegen im T,s-Diagramm alle Isobaren horizontal parallel, d. h., sie gehen durch Parallelverschiebung in Richtung der s-Achse auseinander hervor. Das gleiche gilt für die Isochoren, siehe Abb. 4.4. Da die Entropie eines idealen Gases mit steigendem Druck abnimmt (siehe Gl. 4.5 für T = konst., d. h. für T1 = T2), liegen die zu höheren Drücken gehörenden Isobaren im T,s-Diagramm links von den Isobaren mit niedrigeren Drücken. Umgekehrt nimmt die Entropie eines idealen Gases mit steigendem spezifischen Volumen zu (siehe Gl. 4.4 für T = konst., d. h. für T1 = T2). Deshalb liegen die Isochoren um so weiter rechts, je größer das spezifische Volumen ist. Ideale Flüssigkeit — Für ideale Flüssigkeiten wird im T,s-Diagramm das gesamte Zustandsgebiet auf eine einzige Linie abgebildet. Deshalb ist die Darstellung von Zustandsänderungen idealer Flüssigkeiten im T,s-Diagramm nicht üblich. Kontrollfragen 4.1 Welche Aufgabe kommt in der Thermodynamik dem zweiten Hauptsatz zu, und worin liegt der besondere Wert der abstrakten Zustandsgröße Entropie? 4.2 In welchen Systemen kann die Entropie nur zunehmen, und unter welchen Umständen kann die Entropie in einem System abnehmen? 4.3 Was versteht man unter einer isentropen Zustandsänderung? 4.4 Welche Bedeutung haben im T,s-Diagramm die Flächen zwischen einer Zustandsänderungslinie und der durch den Punkt T = 0 K gehenden Abszisse? 83 Übungsaufgaben 4.1 Ein Erfinder reicht ein Patent für eine mit Helium arbeitende adiabate Gasturbine ein. Der Eintrittszustand des Arbeitsfluids beträgt p1 = 4 bar und T1 = 1100 K, der Austrittszustand liegt bei p2 = 1 bar und T2 = 600 K. Bei einem Massenstrom von 10 kg/s soll die technische Leistung der Turbine Pt12 = −26 MW betragen. Es ist zu überprüfen, ob die Aussagen des Erfinders a) gegen den 1. Hauptsatz, b) gegen den 2. Hauptsatz der Thermodynamik verstoßen. Für Helium kann das Stoffmodell des idealen Gases mit konstanter spezifischer Wärmekapazität herangezogen werden mit R = 2,08 kJ/(kg K) und cP = 5,2 kJ/(kg K). Äußere Energien können vernachlässigt werden. 4.2 Der Ventilator eines elektrischen Heizlüfters saugt Luft vom Umgebungszustand p1 = 1 bar, T1 = 280 K an und komprimiert sie isentrop auf p2 = 1,1 bar, T2 = 288 K. Anschließend wird die Luft im Heizregister bei konstantem Druck bis auf T3 = 320 K aufgeheizt. Für die Luft soll das Stoffmodell des idealen Gases mit konstanter spezifischer Wärmekapazität mit R = 0,287 kJ/(kg K) und cP = 1,004 kJ/(kg K) gelten. Gesucht sind: a) die Änderung der spezifischen Entropie im Ventilator, b) die Änderung der spezifischen Entropie im Heizregister, c) die qualitative Darstellung des Gesamtprozesses im T,sDiagramm. 84