Indikationen für Peritonektomie und HIPEC beim Magenkarzinom

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Indikationen für
Peritonektomie und
HIPEC beim
Magenkarzinom
E. Pachmayr, A. Brandl, M. Feist, B. Rau
Klinik für Allgemein-, Viszeral-,
Thorax- und Gefäßchirurgie,
Charité Campus Mitte,
Universitätsmedizin Berlin
Magenkarzinom – Peritonealkarzinose –
Selektionskriterien – zytoreduktive Chirurgie –
HIPEC
chirurgische praxis 81, 559–571 (2016)
Mediengruppe Oberfranken –
Fachverlage GmbH & Co. KG
chirurgische praxis
2016
Band 81 / 4
„ Einleitung
Jährlich erkranken fast eine Millionen Menschen
an Magenkarzinom. Damit handelt es sich weltweit um die fünfthäufigste Krebserkrankung.
2012 betrug die standardisierte Erkrankungsrate in Deutschland 15,6 für Männer und 8,3 für
Frauen je 100.000 Einwohner. Zwischen 1990
und 2004 registriert das Robert Koch-Institut
einen Rückgang altersstandardisierter Inzidenz
bei Frauen um 38 %, bei Männern um 30 %.
Nichtsdestotrotz ist die Prognose für Magenkarzinompatienten schlecht: Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt lediglich bei 33 % (RKI). Dabei
nehmen insbesondere die nachfolgenden Faktoren negativen Einfluss auf die Prognose: Tumorlokalisation im oberen Drittel des Magens, diffus
infiltrierendes Wachstum (Borrmann Typ 4), eine
pT-Kategorie L1, eine Infiltration der Serosa,
die Existenz distaler Metastasen, das Vorhandensein eines Residualtumors nach Resektion,
das Verhältnis befallener zu entfernten Lymphknoten und das Auftreten postoperativer Komplikationen [1 – 4]. Auch die Histologie scheint
großen Einfluss auf die Prognose zu nehmen. Dabei zeigen insbesondere schlecht differenzierte
Adenokarzinome, papillär wachsende Karzinome,
Siegelringzellkarzinome und muzinöse Karzinome
niedrige 5-Jahres-Überlebensraten [2].
Das Vorliegen peritonealer Metastasen beeinflusst die Prognose maßgeblich. Peritonealkarzinose verringert das mediane Überleben von
rund 14 Monaten auf etwa 3 Monate und ist darüber hinaus die wichtigste Ursache für Therapieversagen bei fortgeschrittenem Magenkarzinom
[5, 6]. Bei Exploration für potentiell kurative
Resektionen weisen rund 24 % der Magenkarzinompatienten peritoneale Metastasen auf [7].
Dabei ist die Histomorphologie ein entscheidender Risikofaktor: Im Gegensatz zum intestinal
wachsenden Magenkarzinom neigt der diffuse
Typ vermehrt zu peritonealer Metastasierung.
Während hier bis zu 81 % der Patienten eine peritoneale Beteiligung aufweisen, sind es beim
intestinalen Typ nur rund 38 % [8]. Weitere Risikofaktoren für peritoneale Streuung sind unter
anderem junges Alter (m60 Jahre) und lokales
559
Tumorstadium (T3/T4), Serosainfiltration, Befall
von Lymphknoten und Tumorgröße [1, 9, 10].
Nach kurativer Resektion treten durchschnittlich nach rund 16 Monaten bei bis zu 43 % der
Magenkarzinompatienten peritoneale Rezidive
auf [11]. Circa 20 % der Patienten entwickeln
innerhalb der ersten 5 postoperativen Jahre
peritoneale Metastasen [12].
Standardtherapie der Peritonealkarzinose ist
eine palliative systemische Chemotherapie.
Allerdings wirken intravenös verabreichte
Chemotherapeutika aufgrund der Blut-Peritoneum-Schranke nur begrenzt auf Peritonealkarzinose-Zellen [13]. Alternativ beschreiben
immer mehr Studien ein verbessertes Langzeitüberleben mit der Kombinationstherapie aus
chirurgischer Zytoreduktion (CRS) und lokaler
Gabe von Chemotherapeutika (HIPEC). Ziel der
maßgeblich von Sugarbaker entwickelten CRS ist
die komplette makroskopische Entfernung des
Primärtumors, sowie aller betroffener Areale des
Peritoneums [14]. Nach einer gründlichen Exploration des Bauchraums und Einschätzung der
Operabilität folgt die zytoreduktive Chirurgie.
Bei den Verfahren handelt es sich um viszerale
und parietale Peritonektomie. Der Eingriff kann
je nach Ausmaß des Befalls häufig mehr als 10
Stunden dauern [15].
Während des chirurgischen Eingriffs können Tumorzellen verschleppt werden, sich im
Bauchraum ansiedeln und proliferieren. Daher
sollte der Peritonektomie unmittelbar die intraperitoneale Gabe einer hyperthermen Chemotherapie (HIPEC) folgen. Ziel ist hier die Elimination freier Tumorzellen. Häufig angewandte
Chemotherapeutika sind: Mitomycin C, Cisplatin,
Irinotecan und Hydroxycamptothecin [16]. Die
HIPEC ermöglicht hohe lokale Konzentration mit
geringer systemischer Toxizität. Die Dauer der
Chemoperfusion beträgt, je nach Institut, zwischen 30 und 120 Minuten [17].
Die Kombination aus CRS und HIPEC kann das
mediane Überleben von 3 Monaten bei supportiver Basistherapie auf bis zu 15 Monate bei kompletter Zytoreduktion anheben. Die perioperative
560
Mortalität beträgt gut 5 %. Postoperative Komplikationen, wie beispielsweise Abszesse, Fisteln
oder Anastomoseninsuffizienz, treten bei bis zu
21,5 % der Patienten auf [17].
Für das postoperative Outcome ist eine konsequente Patientenselektion entscheidend. Lediglich
ein Bruchteil der Patienten mit fortgeschrittenem
Magenkarzinom profitiert von der Kombinationstherapie aus CRS und HIPEC. Derzeit bestehen
keine einheitlichen Indikationskriterien. Ziel dieser Arbeit ist es, Ein- und Ausschlussfaktoren für
Peritonektomie und HIPEC beim peritoneal metastasiertem Magenkarzinom zu erläutern.
„ Staging der Peritonealkarzinose
Risikoscores
Es gibt diverse Scores, um das Ausmaß des peritonealen Befalls einschätzen zu können. Am
häufigsten findet der Peritonealkarzinoseindex
(PCI) nach Sugarbaker Anwendung. Der PCI beschreibt die intraabdominelle Tumorausdehnung.
Dabei wird der Bauchraum in 13 Kompartimente
eingeteilt und in jeder Region die Größe intraperitonealer Tumorknoten mithilfe des Lesion-sizescore beurteilt (LS0-LS3). Der höchstmögliche
PCI beträgt 39 [18].
Eine weitere Möglichkeit für die Einschätzung des
peritonealen Befalls ist das Lyon Staging System
nach Gilly. Es bewertet die Größe peritonealer
Tumorknoten und ihre Verteilung (fTab. 1)
[19].
In Japan wird die Peritonealkarzinose bei Magenkarzinomen anhand des Japanese Research
Society for Gastric Cancer Score (JRSGC) klassifiziert. P0 steht für keinen peritonealen Befall, P1
für direkt an das Magenperitoneum angrenzende
Peritonealkarzinose oberhalb des Colon transversum (das Omentum majus eingeschlossen).
P2 bedeutet einzelne, verstreute Metastasen in
entfernten Abschnitten des Peritoneums oder
Metastasen ausschließlich in den Ovarien. P3
beschreibt multiple, ferne peritoneale Metastasen (fAbb. 1) [20].
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chirurgische praxis
Größe
Gilly 0
Verteilung
Keine makroskopische Peritonealkarzinose
Gilly I
l 5 mm
lokalisiert
Gilly II
l 5 mm
diffus
Gilly III
5 mm – 2 cm
diffus oder lokalisiert
Gilly IV
L 2 cm
diffus oder lokalisiert
Tab. 1 | Lyon Staging System nach Gilly
Daneben existiert ein weiterer Score, um die
Erfolgsaussichten nach Peritonektomie und HIPEC einschätzen zu können: der Prior Surgical
Score (PSS). Im Gegensatz zu PCI, Gilly-Klassifikation und JRSGC trifft der PSS keine Aussage
über das Ausmaß des Tumors, sondern misst den
Umfang von Operationen, die der Zytoreduktion
vorausgehen. Ähnlich dem methodischen Vorgehen des PCI, wird der Bauchraum in mehrere
Areale eingeteilt: Dabei bedeutet PSS = 0, dass
kein chirurgischer Eingriff vorausgegangen war
oder lediglich eine Biopsie vorgenommen wurde.
PSS = 1 entspricht einem chirurgischen Eingriff
in einer Region. PSS = 2 besagt, dass in 2 – 5
Arealen, PSS = 3, dass in L5 Arealen operiert
wurde [21].
Die unterschiedlichen Scoringsysteme dienen
einem gemeinsamen Ziel: Vereinheitlichung der
Einschätzung von Tumorvolumen und Verteilung.
Der PCI ist derzeit die verbreiteteste Beschreibung der Verteilung der peritonealen Metastasen
und sollte bei Nachweis im OP-Bericht vermerkt
sein. Nur so kann der Erfolg weiterer Therapieoptionen abgeschätzt werden.
chirurgische praxis
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Diagnostik
Mittels möglichst präziser präoperativer Diagnostik lässt sich das Vorliegen eines peritonealen Befalls feststellen und ein optimales Staging
erreichen. Durch konsequente Patientenselektion
können somit unnötige operative Eingriffe vermieden werden. Zu den diagnostischen Möglichkeiten gehören unter anderem die Schnittbildgebungen anhand von MRT, CT, PET-CT, sowie
endosonographisch gestützte Feinnadelaspiration und Laparoskopie.
Konventionelle Schnittbild-Diagnostik:
Konventionelle Magnetresonanztomographie
(MRT) erreicht bei der Diagnostik peritonealer Metastasen eine Sensitivität von 52 – 92 %
und eine Spezifität von 90 – 92 % [22, 23]. In
Kombination mit diffusionsgewichteter Magnetresonanztomografie (DW-MRT) konnte die Sensitivität in einer Studie von Low et al. auf Werte
von 84 – 90 % gesteigert werden. Die Spezifität
betrug dabei 91 % [23].
Die Sensitivität der Computertomographie (CT)
in der Diagnostik peritonealer Läsionen variiert
zwischen 60 % und 90 % [24 – 27]. Die Spezifität beträgt rund 82 % [24]. In einer Multi-Center-Studie von Esquivel et al. wurde der PCI bei
561
A)
B)
C)
Abb. 1 | Einschätzung des peritonealen Befalles nach Gilly 2006
A) P1 wenige lokalisierte Herde in der Nähe zum Magen z.B. kleine Kurvatur – in ca. 30 % der Fall
B) P2 mehrere verteilte Herde vom Magen entfernt und ggf. isolierte Ovarialmetastasen – in ca. 20 % der Fall
C) Vielzahl von Herden ubiquitär – in ca. 45 % der Fall
insgesamt 65 % der Patienten mittels CT korrekt
bestimmt (verglichen mit dem intraoperativ gemessenen PCI), während 33 % unterschätzt und
2 % überschätzt wurden [28]. Eine erhebliche
Limitation stellt die unzureichende Detektion
kleiner Tumorknoten dar. Jacquet et al. zeigten
die Abhängigkeit der Sensitivität von der Tumorgröße auf: Sie betrug 28 % bei Läsion l0,5
cm, 72 % bei Tumorknoten zwischen 0,5 – 5 cm.
Hingegen war die Sensitivität bei L5 cm Durchmesser 90 % [27]. Ferner hängt die Genauigkeit
auch von der anatomischen Lokalisation des Tumorbefalls ab. Bei Esquivel et al. variierte die
falsch-negativ Rate bei der CT-PCI Beurteilung
je nach Region: 10 % im linken unteren Quadranten, 25 % im Becken und 35 % im distalen Ileum.
Die PCI-Einschätzung korrelierte gut mit dem
intraoperativen Befund im Epigastrium (83 %),
im linken unteren Quadranten (81 %) und im
zentralen Abdomen (75 %), weniger gut im distalen Ileum (56 %), im distalen Jejunum und
im rechten unteren Quadranten (jeweils 58 %)
[28]. Experten schätzen das CT als fundamental für die Diagnostik peritonealen Befalls ein
[29]. Allerdings ist seine Aussagekraft bei der
Einschätzung des Ausmaßes limitiert [26].
Durch Darstellung der Stoffwechselaktivität erreicht die Fluordesoxyglucose-Positronen-Emissions-Tomographie in Kombination mit CT (PET/
CT) eine Sensitivität von 57 – 93 % und eine
562
Spezifität von 73 – 96 % [22, 26, 30]. Ursachen
falsch-negativer Befunde in der PET sind Siegelringzellkarzinome, muzinöse Tumoren und
kleine Tumorbesiedelungen (l1 cm). Neben
hohen Kosten und geringer Verfügbarkeit handelt es sich dabei um wesentliche Limitationen
des PET/CT in der Diagnostik peritonealer Metastasen [29, 31]. Eine Studie von Dromain et
al. verglich CT und PET/CT beim Staging der
Peritonealkarzinose. Das Ausmaß peritonealen
Befalls (PCI) wurde durch das CT in 70 %, durch
das PET/CT in 80 % der Fälle unterschätzt [26].
Klumpp et al. stellten die Korrelation des präoperativ bestimmten PCI (mithilfe MRT vs. PET/
CT) dem intraoperativen Befund gegenüber. Sie
betrug 90 % für MRT und 90 – 94 % für PET/CT
[22].
Invasive Diagnostik: EUS-FNA und
Laparoskopie
Levy et al. erreichten mittels endosonographischer Feinnadelaspiration (EUS-FNA) eine Sensitivität und Spezifität von 91 % und 100 %
beim Nachweis der Peritonealkarzinose. 65,6 %
der zuvor mittels CT oder MRT als resezierbar
eingestuften Patienten wurden anhand der EUSFNA als nicht resektabel eingestuft. Bei etwa 4 %
der Patienten ereigneten sich Komplikationen
[32]. Die EUS kann im Rahmen der Primärtumo-
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chirurgische praxis
Abb. 2 | Trokarinzisionen sollten im
Verlauf der zu erwartenden
Laparotomie gesetzt werden. Bei
Hinweis auf eine peritoneale
Metastasierung sollte eine mediane
Laparotomie favorisiert werden
revaluation eine sinnvolle Ergänzung sein. Der
Nachweis oder der Ausschluss von Aszites sollte,
wenn möglich, im Befund Erwähnung finden.
Der Goldstandard zur Evaluation einer peritonealen Metastasierung ist die diagnostische Laparoskopie. Vor CRS und HIPEC ermöglicht sie
das Ausmaß des peritonealen Befalls, sowie die
Detektion möglicher Ausschlusskriterien (beispielsweise ausgeprägter Befall des Dünndarms
und seines Mesenteriums) zu dokumentieren.
Garofalo und Valle konnten in 98 % der Fälle
eine korrekte laparoskopische Beurteilung des
PCI aufzeigen. In 4 von 197 Fällen (2 %) wurde ein zu niedriger PCI ermittelt. Komplikationen ereigneten sich bei 1 % der Patienten
[33]. Die Detektion peritonealer Metastasen
bei Magenkarzinompatienten mittels Laparoskopie erreicht eine Sensitivität von 74 – 100 %
und eine Spezifität von 83 – 100 % [34]. Ande-
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rerseits weist die laparoskopische Diagnostik
auch entscheidende Limitationen auf. Adhäsionen infolge vorausgegangener abdomineller Eingriffe erschweren eine exakte Diagnose.
Außerdem sind retroperitoneale Lymphknoten
nicht einsehbar. Durch die Trokar-Einstichstellen ist ein Verschleppen von Metastasen während der Laparoskopie möglich. Daher ist es
sinnvoll, die Inzisionsstellen für die Trokare
in die zu erwartende Laparotomielinie anhand
eines vorgezeichneten Schnittes zu integrieren
(fAbb. 2). In einer retrospektiven Studie von
Nunez et al. wiesen etwa ein Drittel der Patienten mit Laparoskopie vor CRS und HIPEC sogenannte Port-site-Metastasen auf. Diese gingen
wiederum mit einer signifikant verschlechterten Prognose einher [35]. Um das Risiko dieser
Trokar-Metastasen zu senken, wird empfohlen,
die Einstichstellen während der zytoreduktiven
Operation zu resezieren. Die Laparoskopie wird
563
für die Diagnostik der Peritonealkarzinose als
mögliche Ergänzung bildgebender Verfahren,
aber nicht als fundamentales Diagnosetool bewertet [29].
„ Indikationen für Peritonektomie und
HIPEC beim Magenkarzinom
Patientenspezifische Ein- und
Ausschlusskriterien
Alter
Für Peritonealkarzinose verschiedener Entitäten
zeigen mehrere Studien, dass das Patientenalter
einen signifikanten Risikofaktor postoperativer
Komplikationen nach CRS und HIPEC darstellt und
mit verkürztem Überleben einhergeht [36 – 38].
Bei Magenkarzinompatienten mit peritonealen
Metastasen liegt das durchschnittliche Alter
während der Therapie mit CRS und HIPEC bei
etwa 48,5 Jahren [17]. Glehen et al. stellten
eine erhöhte Rate postoperativer Komplikationen bei älteren Patienten fest (44,7 % bei über
61-Jährigen versus 23,4 % bei unter 62-Jährigen), der Unterschied war jedoch nicht signifikant [39]. Viele Studien schließen Patienten
L75 Jahre von vornherein von der Behandlung
aus [40 – 43]. Derzeit ist allerdings noch unzureichend geklärt, inwiefern das Alter Prognose
und Komplikationsrate bei diesen Patienten tatsächlich beeinflusst.
Allgemeinzustand (ECOG, Karnowsky-Index)
Der Allgemeinzustand des Patienten ist für die
Indikation maßgeblich. Er beurteilt sich anhand
des Performance-Status. Dieser quantifiziert das
allgemeine Wohlbefinden der Krebspatienten,
sowie deren mögliche Einschränkungen in Aktivität und Selbstversorgung. Am häufigsten werden
Karnowsky-Index und ECOG zur Klassifikation der
Peritonealkarzinosepatienten genutzt. Der Karnowsky-Performance-Status graduiert Patienten
von 100 (Patient ohne Beschwerden oder Befunde) bis 0 (verstorbener Patient). Der Eastern
Cooperative Oncology Group Performance Status
(ECOG), auch World Health Organisation Performance-Status genannt (WHO PS) reicht von
564
Stufe 0 (vollständig aktiver Patient), bis 5 (toter Patient). Ein schlechter Performance-Status
(ECOG M1, bzw. M2) geht mit erhöhtem Risiko
für postoperative Komplikationen nach CRS und
HIPEC einher [44 – 46]. Daher wird empfohlen,
Patienten mit ECOG M2, bzw. Karnowsky-Index
m75 von der Kombinationstherapie auszuschließen [47]. Bei diesen Patienten scheinen das
Komplikationsrisiko und die Nebenwirkungen
einer zytoreduktiven Therapie mit HIPEC, den
möglichen Nutzen zu übersteigen.
Der Körper wird durch den meist mehrere Stunden andauernden Eingriff großen Belastungen
ausgesetzt. Daher sind neben dem PerformanceStatus auch Faktoren wie kardiovaskulärer Status, Nieren- und Lungenfunktion, oder ähnliche
Begleiterkrankungen bei der Indikationsstellung
zu berücksichtigen.
Tumorspezifische Ein- und
Ausschlusskriterien
Neben patientenspezifischen Ein- und Ausschlusskriterien, sind Ausmaß, Lokalisation und
mögliche Folgeerscheinungen der Peritonealkarzinose für die Indikation entscheidend. So stellen
extraabdominelle Metastasen, der Befall retroperitonealer Lymphknoten, disseminierte Dünndarminfiltrationen ebenso wie Harnleiterstenose
und Cholestase infolge Gallenwegsobstruktion
Kontraindikationen der Behandlung mit CRS und
HIPEC dar. Bei Vorhandensein dieser Konstellation ist von einem sehr fortgeschrittenen Tumorleiden und schlechter Prognose auszugehen.
Tumorausbreitung (PCI, Gilly, JRSGC, PSS)
Daneben ist für die Prognose vor allem die intraabdominelle Ausbreitung der Peritonealkarzinose
bedeutsam. Diese wird wiederum anhand der bereits genannten Risikoscores PCI, Lyon Staging
System nach Gilly und JRSGC bewertet.
Für den PCI belegen mehrere Studien eine signifikante Korrelation mit dem Überleben. Yang et
al. stellten für einen PCI m20 eine signifikant
verbesserte Prognose fest. Das mediane Überleben bei Patienten mit einem PCI m20 betrug
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CC-0
Kein Tumorrest sichtbar
CC-1
Tumorrest l2,5 mm
CC-2
Tumorrest 2,5 mm bis 2,5 cm
CC-3
Tumorrest L2,5 cm
Tab. 2 | Tumorrest anhand des CC-Scores (Completeness of Cytoreduction) nach
Sugarbaker
27,7 Monate und sank bei einem PCI L20 auf
6,4 Monate [43]. Auch eine retrospektive Multicenter-Studie von Glehen et al. zeigte einen
prognostischen Einfluss des PCI auf das Überleben. Selbst, wenn eine komplette Zytoreduktion
(CC-0 Resektion) erreicht wurde, hatten Patienten mit hohem PCI eine signifikant verschlechterte Prognose [39]. Für Magenkarzinompatienten wird daher CRS und HIPEC bei einem PCI
m15 empfohlen [9].
Für die Gilly-Klassifikation belegten Scaringi et
al. einen signifikanten Einfluss auf die Prognose
nach CRS und HIPEC. Das mediane Überleben
ist mit 15 Monaten bei Gilly I – II signifikant
besser als mit 4 Monaten bei Gilly III – IV [48].
Der negative Einfluss von Gilly III – IV auf das
Patientenüberleben wurde durch andere Studien
bestätigt [39, 41].
Unter Verwendung des JRSGC ermittelten Fujimoto
et al. für P3-Patienten nach CRS und HIPEC signifikant verschlechterte Überlebenschancen gegenüber Patienten mit P1- oder P2-Tumoren. Ferner
korrelierte das Rezidiv-Risiko mit steigendem
P-Stadium [20].
Komplette Zytoreduktion
Die Vollständigkeit der Zytoreduktion ist für das
Langzeitüberleben nach CRS und HIPEC von essentieller Bedeutung. Der nach zytoreduktiver
Operation verbleibende Tumorrest wird anhand
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des CC-Scores (Completeness of Cytoreduction)
klassifiziert (fTab. 1). Eine komplette Zytoreduktion wird mit CC-0 oder CC-1 definiert, bei der
entweder makroskopische Tumorfreiheit besteht
oder lediglich Tumorreste kleiner als 0,25 cm
im Körper zurückbleiben. CC-2 und CC-3, mit
Tumorresten größer als 0,25 cm, werden als unvollständig bewertet [18].
In vielen multivarianten Analysen wird der
CC-Score als unabhängiger Prognosefaktor für
verbessertes Überleben genannt (fTab. 2). Die
5-Jahres-Überlebensrate betrug bei Yonemura et
al. nach Peritonektomie und HIPEC 27 %, wenn
eine komplette Zytoreduktion erreicht werden
konnte. Sie betrug 2 % bei unvollständiger Zytoreduktion [49]. Die Multi-Center-Studie von Glehen et al. erreichte bei CC-0 Patienten 1-Jahres-,
3-Jahres-, und 5-Jahres-Überlebensraten von
61 %, 31 % und 23 %. Bei CC-1 Patienten von
31 %, 5 %, 3 % und bei CC-2 oder CC-3 Patienten
von 10 %, 3 % und 3 % [39]. Somit ist die kurative CRS und HIPEC nur dann indiziert, wenn
das Erreichen eines CC-Scores m1 durch die Zytoreduktion möglich erscheint (fTab. 3).
Der Erfolg zytoreduktiver Chirurgie wird wiederum von verschiedenen Faktoren beeinflusst.
Präoperativ diagnostizierte Aszites und Mangelernährung erhöhen signifikant das Risiko inkompletter Zytoreduktion [40]. Außerdem scheint
das Vorhandensein freier peritonealer Krebs-
565
zellen in peritonealer Lavage, einen negativen
Einfluss auf das Erreichen von CC-0 Resektionen
zu haben. Die Rate dieser positiven Zytologie
kann durch eine präoperative intraperitoneale
Chemotherapie begleitet von einer systemischen
Chemotherapie, genannt NIPS (neoadjuvant intraperitoneal systemic chemotherapy protocol),
in etwa 60 % der Fälle bei mehrfacher Anwendung in eine negative Spülzytologie umgewandelt werden [50].
„ HIPEC bei fortgeschrittenem
Magenkarzinom
Durch die chirurgische Resektion eines primär
nicht peritoneal metastasierten Magenkarzinoms
können vereinzelte Krebszellen ins Peritoneum
verschleppt werden und im weiteren Verlauf bei
bis zu 20 – 30 % der Patienten zu einer Peritonealkarzinose führen [51, 52]. Daher kann die
HIPEC beim lokal fortgeschrittenen Magenkarzinom nach radikaler Resektion auch als Prophylaxe gegenüber einer möglichen Peritonealkarzinose indiziert sein.
Coccolini et al. verglichen in einer Metaanalyse
von 2014 das Überleben nach Resektion ohne
intraperitoneale Chemotherapie (IPC) versus Zytoreduktion mit IPC bei fortgeschrittenem Ma-
Autor
(Jahreszahl)
genkarzinom ohne peritoneale Metastasierung.
Die 1-, 2- und 3-Jahres-Mortalität war für die
kombinierte Therapie signifikant verbessert, da
durch die Kombination die peritoneale Rezidivrate gesenkt werden konnte. Interessanterweise
zeigte die 5-Jahres-Mortalität keinen signifikanten Unterschied [53].
Hagiwara et al. randomisierten 50 Patienten
mit Magenkarzinom und Serosainfiltration in
zwei gleichgroßen Gruppen. Die erste Gruppe
erhielt am Ende der Operation 50 mg Mitomycin
intraperitoneal, während die zweite Gruppe keinerlei intraperitoneale Chemoperfusion erhielt.
Diejenige Gruppe, die Mitomicin intraperitoneal
erhielt, erreichte ein signifikant verbessertes
Überleben nach 1,5, 2,5 und 3 Jahren (68,6 %
versus 26,9 %) [54].
Yonemura et al. ermittelten für Patienten
mit prophylaktischer HIPEC eine verbesserte
5-Jahres-Überlebensrate. Verglichen mit der
Kontrollgruppe war der Unterschied jedoch
nicht signifikant. Bei Patienten ohne Serosainfiltration erbrachte eine HIPEC keinen Überlebensvorteil. Demgegenüber erreichte HIPEC bei
Patienten mit Serosainfiltration ein signifikant
verbessertes Überleben. Auch für Patienten mit
Magenkarzinom im Stadium IV konnte HIPEC
die Prognose signifikant anheben [55]. In ei-
Patienten
(n)
CCR-0
Medianes
Überleben
CCR-1
Medianes
Überleben
CCR-2/3
Medianes
Überleben
Glehen et al.
(2010)
159
15 Monate
6 Monate
4 Monate
Yang et al.
(2010)
28
43,4 Monate
9,5 Monate
7,5 Monate
Scaringi et al.
(2008)
26
15 Monate
–
3,9 Monate
Tab. 3 | CC-Score und medianes Überleben
566
2016
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chirurgische praxis
ner ähnlichen Studie beobachteten Fujimoto
et al. bei Patienten mit makroskopischer Serosainfiltration einen signifikanten Rückgang der
peritonealen Rezidivrate in der HIPEC-Gruppe.
Außerdem konnte hier gleichermaßen ein signifikant verbessertes Überleben erreicht werden
[56]. Fujimura et al. verglichen außerdem den
Einfluss von hyperthermer und normothermer
intraperitonealer Chemotherapie. Das 3-Jahres-Überleben betrug 23 % in der Kontrollgruppe, 51 % in der Normothermie-Gruppe und 68 %
in der Hyperthermie-Gruppe. Der Unterschied
zwischen den drei Gruppen fiel signifikant aus
[57].
Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Gabe
einer HIPEC in Kombination mit der kompletten
zytoreduktiven Therapie bei ausgewählten Magenkarzinompatienten eine effektive Prophylaxe
peritonealer Rezidive erreicht und somit das Patientenüberleben verbessern kann. Patienten mit
einem hohen Risiko für ein peritoneales Rezidiv
profitieren von dieser Vorgehensweise vermehrt.
Folglich sind bei der Patientenselektion Faktoren
zu berücksichtigen, die als Hauptrisikofaktoren
für die Entstehung von Peritonealkarzinose infolge eines Magenkarzinoms gelten: Serosainfiltration durch den Tumor, Befall von Lymphknoten,
infiltrierendes Wachstum, Tumorstadium und
Tumorgröße [9, 55].
Aufgrund der Vielzahl von guten Ergebnissen
retrospektiver Untersuchungen soll die HIPEC
nun auf den Prüfstein gelegt werden, da es
derzeit unklar ist, ob nicht der Selektionsprozess ursächlich für die guten Ergebnisse dieser Studien ist. Daher wird im Augenblick in
Deutschland eine von der Deutschen Krebshilfe
unterstützte multizentrische Phase III-Studie
zur zytoreduktiven Chirurgie mit hyperthermer
intraperitonealer Chemoperfusion nach präoperativer Chemotherapie beim Magenkarzinom
inkl. AEG der GASTRIPEC-Studie durchgeführt.
In der GASTRIPEC-Studie werden Patienten mit
einer histologisch nachgewiesenen peritonealen Metastasierung und Ausschluss von Fernmetastasen (Ausnahme Ovar) aufgenommen. Es
gibt zwei Behandlungsgruppen (A und B), wobei die medikamentöse Tumortherapie in beiden
Gruppen gleich ist. In Abhängigkeit vom HER-2
Status erhalten die Patienten Epirubicin, Oxaliplatin und Capecitabin (EOX) oder bei einem
positiven HER-2 Status Cisplatin, Capecitabin
und Trastuzumab (CCT). Nach der neoadjuvanten Chemotherapie wird in beiden Gruppen eine
Operation zur Tumorentfernung durchgeführt.
Patienten der Gruppe B erhalten eine HIPEC
mit Mitomycin C und Cisplatin. Postoperativ
erhalten beide Gruppen eine Konsolidierung
der präoperativen Chemotherapie (fAbb. 3).
Laparoskopie
Arm A
3 x EOX
R
3 x EOX
Arm B
Alle 3 Wochen 3 Zyklen
Laparoskopie und zytoreduktive
Chirurgie mit Magenresektion
GASTRIPEC-Studie
HIPEC
3 x EOX
3 x EOX
Abb. 3 | Ablauf der GASTRIPEC-Studie
chirurgische praxis
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Band 81 / 4
567
„ Fazit
Derzeit existieren keine einheitlichen Indikationskriterien für die Behandlung mit CRS und
HIPEC bei Magenkarzinompatienten. Es gilt
grundsätzlich, möglichen Nutzen (Verbesserung von Überleben, bzw. Lebensqualität) und
etwaige Risiken (erhöhte Komplikations- und
Mortalitätsrate) gegeneinander abzuwägen. Von
CRS und HIPEC profitieren vor allem Patienten
mit gutem Allgemeinstatus und geringem Befall
des Peritoneums. Zur Bestimmung können diverse Risiko-Scores (ECOG, Karnowsky-Index, PCI,
Gilly, JRSGC, PSS) herangezogen werden. Bei
Patienten mit vermindertem Allgemeinzustand,
tumorbedingten Komplikationen und/oder massivem peritonealen Befall überwiegt das erhöhte Risiko von Komplikationen. Möglichst präzise
Diagnostik ermöglicht eine erste Selektion und
kann somit unnötige Eingriffe vermeiden. Ferner
kann für ausgewählte Magenkarzinompatienten
ohne eine peritoneale Beteiligung mittels HIPEC
ein verbessertes Überleben und eine verringerte Rezidivrate erreicht werden. Hier profitieren
insbesondere Patienten mit erhöhtem Risiko,
eine Peritonealkarzinose zu entwickeln. In der
GASTRIPEC-Studie wird derzeit der Stellenwert
der HIPEC überprüft.
„ Zusammenfassung
Durch die Therapie mit CRS und HIPEC kann die
Prognose von ausgewählten Patienten mit peritoneal metastasiertem Magenkarzinom verbessert werden. Des Weiteren kann bei ausgewählten Magenkarzinompatienten ohne Metastasen
des Bauchfells durch intraoperative HIPEC-Gabe
die Rate an peritonealen Rezidiven gesenkt werden. Im Folgenden soll zusammengefasst werden, welche Patienten von der Behandlung mit
Zytoreduktion und HIPEC profitieren.
ten, besonders auf die Tumorausbreitung zu
achten. Bei einem PCI L15 ist CRS und HIPEC
nicht empfohlen. Da das Überleben stark von
dem Erreichen einer kompletten Zytoreduktion
abhängt, sollte durch die Operation ein CC-Score
m1 möglich sein. Magenkarzinompatienten ohne
peritoneale Metastasierung mit erhöhtem Risiko für Peritonealkarzinose profitieren besonders
von einer HIPEC.
Pachmayr E, Brandl A, Feist M, Rau B:
Indication for peritonectomy and
HIPEC in gastric cancer
Summary: Selected gastric cancer patients
with peritoneal carcinomatosis show improved
prognosis when treated by CRS and HIPEC.
Applicating intraoperative HIPEC can also
lower the recurrence rate for patients without
peritoneal metastasis. Purpose of this article is
to discuss which gastric cancer patients might
profit of CRS and HIPEC.
For selecting patients CT and laparoscopic
staging are of great importance. Further
diagnostic techniques complement. Indication
is prominently determined through performance
status and especially tumor spread: for a PCI
L15 CRS and HIPEC are not advised. Since
survival strongly depends on completeness
of cytoreduction, operation should aim for a
CC-Score m1. Particularily gastric carcinoma
patients without peritoneal metastasis with
high risk for peritoneal carcinomatosis profit
from HIPEC.
Keywords: gastric cancer – peritoneal carcinomatosis – selection criteria – cytoreductive
surgery – HIPEC
Für die Detektion geeigneter Patienten ist insbesondere das CT, aber auch ein laparoskopisches
Staging von besonderer Bedeutung. Weitere
diagnostische Verfahren können die Patientenselektion ergänzen. Bei der Indikationsstellung
ist, neben dem Allgemeinzustand des Patien-
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Charité Campus Mitte
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[email protected]
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