26 I Fütterung Die Spur halten Fütterung Für einen gesunden Stoffwechsel bei Kälbern sind Spurenelemente unentbehrlich. Um Leistungseinbußen, Krankheiten und letztendlich finanziellen Ausfällen vorzubeugen stellt Dr. Caroline van Ackeren vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg wichtige Praxistipps und wissenschaftliche Erkenntnisse vor. E MAT und Vollmilch bei der Versorgung von jungen Kälbern“ zu sehen ist, deckt selbst bei einer ausreichenden Mineralstoffversorgung des Muttertieres die Vollmilchtränke alleine nicht den Bedarf von jungen Kälbern an diesen Mikronährstoffen (Spurenelemente) ab. Besonders davon betroffen sind Fe, Mn, Cu, Co, und ggf. Se (standortabhängig, bevorzugt in Se-Mangelgebieten). Vor diesem Hintergrund ist daher in den ersten Lebenswochen bei der Vollmilchtränke eine Wirkstoffergänzung (nach Herstellerangaben) unbedingt empfehlenswert, um Mangelerscheinungen bei jungen Tieren vorzubeugen. Sobald die Festfutteraufnahme ansteigt, kann der tägliche Mineralstoffbedarf über die festen Futtermittel abgedeckt werden. Dies ist bei Kälbern in der Regel ab einer A ­ ltersstufe von frühestens vier Wochen der Fall, wenn täglich rund 0,5 kg Festfutter verzehrt werden. Reserven sichern Eine nicht bedarfsgerechte Versorgung mit diesen lebenswichtigen Mikronährstoffen wie Eisen und Selen wirkt sich stark negativ auf die Entwicklung der Tiere aus. Deshalb sind vorbeugende Maßnahmen essentiell für eine gute ­Kälberaufzucht. Für ein gutes Immunsystem, Vitalität und Leistungen ist eine optimale Versorgung mit Spurenelementen wichtig. Foto: Hasemann ine optimale Versorgung der Kälber mit Spurelementen, hierzu zählen unter anderem Eisen (Fe), Selen (Se), Kobalt (Co), Kupfer (Cu), Mangan (Mn) und Zink (Zn), wirkt sich nachhaltig auf die Vitalität, das Immunsystem und das Leistungsvermögen der jungen Tiere aus. Die ausreichende Zufuhr dieser wichtigen Mikronährstoffe beginnt bereits mit der Fütterung der Milchkuh, da der Gehalt der Milch an Spurenelementen auch von der Versorgung des Muttertieres abhängt. Ein besonderes Augenmerk ist daher auch auf die Mineralstoffversorgung der trockenstehenden Kuh zu richten. Wie in der Tabelle „Empfehlungen für Mineralstoff- und Vitamingehalte im dlz primus rind ◾ September 2013 Fütterung I 27 Foto:Diersing-Espenhorst Myoglobins und verschiedener Enzyme. Die Hauptaufgabe des Hämoglobins ist der Sauerstofftransport von der Lunge zu den Geweben. Darüber hinaus ist Eisen aktiv an der Antikörperbildung und damit an der Die Notwendigkeit einer Krankheitsabwehr beteizusätzlichen Eisengabe für neugeborene Kälber ligt. Eine unzureichende wird immer noch unterBlutbildung führt zu einer schätzt. eingeschränkten Immunabwehr und damit einer höheren Krankheitsanfälligkeit. Der tägliche Fe-Bedarf wird mit 50 mg / kg TM angegeben. Kuhmilch enthält rund 4 mg Fe/kg TM (d.h. etwa 0,5 mg/L) und im MAT (88% TM) sind mindestens 30 mg Fe/kg Pulver vorgeschrieben. Wenn junge Kälber wenig Lebenslust zeigen und sehr blasse Schleimhäute haben, ist unbedingt auch an Eisenmangel zu denken. Ursachen für einen Eisenmangel können dabei neben zu wenig Eisenreserven beim neugeborenen Kalb, auch ein höherer Bedarf an Eisen zur Blutbildung bei wachsenden Tieren, sowie eine nicht ausreichende Eisenkonzentration in der Tränke (Biestmilch, Vollmilch oder Eisen (Fe) ist für die Vitalität von Käl- MAT) und eine zu späte Zufütterung bern von großer Bedeutung. Eisen ist das von eisenhaltigem Festfutter (Kraft- und zentrale Element im roten Blutfarbstoff Strukturfutter) sein. Hämoglobin. Es ist auch Bestandteil des Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Eisengabe (oral oder subkutan) für neugeborene Kälber wird immer noch unterschätzt, obwohl zahlreiche wisEmpfehlungen für Mineralstoffsenschaftliche Untersuchungen belegen, und Vitamingehalte im MAT im dass der Eisenstatus bei jungen Kälbern Vergleich zu Vollmilch bei der Versorgung von jungen Kälbern * oft mangelhaft ist. Bereits Stichprobenuntersuchungen zeigten, dass neugeboEmpfehlung Gehalt in der Mineralien rene Kälber im Eisenstatus erhebliche Konzentration Vollmilch / Vitamine Unterschiede aufweisen und durch eine im MAT zusätzliche Eisengabe nach der Geburt in g / kg TM der Versorgungsstatus der Tiere deutlich Ca 10,0 9,5 verbessert werden kann (siehe „EisengeP 7,0 7,6 halte im Blut von Kälbern vor und nach Mg 0,7 1,0 einer Eisengabe“). Na 4,0 3,8 K 6,5 11,2 Krank durch Mängel Cl 2,5 9,2 S 2,9 3,2 Auch Untersuchungen an der Universität Gießen ergaben, dass bei 20 Prozent der Kälber zum Zeitpunkt der Geburt eine durch Fe-Mangel hervorgerufene Blutarmut vorliegt und 42 Prozent der Kälber sehr niedrige Fe-Werte im Blut hatten. Aktuelle Studien des Hofguts Neumühle zum Hämoglobinwert des Blutes junger Kälber kommen ebenfalls zum Schluss, dass am 4. Lebenstag (Biestmilchphase) 33 Prozent der Kälber einen schweren Eisenmangel und 25 Prozent einen leichten Eisenmangel haben. Nur 42 Prozent der Tiere waren ausreichend versorgt. Am 14. Lebenstag waren nur 25 Prozent der Vollmilchkälber ausreichend versorgt, in mg / kg TM Fe 100 3,0 Mn 40 0,2 – 0,4 Zn 40 15 – 38 Cu 10 0,1 – 1,1 Co 0,11 0,004 – 0,008 Se 0,30 0,02 – 0,15 Vitamin A 9.000 11.500 Vitamin D 600 307 Vitamin E 50 8 in I E * (verändert nach Kunz, 2010) 28 I Fütterung 42 Prozent zeigten einen leichten und 33 Prozent einen schweren Eisenmangel. Bei der MAT-Gruppe waren 42 Prozent der Tiere ausreichend versorgt, 25 Prozent zeigten einen leichten und 33 Prozent einen schweren Eisenmangel. Bei einer zusätzlichen Eisenverabreichung (oral oder subkutan) zeigten dagegen nur noch knapp 15 Prozent einen deutlichen Eisenmangel. Andere Untersuchungen belegen zudem, dass Kälber, die täglich nur mit 10 mg Fe im Vergleich zu 50 mg Fe versorgt wurden, etwa dreimal häufiger an fiebrigen Infektionen erkrankten und somit auch häufiger antibiotisch behandelt werden mussten. Die Herz- und Atemfrequenz dieser Tiere war erhöht, bedingt durch den Fe-Mangel und den dadurch hervorgerufenen Sauerstoffmangel. Die Tageszunahmen waren um 160 g gerin- Eisengehalte im Blut von Kälbern vor und nach einer Eisengabe * vor Fe-Injektion 17 Tage nach Fe-Injektion Anzahl Kälber µmol/L Blut % Verteilung der Kälber Anzahl Kälber µmol/L Blut % Verteilung der Kälber Unterversorgung: < 25 µmol/L Blut 17 18a 52 % 5 39a 15 % Normbereich: 25 - 40 µmol/L Blut 13 32b 40 % 15 38a 45 % über Normbereich: > 40 µmol/L Blut 3 56c 8% 13 30a 40 % * (500 mg Fe 3+, 5 Tage nach der Geburt gespritzt) nach Jilg (2000); a, b, c kennzeichnen signifikante Unterschiede ger als bei der mit 50 mg Fe versorgten Gruppe. Die Erkrankungsrate wirkt sich somit eindeutig auf die Gewichtsentwicklung der Tiere aus. Gerade bei Kälbern mit einem niedrigeren Geburtsgewichten (< 40 kg) waren die positiven Effekte einer zusätzlichen Eisengabe auf die Tageszunahmen besonders deutlich (+ 81 g Tageszunahme gegenüber der Kontrollgruppe), wie Untersuchungen in Futterkamp zeigen. Der Eisenstatus kann somit nach unserer Einschätzung und in Überstimmung mit den oben genannten Untersuchungsergebnissen durch geeignete Tränkezusätze oder durch Injektion von Eisenpräparaten deutlich verbessert werden. Bei der Auswahl von Tränkezusätzen ist auf eine ausreichende Dosierung entsprechend den Herstellerangaben zu achten. Über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen sollten täglich etwa 50 mg Fe aufgenommen werden. Ab einer Festfutteraufnahme von täglich rund 0,5 kg wird der Fe-Bedarf dann in der Regel über das Festfutter abgedeckt. Symptome erkennen Foto: Zieger Selen (Se) ist ein wesentlicher Bestandteil von Enzymen und für ein funktionierendes Immunsystem sehr wichtig. Se erfüllt ähnlich wie Vitamin E, beta-Carotin und Vitamin C eine wichtige Funktion in der Verhütung oxidativer Schädigung durch aggressive Stoffwechselprodukte („freie Radikale“), vor allem an den Zellmembranen. Beim Kalb ist eine optimale Se-Versorgung die Grundlage zur Ausbildung eines intakten und funktionsfähigen Immunsystems. Selen unterstützt dabei (wie auch Vitamin E) die Abwehrkraft des Bei akutem Selen-Magel Organismus und schützt leiden die neugeborenen Kälber trotz Mutterdie Zellen vor Infektioschutzimpfung unter nen. Die ReaktionsfähigDurchfall. keit der weißen Blutkörperchen wird erhöht und führt damit zu einer effektiveren Antikörperbildung. Vor diesem Hintergrund ist eine bedarfsgerechte Selenversorgung des Muttertieres absolut entscheidend, um die Se-Zufuhr zunächst beim ungeborenen Kalb über das mütterliche Blut und nach der Geburt über die Biestmilch sicherzustellen. Wie eine aktuelle Feldstudie der Universität Hohenheim zeigt, kann nur durch die Verfütterung von dlz primus rind ◾ September 2013 Fütterung I 29 Selenhefe der natürliche Selengehalt der Milch erhöht werden. Ein akuter Se-Mangel zeigt sich bei Kälbern meist durch folgendes Krankheitsbild: trotz Mutterschutzimpfung leiden neugeborene Kälber an Durchfällen und Atemwegserkrankungen. Sie sind meist lebensschwach, zeigen Trinkschwäche und Schlucklähmung, liegen wegen Muskelschwäche fest und verenden plötzlich an Herzversagen. Der Se-Blutspiegel solcher Kälber ist meist sehr niedrig (ca. 20 µg/L; Normbereich beim Rind: 40 - 60 µg/L), da sie über das mütterliche Blut unzureichend versorgt wurden und auch die Biestmilch zu niedrige Se-Gehalte aufweist. Zur genauen Diagnose sind dabei neben Blut- und Futteranalysen auch unbedingt Bodenproben zu nehmen. „Kälber mit Se-Mangel zeigen Trinkschwäche und Schlucklähmung. “ Darüber hinaus führt Se-Mangel bei Kälbern häufig zu Fehlstellungen der Gliedmaßen. Eine unzureichende Selenversorgung kann auch Ursache für mangelnde Sauglust (Trinkschwäche) junger Kälber sein. Als Sofortmaßnahme kann dabei Se/ Vitamin E sukutan gespritzt werden. Auf lange Sicht ist allerdings unbedingt die Se-Versorgung über das mütterliche Blut und der Se-Gehalt in der Biestmilch zu verbessern. Weitere Symptome zum Erkennen eines möglichen Spurenelementmangels (Jod, Mangan, Kupfer, Kobalt, Eisen, Zink, Selen und Vitamin E) wird in der „Kurzübersicht beispielhafter Symptome zum Erkennen eines möglichen Spurenelementmangels“ aufgelistet. Fazit Für einen gesunden Stoffwechsel des Rindes sind Spurenelemente unentbehrlich. Dabei ist nur eine sehr geringe Tagesmenge nötig, deren Wirksamkeit jedoch enorm ist. Allerdings ist bei der Rationsgestaltung eine Überdosis ebenso zu vermeiden wie ein Mangel. In welcher Form die fehlenden Spurenelemente ergänzt werden, hängt maßgeblich von der verabreichten Ration, der Fütterungstechnik und der Haltung der Tiere ab. Bei jungen Kälbern ist eine bedarfsgerechte Mineralstoffversorgung zunächst vorrangig über die verabreichte Tränke Kurzübersicht zum Erkennen eines möglichen Spurenelementmangels anhand einiger beispielhafter Symptome * Krankheitsbild (Symptom) mögliche Ursache (Mangel) höhere Anzahl an Aborten, Totgeburten oder Kälberverlusten Jod, Mangan, Kupfer verminderte Futteraufnahme, geringe Gewichtszunahme Kupfer, Kobalt, Eisen, Zink verstärkte Infektionsanfälligkeit Zink, Selen stumpfes, raues Haarkleid Zink, Selen Hautausschläge, entzündliche Hautveränderungen Zink, Selen Brillenbildung um die Augen Kupfer Verfärbung des Haarkleides (bei schwarzbunten geht die Farbe ins rötliche, bei braunen Rindern ins gräuliche) Kupfer häufiges gegenseitiges Belecken Kupfer, Kobalt Fressen von Erde, Holz Kupfer, Kobalt Weißfleischigkeit bei geschlachteten Tieren Selen, Vitamin E *(Engels, 2013) (Vollmilch oder MAT) sowie im Bedarfsfall durch entsprechende Tränkezusätze sicherzustellen. Bei älteren Tieren ist dann der Mineralstoffbedarf über das Festfutter abzudecken (Kälberstarterfuttermittel und Mineralfutter). Kurzfristig kann als Sofortmaßnahme ein Mineralstoffmangel über orale Verabreichung von Pasten beziehungsweise Boli-Präparaten oder alternativ über Injektion geeigneter Präparate ausgeglichen werden. Durch eine bedarfsgerechte Versorgung der Kälber mit Mineralstoffen, insbesondere den Mikronährstoffen, wird die Vitalität und Leistungsfähigkeit der jungen Tiere deutlich verbessert und den negativen Folgen einer höheren Krankheitsanfälligkeit und die damit verbundenen geringeren Zuwachsleistungen sowie höheren Aufzuchtkosten vorgebeugt. Dies kann sich nachhaltig auf die gesamte Entwicklung des Rindes und damit auch die spätere Milchleistung auswirken. ah Dr. Caroline van Ackeren beschäftigt sich am landwirtschaftlichen Zentrum im oberschwäbischen Aulendorf mit Fütterungskonzepten in der Kälberaufzucht.