Ethische Entscheidungskultur am Lebensende

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 Frank Kittelberger
Pastoralpsychologische Pfarrstelle
Spiritualität • Palliative Care
Ethik • Seelsorge
Landshuter Allee 40
D-80637 München
Tel: +49 (0)171 9505015
[email protected]
www.hospizprojekt.de
_____________________________
Dr. Stefan Dinges, Wien
Pfr. Frank Kittelberger, München
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende
Ein Projekt zur Implementierung von Ethikberatung in der Altenhilfe
2008/9
gefördert durch die Robert Bosch Stiftung, Stuttgart
im Rahmen der Programms
Palliative Praxis - Projekte für alte Menschen
Projektbericht
erstellt im Dezember 2009
redigiert und vorgelegt im Februar 2010
hier: korrigierte Fassung Mai 2010
Bezug:
Bewilligungs-Nr.: 32.5.1364.0013.0
aus Rahmenbewilligungs.Nr.: 21.2.1364.0008.0
Bewilligungsdatum: 21.08.2008
PROJEKT ETHISCHE ENTSCHEIDUNGSKULTUR AM LEBENSENDE................................ 2
HINFÜHRUNG .................................................................................................... 2
1. DER PROJEKTRAHMEN IN DER HILFE IM ALTER ................................................. 4
1.1 HINTERGRUND, ANTRAGSTELLER UND ANTRAG ............................................... 4
1.2 PROJEKTPLANUNG, BEWILLIGUNG UND PROJEKTAUFTRAG ............................... 5
2. ZUR ORGANISATIONSKULTUR DER HILFE IM ALTER .......................................... 6
2.1 ORGANISATIONSENTWICKLUNG DURCH HOSPIZPROJEKT „LEBEN BIS ZULETZT“ .. 6
2.2 UNTERSTÜTZENDE ‚GROßWETTERLAGE’ FÜR DAS ETHIKPROJEKT IN KIRCHE UND
DIAKONIE .................................................................................................. 8
2.3 ZIELE UND HYPOTHESEN IM ETHIKPROJEKT DER HIA ........................................ 9
3.1 DAS DESIGN IN DER URSPRÜNGLICHEN PROJEKTIDEE .................................... 11
3.2 ZUR PROJEKTARCHITEKTUR IM DETAIL .......................................................... 12
3.3 PROJEKTVERLAUF IN CHRONOLOGISCHER BESCHREIBUNG DER EREIGNISSE ..... 13
4. DIE THEMENLANDSCHAFT IN DER HIA .......................................................... 27
4.1 DIE THEMENLANDKARTE DER FALL-GESCHICHTEN .......................................... 28
4.2 VERTIEFENDE EINSICHTEN AUS DER EVALUATION IM PROJEKTTEAM ................ 29
4.3 DIE THEMENLANDKARTE DER SOFTANALYSEN ............................................... 30
4.4 DIE HERAUSFORDERNDEN ALLTAGSENTSCHEIDUNGEN .................................. 31
5. REFLEXIONEN ............................................................................................ 35
5.1 DIE DOPPELBEWEGUNG DES PROJEKTVERLAUFES UND SEINE
HERAUSFORDERUNGEN ............................................................................. 35
5.2 BEIRAT ODER KOMITEE - ANGEMESSENE SPRACHE UND STRUKTUREN .............. 35
5.3 DIE ORGANISATION VON WIRKSAMKEIT UND NACHHALTIGKEIT VON
ETHIKINSTRUMENTEN UND -STRUKTUREN IN DER HIA ................................... 39
6. ETHIKBERATUNG IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM (KURSORISCHER ABRISS) ..... 41
7. LEITFADEN IMPLEMENTIERUNG: ................................................................... 45
8. MATERIALBOX ........................................................................................... 48
8.1 ARBEITSBLATT PRINZIPIEN ........................................................................... 48
8.2 ARBEITSBLATT MODERATIONSMODELLE ........................................................ 49
8.3 ARBEITSBLATT THEMEN UND EBENEN ........................................................... 50
8.4 ARBEITSBLATT ANMELDUNG, ANALYSE UND DOKUMENTATION VON EB .......... 51
8.5 ARBEITSBLATT SOFTANALYSE ....................................................................... 53
8.6 LEITFADEN MODERATION ........................................................................... 54
8.7 LEITFADEN EVALUATION ............................................................................. 55
LITERATURVERZEICHNIS...................................................................................... 56
10. ANHANG & ANLAGEN ................................................................................ 58
10.1 ZEITPLAN DES GEPLANTEN PROJEKTS .......................................................... 58
10.2 PROJEKTVERLAUF AUF EINRICHTUNGS- UND TRÄGEREBENE (ÜBERSICHT) ........ 59
10.3 AUSSCHREIBUNG PALLIATIV-GERIATRISCHER FORTBILDUNGSTAG ................... 60
10.4 AUSSCHREIBUNG PALLIATIVKONGRESS NÜRNBERG ...................................... 61
10.5 AUSSCHREIBUNG TRAININGSPROGRAMM ALTENHILFE (STEINERSKIRCHEN) ..... 62
10.6 AUSSCHREIBUNG KONGRESS BEREKFÜRDÖ ................................................. 63
10.7 AUSSCHREIBUNG ORIENTIERUNGSWORKSHOP EV. HEIMSTIFTUNG ................ 64
10.8 AUFLISTUNG DER ÖFFENTLICHEN RESONANZ AUF DAS PROJEKT .................... 65
10.9 ANLAGE: GESCHÄFTSORDNUNG DES ETHIKBEIRATS DER HIA ......................... 66
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Projekt Ethische Entscheidungskultur am Lebensende
Hinführung
Der vorliegende Bericht zum Projekt ethische Entscheidungskultur am Lebensende,
durchgeführt in den sieben stationären Altenhilfeeinrichtungen der Hilfe im Alter gemeinnützige GmbH der Inneren Mission München, Diakonie in München und Oberbayern e.V. (im
Folgenden genannt: Hilfe im Alter oder HiA), erfüllt mehrere Aufgaben:
Zunächst gilt es, die Berichtspflicht gegenüber der Robert Bosch Stiftung zu erfüllen, die
dieses Projekt ermöglicht und finanziert hat. Damit war aber auch der Auftrag verbunden,
ein solches Projekt exemplarisch und als Modellprojekt durchzuführen. Dies hatte über die
einfache Dokumentation hinaus einige Schleifen in der Nacharbeit zur Folge:
Wie würden wir heute ein solches Projekt starten und durchführen?
Was lässt sich jetzt schon als Ergebnis festhalten und was waren Perspektiven und Ergebnisse der Projektimplementierung (eine umfassende Evaluation lässt sich realistisch
erst im Laufe des Jahres 2010 durchführen)?
Wie würden wir heute welche Instrumente einsetzen?
Mit dem Projektauftrag waren auch Aspekte wissenschaftlicher Begleitforschung verbunden:
Wie stellt sich dieses Projekt im Lichte der Entwicklung von klinischer Ethikberatung und
Ethikberatung in der Altenhilfe dar?
Wo liegen relevante Unterschiede zwischen Krankenhaus und Alten- und Pflegeheim und
wie können diese angemessen bearbeitet werden?
Wo liegen Stolpersteine und was sind mögliche Erfolgskriterien für Ethikberatung in den
Einrichtungen der Altenhilfe?
Auswirkung des Instrumentes Ethikberatung auf das Profil eines konfessionellen Trägers.
Offenlegung unserer Konzeption von Evaluation als eine umfassende Projektplanung, Projektsteuerung und Projektauswertung.
Letztlich ist der Projektbericht auch eine Zusammenfassung für die Projekteinrichtungen,
zur Information und Selbstvergewisserung über die geleistete Arbeit und zugleich – wie
angedeutet - die Basis für noch ausstehende Evaluationsschritte und Weiterarbeit im Projekt. Der mit der Robert Bosch Stiftung kontraktierte Rahmen ist zwar erreicht; es gehört
aber zur Kultur und damit auch zur organisationalen Intelligenz der Hilfe im Alter ein solches Projekt solange zu nutzen und zu bedienen, solange es der Weiterentwicklung des
Gesamtunternehmens dient.
So sind nun weiterführende interne Fortbildungen, der Betrieb des Ethikbeirats, eine Vertiefung der Führungskräfte- und Organisationsentwicklung sowie eine Abschlussevaluation
geplant und kalkuliert. In der grundsätzlichen Bereitschaft, hierbei in die Pflicht zu treten,
um einen optimalen Projekterfolg zu realisieren, zeigt sich das eindrucksvolle Commitment
gegenüber dem Ethikprojekt, zu dem die Geschäftsführung und die Einrichtungsleitungen
der Hilfe im Alter in der Lage waren und sind.
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All diesen Anliegen und Perspektiven ist die Gestaltung des vorliegenden Berichts verpflichtet; dafür haben wir einige Methoden gewählt, die vielleicht bei anderen vergleichbaren Projektberichten nicht üblich sind: Wir haben uns zu einer ausführlichen chronologischen Berichterstattung entschlossen, die auch immer wieder aus internen Berichten und
Protokollen zitiert. Damit soll der konkrete Verlauf in seinen Einzelschritten nachvollziehbar gemacht werden – mit dem Blick darauf, dass andere Einrichtung zum einen den tatsächlichen Arbeits- und Entscheidungsaufwand gut nachvollziehen und natürlich für die
eigenen Bedürfnisse adaptieren können; zum anderen legen wir weitgehend unsere Arbeitweise offen, damit nachfolgende Projekte allfällige Fehler, Irr- und Umwege anders
gestalten können.
Mit dem Auftrag, hier für Exemplarisches zu sorgen, sind wir selbst in die Vorhand gegangen und haben die Projekterfahrungen gleich selbst multipliziert: In Informationsveranstaltungen für andere Träger, in offene Fortbildungsveranstaltungen zur Ethikberatung für Alten- und Behindertenhilfe, sowie auf Kongressen und in Publikationen. Dies hat uns
gezeigt, dass es allemal sinnvoller ist, innovatives Wissen breit zur Verfügung zu stellen,
als es für privat zu erachten.
Über das Dokumentarische hinaus bietet der Bericht drei vertiefende Reflexionen über
Ethikberatung in der Altenhilfe.
In einer Materialbox präsentieren wir Instrumente und Leitfäden, die wir für dieses Projekt
anpassen mussten. Damit sei der Hinweis verbunden, dass Instrumente und Leitfäden wie
ein Selbstbedienungsladen zu verstehen sind – der „Einkaufende“ bleibt verantwortlich für
die Gestaltung, die Menüwahl sowie das Einbeziehen der eigenen Gäste. Noch selten hat
ein Rezept allein zum Erfolg einer Mahlzeit beigetragen - aber das ist ja vermutlich eine
bekannte Binsenweisheit. Die andere Erfahrung: Wenn wir hier einen Blick in die Landschaft der Ethikberatung und der entsprechenden Trainings machen, dürfen wir (a) feststellen, dass wir als Projektleiter bzw. Projektbegleiter in der Hilfe im Alter auch an wesentlichen Weichenstellungen in der Entwicklung von Ethikberatung im deutschsprachigen
Raum beteiligt waren und (b) auch schon dort Tools aus den verschiedensten Zusammenhängen (z.B. die klassische Methode der SOFT-Analyse) verwendet wurden bzw. (c)
andere auch nur mit Wasser kochen. Damit grenzt sich auch das Innovative im Bereich
der Ethikberatung ein. Die Chance und der Auftrag, es in der HiA einmal exemplarisch
anzugehen, erlaubten allerdings einen eindrucksvollen Gesamtblick auf einen Träger im
Zusammenspiel mit seinen Einrichtungen und Führungskräften.
Die Robert Bosch Stiftung wünschte als Rahmen des Auftrags:
Einrichtung eines Ethikkomitees (wir werden argumentieren und informieren, warum wir
uns für eine andere Bezeichnung entscheiden haben);
Etablierung von ModeratorInnen in allen Einrichtungen (die nicht als eigenständige Rolle,
wohl aber als integrierte Funktion eingerichtet wurden);
gelungene Vernetzung mit relevanten Einrichtungen, Fachgremien und Hausärzten - sowie mit dem Palliativprojekt der HiA;
Nennung von Evaluierungskriterien, anhand derer gute Ethikberatung identifizierbar ist;
Vorlegen eines Leitfadens, der Verfahren und Kriterien benennt, die anderen Einrichtungen als Vorbild dienen können.
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Dazu wurden weitere Aufgaben bzw. Perspektiven benannt, die das geplante Projekt verallgemeinerbar und übertragbar gestalten helfen sollten:
Zusammensetzung eines zu gründenden Ethikkomitees;
Fallbeispiele, die Entscheidungsprozesse in den Einrichtungen und im Komitee aufzeigen;
Schwierigkeiten des Projektverlaufs und wie sie überwunden wurden;
Besonderheiten gelungener Ethikberatung mit Blick auf Demenzerkrankungen;
Identifikation des Einflusses des Projekts auf die Gestaltung und das Angebot von Palliative Care und wie dies bewertet werden kann.
Weitere bzw. detailliertere Ziele wurden im Verlauf des Projekts mit der Steuerungsgruppe, der Konferenz der Einrichtungsleitungen und der Geschäftsführung erarbeitet; davon
mehr in diesem Bericht.
1. Der Projektrahmen in der Hilfe im Alter
1.1
Hintergrund, Antragsteller und Antrag
Die demographische Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hat in Einrichtungen der
stationären Altenhilfe bundesweit zu großen Modellprojekten der Implementierung von
Palliative Care geführt. Inzwischen ist auf diesem Feld Einiges an innovativen Wissen,
Routinen und Strukturen entstanden. In den letzten Jahren sind neue Themen im Umfeld
der Fragen nach der Palliativversorgung im Alten- und Pflegeheim entstanden. Dazu gehören die speziellen Anforderungen in der Begleitung von Demenzkranken am Lebensende, aber eben auch Fragen der Ethik und Ethikberatung.
Die Hilfe im Alter ist ein Träger der Diakonie in Bayern. Sie betreibt sieben Alten- und
Pflegeheime sowie drei ambulante Pflegedienste. Mit 550 Mitarbeitenden betreut sie auf
diese Weise stationär ca. 950 Bewohnerinnen und Bewohner. Für die Arbeit rund um die
end-of-life-care konnte im Jahr 2001 eine eigene Projektstelle eingerichtet werden, die
inzwischen zu einer Fachstelle umgewandelt wurde. Als Stabsstelle ist diese der Geschäftsführung zugeordnet und hat im Wesentlichen das Projekt „Leben bis zuletzt - Palliativbetreuung in den Alten- und Pflegeheimen der Inneren Mission München“ entwickelt
und durchgeführt. Der Träger hat dabei von Anfang an mit Versorgern und Anbietern aus
der Hospiz- und Palliativszene eng vernetzt gearbeitet (der Stelleninhaber ist (Vorstands)Mitglied in der DGP, im DHPV und im BHPV). Vieles ist inzwischen nachhaltig integriert
und zur palliativen Routine im guten Sinn geworden. Dadurch wurde Energie und neue
Kreativität freigesetzt, um nun ein eigenes Ethikprojekt zu beantragen.
Die Hilfe im Alter hatte im Gefolge ihres Projekts zur Implementierung von Palliativversorgung frühzeitig die Notwendigkeit erkannt, Fragen der Ethikkultur, ethischer Entscheidungsprozesse und ethischer Strukturen gesondert in den Blick zu nehmen. Daher hat sie
sich entschlossen, im Jahr 2008 mit einem eigenen Projekt zur Implementierung von
Ethikberatung zu beginnen. Der hier vorliegende Projektbericht dokumentiert diese Bestrebungen.
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Im Winter 2007/8 begannen die Planungen. Im Januar 2008 wurde der Antrag bei der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des Förderprogramms „Palliative Praxis“ eingereicht. Die
zentralen Sätze des Antrags lauteten:
Im Rahmen einer fast abgeschlossenen Implementierung von Palliativbetreuung soll für den Träger und seine Einrichtungen stationärer und ambulanter Altenhilfe, bezogen auf die Thementrias
Palliative Care - Demenz - Ethik, in Form eines Projekts eine ethisch verantwortliche Kultur (Theorie, Praxis, Routine) implementiert werden; dazu werden neben der Leitungs- und Mitarbeitersensibilisierung auf eine palliativ orientierte Haltung hin konkrete Moderatoren ausgebildet, die Fallbesprechungen anleiten und auswerten können; ein Ethikkomitee soll etabliert werden; der Anschluss an das Palliativprojekt ist vorgesehen; die wissenschaftliche Auswertung und Erarbeitung
eines Leitfadens für die Öffentlichkeit werden den Modellcharakter und den Transfer des Projekts
und seiner Ergebnisse sicherstellen.
1.2
Projektplanung, Bewilligung und Projektauftrag
Der erste Projekt- und Zeitplan1, der von der RBS abgestimmt, bewilligt und beauftragt
wurde, sah einen Zeitrahmen von knapp zwei Jahren vor; dabei waren die notwendigen
Abstimmungen in der HiA sowie die Adaptierungen mit der RBS schon vorauskalkuliert.
Beiden Seiten war von vornherein klar, dass diese Planung in der Logik einer lebendigen
Organisation mit sieben eigenständigen Altenhilfeeinrichtungen einen gewissen Entwicklungsspielraum haben muss, um von den jeweiligen Einrichtungsleitungen und der Geschäftsführung akzeptiert zu werden. Ebenfalls haben die Abläufe und die Verständigungsprozesse in einer Organisation wie der HiA durchaus ihre Eigendynamiken. Diese
nicht zu beachten, hätte ein nachhaltige Störung bzw. Schädigung des Projekts zur Folge
gehabt. Deswegen wurde in enger Abstimmung mit der RBS, der Geschäftsführung und
den Einrichtungsleitungen Konzept und Zeitplanung im Projektverlauf laufend angepasst –
ohne allerdings die grundlegenden Ziele und Aufträge, die mit der Stiftung vereinbart waren, zu verändern.
1
Der gesamte Projektplan findet sich im Anhang 10.1
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2.
Zur Organisationskultur der Hilfe im Alter
2.1
Organisationsentwicklung durch Hospizprojekt „Leben bis zuletzt“
Das Projekt „Leben bis zuletzt“ war ein interventionsorientiertes Modellprojekt zur Implementierung von Palliativversorgung in der Altenhilfe. Es wurde im Jahr 2000 geplant und
im Jahr 2001 begonnen. Ziel war und ist es, die HiA im Sinne einer lernenden Organisation derart zu beeinflussen und zu verändern, dass die Themen Sterben, Tod und Abschied
auf dem Hintergrund des Paradigmas von Palliative Care zu einer guten Routine als Mix
aus Kenntnissen, Fähigkeiten und Haltung im Alltag der Pflege und Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner wird. Auf diese Weise wurden nicht nur Maßnahmen durchgeführt und Mitarbeitende geschult, sondern die gesamte Kultur des Trägers beeinflusst und
in eine umfassende „palliative Kultur“ weiterentwickelt. Aus heutiger Sicht ist damit die
Integration des Palliativthemas in die Regelversorgung der Altenhilfe gelungen – eine Anstrengung, von der die Pionierin der Hospizbewegung Cicely Saunders sagte, dass sie sie
zwar als notwendig, aber als noch zu noch groß einschätze2.
Das Gesamtprojekt „Leben bis zuletzt – Palliativbetreuung in den Alten- und Pflegeheimen der Inneren Mission München“ und seine Steuerung beziehen sich auf unsere sieben Einrichtungen und den drei ambulanten Diakoniestationen:
•
Leonhard-Henninger-Haus (Stadt München / Stadtteil Westend)
•
Ebenhausen & Planegg (Landkreis München)
•
Dachau (Stadt / Landkreis Dachau)
•
Eichenau (Landkreis FFB)
•
Ebersberg (Stadt / Landkreis EBE)
•
Lindenhof (Grafenaschau / Landkreis GAP)
Das Gesamtprojekt wird von der HiA durch den Einsatz eines hauptamtlichen Projektleiters (als Koordinator), durch die
gelegentliche Freistellung von Mitarbeitenden im Rahmen der nötigen Maßnahmen, sowie durch die Zusammenarbeit
mit externen Einzelpersonen, Kooperationspartnern und Expertenorganisationen gestaltet und ermöglicht.
Unsere Kooperationspartner sind:
•
die Bayerische Stiftung Hospiz, Bayreuth
•
die Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung (IFF) / Abteilung Palliative Care und OrganisationsEthik
der Universität Klagenfurt-Graz-Wien
•
der Christophorus Hospizverein München (CHV)
•
die Gemeinnützige Gesellschaft f. soziale Dienste, Nürnberg (GGSD)
Der CHV wurde beauftragt, in den Einrichtungen Planegg und München-Westend die Implementierung von Hospizarbeit
nach einem bewährten Modell durchzuführen. Die IFF wurde beauftragt, die Implementierung in Ebenhausen zu begleiten und gleichzeitig die wissenschaftliche und organisationstheoretische Begleitung und Auswertung des Gesamtprojekts
zu leisten. Die Kooperation mit der GGSD begann 2006, als sie mit der Begleitung der Implementierung in Eichenau
beauftragt wurde. In den anderen Einrichtungen wird die Implementierung mit eigenen Maßnahmen und Modellen
durchgeführt.
Zum Gesamtprojekt gehören somit:
•
die Arbeit der Projektleitung (Steuerung, Vernetzung, Fortbildung, Fundraising, Politik)
•
die Vernetzung und der Erfahrungsaustausch am „Runden Tisch“ (zentrale Steuerung)
•
regelmäßige abteilungsweite und öffentliche Präsentationen bzw. Projekttage
•
die Kooperation mit Partnern
•
die Wahrnehmung der jeweils konkreten Implementierungsschritte der Einrichtungen
•
die Vernetzung mit der Hospizbewegung
•
die Vernetzung mit anderen Trägern der stationären Altenhilfe
•
die Weitergabe des Wissens (Tagungen, Vorträge, Workshops, Konsultationen)
•
der Anschluss an das Folgeprojekt Ethische Entscheidungskultur am Lebensende seit 2008
Das Gesamtprojekt wurde und wird von der Bayerischen Stiftung Hospiz, der Stadt München und dem Landkreis München unterstützt (Modellcharakter; Multiplikatorenfunktion).
Die Unterstützung umfasst finanzielle Förderung und inhaltliche Kooperation (Aus der Projektbeschreibung3).
2
3
„Ich habe mich bewusst der Versorgung von Tumorpatienten gewidmet. Ich wusste, dass es mir nicht
gelingt, die Misere in der Versorgung unserer alten Mitbürger aufzugreifen. Das Problem ist mir zu
groß gewesen. Ich möchte fast annehmen, dass dieses Projekt eine größere Tragweite als meine Arbeit haben wird“ (Interview 1999; zitiert nach Husebö, S. (o.J.): Palliativmedizin – auch im hohen Alter? - unveröffentlichtes Mauskript)
www.hospizprojekt.de
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Das Hospizprojekt folgte einer Doppelstrategie: Projektidee und die konkrete Beauftragung
wurden von der Führungsebene getragen und erwünscht. Das Projekt konnte uneingeschränkt als „von der Leitung gewollt“ kommuniziert werden. Alle Maßnahmen und die
einzelnen Schritte jedoch wurden nach der ausführlichen Analyse der bestehenden Kultur
in Absprache mit Bewohnern und Mitarbeitenden entwickelt und durchgeführt. Die Beteiligung aller, die es betrifft, war oberstes Prinzip. Diese Doppelstrategie (Beauftragung und
Verantwortung Top-down - Commitment und Mitgestaltung Bottom-up) lag daher auch für
die Konzeption des Ethikprojekts nahe. Die zentrale Steuerung des Palliativprojekts lag
beim sog. „Runden Tisch“, der auch das Ethikprojekt mitbegleitete:
Abb. 1: Die Organisation des Runden Tisches in der HiA © FK
Das Palliative Care Projekt ist heute weitgehend abgeschlossen und in den Routinen der
einzelnen Einrichtungen etabliert. Eine wesentliche Weiterarbeit findet sich nun im folgenden Ethikprojekt bzw. verschmilzt derzeit zu einem Gesamtkonzept der end-of-life-care, in
welches Palliative Care und Ethikberatung integriert werden. Verschiedene Maßnahmen
zur Sicherung der Nachhaltigkeit, Instrumente zur Evaluierung und das Implementieren
einer angemessenen Struktur (neben dem Runden Tisch z.B. sog. Hospizbeauftragte in
allen Einrichtungen, etc.) runden die Kulturarbeit derzeit ab. Dementsprechend wurde die
ursprüngliche „ Projektstelle Hospizarbeit“ später zur „Fachstelle Hospizarbeit und Palliativkultur“ und nun zur „Pastoralpsychologischen Fachstelle SPES - Spiritualität • Palliative
Care • Ethik • Seelsorge“.
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2.2
Unterstützende ‚Großwetterlage’ für das Ethikprojekt in Kirche und
Diakonie
Nicht nur die interne Organisations- und Projektkultur der HiA, auch das kirchlich - gesellschaftliche Umfeld begünstigten das geplante Ethikprojekt: Für das Projekt ergab sich in
der Auftaktphase ein ‚Kairos’, der nicht nur für das eigentliche Projekt, sondern auch für
die exemplarische Wirkung und Weiterarbeit eine wichtige Bedeutung hat: Im Zusammenhang diakonischer Initiativen in Bayern hatte das Diakonische Werk mit der EvangelischLutherischen Landeskirche einen Aufruf zugunsten strukturierter Ethikberatung in den Einrichtungen der Altenhilfe gestartet. Dieser Aufruf war in seinen Inhalten eine externe Bestätigung und Unterstützung für die Zielvorgaben des Ethikprojekts der HiA. Zitat aus dem
Aufruf vom Januar 20094:
Die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern und das Diakonische Werk Bayern rufen
hiermit dazu auf, Ethikberatung bzw. ausgewiesene ethische Kompetenz in Zukunft in allen diakonischen und kirchlichen Einrichtungen der Altenpflege zu einem integralen Bestandteil des Gesamtkonzeptes werden zu lassen ....Schon jetzt und in Zukunft immer mehr müssen auch in Einrichtungen der Altenpflege schwierige Situationen bewältigt und schwierige Entscheidungen getroffen werden. Dazu braucht es besondere ethische Wachsamkeit und Sensibilität für die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner und für die Notwendigkeiten der konkreten Situation.
Dreh- und Angelpunkt, an der die ethischen Entscheidungen auszurichten sind, sind die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner. In stationären Pflegeeinrichtungen sind auch bereits
heute Leitungen, Pflegeverantwortliche und Mitarbeitende in diesem Sinn wachsam und sensibel.
Dies verdient hohe Anerkennung und Unterstützung - sowohl in fachlicher als auch in struktureller
Hinsicht. Gerade deshalb besteht eine besondere Herausforderung immer wieder darin, die Anweisungen von Hausärztinnen und Hausärzten mit teilweise widersprechenden Erwartungen von
Angehörigen und den eigenen Wünschen der pflegebedürftigen Bewohnerinnen und Bewohnern
zu vereinbaren. Willensbekundungen in Patientenverfügungen bedürfen der Interpretation. Werden Menschen im Pflegeheim krank, rückt der Tod heran, setzt häufig ein vor allem. für die Bewohnerinnen und Bewohner belastender „Drehtüreffekt“ ein. Sie werden ins Krankenhaus überwiesen, kommen wieder von dort zurück, werden wieder überwiesen, auch deshalb, weil in der
Pflegeeinrichtung Unsicherheit über das angemessene Verhalten oder Zweifel an der verordneten
Behandlung bestehen. Dieser „Drehtüreffekt“ widerspricht einer Auffassung, gerade das Ende des
Lebens - und was damit verbunden ist - als entscheidende Lebensaufgabe anzunehmen und bewusst zu gestalten. Engagierte Hausleitungen und Pflegende, die mit solchen Situationen zurechtkommen und offene Fragen ansprechen, verdienen hohe Anerkennung. Sie brauchen aber
auch professionelle Begleitung und kontinuierliche Fortentwicklung ihrer ethischen Kompetenz ...
Die andauernde Debatte um assistierten Suizid und aktive Sterbehilfe und nicht zuletzt sich wandelnde Vorstellungen vom „guten Leben und Sterben“ machen deutlich, dass regelmäßige Gespräche über ethische Standards in Zukunft in keiner Altenpflegeeinrichtung fehlen sollten. Eine
in diesem Sinne zu entwickelnde ethische Kompetenz in Alten- und Pflegeeinrichtungen, sowie
der Aufbau von ausreichend Fortbildungsmöglichkeiten haben aus unserer Sicht hohe Priorität.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine erhöhte ethische Kompetenz in stationären Pflegeeinrichtungen nicht unabhängig von den gesamten Pflegeprozessen gesehen werden darf, sondern integraler Bestandteil des Pflege- und Einrichtungskonzepts sein muss. Bewohnerinnen und Bewohner brauchen die Gewissheit, dass ihre Bedürfnisse wahrgenommen werden und ihre Würde bis
zum Lebensende geachtet wird. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen Handlungssicherheit und erfahren Entlastung. Vor Ort können Einrichtungen der Altenpflege mit Kirchengemeinden, diakonische Einrichtungen, mit der Altenheimseelsorge, ambulanten Pflegediensten und
Kliniken zusammenarbeiten und gegenseitig beratend tätig werden. Eine in diesem Sinne erhöhte
ethische Kompetenz in Alten- und Pflegeeinrichtungen kann in Zukunft neben einer gut integrierten Hospizkultur zu einer zweiten wichtigen Säule für eine humane Begleitung von Menschen in
ihrer letzten Lebensphase werden.
4
http://www.diakonie-bayern.de/de/positionen-der-diakonie/zur-ethischen-kompetenz-in-deraltenhilfe.html
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Auch die kirchlich Verantwortlichen skizzieren ein integriertes Modell in der Begleitung und
Versorgung hochaltriger Menschen. Sie betonen, dass es hier zusätzliche Kompetenzen
braucht – aber auch Strukturen, damit wirklich bedürfnis-orientiert gearbeitet werden kann.
In dieser Empfehlung wird ein besonderes Augenmerk auf die Mitarbeitenden gelegt; hier
wird die Notwendigkeit von Entlastung und indirekt von Supervision, aber auch Handlungssicherheit hervorgehoben. Es wird auf den Ausbildungsbedarf hingewiesen, der eben auch
der Qualität der ganzen Einrichtung zugute kommen sollte. Grundtenor ist jedenfalls das
kommunikative Engagement, das für die Umsetzung der ethischen Frage grundlegend ist.
Hiermit sind viele Kriterien aufgeworfen, denen sich das Projekt der HiA stellen wird.
2.3
Ziele und Hypothesen im Ethikprojekt der HiA
Das Projekt „ethische Entscheidungskultur am Lebensende“ verfolgt somit vor allem Ziele,
die sich aus folgender Beschreibung der Ausgangslage und der Bedürfnisse und Bedarfe
in den Altenhilfeeinrichtungen der HiA ergeben:
Durch die Implementierung von Palliative Care wurde in den letzten Jahren die intensive
interdisziplinäre Begleitung von hochbetagten, oftmals dementen und pflegebedürftigen
BewohnerInnen, sowie eine adäquate Begleitung ihrer Angehörigen verstärkt. Weiterer
Reflexions- und Orientierungsbedarf wird inzwischen insbesondere dann angemeldet,
wenn ethische Fragestellungen - ob auf Seiten der BewohnerInnen und deren Angehörigen oder auf Seiten der Mitarbeitenden – auftauchen. Dabei wird spürbar, dass die Einrichtungen der HiA im Kontext gesellschaftlicher Herausforderungen arbeiten:
-
Durch die demografischen Entwicklungen in Mitteleuropa steigt der gesellschaftliche
Betreuungs- und Pflegebedarf;
-
der Anteil von Pflegebedürftigen, die dementiell verändert sind, nimmt zu;
-
langsam wächst der öffentliche Diskussionsbedarf, wie angemessen mit Demenz umzugehen ist; zudem wird deutlich, dass diese Krankheitsbilder weder trivial noch allein
als degenerativ erklärbar sind;
-
es kommt zu einer steigenden Medikalisierung des Alters und des Sterbens bei gleichzeitig schwerer Erreichbarkeit kompetenter ärztlicher Betreuung – jedenfalls außerhalb
von Krankenhäusern;
-
Es gibt einen erheblichen Diskussionsbedarf über die ökonomischen und immateriellen
Wertigkeiten des Alters;
-
im gesamten Gesundheitssystem werden Versorgungsleistung gekürzt – auf welcher
Basis werden also künftig die notwendigen Pflegeleistungen bereitgestellt?
-
Wie sind die boomenden Angebote zur Ethikberatung in Bezug auf Qualität und Methoden einzuordnen bzw. wie entkommen sie dem Verdacht Instrument einer schleichenden Rationierung zu sein?
-
In Bezug auf eine geforderte ethische Entscheidungsqualität wächst das Spannungsfeld zwischen propagierter Autonomie und faktisch zunehmender Abhängigkeit;
-
kann ausreichend palliative und ethische Kompetenz in der stationären und ambulanten Regelversorgung bereitgestellt werden?
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In den Heimen der HiA wird der professionelle Umgang mit diesen ethischen Fragen und
die Entwicklung angemessener Strukturen zu deren Bearbeitung zunehmend ein Qualitätsmerkmal. Wichtige Entscheidungen in der end-of-life-care sind komplex und können
sich mehrfach ändern. Manche haben auch irreversiblen Charakter. In den Einrichtungen
ist daher eine Art „ethischer Unruhe“ zu beobachten, die sich auf Nachfrage als tiefe Unzufriedenheit mit dem Status Quo in vielerlei Situationen manifestiert.
Häufig thematisieren engagierte Personen von sich aus ethische Fragen. Wie aber kommt
es zu abgestimmten, tragfähigen und berufsübergreifenden Konsensen und welche Rollen haben hier die Betroffenen selber? Hier wird sichtbar und konkret, dass neue Formen
ethischer Entscheidungsfindung notwendig sind. Es braucht transparentere, verbindlichere
und partizipationsoffenere Prozeduren, wenn über Leben und Tod, über Behandlungszieländerung, über Einweisungen ins Krankenhaus, über künstliche Ernährung u.ä.m. entschieden wird. Und oft sind es nicht nur die „großen ethischen Entscheidungen“, um die es
geht, sondern eine Vielzahl von kleinen Situationen des Alltags, die von einer guten Entscheidungskultur profitieren können. Dies wurde bei der Implementierung von Palliativbetreuung deutlich, wo die Prinzipien des Palliative Care (z.B. die radikale Patientenorientierung oder der interdisziplinäre Dialog) auch auf andere Situationen in der Pflege Auswirkungen zeitigten.
Es braucht gesicherte, definierte und öffentlich gemachte Verfahren und Aushandlungsprozesse für die Situationen rund um das Lebensende. Das Entscheidende sind dabei
Prozesssicherheit und Transparenz, also die Regeln für den Regelungsbedarf: Durch geeignete Rahmenbedingungen muss die Qualität einer ethischen Auseinandersetzung, die
Beschreibung des ethischen Dilemmas, die Vieldimensionalität eines „Falles“ gesichert
werden. Ethikberatung hat sich als ein Instrument erwiesen, um ethische Problemstellungen zeitnah und praxisbezogen zu bearbeiten. Für eine solche Ethikberatung braucht es
die Fähigkeit ethischer Differenzierung, Moderations-, Methoden- und Implementierungskompetenz. Und es braucht Spielregeln der Gesamtorganisation (Entschiedenheit und
Entscheidungen der Verantwortlichen), damit Ethik nicht individualisiert oder an eine Disziplin delegiert, sondern Teil unseres Qualitätsprofils wird. Die dialogische Einbeziehung
alle Betroffenen und Beteiligten ist damit zugleich Inhalt und Ziel dieses Projekts.
So ergaben sich die geplanten Bausteine:
-
Leitungen sensibilisieren und das Verständnis etablieren, dass Ethik eine wesentliche
Führungsaufgabe darstellt;
-
ethische Fallbesprechungen einüben – zunächst exemplarisch, dann zunehmend in
den Alltagsroutinen;
-
die Einrichtung und Betrieb eines Ethikbeirats in der HiA voranbringen;
-
die Projektschritte auswerten, um als ein Modellprojekt für Ethikberatung in der Altenhilfe verstanden zu werden;
-
auf das konfessionelle Profil der HiA als diakonischer Träger von Altenhilfeeinrichtungen fokussieren.
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3.
Das Projektmanagement vor Ort
3.1
Das Design in der ursprünglichen Projektidee
Abb. 2: Designvorschlag für das Ethikprojekt der HiA © o&e
Der erste Designvorschlag, der auch dem Projektantrag zugrunde lag, ging davon aus,
einrichtungsübergreifend in einer Trainings- und Projektgruppe zu arbeiten. Die Trainingsgruppe sollte aus mindestens 2-3 Personen aus jeder Einrichtung plus VertreterInnen aus
den Stabsstellen und der Geschäftsführung gebildet werden.
In dieser Konzeption wurde von einer bestimmten Anzahl von Trainingstagen ausgegangen. Ziel wäre hier gewesen, (a) die Teilnehmenden im Training mit den Grundkenntnissen der Ethikberatung auszustatten, (b) sie als Keimzelle einer je einrichtungsinternen
Projektgruppe zu befähigen, das Wissen und die Methoden in die eigene Einrichtung zu
übertragen und dort (c) ein eigenes kleines Ethikprojekt durchzuführen. Hier war auch vorgesehen, dass für die Arbeit in den einrichtungseigenen Projektgruppen externe Unterstützung abrufbar wäre. Hintergrund eines solchen Ansatzes ist das Verknüpfen von Lernprozessen auf der Ebene der Personen und der Organisation: Die Fortbildung bleibt nicht
ein Wissensgewinn für die Einzelnen, sondern wird mit dem Lernen ihrer Teams und Einrichtungen verknüpft. Wie wir im Folgenden beschreiben werden, fand diese Konzeption
nicht die Zustimmung der Einrichtungsleitungen. Nach dem aufwendigen Palliativprojekt
konnten sich die Einrichtungsleitungen nicht vorstellen, im gleichen Ausmaß Ressourcen
für ein weiteres Projekt einzusetzen – auch wenn das von Seiten der Projektkonzeption
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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gar nicht vorgesehen war. Allein schon die Perspektive, 1-2 MitarbeiterInnen auf eine
Schulung während der Arbeitszeit zu schicken, löste Widerstand aus. Auf der inhaltlichen
Ebene wurde zumindest aus einigen Einrichtungen ein weiterer Widerstand wach: Die
Perspektive, die ethischen Kompetenzen einer Einrichtung zu erweitern, wird allzu leicht
als Vorwurf missverstanden, bislang nicht ethisch unterwegs zu sein. Durch das Palliativprojekt war bereits eine Kultur der Fallbesprechungen eingerichtet, auf die das Projekt
explizit aufbauen wollte. Dies wurde von Seiten der Führungskräfte zu Recht als ein Indikator einer schon vorhandenen Reflexions- und Besprechungskultur gesehen, die die Basis einer ethischen Entscheidungskultur darstellt. Indem von Seiten der Steuerungsgruppe
auf diese Rückmeldungen eingegangen wurde, indem das Projektdesign entsprechend
angepasst wurde, konnten drei wesentliche Schritte bzw. Commitments bei den Führungskräften quasi im Voraus erreicht werden, die in anderen Projekten nur step by step
gelingen:
Die Führungskräfte machten sich das Projekt zueigen; indem ihnen ein relevanter Nutzen für die
Arbeit und die Kultur in der eigenen Einrichtung plausibel in Aussicht gestellt wurde, war hier ausreichend Motivation vorhanden. Damit musste die ethische Reflexionskompetenz nicht über die
Fortbildungsschiene eingeführt werden, sie wurde direkt Reflexionskategorie auf Ebene der Teams
und der Einrichtungen.
Damit konnten sich die Führungskräfte direkt im Projekt engagieren und sich mit den Projektanliegen identifizieren. Aus der Erfahrung in anderen Projekten wissen wir, dass sich dadurch die Auseinadersetzung verlagert und – so nicht offene Konflikte vorhanden sind - auch versachlicht. Die
Analyse-Ergebnisse können schneller umgesetzt werden, indem gleich nach Zuständigkeiten, Rollen und Kompetenzen gefragt wird (Das Gegenbeispiel sind ethische Reflexionen, an denen sich
Führungskräfte nicht beteiligen; diese bekommen dann zwar einen supervisorisch-psychohygienischen Charakter – die Umsetzung jedoch ist ungleich aufwendiger).
Für die Führungskräfte war die Perspektive auf ein einrichtungsübergreifendes Ethikgremium ein
wichtiges Ziel; damit wurde der Blick auf ein größeres Ganzes, aber auch auf hinderliche und förderliche Rahmenbedingungen gelenkt. So wurde das Ethikthema gleich auf drei relevanten Ebenen angegangen und als ‚kommunizierende Röhren` verstanden und gestaltet. So konnten die
Ergebnisse auch auf diese Ebenen fokussiert und umgesetzt werden.
3.2
Zur Projektarchitektur im Detail
Der folgende chronologische Projektverlauf wird die hier in der Gesamtheit dargestellte
Projektarchitektur im Detail verdeutlichen. Nachdem die Führungskräfte sich das Projekt
zueigen gemacht hatten, konnte das Projekt strategisch von drei Personen gesteuert werden: der Geschäftsführer als Austraggeber, der interne Projektleiter und der externe Projektbegleiter. Die inhaltliche Steuerung, die Auswertungen und die Umsetzungen wurden
gemeinsam mit den Führungskräften geleistet; mit der Einrichtung des Ethikbeirats wird
diese Aufgabe zukünftig dort übernommen. Die operative Leitung blieb somit bei dem internen Projektleiter und dem externen Projektbegleiter und Moderator. Durch mehrere
Fortbildungsveranstaltungen, Kongresse und Trainings konnten hier Methoden und Zwischenergebnisse (quasi als Projektsupervision) laufend einem interessierten Fachpublikum vorgestellt und somit zeitnah reflektiert werden.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Abb.
3: Projektarchitektur HiA © o&e 2009
3.3 Projektverlauf in chronologischer Beschreibung der Ereignisse
Dieser Punkt 3.3 stellt eine Art „Bericht im Bericht“ dar. Er listet erzählend und chronologisch die Schritte und
Ereignisse der Jahre 2008 und 2009 auf. Eingeflochten sind Zitate aus Protokollen von Sitzungen und Präsentationen. Damit soll den Lesern ermöglicht werden, das Projekt genauer zu verfolgen.
Die Auswertung und Fokussierung auf Ergebnisse des Projekts wird in Punkt 4 fortgesetzt.
Im Winter 2007 hatte die Innere Mission München - gerade im Übergang zur Ausgründung
ihrer Abteilung Altenhilfe in die selbständige Tochter-GmbH Hilfe im Alter - beschlossen,
nach dem erfolgreichen Projekt zur Implementierung von Palliative Care und Hospizkultur
in ihren Einrichtungen der stationären Altenpflege auch den ethischen Fragen am Lebensende ein temporär fokussiertes eigenes Gewicht zu geben. Dies sollte in einem Projekt zur
Implementierung von Ethikberatung verwirklicht werden. Nach Prüfung und Vorgesprächen mit Experten, sowie der erfolgreichen Suchen nach einem potentiellen externen Projektbegleiter entschloss sich die HiA, einen Projektantrag bei der Robert Bosch Stiftung
einzureichen. Zuvor war ein ähnlicher Antrag bei der Bayerischen Stiftung Hospiz abschlägig beschieden worden.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Die Antragstellung erfolgte am 07.01.2008. Der Antrag wurde nicht mehr zeitgerecht bearbeitet. Allerdings wurde in Aussicht gestellt, den Antrag bei der kommenden Sitzung vorzulegen und wohlwollend zu behandeln. Die Entscheidung zum Start - und damit zum Risiko - traf die HiA um der Sache willen dennoch umgehend. Bereits im Februar fanden
Vortreffen und Vorarbeiten zum Projekt statt; die HiA entschied sich dabei für eine externe
Projektbegleitung und für eine interne Projektleitung. In dieser Konstellation wurden auch
die weiteren Konzeptionen und Anträge erarbeitet; dies geschah im März 2008. Bereits
dabei wurden die Führungsebenen und die einzelnen Einrichtungen maßgeblich involviert.
Am 07.04.2008 konstituierte sich die strategische Steuerungsgruppe mit dem externen
Projektbegleiter, dem Geschäftsführer der HiA und dem interner Projektleiter. Es wurden
folgende Vereinbarungen getroffen:
•
•
•
•
•
•
•
•
•
Es erfolgt eine begleitende und durchgängige Dokumentation durch den Projektleiter.
Die wissenschaftliche Begleitarbeit und alle Schritte des Projektdesigns liegen in der Verantwortung des externen Projektbegleiters und -beraters.
Der Antrag an die RBS wird erneut eingereicht; Aktualisierungen im Zeitplan folgen später.
Für den 19.06.2008 wird eine Auftaktveranstaltung mit der Leitungsrunde der Einrichtungen
geplant.
Am 22.07.2008 wird die Fachstelle Hospizarbeit zusammen mit der Evangelischen
PflegeAkademie (EPA) ein Fachtag veranstalten, an dem der externe Projektbegleiter eine Einführung in Ethikberatung gibt.
Weitere Termine und Absprachen sind mit der Leitungsrunde zu vereinbaren.
Vom Auftraggeber wurde eine klare Zieldefinition abgeholt und für die Projektsteuerung genutzt: Für den Geschäftsführer der HiA ist das Ethikprojekt dann erfolgreich, wenn folgendes
eintrifft:
- Ethik muss zum Thema werden - auch in der Praxis
- Der Begriff „Ethik“ muss definiert und gemeinsam verstanden werden
- Eine gemeinsame Sprache zur Ethik muss für die HiA gefunden werden
- Das Projekt muss Außenwirkung zeigen
Klar ist, dass ein Ethikbeirat früher oder später eingerichtet wird.
Auf der Konferenz Altenhilfe stellt der GF das Projekt grundsätzlich vor.
Die Genehmigung des Projekts durch die RBS erfolgte am 04.06.2008. Die bisherigen
Schritte wurden sofort in den Gesamtverlauf einbezogen, wenngleich die Förderung des
Projekts erst für September anlaufen würde. Die bisherigen Schritte gingen damit zu Lasten der Eigenbeteiligung der HiA. Der Bewilligungsbescheid schließlich erging im August
und umfasst damit den Förderzeitraum September 2008 bis Oktober 2009. Am 19.06.2008
fand die Auftaktveranstaltung zum Projekt statt. In der großen Leitungsrunde wurde das
Projektdesign vorgestellt und ausführlich besprochen. Ablauf dieser Veranstaltung:
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Ethische Entscheidungskultur am Lebensende
Auftaktveranstaltung/Führungskräfte HiA
Externe Projektbegleitung
Interne Projektleitung
Auftrageber
Zeit
11.00
11.10
11.30
12.30
13.30
14.10
15.10
15.30
16.15
17.00
Dauer
Inhalte / Settings / Materialien
D o n n e r s t a g , 1 9 . 0 6 . 2 0 0 8
Begrüßung
Vorstellung des Tagesprogramms
20’
Statement: Das Projekt aus der Sicht des Geschäftsführers: Die Entscheidung für ein Ethikprojekt
Auf welche Herausforderungen reagieren wir mit diesem Projekt?
Was wollen wir erreichen? Was kann passieren?
Was darf nicht passieren?
45’
Impuls: Ethische Entscheidungskultur am Lebensende
Projektidee - Projektinhalte
15’
Rückfragen, Resonanz der Führungskräfte
60’
Mittagessen
30’
Vorstellung der Projektstruktur, Projektprocedere
10’
Rückfragen, Klärungen
60’
In 2 –3 Untergruppen:
Standortbestimmung und Orientierung der Führungskräfte:
Was ich mir / für meine Einrichtung von einem Ethikprojekt erwarte!
Welche Herausforderungen meiner Einrichtung müsste das Projekt
eingehen?
Was ich mit einem solchen Projekt erreichen möchte?
Sicherung der Ergebnisse: Gemeinsamkeiten und Unterschiede (auf
Flipchart für die Vorstellung im Plenum)
20’
Kaffeepause
30’
Plenarrunde der Führungskräfte: Präsentation der Ergebnisse aus den
15’
Untergruppen
Was brauchen die Führungskräfte / die Einrichtungen, um gut in das
Projekt einsteigen zu können?!
30’
Projekt- und Terminplanung
Hinweise aus dem Projektmanagement
Welche Verbindlichkeiten konnten wir heute erreichen?
Kurzes Interview mit Gerhard Prölß
15
Auswertung und Bilanz der Auftaktveranstaltung
Schluss
Dr. Stefan Dinges
Pfr. Frank Kittelberger
Hilfe im Alter / Gerhard Prölß
Verantwortlich
Frank Kittelberger
Gerhard Prölß
Stefan Dinges
Moderation F. Kittelberger
Stefan Dinges
Moderation F. Kittelberger
Moderation S. Dinges
F. Kittelberger / S. Dinges
Am 24.06.2008 tagte die Runde der Einrichtungsleitungen. Auszug aus dem Protokoll des
Geschäftsführers: Ethikprojekt – Weiteres Vorgehen: Die Runde reflektiert auf Grundlage des
Ergebnisprotokolls die Inhalte der Auftaktveranstaltung zu unserem Ethikprojekt am 19.06.2008.
Als Ergebnis und gleichzeitig Grundlage für das weitere Vorgehen des Projekts soll Herrn Kittelberger vermittelt werden, dass in den Einrichtungen Ethik und die Diskussion ethischer Probleme
bereits fest etablierte Themen sind und deswegen hierzu keine Mitarbeitenden (die man sowieso
nicht hat) in einem Projekt extra und neu geschult werden sollen und neue Strukturen aufgebaut
werden sollen, sondern dass die Thematik an den PDL`s und HL`s angebunden und weiterentwickelt werden soll. Auf dieser Ebene muss sich weiterhin mit der Thematik auseinandergesetzt werden, wenn sie in der Einrichtung „gelebt“ werden soll. Darüber hinaus wäre ein
einrichtungsübergreifender Ethikrat wünschenswert, an den man sich wenden könnte, wenn es in
den Einrichtungen nicht zu Problemlösungen kommt und der auch öffentlichkeitswirksam unsere
ethische Grundlagen und Bemühungen als Marketinginstrument für unsere Einrichtungen nutzt.
Weiter soll Herr Kittelberger gebeten werden, Ethikschulungen für die Fachbasis auszuarbeiten, in
denen die Thematik anhand von Fallbeispielen praktisch dargestellt wird ...
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Am 22.07.2008 fand zusammen mit der Evangelischen PflegeAkademie der HiA ein öffentlicher palliativ-geriatrischer Fortbildungstag zum Thema „Ethikberatung in der Altenhilfe“ statt. Das Projekt war prominent vertreten und die Öffentlichkeit (ca. 90 TN) wurde umfassend informiert und gebildet (Vgl. Ausschreibung im Anhang 10.3).
Am 23.07.2008 fand das zweite Treffen der Steuerungsgruppe statt. Die weitere Präzisierung des Projektauftrages stand im Zentrum. Aus dem Ergebnisprotokoll:
Herr Prölß betonte, dass im Rückblick auf den 19. Juni die Leitungsrunde nochmals bestätigt hat,
dass der Tag als thematisch wichtig und positiv empfunden wurde. Besonders die Bestätigung
vieler schon vorhandener Strukturen und vorhandener Praxis war den Teilnehmern wichtig. Neu ist
die Fragestellung, wie das Vorhandene ausgebaut und verbessert werden kann, bei gleichzeitiger
Verstärkung. Herr Prölß bestätigte, dass die Leitungsrunde am 24.06.2008 das Thema noch einmal breit diskutiert hat. Dem ist zu entnehmen, dass das Thema auf der Leitungsebene angesiedelt bleiben muss, aber die geringen Zeitressourcen zu beachten sind. Es geht weniger darum,
neue Strukturen zu schaffen, sondern stärker die Basis in den Einrichtungen für ethische Fälle
sensibel zu machen und an praktischen Fällen vor Ort zu arbeiten. Damit wird der Wunsch nach
einem Ethikkomitee (übergeordnet; für schwierige Situationen oder übergreifende Themen) als
wichtig eingestuft. Zusätzlich müssen einzelne Personen geschult werden (z.B. in Moderationskompetenz). Allerdings bedeutet dieser Schulungsbedarf nicht, dass Mitarbeitende auf Trainings
geschickt werden, wenn sie dann in der Einrichtung keine Anknüpfungspunkte vorfinden. Wichtig
ist, dass für ethische Themen und Prozesse in der Einrichtung auf breiter Basis sensibilisiert wird
und dabei auch die Führungsebene beteiligt bleibt. Der Auftrag aus der Leitungsrunde wäre damit,
unser Projektdesign in diesem Sinne fortzuschreiben. Nach Einschätzung des Beraters und des
internen Projektleiters wird damit zunehmend deutlich, dass wir nicht großartig von „Ethikberatungstrainings“ reden, sondern lieber von Workshops auf Einrichtungsebene, um das Ziel zur Implementierung einer Ethikkultur (analog zur Implementierung von Palliativkultur) bezogen auf bereits vorhandenen Kompetenzen und Strukturen vorantreiben. Es sind also keine "Ethikbeauftragte" zu erfinden, sondern eher die Fähigkeit zu trainieren, Themen und Fälle vor Ort miteinander zu
besprechen. Die einzig neue Struktur wäre ein trägerweiter Ethikbeirat, dessen genaue Aufgaben
noch zu beschreiben sind, der aber v.a. dann weiter helfen soll, wenn Situationen in der Einrichtung nicht problemlos bearbeitet werden können. Herr Dr. Dinges und Herr Kittelberger werden
einen veränderten Vorschlag für das Projektdesign ausarbeiten und diesen modular aufgebauten
Plan dann im Sinne eines präzisierten Projektauftrages der Leitungsrunde schriftlich vorlegen. In
diesen Modulen bzw. Teilhandlungsschritten ist zu beachten: Sie müssen vor Ort stattfinden (gegebenenfalls ein Tandemverbund von jeweils 2 Einrichtungen); die Leitungen müssen eingebunden sein; die Ist-Analyse und Würdigung der vorhandenen Strukturen und Praxis sind wichtiger
Bestandteil dieser Maßnahmen (um darauf aufzubauen und Synergie zu nutzen); möglichst viele
Mitarbeitende sind niederschwellig zu sensibilisieren; diese Workshops sollen an den konkreten
Beispielen aus der Praxis arbeiten. Ziel dieser Maßnahmen sollte also sein, bestimmte Regeln der
Bearbeitung zu erarbeiten und einzuüben. Somit sollte bis September größere Projektklarheit vorliegen. Dazu soll es genügen, eine kleine Runde (nur die Einrichtungsleitungen) zusammenzurufen
und mit ihnen noch einmal das Projektdesign und die nächsten Schritte durchzusprechen
(24.09.2008). Die Ergebnisse dieses Gespräches könnte dann von der Geschäftsführung in die
Abteilungsklausur am 01.10.2008 eingebracht werden, ohne dass die Projektleitung dazu anwesend sein muss.
Am 24.09.2008 trafen sich die Projektleiter erneut mit der Leitungsrunde der HiA. Das modifizierte Projektdesign wurde nun einhellig begrüßt und mündete in einem deutlicheren
Commitment, Fragen der Ethikkultur als Führungsfragen anzunehmen. Die Sitzung wurde
dokumentiert und diente der HiA-Klausur am 01.10.2008 zur Übernahme und Bestätigung
des aktualisierten Projektdesigns.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Abb. 4: Projektdesign Ethische Entscheidungskultur HiA © o&e
Vom 14.11.2008 bis 10.12.2008 fanden in allen Einrichtungen die so genannten Mikroworkshops statt, um das individuelle Projektvorgehen abzusprechen und den größeren
einrichtungsinternen Workshop zu planen. Dazu waren schon zuvor (beim Leitungsworkshop im September) zwei Analyseinstrumente vorgeschlagen worden. Die
Einrichtungsleitungen hatten die Wahl, welches sie zur Vorbereitung auf den großen
Workshop nutzen und in der Folge in der eigenen Einrichtung einsetzen wollten:
•
Anleitung zur Einbringung einer Fallgeschichte als Vorbereitung auf eine moderierte
und strukturierte Situationsbesprechung (s. Materialbox 8.4)
•
Anleitung zur sog. SOFT-Analyse als Vorbereitung einer Besprechung der herrschenden Ethikkultur im Haus (s. Materialbox 8.5)
In den Mikroworkshops sollte nun en detail über das Projekt informiert und in das anzuwendende Instrument eingeführt werden. Da dies gegenüber der ursprünglichen Konzeption eine Erweiterung darstellte, fiel diese Aufgabe dem internen Projektleiter zu, der damit
im Projekt einen zusätzlichen Aufwand erbrachte.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Ablauf der Mikroworkshops:
Arbeitstitel: Mikroworkshop zur Vorstellung der Erhebungsinstrumente bzw. zur Kulturanalyse und
Erkundung des Projektumfeldes vor Ort.
Vorbereitung: Telefonat mit den Einrichtungsleitungen
•
Darin Abstimmung der Einladungspolitik für den Workshop (bis zu 20 Personen)
•
Abfragen, welches Instrument die Einrichtung für den Hauptworkshop wählt
•
Frage, welche Mitarbeitende im Blick sind und ob alle relevanten Berufsgruppen vertreten sind.
•
Sind eventuell Außenperspektiven sinnvoll?
•
Wer soll nicht dabei sein („Störer“ sind in dieser Phase kontraindiziert).
Ablauf des WS (max. 1 Stunde):
•
Begrüßung durch Einrichtungsleitung mit kurzen Statement, warum sich die Einrichtung am
Projekt beteiligt (Commitment)
•
Vorstellung des Projektdesigns
•
Zielklärung des heutigen Tages
•
Vorstellung der gewählten Analyseinstrumente
•
Durchgehend und exemplarische Besprechung des Instruments
•
Aufruf zum Rücklaufs an mich bis 15.12.2008
Hinweise für die Ausarbeitung durch die Mitarbeitenden:
Beispiele sind zu anonymisieren; Namen der Einbringer sind nicht nötig, aber die Rolle sollte angegeben werden; Die Papiere können allein ausgefüllt oder mit Kollegen besprochen werden.
•
Terminvereinbarung zum Haupt-Workshop
Am 27./28.1.2009 trafen sich die Projektleitung zu weiteren Besprechungen zwischen zwei
Workshops in München. Folgende Aktivitäten standen auf der Tagesordnung:
Der Stand des Projekts wurde besprochen.
Die eingegangenen Fallvignetten und SOFT-Analysen wurden durchgesprochen.
Die Workshops in den einzelnen Einrichtungen und deren Dokumentation wurde geplant.
Eine Vorlage für den geplanten Ethikbeirat wurde diskutiert.
Das Thema Begleitforschung wurde besprochen:
Der zu erstellende Leitfaden wurde vorbesprochen.
Die permanente Beteiligung der Betroffenen und Beteiligten und die Rückwirkungen, die sich auf
das Projekt aus dieser Beteiligung ergeben, wurden als mögliche Evaluationskriterien in den Blick
genommen.
Die Beteiligung am Kongress in Nürnberg (April 2009) wurde diskutiert.
Der weitere Zeitplan für 2009 wurde überprüft.
Zwischen den Workshops 16. bis 31.03. trafen sich die Projektleiter mehrfach zu kurzen
Besprechungen.
Der Stand des Projekts und die teils noch ausstehenden Workshops wurde reflektiert.
Für den geplanten Ethikbeirat der HiA wurde eine Vorlage diskutiert, die bereits folgende Konkretionen enthielt:
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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-
Fälle bei Bedarf durch den Beirat bearbeiten zu lassen
-
Fortbildungen anregen, die sich aus dem Alltag der Einrichtungen ergeben
-
Standards und Leitlinien der HiA mitbeeinflussen
-
Externe Beteiligung überlegen
-
Der Beirat könnte zwei Funktionen haben, eine „kleine“ (ohne GF) zur Beratung der HiA
und eine „erweiterte“ (mit GF). In der „erweiterten“ Runde genügt 1 Treffen / Jahr, um Themen, Umsetzungsbedarf und notwendige Strategien mit der Führung abzugleichen. Die
„kleine“ Runde sollte sich zusätzlich 2-3 x / Jahr treffen.
-
Start des Beirats könnte Herbst 2009 sein.
-
Ein weiterer Termin der Steuerungsgruppe wurde geplant.
-
Der weitere Zeitplan für 2009 wurde erneut überprüft.
Allgemein ist aufgefallen, dass auf der Ebene der praktischen Arbeit (also z.B. in den
Workshops) das diakonische Profil wenig versprachlicht vorkommt. Dies soll im Blick bleiben, weil es ja ein Ziel und ein Merkmal der HiA und ein Kriterium der angestrebten Ethikkultur darstellt.
Die großen Inhouse-Workshops:
Nach den vorbereitenden Mikro-Workshops im Spätherbst fanden von Januar bis April in
allen sieben Einrichtungen hausinterne Workshops statt. Anhand eines aus zwei Alternativen zuvor ausgewählten Instrumentes wurde die bestehende Ethikkultur erfasst und perspektivisch ausgewertet, wobei die Beteiligung der Mitarbeitenden genauso wichtig war,
wie die klare Einnahme von Führungsrollen.
Datum
Workshop in …
Analyseinstrument
Di 27.01.2009
APH Planegg
SOFT
Mi 28.01.2009
APH Ebenhausen
Falleinbringung
Di 17.03.2009
PH Ebersberg
SOFT
Do 19.03.2009
APH Lindenhof
Falleinbringung
Mo 23.03.2009
APH Dachau
Falleinbringung
Di 24.03.2009
APH Westend
SOFT
Mo 27.04.2009
PZ Eichenau
Falleinbringung
Der gesamten Themenlandschaft, deren Analyse und Weiterbearbeitung ist ein eignes
Thema zu widmen; hier dokumentieren wir die Rückmeldungen aus den Schlussrunden
der Workshops anhand der genannten Perspektiven und Bedarfsmeldungen in den
Schlussrunden der Workshops:
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Ebene der Bearbeitung von ethischen Themen und Geschichten
Aufnehmen von Gefühlen und Intuition als Indikator von Ethikthemen
Wir brauchen nicht eine gemeinsame Perspektive/Konsens, um gemeinsam zu handeln
Methodensicherheit mit den Instrumenten
Instrument „Analyse von Fall-Geschichten“ in die Routine der Einrichtungen übernehmen
Perspektive der Situationseinschätzung (als ein relevantes Ergebnis) ist entlastendend – gegenüber
dem herrschenden Lösungsdruck
Wie sieht die Routine-Kommunikation mit ‚Externen’ (Ehrenamtlichen, Hausärzten, etc.) aus?
Wie wird damit umgegangen, wenn bestimmte (ethische) Themen immer wieder auftauchen?
Einbeziehen des Qualitätsmanagements in ethische Reflexionen – insbesondere wenn es ansteht …
Aktuell virulente Themen und Geschichten zeitnah aufgreifen – durchaus retrospektiv bearbeiten
Aushalten von Dissens
Wichtig ist hier, HausärztInnen zu beteiligen
Es gibt einen guten Umgang mit Sterben und Tod – die Herausforderung ist der Umgang mit Ängsten
und Unsicherheiten einzelner Mitarbeitender
Wie kann das Wissen aus den Workshops an andere Mitarbeitende weitergeben werden?
Schaffung von ‚Besprechungsräumen’ und Gesprächgelegenheiten
Team und Organisationsperspektive
Wertschätzende, gewaltfreie Kommunikation ist notwendig und hilfreich
Stärkung der kommunikativen Alltagskompetenz der Mitarbeitenden
Schnittstellen sind eine Chance für Kommunikation
Mehr Verständnis / Kenntnis anderer Arbeitsbereiche
Wie Aushilfs- und Zeitarbeitskräfte an Kommunikations-, Team- und Einrichtungskultur beteiligen?
Eine Fallbesprechung verändert nicht den Bewohner mit seinen Auffälligkeiten – aber vielleicht das
Team mit seinen bisher erfolglosen Mustern …
Strukturierte Kommunikation bei Übergaben einführen / überprüfen
Interprofessionalität wahren
Expertise des Hospizkreises mit STL teilen / einbinden
Regelmäßige Stärken- / Schwächenanalyse – Vernetzungen und Schnittstellen sichtbar machen
Thema „Umgang mit Zeitmangel“ zum Führungsthema machen – dahinterstehende Unsicherheiten,
Ängste, Rollen- und Auftragsunklarheiten bearbeiten …
Teamentwicklung an den herausfordernden Themen betreiben
Besseres Nutzen von Ressourcen der Mitarbeitenden ist auch eine Form der Anerkennung
Es braucht Rückendeckung für die Mitarbeitenden - bis wohin geht diese?
Wenn Mitarbeitende nicht an weitreichenden Entscheidungen beteiligt sind (z.B. wg. Urlaub) - wie werden sie angeschlossen?
Kommunikation und Ethik sind führungsrelevant
Übergreifende Themen:
Welcher Umgang mit externen Institutionen (MDK, Heimaufsicht, Bürokratie) würde der HiA-Kultur entsprechen?
Stellung von ambulanten Diensten in den Einrichtungen
Gesamtblick / Gesamtbild von Themen, Informationen, Herausforderungen in der HiA
Kommunikation von guter Praxis HiA weit
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Am 01.04.2009 nahm der externe Projektbegleiter am „Runden Tisch Hospiz“ der HiA teil.
Durch seinen Beitrag und Kommentar gelang es, das Ethikprojekt eng an das Palliativprojekt der HiA anzuschließen und die enge Verknüpfung deutlich zu machen. Dies entspricht
nicht nur dem Projektauftrag, sondern auch der Realität und den tatsächlich vorliegenden
Fragestellungen und Handlungsmustern in der HiA. Der Zusammenhang beider Projekte
ist im Alltag der HiA evident. Am selben Tag (01.04.2009) fand in Ebenhausen eine Fallbesprechung statt, die als Konsequenz aus dem Ethikworkshop im Januar von den
Mitarbeitenden gewünscht worden war. Sie diente sowohl der Einübung des Instrumentes,
als auch aktuell als Entlastung, weil ein gerade anhängiger und sehr komplizierter Fall in
der Einrichtung beraten werden konnte. Die Teilnehmenden waren von dieser Fallbesprechung sehr angetan.
Die Steuerungsgruppe tagte anschließend ebenfalls noch am 01.04.2009. Dabei wurde
das bisherige Projekt reflektiert, die Workshops wurden auf ihre ersten Erkenntnisse hin
ausgewertet und die Rahmendaten des Ethikbeirats festgeklopft und vereinbart. Stichworte zu den Ergebnissen und Vereinbarungen dieses Gesprächs:
Im Rückblick auf den „Runden Tisch Hospiz“ vom selben Tag wurde betont, dass der Zusammenhang zwischen Palliativ - und Ethikprojekt sichtbar wurde. Herr Kittelberger betonte die Stärke des
Designs mit einem externen Projektbegleiter, da dieser einen „ungetrübten und allparteilichneutralen“ Blick auf die Dynamiken und Inhalte ermöglicht. Dr. Dinges betonte, dass zunehmend
die Führungskräfte-Perspektive des Projekts sichtbar wird. Dies ermutigt, den Organisationsentwicklungscharakter des Projekts wahr und ernst zu nehmen. Dr. Dinges betonte auch, dass man
spürt, dass die Ernsthaftigkeit des Projekts gesehen wird: "Das Projekt ist von oben angenommen
worden".
Es wurde beschlossen, in diesem Jahr einen Meilenstein im Hospiz- und im Ethikprojekt zu setzen.
Beides kann gut verbunden werden. Es ist wichtig, das Projekt jetzt nach außen hin deutlich sichtbar zu machen ("Das Projekt muss gelabelt werden").
Detailliert wurden einige Workshopergebnisse (Herr Prölß hat alle Protokolle erhalten) durchgesprochen. Herr Dinges betonte, dass man in den Einrichtungen spürt, dass diesen die Erkenntnisse aus den Workshops nicht egal sind. Wir haben die Weiterarbeit an den Themen und Bedürfnissen den Einrichtungen überlassen. Der heutige Workshop in Ebenhausen ist eine solche Konsequenz. Das schließt aber nicht aus, dass es von der Projektleitung oder der Geschäftsführung
nicht auch Impulse gibt und geben kann. Es gibt interne Verbindlichkeiten, die aber in der HiA als
Ganzes „festgezurrt“ werden können und sollten. Es geht um eine Positionierung unserer Kultur auch beim Sterben - aber nicht nur dort. Dies muss und kann den Mitarbeitenden im Rahmen der
Projektarbeit mit auf den Weg gegeben werden.
In diesem Kontext wurde noch einmal darauf verwiesen, wie seltsam blass und ungeübt manchmal
die Versprachlichung unseres christlich-diakonischen Profils zu sein scheint. Hier besteht Bedarf
an hermeneutischer Übung. Hier liegen aber auch Möglichkeiten, in einfacher Sprache und in Alltagsituationen das Besondere unserer diakonischen Arbeit deutlich zu machen.
Es wurde sodann vereinbart, mit den Führungskräften nach Abschluss der einrichtungsinternen
Workshops zu einer weiteren Runde zusammen zu kommen, um das Bisherige auszuwerten und
auf der Ebene der Leitung die Strategie weiter zu besprechen.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Ausführlich wurde über den Ethikbeirat der Hilfe im Alter gesprochen. Deutlich ist, dass es sich um
ein Beratungsgremium handelt, welches eine Dienstleistung an der Hilfe im Alter und deren ethische Ausrichtung darstellt. Die Beteiligung externer Personen im Ethikbeirat wurde ausführlich
diskutiert. Mit Sicherheit wird der Ethikbeirat ein bis zwei Mal jährlich intern tagen müssen. Ein
weiteres Treffen mit der gesamten Leitungsebene der HiA sollte ebenfalls jährlich stattfinden. Es
wird sinnvoll sein, im Rahmen des operativen Auftrags des Beirats eine Art Taskforce mit ausgebildeten Moderatoren vorzuhalten. Weitere Details schlagen sich in dem Entwurf der Geschäftsordnung nieder, den Dr. Dinges bis zum Hospizkongress erstellen wird.
Am 27.04.2009 trafen sich die Projektleiter, um Details zum Kongress und den weiteren
Planungen zu vereinbaren. Der Entwurf einer Geschäftsordnung des Ethikbeirats wurde
besprochen.
Die Steuerungsgruppe und sowie 7 weitere Mitarbeitende der HiA (einschließlich der zentralen Qualitätsbeauftragten) nahmen am Kongress „Es muss alsdann gestorben sein“ teil.
Der Kongress wurde von der IFF (Wien) und dem Diakonischen Werk Bayern veranstaltet,
woran der interne Projektleiter großen Anteil hatte.
Der Kongress fand vom 28.-30.04.2009 in Nürnberg statt (s. Anhang 10.4). Auf dem Kongress wurde in der Session 2 unser Projekt dominant vorgestellt, in den wissenschaftlichen Diskurs eingebunden und damit auch öffentlich wahrgenommen. Die Präsentation
und die Diskussion waren außerordentlich erfolgreich. Sie werden in den Projektbericht
einfließen und in einer Kongresspublikation publiziert5.
Während des Kongresses wurden weitere theoretische und praktische Vernetzungen des
Projekts angebahnt:
Kontakt mit dem „Interdisziplinären Zentrum für Palliativmedizin“ (IZP) bzw. der „Christophorus Akademie“ an der Uniklinik München-Großhadern zur wissenschaftlichen Vertiefung ...
Planung eines Ethikseminars mit der „Gemeinnützigen Gesellschaft für soziale Dienste“
(GGSD) bzw. „Hospizakademie Ingolstadt“ zur praktischen Erprobung von Trainingsmodulen ...
Planung eines Seminars „Ethikberatung in der Altenhilfe“ für die „Evangelische Heimstiftung Stuttgart“ zur Kontrolle der Übertragbarkeit des Projektansatzes ...
Vom 07.-10.05.2009 trafen sich die Projektleiter am Rande des Europäischen Palliativkongresses in Wien. Besprochen wurden die Vernetzungen, die sich auf dem Kongress
mit europäischen Kollegen in Sachen Ethik am Lebensende ergeben haben. Die Vernetzung rund um das Thema Würde im Alter umfasst inzwischen nicht nur rein palliativmedizinische Themen, sondern auch Anschlussthemen wie Demenz, Spiritualität und Ethik.
Konzipiert wurde ein Publikationsprojekt zum Ethikprojekt der HiA. Geplant wurde auch die
Ergebnispräsentation im Rahmen der Leitungsrunde am 01.07.2009 in München.
Die Geschäftsordnung des Ethikbeirats wurde besprochen. Sie wird in der Entwurffassung
der Leitungsrunde vorgelegt. Die Zusammensetzung der Mitglieder des Ethikbeirats wurde
diskutiert. Der Gesamtfortgang des Projekts im Jahr 2009 wurde in den Blick genommen.
5
Geplant 2010; Lambertusverlag; als Band der IFF-Palliative-Reihe; Hg: A. Heller und F. Kittelberger
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Vom 30.06.2009 bis 02.07.2009 trafen sich die Projektleiter in München. Rund um den 3.
Leitungsworkshop wurden einige Arbeiten im Rahmen des Ethikprojekts erledigt. So wurde zunächst der Auftritt in der Leitungskonferenz vorbesprochen. Dabei wurde auch die
GO des Beirats nochmals leicht überarbeitet. Als wesentliches Ziel wurde definiert: Ein
Commitment für den Beirat von der Leitungsrunde zu erhalten. Am 01.07.2009 fand dann
das Leitungstreffen der HiA statt, auf dem der Projektstand und die weiteren Schritte diskutiert wurden.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende
Info Führungskräfte/ Konzept Beirat
Referierende
Zeit
Dr. Stefan Dinges
Dauer Inhalte / Settings / Materialien
M i t t w o c h ,
09.00
09.15
Pfr. Frank Kittelberger
15’
35’
25’
0 1 . 0 7 . 2 0 0 9 ,
Verantwortlich
9 . 0 0
–
1 1 . 3 0
U h r
Begrüßung – Einstimung, kurze Standortbestimmung
Gerhard Prölß
Was seit Projektbeginn vor einem Jahr geschehen ist …
Frank Kittelberger
Ergebnisse des Projekts (inkl. einer Themenlandkarte Hilfe im Stefan Dinges
Alter gesamt) Impuls aus der Perspektive der externen Projektbegleitung
Resonanz der Führungskräfte
Wo konnten wir anknüpfen (wo sind die Ethikthemen beheimatet,
integriert?)?
Welche Themen identifizieren wir als einrichtungsübergreifend?
Gab es etwas Bemerkenswertes rund um die Ethikworkshops?
5’
Kommentar Frank Kittelberger: Synergien / Überlappung zu den
Palliativ-Care-Aktivitäten
10.10
10’
Kaffeepause
10.20
30’
Impuls: Perspektiven der Weiterarbeit – Katalysator Ethikbeirat
Stefan Dinges
Ethisches Bewusstsein als ‚dialogische Entscheidungskompetenz’ ist auf allen Ebenen der HiA zu verankert
Welche Strukturen können hier hilfreich unterstützen?
Der strategische Beitrag eines Ethikbeirats zur Entscheidungskompetenz – Organisationsethik – diakonischen Organisationskultur
Vergewisserung des kirchlich-gesellschaftlichen Auftrags
Der Ethikbeirat im Detail
Beratung des ‚Unternehmens Ethikbeirat’ durch die anwesenden
Führungskräfte
Was sollte nicht im Umfeld des Ethikbeirats geschehen?
Was sollte unbedingt beachtet werden?
30’
11.20
10’
Wer sollte für den Ethikbeirat nominiert werden?
Vereinbarungen
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
Moderation Frank Kittelberger
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Dazu aus dem Protokoll des Geschäftsführers:
Herr Prölß begrüßt zu diesem TOP Herrn Kittelberger und Herrn Dr. Dinges, die in einem ersten
Teil anhand einer Präsentation den Verlauf und alle wichtigen Fragestellungen und Ergebnisse
unseres bisherigen Ethikprojekts darstellen. In einer anschließenden Diskussion werden verschiedene Schwerpunkte vertieft und Problemstellungen aus den Einrichtungen diskutiert. In einem
weiteren Schritt werden die Ergebnisse aus den einrichtungsinternen Workshops, die von Januar
bis April 2009 in den Einrichtungen stattgefunden haben, schriftlich verteilt und auf dieser Grundlage ebenfalls diskutiert. Schließlich verteilt Herr Kittelberger noch den „Entwurf einer Information
und Geschäftsordnung“ bezüglich der Zusammensetzung, sowie der Aufgaben und Ziele eines zu
gründenden Ethikbeirats und diskutiert auch diese Vorschläge mit der Runde. Dem Ethikbeirat, der
am 29.10.2009 ins Leben gerufen werden soll, gehören neben 5 benannten externen Mitgliedern
aus der „Fachszene“ und 10 intern berufene Mitglieder der verschiedenen Hierarchieebenen unserer Einrichtungen an. Für die Moderation dieses Beirats wird uns - zumindest noch für das erste
Jahr - Herr Dr. Dinges im Rahmen unseres Projekts zur Verfügung stehen.
Vom 14. – 16.09.2009 fand ein Seminar „Ethikberatung in der Altenhilfe“ statt, zu dem ein
externer Anbieter (GGSD) die Projektleiter als Referenten kontraktiert hatte (s. Anhang10.5). Das Seminar konnte genutzt werden, die Instrumente und Tools der Moderation einzuüben und auf die Situation der Altenhilfe spezifisch abzustimmen. Die jüngsten
Erkenntnisse aus dem Projekt konnten direkt einfließen. Umgekehrt konnten Erkenntnisse
aus dem Seminar auf das Projekt rückwirken.
Vom 27.-29.09.2009 trafen sich die Projektleiter mehrfach in München. Rund um das Strategiegespräch mit der Geschäftsführung und einem Termin in Eichenau wurden Aufgaben
vorangebracht.
-
Vorbereitung Steuerungsgruppe.
-
Ausblick: Wo wollen wir hin? Was braucht die HiA in 2010?
-
Vorbesprechung Übungsfall Eichenau
-
Vorbesprechung Kongress in Berekfürdö (Oktober)
Am 28.09.2009 fand eine zusätzliche Ethikbesprechung (Übungsfall) mit einem Team in
Eichenau statt. Die Arbeit zeigte gut, wie Themen der Station mit Themen der Einrichtung
und des Trägers verbunden sind. In der Einschätzung und Strategie des Teams wurden
Perspektiven sichtbar. Die Be-obachtung der Besprechung durch einen Reporter des
„Sonntagsblatts“ war angekündigt und akzeptiert worden. Sie diente der PR unseres Projekts. Die Nachbesprechung mit dem Einrichtungsleiter ergänzte die Besprechung - auch
im Blick auf Strategien für die Einrichtung.
Am 28.09.2009 fand dann die nächste Sitzung der Steuerungsgruppe statt. Die Einschätzungen der Einrichtungen und des Gesamtprojekts wurden verglichen und diskutiert. Der
Geschäftsführer der HiA teilte unsere Einschätzungen weitgehend.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Er bat um ein Evaluationsinstrument, um die Ethikpraxis in den Einrichtungen zukünftig
überprüfbar abfragen zu können. Dies soll sich auch im QM niederschlagen. Der Ethikbeirat-Start am 29.10.2009 und die dafür von der HiA bereitzustellenden Rahmenbedingungen wurden besprochen.
In einer Abendsitzung haben die Projektleiter sodann unterschiedliche Publikationen rund
um den Projektbericht vorbesprochen und diverse Entwürfe für die Abschlussphase erstellt. Ebenfalls in der Schlussbesprechung wurde der Start des Ethikbeirats diskutiert und
der Ablauf sowie die Aufgabenverteilung für den 29.10.2009 besprochen.
Vom 19.-20.10.2009 fand in Berekfürdö in Ungarn ein Kongress statt, den die Diakonie
Ungarns (unterstützt vom DW Bayern) und dem Pastoralpsychologischen Institut der Karoly-Universität (Kecskemet) organisiert hatte (sh. Anhang 10.6.). Auf diesem Kongress präsentierte der externe Projektbegleiter den erarbeiteten Ansatz zur Ethikberatung in Altenheimen erfolgreich. Die Resonanz war groß und erste Erkenntnisse zu Übertragbarkeit
des Ansatzes wurden gesammelt.
Am 29.10.2009 abends wurde der Ethikbeirat konstituiert. Die Konstituierung war ein großer Erfolg. Es gab öffentliche Aufmerksamkeit (epd-Meldung, Berichte und Presse im Vorfeld und danach; Rundfunk vor Ort) und Würdigung durch die Andacht der Regionalbischöfin. Der Beirat wurde in sein Amt eingesetzt und die Geschäftsordnung angenommen.
Ein ausführliches Protokoll hierzu wurde erstellt
Im Zusammenhang mit der Einrichtung des Ethikbeirats erfolgten weitere bilaterale Absprachen und Planungen sowie in einem kurzen Gespräch am Rande der Konstituierung
des Beirats. Die Ergebnisse des Strategietreffens vom September wurden dabei bekräftigt.
Aus beiden Treffen ergeben sich nun folgende Vereinbarungen mit der Geschäftsführung:
Die Rolle des externen Projektbegleiters endet mit Vorlage des Schlussberichtes im Dezember.
Das macht den Weg frei für folgende Entscheidung:
Der externe Projektbegleiter wird externes Mitglied des Ethikbeirats, was in der konstituierenden
Sitzung bereits so publiziert wurde (Teilnehmerliste). In dieser Rolle wird er zu den gleichen Bedingungen mitarbeiten, wie die anderen externen Mitglieder.
Dr. Dinges steht dafür der HiA im Jahr 2010 als Berater / Trainer des Ethikbeirats erneut zur Verfügung. Dabei sollen Besprechungen mit der Geschäftsführung und der Heimleiterkonferenz, Vorbereitungen in der Geschäftsführung des Ethikbeirats und etwaige Moderationstrainings kontraktiert. werden Die Vorabsprachen sind getroffen. In den nächsten Wochen werden wir der Geschäftsführung eine Maßnahmen- und Kostenplan für die Begleitung des Betriebs von Ethikberatung und Ethikbeirat in 2010 vorlegen. Die neue Rolle von Dr. Dinges ist in diesem Rahmen von
der GF zu beauftragen.
In diesem Kontext werden wir Synergien nutzen, um an solchen Tagen Trainings und Übungsberatungen in den Einrichtungen anzubieten und dabei die im Beirat beauftragte Fortbildung zu realisieren.
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Vom 12.-13.11.2009 fand eine Fachtagung für Führungskräfte der Evangelischen Heimstiftung Stuttgart statt (sh. Anhang 10.7). Die Projektleiter waren als Referenten geladen,
um diesem großen Träger der Altenhilfe (ca. 70 Einrichtungen) ein Modell der Implementierung von Ethikberatung vorzustellen und mit den Führungskräften an einer möglichen
Strategie in dieser Sache zu arbeiten.
Am 18.12.2009 wurden beim letzten Treffen der Projektleiter in München die Vorarbeiten
zum Schlussbericht abgeschlossen. Dieser Bericht wurde dann mittels telefonischer
Absprachen im Winter 2009/2010 erstellt.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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4.
Die Themenlandschaft in der HiA
Die Themen, die in den beiden unterschiedlichen Typen von Workshops in den Einrichtungen der HiA aufgeworfen wurden, sind aufschlussreich für die ethische Entscheidungskultur einerseits (die vorhandene und die erwünschte) und für den Ethikbedarf andererseits. Die daraus entstehende Themenlandkarte kann als ein wichtiges Instrument für die
Arbeit und die Weiterentwicklung in den Häusern gesehen werden. Es sind jene Geschichten und Themen, die vor allem Mitarbeitenden6 aufwerfen, wenn sie nach guter Arbeit und
Versorgungen gefragt werden, nach Geschichten, die ihnen nachgegangen sind und von
denen sie glauben, dass ‚man’ auch hätte anders entscheiden können. Diese Themen
führen wieder zur Grundannahme, dass Ethikberatung jene Themen besprechbar macht,
die in einer Organisation besprochen werden müssen, um weiterhin den Organisationszweck (in der Altenhilfe z.B. menschenwürdige Versorgung im Alter) zu gewährleisten und
selbst zukunftsfähig zu bleiben.
Die zweite Grundannahme ist, dass dazu die Widersprüche einer Organisation sichtbar
gemacht und das Nichtentscheidbare entschieden werden sollte. Einer der Widersprüche,
auf die wir immer wieder stoßen, ist die Anforderung, menschenwürdige Versorgung im
Alter zu garantieren und als Widerspruch dazu die gesellschaftliche Abwertung des Alters.
Dies ist weniger daraus abzuleiten, dass das jugendliche Aussehen ein Schönheitsmaßstab ist etc., sondern vielmehr an der permanenten Ressourcenknappheit, die für die Versorgung alter Menschen gesellschaftlich zur Verfügung gestellt werden. Simone de Beauvoir hat bereits 1970 in ihrem Buch „Das Alter“ daraufhin gewiesen, dass sich die Humanität einer Gesellschaft daran ablesen lässt, welchen Aufwand und welchen Verzicht sie zu
leisten bereit ist, um ihre Alten zu versorgen. 7
Ein Beispiel für die Figur des Nichtentscheidbaren, das es zu entscheiden gilt, ergibt sich
z.B. bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Behandlung oder Nicht-Behandlung bei
dementiell erkrankten Bewohnern oder nicht mehr auskunftsfähigen PatientInnen: Ob etwas Sinn macht, ist letztlich dem Individuum und ihrer / seiner Entscheidung anheim gestellt. Viele Entscheidungssituationen in der Altenhilfe sind jedoch dadurch charakterisiert,
dass es trotz einer Willensäußerung, einer Stellvertretung oder einer Patientenverfügung
nicht mehr zweifelsfrei möglich ist, zu entscheiden, was in dieser oder jener Situation sinnvoll im Sinne der BewohnerIn oder PatientIn wäre. Hier hilft Ethikberatung, indem sie die
Entscheidung nicht auf einer singulären Perspektive begründet, sondern auf einer strukturierten Bearbeitung in einem interdisziplinären, multiprofessionellen Setting.
Zurück zu den Workshops in den Einrichtungen: Die eingesetzten Instrumente hatten, wie
bereits erwähnt, einen unterschiedlichen Fokus und eine unterschiedliche Durchdringungstiefe in der jeweiligen Einrichtung. Die ethische Bearbeitung einer Fallgeschichte
geht bei einer Person und dem betreuenden Team in die Tiefe. In einer vorausschauenden (prospektiven) Bearbeitung, wenn alle relevant Betroffenen beteiligt werden konnten,
kommt es in der Regel zu einer unmittelbaren Entscheidung oder zu einer Empfehlung die
dann zeitnah umgesetzt wird. Hier wird insbesondere eine Verhaltensänderung auf Teamebene oder bei einzelnen Personen möglich.
6
7
Für den weiteren Verlauf der Implementierung ist die verstärkte Integration der Perspektiven von BewohnerInnen und ihrer Angehörigen zu beachten; in der ethischen Bearbeitung der Bewohnergeschichten
war diese Perspektive ja schon vorhanden.
De Beauvoir, Simone, (1972) Das Alter (La Vieillesse 1970) , Rowohlt Verlag : Reinbeck
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Ob sich auch etwas an den Arbeitszusammenhängen und an den organisationalen Rahmenbedingungen ändert bzw. diese Kontexte gesehen werden, ist nicht immer garantiert.
In einer nachschauenden (retrospektiven) Aufarbeitung einer Fall-Geschichte können diese Kontexte und das organisationale Lernen in den Mittelpunkt gestellt werden. Sich als
Team oder Einrichtung zu verbessern, obwohl zuvor gute Arbeit geleistet wurde, ist eine
starke Motivation, sich den identifizierten Themen zu stellen. Die Befürchtung, an den
Pranger gestellt zu werden, verhindert jedwede Motivation. Deswegen ist dafür Sorge zu
tragen, dass die strukturierte Bearbeitung von retrospektiven Fallbesprechungen keinesfalls in eine ‚Schuldigensuche’ oder in ein Tribunal ausarten. Verantwortungsübernahme
und gemeinsames Fokussieren auf notwendige Veränderungen ist dagegen das anzustrebende Ziel.
Bei der Stärken-Schwächen-Analyse liegt der Fokus der Themen viel näher an den Teamund Organisationsaufgaben. Die individuelle Bewohnergeschichte bzw. die aktuelle Versorgungssituation ist eher der Katalysator für eine Problemstellung bzw. für eine notwendige Lösung oder ein Entwicklungsschritt.
4.1
Die Themenlandkarte der Fall-Geschichten
(aus den eingebrachten Fragestellungen für eine strukturierte Bearbeitung)
Scham von BewohnerInnen, zur Last zu fallen und pflegebedürftig zu sein
(Über-) fordernde BewohnerInnen (mit Einfluss, Macht)
Mobilisierung, Gedächtnistraining wider Willen
Unruhige, aggressive BewohnerInnen, mit Tendenz zu Zerstörungen, Ekel auslösende Handlungen, täglicher depressiver Sterbewunsch
Sexuelle Übergriffe gegenüber MitarbeiterInnen (z.B. in der Demenz)
Unterschiedliche Positionen im Team bei klarem Patienten / Bewohner-Willen
Aufträge von Angehörigen, die das Team auszuführen haben
Konsequentes, kontinuierliches Einbeziehen des Hausarztes
Schwierige und belastende Sterbesituation, z.B. Atemnot, Ersticken, trotz Einstellen der Ernährung
längeres Sterben, Sterben im Doppelzimmer, starke Blutungen, Schmerzen
Ausreichende seelsorgliche und spirituelle Begleitung am Lebensende
Entscheidung / Abwehr eines (dementen bzw. gerontopsychiatrisch veränderten) Bewohners gegen Krankenhaus, Reanimation, lebensverlängernde Maßnahmen, Ernährung, Verweigerung von
Pflegemaßnahmen, Medikamentengabe
Krankenhauseinweisung wider Willen, Notarzt-Modus, Nicht-Beachtung von Patientenverfügungen
Ausreichende Versorgung, ausreichende Schmerztherapie und Symptomkontrolle im Sterbeprozess
Entscheidung über Ernährung (PEG) bei Dementen und / oder am Lebensende
Entscheidungen von Führungskräften, die nicht begründet werden
Ansprechen von Pflegefehlern (Dekubitus, Sauberkeit) bzw. unangemessenes Verhalten von KollegInnen (Verstoß gegen Vereinbarungen, Regeln, Standards)
Anordnungen von Betreuern, Amtsärzten – gegen das Team / Haus
Im Vergleich zu ähnlichen Projekten im Krankenhaus fallen einige Beobachtungen auf: Es
gibt eine erhöhte Sensibilität auf Alltagsthemen, die als ethisch bedenklich gesehen werden; dagegen treten die Krisengeschichten in den Hintergrund: Die Entscheidungen auf
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Leben und Tod, die im medizin-dominierten Krankenhaus an der Tagesordnung sind, treten zurück. Eine verstärkte Aufmerksamkeit liegt auf guter und angemessener Pflege.
Damit wird auch der Dominanz der Pflegeberufe im Alten- und Pflegeheim Genüge getan.
Die Schwachstelle einer angemessenen und ausreichenden medizinischen Versorgung
wird gesehen. Aus diesen Perspektiven lässt sich vermuten, dass in den Altenhilfe weniger ein ‚Zuviel’ am Lebensende, sondern eher ein ‚Zuwenig’ an (medizinischer) Versorgung zum Thema wird und in den Einrichtungen bedacht werden muss.
Ähnlich wie im Krankenhaus werden Themen und Fragestellungen markiert, die von außen in die Einrichtung getragen werden: Die Wünsche von Angehörigen und anderen Bezugspersonen, Anordnungen von Betreuern, Amtsärzten und den medizinischen Diensten
der Krankenkassen werden oft als Störung und mit zu wenig Verständnis für die Alltagsarbeit markiert. Ähnlich wie im Krankenhaus fällt es aus vielerlei Gründen schwer, Außenperspektiven als Unterstützung zu nutzen bzw. als nützlich zu integrieren. In den Pflegeund Altenhilfeeinrichtungen der HiA konnte hier bereits ein Fortschritt durch das PalliativProjekt erreicht werden, indem Ehrenamtliche und Palliativdienste in die Versorgung einbezogen wurden. Bei der Zusammensetzung des Ethikbeirats wurde ebenfalls auf diese
wichtige Außenperspektive geachtet.
4.2
Vertiefende Einsichten aus der Evaluation im Projektteam
Alle Workshops zu den ethischen Fallberatungen hatten ein erstaunlich konstruktives Setting und Klima; trotzdem ergaben sich einige wenige Beobachtungen, die wir aufgreifen
wollen. Unserer Einschätzung nach haben sie etwas damit zu tun, dass organisationsrelevante Themen ‚auf den Tisch kommen’ und einen sensibel-kompetenten Umgang damit
fordern.
Beobachtung 1: Es fällt im Rahmen der Beschreibung von Fallgeschichten auf, dass die Berichtenden schwer „auf den Punkt kommen“; Geschichten werden ausschweifend erzählt und starten oft mit unwesentlichen Details, andere Teilnehmende werden unruhig.
Interpretation: Gerade in der knappen Zeit der Alltagsroutinen werden Auszeiten genutzt, um sich
belastende Dinge von der Seele zu reden; manchmal weist es auch auf hinderliche Muster im Alltagsverhalten hin. Die ‚GeschichtenerzählerInnen’ haben relevantes Wissen über eine Betreuungssituation. Wenn sie jedoch nicht auf den Punkt kommen (eigentlich: das relevante Thema
nicht in den Vordergrund stellen) wird ihnen nicht zugehört, die problematische Situation bleibt
offen. Mitunter verstummen diese Mitarbeitende frustriert.
Intervention: Es braucht eine Anleitung zur gezielten Informationsweitergabe. Worum geht es
(fachlich – palliativ - ethisch)? Was ist die Vorgeschichte? Was sind relevante Fakten (physisch,
psychisch, sozial, spirituell)? Wie sind diese zu gewichten und zu bewerten? Was gibt es an Handlungsmöglichkeiten, Alternativen, Konsequenzen? Was könnte der nächste Schritt sein (klären:
Verantwortlichkeiten - Entscheider - zu Beteiligende)? Die Leitungsverantwortlichen sind zu befähigen, relevantes Wissen zeitgerecht von den Mitarbeitenden zu generieren; moderierte Besprechungsroutinen sollen dabei unterstützen, damit das Wesentliche an Informationen allen verständlich zur Verfügung steht. Als weiterer Baustein wurde daher das Formular zur Einbringung einer
Fallgeschichte dahingehend überarbeitet, dass es anschließend auch als Protokoll und Dokumentation dient. Damit sieht jeder, der eine Fallgeschichte zur ethischen Bearbeitung anmeldet, wie
der Bearbeitungsprozess weitergeht.
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Beobachtung 2: Im Rahmen der Fallbesprechung entsteht die Tendenz, dass Leitungsverantwortliche beginnen, Beteiligte zu belehren.
Interpretation: Führungskräfte erkennen in der Fallbearbeitung einerseits ihre Verantwortung gegenüber bestimmten Themen; anderseits zeigen sich unterschiedliche Wissensbestände und
Nachholbedarf im Bereich von Fachkompetenz und persönlichen Fähigkeiten.
Intervention in der Moderation: Die / der ModeratorIn leitet dazu an, nur das, was zur unmittelbaren
Fallgeschichte gehört, kurz anzuführen; Führungskräfte sollen anderen Orts, bei nächster Gelegenheit geeignete Maßnahmen ergreifen, z.B. eine interne Weiterbildung abhalten.
Im Rückblick auf die Bearbeitung der Fallgeschichten stellt sich die Frage nach der Prävention (und damit konkretisiert sich eine Aufgabe für die Moderation): Was sollte in den
Teams vorausschauend gelernt und organisiert werden? Wie schauen die Prozeduren aus
bei:
unterschiedlichen Positionen bzw. Konflikten zwischen Angehörigen (Bewohner-Innen) und dem
Team?
unterschiedlichen Positionen bzw. Konflikte zwischen Team und HausärztInnen?
Konflikten im Team, zwischen Leitung und Team?
4.3
Die Themenlandkarte der Softanalysen
Aus den Softanalysen greifen wir insbesondere jene Themen auf, die als Schwächen bzw.
als Herausforderungen genannt wurde – hier zeigt sich der Entwicklungsbedarf der Personen, der Teams und der Einrichtungen. Im Moderationsprozess ist es ebenso wichtig, mit
den Stärken und Chancen zu arbeiten (eine detaillierte Anleitung findet sich in der Materialbox). Die Themen aus den Softanalysen wurden nach den Stichworten Pflegekultur,
Kommunikationskultur, Teamkultur und Einrichtungskultur aufgegliedert.
Ethische Herausforderungen in der Pflegekultur
Zu wenig Biographie der Bewohner
Viele demente BewohnerInnen => hoher Stressfaktor
Oftmals fehlt die Zeit, mit Angehörigen / Bewohner in Ruhe zu sprechen
Andere Bewohner, die drängen
Patientenverfügungen oftmals nicht vorhanden / nicht aktuell / werden nicht anerkannt
Zerstrittene Angehörige, die gegensteuern oder ihre Meinung ändern
Ethische Herausforderungen in der Kommunikationskultur
Getroffene Absprachen werden nicht eingehalten
Ängste über Gefühle zu reden
Zu wenig Austausch unter den Mitarbeitenden
Ethische Herausforderungen in der Teamkultur
Überlastung der Teams durch Personalwechsel, Aushilfskräfte, Zeitarbeit
Oft unterschiedliches Verständnis und Empfinden von Situationen
Zeitlicher Rahmen durch Rahmenbedingungen von außen sehr eng
Arbeit wird durch „Unorganisiertheit, Unordnung“ im normalen Ablauf gestört
Teams / Bereiche überlastet (durch hohe Krankenstände)
Alte, eingefahrene Abläufe, ‚resistente’ Mitarbeitende
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Negatives Gerede
Widerstände gegen fachlich begründete Veränderungen
Kommunikation mit und bis zu den Pflegehelfern funktioniert nicht immer
Uneinigkeit im Team
Ethische Herausforderungen in der Hauskultur
Zuviel administrative Aufgaben in der Pflege (bessere Organisation der Aufgaben?)
Zeitweise geringe Wertschätzung der Hauswirtschaft (Selbsteinschätzung: die HW macht das
schon … - wird hier Verantwortung abgeschoben?!)
Engpässe lösen zuviel Stress aus
Immer neue Zeitarbeitsmitarbeitende und Krankheitsausfälle – deswegen keine gute Arbeitsplanung möglich
Zuviel egoistisches Verhalten (mein Team, unsere Station, etc.)
Cliquenwirtschaft – Teams klinken sich aus
Mobbinggefahr
Leitungen haben den Drang, Teammitglied sein zu wollen
Zu wenig Abgrenzung zum Team
Der sehr hohe Qualitätsanspruch lässt zu wenig Zeit übrig, um sich z.B. mit persönlichen
Gesprächen zu befassen
Vor lauter „Qualitätsverbesserung“ und ständig sich ändernden Vorgaben geht der Blick für das
Wesentliche verloren
Mitarbeitsstruktur (nicht alle Mitarbeitende können / wollen sich mit dem Ethik-Thema beschäftigen)
Pflegerisch wichtige Info (z.B. MRSA) müssen geordnet die Bereiche Küche und Hauswirtschaft
erreichen
Nur Pflichten – wenig Anerkennung
Argumentation gegenüber MDK nicht immer einfach
Zu schnelle Zimmerräumung (bei Sozialamt sofort) -> „der nächste wartet schon“ -> Geld „Freihaltegebühr“ einfordern
Im Folgenden ist zu reflektieren, inwieweit Alltagsthemen, die von den Mitarbeitenden benannt wurden, ethische Relevanz haben und Inhalt ethischer Reflexion werden.
4.4
Die herausfordernden Alltagsentscheidungen
In der Altenhilfe sind jeden Tag herausfordernde Entscheidungen zu treffen: Ist es gerechtfertigt, physische oder psychische Gewalt anzuwenden, um einen Bewohner zu waschen, der sich dagegen wehrt? Ist es legitim, die Freiheit einer Bewohnerin einzuschränken, die unruhig ist und versucht aus dem Heim in die alte Wohnung zu laufen? Sollen
verwirrte PatientInnen über eine Magensonde ernährt werden, aus Gründen eines allgemeinen Lebensschutzes – auch gegen ihren erklärten oder geäußerten Willen? Dürfen
medizinische Behandlungen ohne Zustimmung an bettlägerigen PatientInnen durchgeführt
oder unterlassen werden? Und: wer hat eigentlich zu entscheiden? Die besorgten Angehörigen, die kompetente Pflegeperson, die erfahrene Pflegedienst- und Heimleitung – oder
die / der Betroffene selbst? Die Entscheidungssituationen in der Altenhilfe sind komplex
und lassen sich nicht leicht entscheiden. Die Folge: Wichtige Entscheidungen werden delegiert oder gar nicht entschieden. Es entsteht der Eindruck, am Ende des Lebens geht es
eigentlich um Nicht-Entscheidbares.
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Der zweite Eindruck: Die ethischen Herausforderungen sind in den Einrichtungen der Altenhilfe anders gelagert als in den Krankenhäusern. Sabine Wadenpohl hat in einem der
ersten Workshops für Ethikberatung (2002) in den Altenhilfeeinrichtungen der Kaiserswerther Diakonie postuliert: Ethik(-beratung) in der Altenhilfe ist weit weniger von der Dynamik „auf Leben und Tod“ geprägt, sondern eigentlich eine Ethik eines (maßvollen) Lebens angesichts des Todes. Deswegen liegt die Vermutung nahe, dass es auch andere
Instrumente und Routinen der Ethikberatung braucht, als sie in der klinischen Ethikberatung entwickelt wurden.8
Das Schwierige an diesen (Alltags-)Entscheidungen ist: Sie lassen sich nicht ein für alle
Mal entscheiden. Sie müssen zwischen dem Einzelnen mit ihrer / seiner individuellen Geschichte und einer verantwortlich gerechten Betreuung aller Bewohner und den vorhandenen Ressourcen balancieren. Der Medizinethiker Erich Loewy hat das Schwierige auf den
Punkt gebracht: Am Lebensende haben wir beim Entscheiden selten die Wahl zwischen
gut oder besser. Es gilt zu entscheiden „zwischen miserabel und hundsmiserabel“ – zumindest auf den ersten Blick, vor allem aus dem Blickwinkel der Mitarbeitenden und der
Angehörigen. Diese machen Druck: Das ist ja nicht mehr zum Aushalten, nicht mehr
christlich, unwürdig! Da muss man doch etwas machen! Vielleicht hätte jedoch die Bewohnerin oder der Bewohner gewollt, dass jetzt nichts mehr gemacht wird. Auch wenn
dass Angehörige und Mitarbeitende schwer aushalten.
Dazu verändern sich die Rahmenbedingungen dramatisch: Das Eintrittsalter in Altenhilfeeinrichtungen hat sich in den vergangenen Jahren von durchschnittlich 75 Jahren auf weit
über 82 Jahren gesteigert, mit bis zu 10 Erkrankungen, einem hohen Anteil dementiell
veränderter Menschen und damit verbunden mit einem hohen Pflegebedarf 9.
Angesichts dieser Entwicklung stellt sich in vielen Einrichtungen die Frage, wie sich hier
eine kontinuierliche Reflexion auf Bedürfnisse der BewohnerInnen, auf angemessene Versorgung und auf die stattfindenden Wertekonflikte bzw. das diakonische Profil organisieren
lässt. Und: Was kann eine eigene Konzeption von Ethikberatung in der Altenhilfe dazu
beitragen? Die Mitarbeitenden der HiA haben sehr wohl konkrete Vorstellungen und Wünsche für besseres Arbeiten und Entscheiden! Nachfolgend die Ergebnisse der Auswertung. Insbesondere die aufgeworfenen Fragen sind paradigmatisch für die ethische Reflexion.
8
9
Die entsprechenden Publikationen von Steinkamp/Gordijn (Ethik in Klinik und Pflegeeinrichtungen. Ein
Arbeitsbuch, Neuwied-Köln-München: Luchterhand, 2005) bzw. Dörries et al.(Klinische Ethikberatung.
Ein Praxisbuch, Stuttgart: Kohlhammer 2008) erscheinen jeweils in der 2. Auflage mit dem erweiterten
Blick für die Altenhilfe
Vgl. z.B. Schulz, Andrea: Traditionelle und alternative Wohnformen für Seniorinnen und Senioren,
Hamburg: Diplomica Verlag, 2004; Them, Christa, Deufert, Daniela, Fritz, Elfriede: Die »Haller Altersstudie«, Vortrag im Rahmen der Tagung »Pflegebedürftig« in der »Gesundheitsgesellschaft«, (26. 28. März.2009), Halle/Saale, in: Hallesche Beiträge zu den Pflegewissenschaften , Gesundheits- und
Pflegewissenschaften 44 (2009) 3-15
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Perspektiven und Bedarfe aus den Schlussrunden der Workshops
Ebene der Bearbeitung von ethischen Themen und Geschichten
Aufnehmen von Gefühlen und Intuition als Indikatoren von Ethikthemen
Wir brauchen nicht eine gemeinsame Perspektive / Konsens, um gemeinsam zu handeln - Aushalten von Dissens muss geübt werden
Methodensicherheit mit den Instrumenten
Instrument „Analyse von Fall-Geschichten“ in die Routine der Einrichtungen übernehmen
Perspektive der Situationseinschätzung (als ein relevantes Ergebnis) ist entlastender – gegenüber
dem herrschenden Lösungsdruck
Schaffung von ‚Besprechungsräumen’ und Gesprächgelegenheiten
Wie sieht die Routine-Kommunikation mit ‚Externen’ (Ehrenamtlichen, Hausärzten, etc.) aus?
Wie wird damit umgegangen, wenn bestimmte (ethische) Themen immer wieder auftauchen?
Einbeziehen des Qualitätsmanagements in ethische Reflexionen – insbesondere wenn es ansteht
…
Aktuell virulente Themen und Geschichten zeitnah aufgreifen – durchaus retrospektiv bearbeiten
Wichtig ist hier HausärztInnen zu beteiligen
Es gibt einen guten Umgang mit Sterben und Tod – die Herausforderung ist der Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten einzelner Mitarbeitender
Wie kann das Wissen aus den Workshops an andere Mitarbeitende weitergeben werden?
Team und Organisationsperspektive
Wertschätzende, gewaltfreie Kommunikation ist notwendig und hilfreich
Stärkung der kommunikativen Alltagskompetenz der Mitarbeitenden
Schnittstellen sind eine Chance für Kommunikation
Mehr Verständnis / Kenntnis anderer Arbeitsbereiche
Wie Aushilfs- und Zeitarbeitskräfte an Kommunikations-, Team- und Einrichtungskultur beteiligen?
Eine Fallbesprechung verändert nicht den Bewohner mit seinen Auffälligkeiten – aber vielleicht das
Team mit seinen bisher erfolglosen Mustern …
Strukturierte Kommunikation bei Übergaben einführen / überprüfen
Interprofessionalität wahren
Expertise des Hospizkreises mit Stationsleitungen teilen / einbinden
Regelmäßige Stärken- / Schwächenanalyse – Vernetzungen und Schnittstellen sichtbar machen
Thema „Umgang mit Zeitmangel“ zum Führungsthema machen – dahinterstehende Unsicherheiten, Ängste, Rollen - und Auftragsunklarheiten bearbeiten …
Teamentwicklung an den herausfordernden Themen betreiben
Besseres Nutzen von Ressourcen der Mitarbeitenden ist auch eine Form der Anerkennung
Es braucht Rückendeckung für die Mitarbeitenden - bis wohin geht diese?
Wenn Mitarbeitende nicht an weitreichenden Entscheidungen beteiligt sind (z.B. wg. Urlaub), wie
werden sie angeschlossen?
Kommunikation und Ethik sind führungsrelevant
Übergreifende Themen
Welcher Umgang mit externen Institutionen (MDK, Heimaufsicht, Bürokratie) würde der HiA-Kultur
entsprechen?
Stellung von ambulanten Diensten in den Einrichtungen
Gesamtblick / Gesamtbild von Themen, Informationen, Herausforderungen in der HiA
Kommunikation von guter Praxis HiA-weit
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Um diese Themen gilt es, Verfahrensregeln, Routinen und Strukturen zu entwickeln, einzuüben und zu pflegen, damit die herausfordernden Entscheidungen möglichst gut und
zeitnah getroffen werden können:
Eine gute Entscheidung beteiligt alle Betroffenen: BewohnerIn, Angehörige,
Teammitglieder und Einrichtungsleitungen sowie (Haus-)Ärzte;
Eine gute Entscheidung dient in erster Linie der Bewohnerin / dem Bewohner und würdigt
sie / ihn als Einzelperson;
Eine gute Entscheidung ist eine, die getroffen wird!
Belastend für alle Beteiligten ist, wenn nichts entschieden wird. Wenn Entscheidungen
aufgeschoben, verweigert, verhindert oder solange wegdelegiert werden, bis es nichts
mehr zu entscheiden gibt. Und so einfach es klingt: Bessere Entscheidungen beginnen mit
der Erlaubnis, zu fragen. Solche Fragen sind entscheidend für die Kultur: Ist es gut (für
den Bewohner), wie wir hier arbeiten? Was heißt für die HiA gute Arbeit, gute Pflege, gutes Sterben?
Die Zielsetzung ist eine Entscheidungskultur, die von allen Mitarbeitenden und Führungskräften mitgetragen und mitgestaltet wird und die allen BewohnerInnen und ihren Angehörigen zugute kommt. Als ein Teil einer diakonischen Entscheidungskultur gilt es, zu fragen,
welchen Unterschied es denn macht, ob jemand in einer Einrichtung der Diakonie gepflegt
wird? Gute Pflegequalität wird ja in allen anderen Einrichtungen auch erwartet – was also
ist der konfessionelle, christliche, diakonische Mehrwert? Der christliche Weg, die protestantische Haltung, die diakonische Verantwortung – das sind Wertepräferenzen im Wettbewerb mit anderen. Auch dies wurde als Herausforderung sichtbar und benannt.
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5.
Reflexionen
5.1
Die Doppelbewegung des Projektverlaufes und seine Herausforderungen
Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, dass es in der HiA eine ausgeprägte Leitungskultur gibt. Die Top-down-Verankerung des Projekts war eines seiner Erfolgsgeheimnisse. Das Commitment Bottom-up wurde wesentlich durch die inhaltliche und personelle Nähe zum erfolgreichen Palliativprojekt erreicht. Gelegentlich sind auch kritische
Stimmen laut geworden, sowohl gegenüber der Einführung ethischer Fallbesprechung, als
auch in Bezug auf den Ethikbeirat. Der Tenor war: Die da oben, was hat das mit uns zu
tun? Das weist auf einen Informationsbedarf hin, der in der weiteren Implementierung offensichtlich verstärkt werden muss. Auch zeigt dies, dass es für eine breitere Akzeptanz
auf Einrichtungsebene mehr Einübung in die ethischen Instrumente braucht, sowie eine
Verankerung in allen Alltagsroutinen. Die Frage nach den ethisch relevanten und virulenten Themen darf sich nicht auf den ersten Durchgang erschöpfen, sie muss (wie die Frage
nach dem Palliativbedarf) regelmäßig gestellt werden. Im Sinne der nachfolgend vorgestellten Evaluation ist hier von den Führungskräften die Verantwortung für eine ethische
Aufmerksamkeit und Entscheidungskultur zu übernehmen. Mit der Steuerungsgruppe
wurde demgemäß vereinbart, dass in der Konferenz der Einrichtungsleitungen nicht nur
über die Aktivitäten des Ethikbeirats berichtet wird, sondern dass auch jede Einrichtung
weitere Aktivitäten planen und durchführen und in der Heimleiterkonferenz wenigstens 2x
jährlich berichten wird. Die klare Führungskultur der HiA könnte hier ohne Selbstverpflichtung auch zu einem Stolperstein in den Umsetzungen für eine ethische Entscheidungskultur werden. Insbesondere bei der Veröffentlichung und Bearbeitung der organisatorischen
Dilemmata der einzelnen Einrichtungen war eine Zurückhaltung spürbar, diese im Sinne
kollegialer Beratung im Führungskreis vertiefend zu bearbeiten. Dem äußeren Eindruck
nach herrscht hier ein ‚föderales Prinzip’ – die einzelnen Einrichtungsleitungen haben einen guten Handlungsspielraum mit großem Respekt vor ihrer Selbständigkeit. Nichtsdestotrotz wird auch hier ein kollegiales Ansprechen von ethischen Herausforderungen – wie
in den Einrichtungen von den Mitarbeitenden gefordert - eingeübt werden müssen, damit
die Strukturen und Instrumente lebendig bleiben und ihre Dienstleistungsfunktion übernehmen können. Letztlich ist dabei auch auf die Vorbildwirkung aller Führungskräfte hinzuweisen: Keine/r wird sich (selbst-)kritisch ethischen Herausforderungen stellen, wenn
nicht die Führungskräfte eine entsprechende Praxis vorleben. So sind neben dem einrichtungsübergreifenden Ethikbeirat auch in den einzelnen Einrichtungen Prozesse und Strukturen zu vereinbaren – wahrscheinlich in großer Überlappung mit den Palliative Care
Strukturen.
5.2
Beirat oder Komitee - Angemessene Sprache und Strukturen
In der Steuerungsgruppe wurde bald nach Projektbeginn vereinbart auf einen trägerweiten, einrichtungsübergreifenden Ethikbeirat hinzuzielen, auch im Hinblick auf die zuvor
skizzierte Führungskultur in der HiA. Ebenso schnell wurde deutlich, dass ein solcher Beirat als ein echtes Beratungsgremium zu konzipieren sei, mit ausreichender interner und
externer Expertise. Es sollte in der Konzeption auch eine deutliche Unterscheidung von
den Konzeptionen Klinischer Ethikkomitees getroffen werden. Dort tauchen immer wieder
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Widerstände gegen Ethikberatung deswegen auf, weil die Komitees zu weit entfernt und
zu abgehoben erlebt werden. Eine Befürchtung in den Krankenhäusern ist auch, dass
Entscheider in ihren Entscheidungsbefugnissen eingeschränkt werden. Die Konzeption
eines Beratungsgremiums, auf das sich die unterschiedlichen Leitungsebenen verbindlich
beziehen, sollte diesen Widerständen Vorschub leisten. Was sind aus heutiger Perspektive Arbeits- und Entscheidungsprinzipien, die es der Ethikberatung und dem Ethikbeirat
ermöglichen werden, etwas zu einer verbesserten Entscheidungskultur und damit zu besseren Entscheidungen beizutragen?
Im Projektverlauf bestätigte sich, was einige Einrichtungsleitungen vorweg gefordert hatten: Eine verbesserte Entscheidungskultur lässt sich weder durch erweiterte Entscheidungskompetenzen von Einzelnen (durch Moderationstraining) noch durch kollegiale Beratung auf der Ebene einer Einrichtung (durch Ethikberatung) allein erreichen. Es wurde
deutlich, dass viele ethische Herausforderungen zwar lokal beim Einzelnen beginnen,
gleichzeitig aber auch eine globale, trägerweite Dimension haben. Sie betreffen die HiA
als Träger der Einrichtungen, und sie stehen im Zusammenhang mit der Entwicklung eines
diakonischen Profils - eine der großen Aufgaben der evangelischen Kirchen in Deutschland. Damit das Projekt kein Strohfeuer wird, und damit die inspirierenden Projekterfahrungen weiterwirken, hat sich die HiA als Träger entschieden, einen Ethikbeirat für alle
Einrichtungen gemeinsam zu etablieren 10. Dies ist der erste Ethikbeirat in Bayern, den ein
Träger der stationären Altenhilfe eingerichtet hat. Vergleichbar mit den klinischen Ethikkomitees werden die Mitglieder des Ethikbeirats, die Geschäftsführung und die
Einrichtungsleitungen bei grundsätzlichen ethischen Fragestellungen beraten. Dazu wurden in der Geschäftsordnung zwei Prinzipien zugrundegelegt:
1. Ethikberatung als Entscheidungshilfe
Ethikberatung bietet durch eine vereinbarte Struktur, in einem begrenzten Zeitrahmen und
durch eine wertschätzende, allparteiliche Moderation in ethisch schwierigen oder konflikthaften
Situationen, die Möglichkeit einer grundlegenden Standortbestimmung und in der Folge eine
gemeinschaftliche Entscheidungsgrundlage. Dadurch wird dem Willen eines Bewohners vorrangig Rechnung getragen, wie auch Anliegen und Bedürfnissen von Angehörigen und
Mitarbeitenden berücksichtigt.
2. Beteiligung der Betroffenen
Ein wesentliches Grundprinzip der Ethikberatung ist die Beteilung derer, die betroffen sind. In
der Hilfe im Alter gibt es in den einzelnen Einrichtungen durch das intensive Palliativprojekt
bzw. durch die dadurch entwickelten Strukturen und Kompetenzen, unterschiedliche Bausteine,
die bereits eine ethische Entscheidungskultur befördern.
Für die erste Funktionsperiode konnten neben engagierten Mitarbeitenden aus allen Berufsgruppen und Einrichtungsbereichen, aus allen Hierarchieebenen und Funktionen, und
aus allen Einrichtungen, auch namhafte Persönlichkeiten aus der ev. Kirche, aus Sozialund Gesundheitseinrichtungen, sowie aus der Hospizbewegung gewonnen werden 11.
10
11
Vgl.
Die
Pressemeldung
zur
Einrichtung
des
Ethikbeirats:
http://www.immuenchen1.de/presse/show.php?prid=296 (Aufruf 12.11.2009)
Dem Beirat gehören auch sechs externe Experten aus den Bereichen Medizinethik, Palliativ- und Hospizarbeit, Theologie, Diakonie und Kirche an: die Ärztin Bernadette Fittkau-Tönnesmann, Leiterin der
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Für die gemeinsame Arbeit wurden in der Geschäftsordnung vier Aufgaben formuliert:
(a)
die exemplarische Bearbeitung von individuellen, aber auch paradigmatischen Fallgeschichten (prospektiv und retrospektiv) aus den Altenhilfe-Einrichtungen der „Hilfe im Alter“,
(b)
die Erarbeitung von gemeinsamen Ethischen Empfehlungen und Leitlinien für die
„Hilfe im Alter“,
(c)
die Unterstützung von moderierten ethischen Fallbesprechungen / Ethikberatung in
den einzelnen Einrichtungen der „Hilfe im Alter“ und
(d)
die Ermöglichung von Fort- und Weiterbildung des Ethikbeirats sowie aller
Mitarbeitenden der HiA, um die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen und die
ethische Bewusstseinsbildung in allen Bereichen der „Hilfe im Alter“ zu fördern.
Für die erste Funktionsperiode wurde aus den internen Mitgliedern eine Geschäftsführerin
des Ethikbeirats gewählt, die von dem internen Projektkoordinator und dem externen Projektbegleiter unterstützt werden wird.
Konkretisierung des diakonischen Profils durch den Ethikbeirat
Die Arbeit des Ethikbeirats steht unter einem komplexen Auftrag. Der Beirat wird aus der
Perspektive der Mitarbeitenden und den Leitungskräften als Unterstützung ihrer Alltagsarbeit gewünscht. Die Geschäftsführung der HiA beauftragt bei der Etablierung des Beirats
seine Mitglieder explizit.
Schon in der konstituierenden Sitzung bezog sich die zuständige Regionalbischöfin - in
Vertretung des Landesbischofs - in einer Ansprache auf die Aufgabe des Ethikbeirats:
„Für die Altenhilfe in Bayern ist die Konstitution des Ethikbeirats ein Novum, für Diakonie
und Kirche ein wegweisender Schritt – einer, der längst überfällig war“. Als „Qualitätsmerkmal“ bezeichnete sie die Ethikberatung: „Ethische Wachsamkeit und Sensibilität für
die Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner“ seien unerlässliche Voraussetzung,
um die schwierigen Situationen und Entscheidungen in den Einrichtungen der Altenpflege
bewältigen zu können. Zugleich gelte es, „in einer Gesellschaft, die ein Menschenbild mit
den Attributen 'jung, schön, vital, leistungsfähig, effizient und erfolgreich' favorisiert, die
Würde alter Menschen ganz besonders zu achten" 12.
12
Christophorus Akademie für Palliativmedizin, Palliativpflege und Hospizarbeit am Klinikum Großhadern; Stadtdekanin Barbara Kittelberger, Leiterin des Ethik-Unterausschuss der Bayerischen Landessynode; der Arzt und Psychotherapeut Matthias Glück von der Palliativstation im Klinikum GarmischPartenkirchen; der Theologe und Sozialpädagoge Sepp Raischl, Leiter des Palliativ-Geriatrischen
Dienstes im Christophorus Hospizverein München; Pfarrer Traugott Roser von der Palliativstation am
Klinikum Großhadern sowie Rechtsanwalt Alfred von Hofacker, der sich als ehrenamtlicher Hospizhelfer im Ambulanten Hospizdienst der Hilfe im Alter sowie im Hospizverein Bad Tölz-Wolfratshausen
engagiert.
Aus Protokoll der Konstituierenden Sitzung des Ethikbeirats der HiA am 29.10.2009 in München
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Hier schärft sich deutlich das diakonische Profil: Die Hilfe im Alter braucht AgentInnen des
Diakonischen; HüterInnen einer voraussetzungs- und vorurteilsfreienfreien Gastfreundschaft und Würde, Seismographen für die Verletzlichkeit des Menschen. Die „Hilfe im Alter“ erwartet, dass sich ihre Mitarbeitenden für eine diakonische Ausrichtung engagierten;
diese erwarten und fordern genau dies von ihren Führungskräften. Gleichzeitig ist sich die
Geschäftsführung bewusst, dass der Träger hier Unterstützung und Vorgaben leisten
muss, in permanenten Prozessen der Selbstbeobachtung und Weiterentwicklung, des
Ausbalancierens von Unterschieden und Widersprüchen. Auch in den Unterschieden entscheidungs- und handlungsfähig zu bleiben, ist ein wichtiges Ziel für die Mitarbeitenden,
die Führungskräfte und letztlich für den Träger.
Statt Recht haben, rechtzeitig miteinander zurechtkommen
Gerhard Prölß, Geschäftsführer der Hilfe im Alter, konkretisierte sowohl in Richtung der
Mitarbeitenden wie auch des Beirats den Auftrag der Geschäftsführung:
„Wegschauen sei nicht erlaubt“, mahnte er und ermunterte die Mitglieder des Ethikbeirats:
„In diesem Projekt haben Sie die Erlaubnis, über wirklich jede Kritik und jedes Unbehagen
nachzudenken.“ Mit dem Projekt etabliere sich „eine neue Kultur der Kritik- und Entwicklungsfähigkeit“.13
Mit der Erlaubnis, kritische ethische Fragen stellen zu dürfen, wird in der Hilfe im Alter der
wachsenden Zahl ethischer Herausforderungen im Sinne einer gemeinsamen Vorsorge
begegnet. Die etablierten Analyse- und Dokumentationsinstrumente sichern, dass die Fragen gehört werden; ausgebildete Moderatorinnen leisten eine wertschätzende Bearbeitung. Wir wissen nicht, was im Einzelfall passieren wird, aber: es wächst das Zutrauen,
dass es die bestmögliche Lösung sein wird. Im Vordergrund steht nicht, wer am Ende
Recht hat, sondern wie Teams und Hausärzte, BewohnerInnen und Angehörige miteinander zurechtkommen, damit Bewohner rechtzeitig zu dem Recht kommen, das eigene Leben bis zuletzt verantwortlich mitzugestalten.
Mit dem Ethikbeirat, aber auch mit der Möglichkeit zur Ethikberatung in den einzelnen Einrichtungen ist ein wesentlicher Schritt getan, dass gute Entscheidungen nicht nur von
motivierten MitarbeiterInnen getroffen werden; zur Entscheidungskultur gehört, dass alle
aufmerksam sind und alle sich strukturiert und mit Unterstützung den ethischen Herausforderungen stellen können. Damit ist eine Vision ungesetzt und konkretisiert, die der Philosoph Hans Jons als Verständigungssystem und Plattform für den Erfolg der eigenen Sache bezeichnet hatte: „Letzten Endes liegt jede Hoffnung, die wir haben, darin, dass es
Verständigungssysteme gibt, (…) dass man Gremien und Plattformen bildet, in denen sich
Menschen mit verschiedenem Wissen und verschiedenen Interessen begegnen und auch
über solche Dinge sprechen, die nicht gerade in der Linie des größtmöglichen Erfolges
ihrer jeweils eigenen Sache liegen.“ 14
13
14
Ebd.
Jonas, Hans (2005) Fatalismus wäre Todsünde. Gespräche über Ethik und Mitverantwortung im dritten
Jahrtausend, hg. Von Böhler, Dietrich, Münster: LiT, 58
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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5.3 Die Organisation von Wirksamkeit und Nachhaltigkeit von Ethikinstrumenten und -strukturen in der HiA
Es gibt ganz unterschiedliche Erfahrungen mit Evaluation: Für viele bedeutet ‚Evaluation’
eine Überprüfung der Befindlichkeit oder Wirksamkeit nach einer Veranstaltung oder einem Projekt; in der Regel wird dazu ein standardisierter Fragebogen verwendet, in dem
einige Items mit einer 5er-Skala abgefragt werden – bestenfalls enthält ein solcher Fragebogen noch ein Feld ‚was Sie noch anmerken wollen’. Außer dem offensichtlichen Ziel der
Überprüfung, dessen Auftraggeber und Nutzer weitgehend in Unklaren bleiben, gibt es
keinen Einfluss auf die Fragestellung bzw. auf die Kriterien oder Zielsetzungen, die dahinter vermutet werden. Oft bleibt auch noch die Auswertung im Dunkeln, ganz zu schweigen
von den Konsequenzen, die gezogen werden.
Gegen diese - letztlich unbefriedigende - Verwendung des Evaluationsbegriffs soll hier ein
weiteres Verständnis, im Sinne einer Kybernetik – einer umfassenden Führungskunst entwickelt werden. Drei grundlegende Prinzipien kommen zur Anwendung:
Evaluation wird als ein fortlaufender Prozess in einem ‚Regelkreis von Planung – Steuerung – Überprüfung’ verstanden.
In der systemischen Sichtweise werden in unterschiedlichen Rollen Auftraggeber, Akteure und Kunden in der jeweiligen Phase der Evaluation beteiligt. Dementsprechend
verändern sich auch die Planungs-, Steuerungs- und Überprüfungsinstrumente bei der
erneuten Durchführung.
Evaluation zielt auf rasche Veränderung – gerne auch ad experimentum. Dadurch werden Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit einer Maßnahme oder eines Projekts (wie z.B.
‚Ethikberatung in der Altenhilfe’) gewährleistet.
Einige grundsätzliche Aspekte für eine Evaluation von Ethikberatung in der Altenhilfe:
Ethikberatung stellt in vielfältiger Weise eine Innovation und eine Intervention im „System
Altenhilfe“ dar. Deswegen greift es u. E. zu kurz, als Evaluation nur die Wirksamkeit der
einzelnen Beratung bzw. der einzelnen Implementierungsmaßnahmen zu überprüfen. Unser Evaluationskonzept balanciert hier zwischen der individuellen Beratungssituation, den
Verknüpfungen, die auf der Ebene des Beirats getroffen werden (z.B. durch Empfehlungen
und Leitlinien) und den wesentlichen Umwelten (Auftrag und Ressourcen; Strategie und
Kultur des Trägers; einzeln und gesamt).
Ziele einer Evaluation von Ethikberatung in der Altenhilfe
Überprüfung des Auftrags durch die Leitung
Adaptierung der Geschäftsordnung
Überprüfung und Optimierung des Beratungsprozesses
Kontrolle der eigenen Wirksamkeit und Nachhaltigkeit
Überprüfung der eigenen Fach- und Beratungskompetenzen im Bezug auf Ethikberatung
Leistungsbilanz des Ethikbeirats und der Fallberatungen
Organisationsentwicklung des Ethikbeirats ...
... und damit des Trägers und seiner Einrichtungen
Prozessberatung der Weiterentwicklung
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Planung der konkreten Durchführung einer umfassenden Evaluation
Zunächst ist die Geschäftsführung des Ethikbeirats als Auftraggeber für die Evaluation
zu sehen; damit fällt in der ersten Phase Auftraggeberschaft und Evaluationsgruppe
zusammen. Dahinter steht der Gedanke, dass zunächst der innerste Kreis des Ethikbeirats und des Beratungsteams sich der Evaluation im Sinne einer Selbstüberprüfung
stellt und erprobt.
Diese Ergebnisse, kombiniert mit der Außenperspektive des Evaluators, die an den
Ethikbeirat zurückgespielt werden, gestalten dann die nächsten Phasen, nämlich die
beiden eigentlichen Auftraggeber von Ethikbeirat und Ethikberatung, die Geschäftführung der HiA und die anfragenden Einrichtungen mit ihren Leitungen und Mitarbeitenden, letztlich auch die BewohnerInnen und ihre Angehörigen – als Nutznießer der
Dienstleitung Ethikberatung.
Auch diese Ergebnisse werden vom Evaluator kommentiert zurückgespielt. Parallel zu
den Evaluationsschritten werden vom Evaluator die vorliegenden Formulare (Anfrage,
Protokoll, Dokumentation), Geschäftsordnungen, Informationsbroschüren, Internetauftritt sowie Fallauswertungen und, wenn vorhanden, Leitlinien als Daten herangezogen.
Idealerweise werden Ergebnisse und Empfehlungen der Evaluation nach der Präsentation gemeinsam diskutiert und umgesetzt.
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6.
Ethikberatung im deutschsprachigen Raum (kursorischer Abriss)
Woher kommt das Wissen, auf welches das Projekt „Ethische Entscheidungskultur am
Lebensende“ zurückgreifen konnte? Klinische Ethikberatung 15 in Form von „Healthcare
Ethics Committees“ 16 war in den 80er Jahren eine Antwort auf organisationale Krisen im
Krankenhausbereich (Schadensfälle, Euthanasievorwürfe, Frage nach Qualität und
Standards etc.). Krankenhäuser waren gezwungen, Ethikkomitees zu gründen, um die
eigene Existenz nicht zu gefährden und den ärztlichen Mitarbeitenden eine rechtliche
Rückendeckung zu gewähren. Bald darauf wurde die Existenz eines Ethikkomitees zum
Gegenstand von Zertifizierungen und damit zu einem unerlässlichen Standard in
amerikanischen Krankenhäusern.
Über KollegInnen 17, die in der USA Medizinethik lernten und lehrten und über die
klinischen Zertifizierungen, die durch Zertifizierungsgesellschaften nach Europa kamen,
gelangte die Idee der Klinischen Ethikkomitees bzw. der klinischen Ethikberatung auch
nach Deutschland 18. Sie etablierten sich insbesondere an Universitätskliniken, wo sie eine
ergänzende Rolle zu den klinischen Ethikkommissionen einnahmen und auch von den
LehrstuhlinhaberInnen für Medizinethik betrieben wurden. Dabei hat insbesondere ein
Modell der KollegInnen aus Nimwegen 19 Eindruck hinterlassen: In Ergänzung zu einem
Komitee waren die Mitarbeitenden des Lehrstuhls für Medizinische Ethik über einen Pieper
für Mitarbeitende des gegenüberliegenden Krankenhauses für ethische Fallkonsultationen
auf Station erreichbar.
Andere Modelle wurden von Hans Martin Sass (Bochumer Patientenbogen), Stella ReiterTheil (Zürich) 20 beschrieben. Einen wichtigen Schritt leisteten die beiden konfessionellen
Krankenhausverbände 21 in Deutschland, die ihren Mitgliedern die Einrichtung von
Klinischen Ethikkomitees empfohlen haben – um hier einen zusätzlichen strukturellen
Mehrwert als konfessionelle Einrichtung zu haben und zur eigenen Profilbildung
beizutragen. Die bestehenden Ethikkomitees wurden in einer ersten Studie von Alfred
15
16
17
18
19
20
21
La Puma, John, Stocking, Carol B., Silverstein, Marc D., DiMartini, Andrea, Siegler, Mark (1988): An
Ethics Consultation Service in a Teaching Hospital. Utilization and Evaluation, in:JAMA 260, 808-811
Fletcher, John C., Hoffmann, Diane E.: Ethics Committees (1994): Time to Experiment with Standards,
in: Annals of Internal Medicine 120, 335-338.
Z.B. Gerd Richter, vgl. Richter, Gerd ( ? ): Fälle klinischer Ethik – Theorie und Praxis. Erschienen in:
Reihe Gerontologie 39. Marburg; Richter, Gerd (2001): Ethics Consultation at the University Medical
Center – Marburg. In: HEC Forum 13 (3). Dordrecht: Kluwer Academic Publishers. S. 294 – 305.
Z.B. Schmidt, Kurt W. (2001): Models of Ethics Consultation: The „Frankfurter Model“. In: HEC Forum
13 (3). Dordrecht: Kluwer Academic Publishers. S. 281 – 293; Simon, Alfred (2000): Klinische Ethikberatung in Deutschland. Erfahrungen aus dem Krankenhaus Neu-Mariahilf in Göttingen. Ersch. in:
Berliner Medizinethische Schriften. Heft 36. Dortmund: Humanitas Verlag.
Gordijn, Bert (2000), Ethische Diskussionen im Team. Nijmweger Modell der multi-disziplinären ethischen Fallbesprechung, in: Die Schwester/Der Pfleger 39 2 (2000), S. 114- 117; Gordijn, Bert, Steinkamp, Norbert (2000): Entwicklung und Aufbau Klinischer Ethikkomitees in den Krankenhäusern der
Malteser Trägerschaft. Ein Werkstattbericht, in: ZME 46, 305-310; Steinkamp Norbert, Gordijn Bert
(2003) Ethik in der Klinik – ein Arbeitsbuch. Luchterhand, Neuwied.
Reiter-Theil, Stella (2000): Ethics Consultation on Demand. Concepts, Practical Experience and a Case
Study, in: JME 26, 198-203.
Katholischer Krankenhausverband Deutschlands e.V., Deutscher Evangelischer Krankenhausverband
e.V.: Ethik-Komitee im Krankenhaus, Eigenverlag, Freiburg 1997.
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Simon und Erny Gillen evaluiert 22. Dabei wurde deutlich, dass viele Ethikkomitees ohne
ausreichende Ausbildung in die Arbeit gestartet waren. Dementsprechend zwiespältig
waren auch die ersten Erfahrungen, die mit Ethikkomitees und Ethikberatung gemacht
wurden; manche Komitees wurden eingerichtet und kamen nie in die Arbeit, andere trafen
sich zwar, hatten aber keine Anfragen aus den einzelnen Abteilungen.
Gemeinsam mit Simon / Gillen und einigen KollegInnen aus der IFF-Abteilung „Palliative
Care und Organisationales Lernen“ wurde 2002 ein Pilotprojekt zur Schulung und
Implementierung von Ethikberatung in der Kaiserswerther Diakonie / Florence Nightingale
Krankenhaus 23 durchgeführt, 2003 dann auch in der stationären Altenhilfe 24. Dahinter
stand die Idee, dass wechselseitig Mitarbeitende aus der Altenhilfe bzw. aus dem
Krankenhaus auf der Basis des Nimwegener Modells ethische Fallbesprechungen
moderieren können. Im Training zeigt sich jedoch ein unterschiedliches Vorgehen und
Adaptieren der Konzepte: Während im Krankenhaus sehr eng an den Nimwegener
Vorgaben festgehalten wurde, entwickelte sich in der Altenhilfe ein sehr differenziertes
Vorgehen, das sich auch an anderen Modellen aus dem Bereich der Sozialpädagogik
orientierte. Hier konnte schon auf interdisziplinäre und multiprofessionelle Fallbesprechung
zurückgegriffen werden. Ein weiteres Modell der kollegialen Beratung ergänzte das
Methodenportfolio. Interessant war zudem der Rahmen, in dem Ethikberatung eingerichtet
wurde:
Im Vorfeld war bereits durch das IFF- Team Strukturen von Palliative Care bzw. die
Einrichtung eines Hospizes im Krankenhaus begleitet worden; nachfolgend sollte auch auf
übergreifenden Ethikstrukturen auf Trägerebene hingearbeitet werden. Aus dem
Pilotprojekt wurde ein erweitertes Trainingsprogramm IFF / AEM aufgesetzt, das dreimal
durchgeführt wurde: Mainz 2002 / 2003, Freising 2003 und Düsseldorf 2004.
Die Fachgesellschaft AEM - Akademie für Ethik in der Medizin an der Universität
Göttingen, dessen Geschäftsführer Alfred Simon war und ist, richtete 2004 / 2005 einen
Arbeitskreis ein, der ein gemeinsames Ausbildungscurriculum für klinische Ethikberatung
25
erarbeitet. Hier konnte neben den medizinethischen Themen und den
Moderationserfahrungen
aus
der
IFF-Perspektive
insbesondere
ein
Organisationsschwerpunkt eingefügt werden. In nicht wenigen Projekten der ersten
Stunde war eine ‚Organisationsvergessenheit’ zu bemerken; d.h. es gab keinen klaren
Auftrag der Führung, Rollenkonflikte (z.B. durch die Beteiligung von Seelsorgern oder
unreflektierten Leitungsrollen im Komitee), mangelnder Informationsfluss, keine oder nicht
22
23
24
25
Simon, Alfred, Gillen, Erny (2000): Erhebung über Klinische Ethik-Komitees. In: Krankendienst 8-9. S.
245 – 248; Simon, Alfred, Gillen, Erny (2000): Klinische Ethik-Komitees in Deutschland / Feigenblatt
oder praktische Hilfestellung in Konfliktsituationen? In: Simon et al. (Hrsg.): Die Heilberufe auf der Suche nach ihrer Identität. Frankfurt: LIT. S. 151 – 157.
Heller Andreas, Dinges Stefan (2003): Ethikberatung im Krankenhaus. In: Heller, Andreas, Krobath,
Thomas (Hrsg.): OrganisationsEthik. Organisationsentwicklung in Kirchen, Caritas und Diakonie. Freiburg im Breisgau: Lambertus, 419-428.
Heller Andreas, Dinges Stefan (2003) : Ethikberatung in der Altenhilfe. In: ProCare 6, 30-32; weitere
Erfahrungen: vgl. Hans Bartosch, Cornelia Coenen-Marx, Joachim F. Erckenbrecht, Andreas Heller
(Hrsg.) (2005): Leben ist kostbar. Der Palliative Care- und Ethikprozess in der Kaiserswerther Diakonie, Lambertus: Freiburg
Simon Alfred, May Arnd T, Neitzke Gerald (2005), Curriculum „Ethikberatung im Krankenhaus“ in
EthikMed 17, 322-326
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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ausreichende Dokumentation, etc.. Es wurde anhand des Curriculums annähernd deutlich,
dass die Ausbildung allein noch nicht zu einer gelingenden Ethikberatung (auf Station oder
im Komitee) führen würde. Für den Erfahrungsaustausch wurde eine Internet-Plattform 26
gegründet, auf der neben dem Curriculum weitere Unterlagen zur Verfügung gestellt
werden. Seit 2008 erarbeitet die Arbeitsgruppe Standards für die Einrichtung von
Ethikberatung und Empfehlungen für die Dokumentation; nach der Approbation durch den
Vorstand der AEM werden diese auf der oben genannten Interseite veröffentlicht –
nichtsdestotrotz sind diese Grundlagen auch schon in das Ethikprojekt der HiA
eingeflossen, da der externe Projektbegleiter auch Co-Autor der Standards ist.
Auf der Basis des Curriculums wurden nun etliche Trainingsprogramme eingerichtet; ein
Programm, an dem sich die Autoren des Curriculums beteiligen, findet am Zentrum für
Gesundheitsethik (ZfG) an der Ev. Akademie Loccum jetzt schon im 12. Durchgang statt.
Ebenfalls am AEM- / IFF-Basiscurriculum orientiert sich ein Ausbildungskurs für
Ethikberatung in der Altenhilfe, den die beiden Projektverantwortlichen im Ethikprojekt der
HiA ab 2006 nun bereits zum 5. Mal anbieten werden (2006 und 2007 in Kloster Irsee,
2008, 2009 und 2010 in Steinerskirchen, gemeinsam mit der Gemeinnützigen Gesellschaft
für soziale Dienste (GGSD), Nürnberg).
Inhalte und Ziele der Fortbildung „Ethikberatung in der Altenhilfe“:
Grundlagen zu Ethik, Beratung und Organisation
Identifikation und Moderation ethischer Fragen im Alltag
Ethik als Prozess verstehen
Brückenfunktion der Ethik (Person – Organisation – Kultur)
Entscheidungsspielräume gestalten
Ethische Entscheidungsfindung als Versorgungsqualität verstehen
Kontext zur end-of-life-care sehen
Grundparadigmen (gewaltfreier) Kommunikation zuordnen
Grundlagen zu Ethikberatung und Organisationsethik
Modelle interdisziplinärer Fallbesprechungen
Interprofessionelle Ethik und Ethikberatung in der Altenhilfe
Ethische Themen in der Altenhilfe
Fallbeispiele nach den Ansätzen von Loewy und Rabe moderieren
Entwicklung & Entscheidung für mögliche Modelle & Strukturen von Ethikberatung
Beratung zur Implementierung und zu Routinen von Ethikberatung
Seit 2005 wurden von den Projektbegleitern (einzeln und gemeinsam) vielfache Erfahrungen im Bereich Ethikberatung erworben, in Beratung (z.B. Klinikum Göppingen; im Netzwerk Ethik der Barmherzigen Brüder Trier) und in der Implementierung (z.B. im St. Josefs
Krankenhaus, Braunau).
26
www.ethikkomitee.de
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Auch im Bereich der Altenhilfe wurden bereits mehrere Projekte in Training, Beratung und
Implementierung umgesetzt (z.B. Ethikbeirat des Geriatriezentrums am Wienerwald, Wien;
Kath. Pflegehilfe, Essen; und in einem Projekt des österreichischen Bildungsministeriums
für Transdisziplinäre Forschung, Subprojekt Ethische Arrangements in Pflegeheimen 27).
Inzwischen gibt es im deutschsprachigen Raum eine Reihe von Modellen von Ethikberatung, auch in der Altenhilfe, die sich im Wesentlichen auf die skizzierten Konzeptionen und
Modelle zurückführen lassen.
27
Pleschberger Sabine, Dinges Stefan (2007): “Ethische Fallbesprechung“. Planung, Ablauf und Reflexion
der Workshops im Projekt, in: Reitinger Elisabeth, Heimerl Katharina, Heller Andreas (Hg.) Ethische
Entscheidungen in der Altenbetreuung. Mit Betroffenen Wissen schaffen, Kursbuch palliative care
11/2007; Dinges Stefan (2008): Hürden auf transdisziplinären (Forschungs) Wegen, in: Reitinger Elisabeth (Hg.) Transdisziplinäre Praxis. Forschen im Sozial- und Gesundheitswesen, Wien, Carl-AuerVerlag, 109-119; Reitinger Elisabeth (Hg.) (2008): Transdisziplinäre Praxis. Forschen im Sozial- und
Gesundheitswesen. Heidelberg: Verlag für Systemische Forschung - Carl Auer;
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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7.
Leitfaden Implementierung:
Organisation von Ethikberatung in Einrichtungen der stationären
Altenhilfe
Ein Leitfaden kann Lesern und Interessierten einen Einblick in ein Modellprojekt gewähren
und dabei gleichzeitig Ideen vermitteln, welche Schritte sinnvoll und welche
Voraussetzungen nötig sind, um selbst einen ähnlichen Weg einzuschlagen. Dabei liegt
die Betonung auf „ähnlich“. Kein Projekt gleicht dem anderen. Kein Modell kann einfach
„nachgebaut“ werden. Im Palliative Care, in der Hospizarbeit und auch in einer auf die
Betroffenen zentrierten Ethik steht die Situation der Betroffenen und Beteiligten im
Vordergrund. Dies gilt für Individuen ebenso, wie für Organisationen und Einrichtungen.
Daher kann ein Leitfaden zwar Ideen vermitteln, ist jedoch nicht einfach „zum
Nachmachen“ geeignet. Der Leitfaden mag Anregungen enthalten, auf Wichtiges
verweisen und eine Art Hintergrundbild für die eigenen Bestrebungen bieten. Ersetzen
kann er diese nicht. Die Orientierung an einem Leitfaden wird also niemals eine Kopie des
Modellprojektes liefern. Dafür ist er nicht gedacht. Für die Implementierung von Ethikkultur
und Ethikberatung wäre solch eine Nutzung des Leitfadens schlichtweg kontraindiziert.
Daher ist dieser Leitfaden knapp gehalten und kann nur wirklich im Kontext des gesamten
Projektberichts nachvollzogen und verstanden werden. Dennoch sollte er als Anregung
und Überblick nützlich sein.
Der vorliegende Projektbericht verdeutlicht es: Die Einrichtung von Ethikberatung läuft
nicht linear ab, sondern ereignet sich in mehreren zirkulären Phasen, in denen sowohl die
Führungskräfte als auch die Mitarbeitenden einbezogen werden.
Konzeptionsphase
-
Entwicklung der Idee (incl. Thesen zum Anlass und Bedarf)
-
Skizzierung des handlungsleitenden Paradigmas (Warum soll was geschehen?)
-
Vorstellen des Projekts in allen Unternehmensbereichen
-
Identifikation förderlicher und hinderlicher Rahmenbedingungen
-
Erstellen eines Konzeptes mit Zielen und Aufgaben, einschließlich Finanzplan
-
Ressourcen für das Projekt abklären
-
Verbündete und Kooperationspartner finden und einbinden
-
Entscheidung für interne / externe Projektbegleitung treffen
=> 1. Evaluation: Hat die Einrichtung von Ethikberatung eine realistische Chance?
Muss ein wichtiger Schritt wiederholt bzw. ergänzt werden?
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Projektphase
- Das von der Führung beauftragte Projekt braucht eine nachhaltige Verankerung bei den
Mitarbeitenden
- Sollen die BewohnerInnen / Angehörige / externe Dienstleister miteinbezogen werden?
- lokale Adaptierungen in den einzelnen Einrichtungen!
- Vorbereitung und Durchführung erster Workshops
=> 2. Evaluation und Nachbereitung in den einzelnen Einrichtungen
-
Auswertung auf der Ebene der Führungskräfte
=> 3. Evaluation
Implementierungsphase
- welche Strukturen sollen aus der Projektphase in die Routinen der Einrichtung
Trägers übernommen werden?
bzw. des
- Errichten der lokalen Strukturen und Routinen, z.B. regelmäßige Fallberichte und / oder
Softanalyse
- Errichten der übergreifenden Strukturen und Routinen, z.B. Einrichtungsleitungskonferenz zur
ethischen Entscheidungskultur; Errichtung eines Ethikbeirats
Evaluations- und Adaptionsphase
- Wie wurden die Ethikaktivitäten auf den unterschiedlichen Ebenen dokumentiert
und ausgewertet?
- Welche relevante Wissen konnte wie genutzt werden / nicht genutzt werden?
- Welcher Kooperationspartner sollen verstärkt eingebunden werden?
- Welcher Fortbildungsbedarf zeigt sich und wie kann dieser organisiert werden?
- Wie gestaltet sich das Verhältnis / der Informationsfluss / die Entscheidungen
zu und mit den verschiedenen Leitungsebenen?
- Wie wurden BewohnerInnen und ihre Angehörigen informiert / eingebunden /
beteiligt / in Auswertungen einbezogen?
- Mit welchen anderen Projekten / Strukturen braucht es eine Vernetzung?
=> 4. Evaluation im Sinne einer Bilanz
=> Weiter (z.B. jährliche) Bilanzen in die Routine des Trägers einbauen
Für diese Art der Implementierung ist das Verständnis einer interventions-orientierten
Projektarbeit hilfreich. In vergleichbaren Modellprojekten zur Implementierung von
Palliativversorgung in Pflegeheimen ist dies schon publiziert worden 28. Viele der dort
beschriebenen Prinzipien, Haltungen und Grund-paradigmen können auch beim Thema
Ethik / Ethikberatung eingebracht bzw. müssen vorausgesetzt werden.
28
Siehe dazu z.B. die Arbeitshilfe „Leben bis zuletzt im Alten- und Pflegeheim - Ein Leitfaden für alle, die
über die Implementierung von Palliativbetreuung und Hospizidee in Einrichtungen der stationären Altenhilfe nachdenken“; Frank Kittelberger; München 2020; Quelle: http://www.bayerische-stiftunghospiz.de/infospav/arbeitshilfen.htm
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Wichtige Merkpunkte auf dem Weg der Implementierung von Ethikberatung:
Die Entscheidung zum Projekt ist Top-down zu treffen. Entscheidungen im Verlauf des
Projekts sind Bottom-up zu entwickeln.
Maßnahmen und Schritte im Projekt können nicht an den Betroffenen und Beteiligten
vorbei beschlossen und durchgeführt werden. Dabei ist die Rolle von Führungskräften
besonders zu beachten, zu markieren und zu stärken.
Beim Thema Ethik / Ethikberatung sind Personkompetenzen (z.B. Kommunikation;
Pastoralpsychologie; non-direktive Gesprächsführung; Empathie) genauso wichtig, wie
Organsiationskompetenzen
(z.B.
Systemverständnis,
Gruppendynamik,
Projektmanagement).
Interdisziplinarität und Interprofessionalität als Haltung und Routine sind unerlässlich.
Vernetzung mit anderen Anbietern und Projekten ist hilfreich, schont Ressourcen und
weitet den Blick (Perspektivenwechsel).
Es gibt kein bestimmtes „Anfangsthema“: An jeder Stelle in der Routine einer
Pflegeeinrichtung kann mit dem Projekt begonnen werden. Die interventionsoffene
Haltung sorgt dafür, dass die relevanten Themen sich zeigen. Egal wo man anfängt, alles
kann zum Projekt gehören und zirkulär zur erwünschten Kultur führen. Die oben
genannten Phasen sind zunächst „themenneutral“, weil sie Prozesscharakter haben.
Das Einüben einer Grundhaltung der Wertschätzenden Kommunikation
Implementierung von Ethikkultur und Ethikberatung.
29
29
erleichtert die
Siehe dazu z.B.: Gewaltfreie Kommunikation: Eine Sprache des Lebens; Marshall B. Rosenberg; Junfermann 20077
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8.
8.1
Materialbox
Arbeitsblatt Prinzipien
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8.2
Arbeitsblatt Moderationsmodelle
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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8.3
Arbeitsblatt Themen und Ebenen
Auf welcher Ebene kann der aktuelle Konflikt in der Hauptsache verankert werden?
Welche Akteure lassen sich von welcher Ebene beteiligen?
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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8.4
Arbeitsblatt Anmeldung, Analyse und Dokumentation von EB
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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8.5
Arbeitsblatt Softanalyse
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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8.6
Leitfaden Moderation
Moderierte ethische Fallbesprechung
Phase
Arbeitsschritt
1.
Interview der FallbringerIn
Vorbereitung
2.
Aufgabe
Möglichst deskriptivmultiperspektivisch
Entweder-oderFormulierungen;
Bewertungen
Auswahl und Einladung der
Teilnehmenden
Repräsentativ und rele- Perspektiven werden nicht
vant: Die es angeht, einbezogen; auf- oder abkönnen es angehen!
gewertet
Sicherung des Hauptthemas /
der ethischen Fragestellung für
die Fallbesprechung – was können wir hier besprechen?
Ausweichen auf persönliche und / oder gesellMehrere Fragestellungen =>
schaftliche Ebenen beReihenfolge der Bearbeitung
wusst machen und ‚zufestlegen
rück in den Raum’ moderieren
Schilderung des Falls:
Fallbesprechung
Herausforderung
Knapp, ohne eine vorWorum geht es? Passt die ge- schnelle Diskussion zu
provozieren
wählte Fragestellung?
Angriffe oder Schuldzuweisungen, Wechseln der Ebenen
Wahrnehmen der BetroffenheiStellungnahme der Beten:
teiligten; Sicherung von
Was macht betroffen?
Emotionen und VerantWie unterschiedlich betrifft es wortlichkeiten
mich/ andere?
Zu viel / zu wenig Distanz
zu Emotionen
Ablehnen von Verantwortung
Situations- und Wertanalyse:
Wo sind wichtige Unterschiede?
Was ist gemeinsame Basis?
Ethische Reflexion:
Kernfrage:
Monopole in den Bewertungen;
Wo stehen wir?
Was begründet unsere Abwertung von Positionen
Positionen?
Kernfrage:
Absolutsetzung von Positionen;
Wie können wir die Unterschiede Wo wollen wir hin?
/ Anliegen verstehen / verknüp- Wer hat was zu ent- paternalistische Entscheifen / nutzen?
scheiden?
dungsmuster
Ergebnissicherung
Was haben wir jetzt erreicht?
Abschluss
2.
Nachbereitung
Klärung der weiteren
Vorgangsweise / Zuständigkeiten
Wiederaufnahme der Diskussion, Killerphrasen
Kommunikation und Umsetzung In Alltagsroutinen mit Verweigerung der Rollender Ergebnisse
‚alten’
Mustern
das verantwortung, Desorientie‚neue’ Wissen wirksam rung im Team / Organisation
Überprüfung der Umsetzung
etablieren
(adaptiert vgl. Dinges Stefan (2008): Hürden auf transdisziplinären (Forschungs-) Wegen)
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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8.7
Leitfaden Evaluation
Evaluationsschritte
0.
Erarbeitung und Vorstellung des Evaluationsinstruments.
1.
Adaptierung und Genehmigung des Instrumentes.
2.
Durchführung der ersten Evaluationsphase in der Geschäftsführung, im Beraterkreis und im Ethikkomitee (Fragebogen und Interview).
3.
Datenfeedback und Diskussion der Ergebnisse.
Überprüfung des Evaluationsinstruments für beide Auftraggeber
(Perspektive Komitee = Klinikleitung
Perspektive Ethikberatung = interprofessionelles Team, Patient bzw. Angehörige)
4.
Durchführung der zweiten Evaluationsphase.
5.
Datenfeedback und Diskussion der Ergebnisse.
Planung und Durchführung entsprechender Interventionen, Maßnahmen und Veränderungen.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Literaturverzeichnis
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Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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10.
Anhang & Anlagen
10.1 Zeitplan des geplanten Projekts
Dez
2007
Jan
2008
Feb
2008
März
und
7.4.
2008
19.6.
2008
Sept
2008
Nov
2008
Jan
2009
März
2009
April
2009
Juni
bis
Okt
2009
x
x
Grobplanung
x
HiA-interne Klärungen
Antrag an RBS
Auftrag an Berater
Detailplanungen
Projektleiter mit Berater
Workshop Leitungen
und Führungsebene
Trainingsworkshop 1
Ethikberatung
Trainingsworkshop 2
Ethikberatung
Trainingsworkshop 3
Ethikberatung
x
X
x
x
x
X
x
Anschlussworkshop 1
mit Leitungen und
ModeratorInnen
x
Vorbereitung
von
Dokumentation
&
Leitfaden durch
Projektleiter mit Berater
x
Kongress mit Teilnahme ausgewählter
MA und Präsentation
Leitfadenentwurf
x
Anschlussworkshop 2
mit Leitungen und
ModeratorInnen
X
Abschlussarbeiten
Projektleiter mit Berater
X
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10.2 Projektverlauf auf Einrichtungs- und Trägerebene (Übersicht)
Dezember 2007
Januar 2008
Februar/März 2008
7.4.2008
14.4.2008
4.6.2008
19.6.2008
24.6.2008
22.7.2008
23.7.2008
24.9.2008
14.11.2008
24.11.2008
25.11.2008
10.12.2008
27.-28.1.2009
27.1.2009
28.1.2009
17.3.2009
19.3.2009
23.3.2009
24.3.2009
16.-31.3.2009
1.4.2009
1.4.2009
1.4.2009
27.4.2009
27.4.2009
28.-30.4.2009
7.-10.5.2009
30.6.-2.7.
1.7.2009
14.-16.9.2009
27.-29.9.2009
28.9.2009
28.9.2009
Events
Events Einrichtungsebene
Trägerebene & Hintergrundarbeit
Vorgespräche & Planungen
Antragstellung
Projektstart & Vernetzungen
Erstgespräche in den Häusern
1. Treffen Steuerungsgruppe
Projektvorstellung Konferenz
Projektgenehmigung durch RBS
Anpassung Zeitplan
Auftaktworkshop in der großen Leitungsrunde der HiA
Hausleiter modifizieren Ziele
Fachtag mit Pflegeakademie
2. Treffen Steuerungsgruppe
Projektmodifizierung in der großen Leitungsrunde der HiA
Microworkshop Ebersberg
Microorworkshop Planegg,
Eichenau und Dachau
Microworkshop Westend und
Ebenhausen
Microworkshop Lindenhof
div. Treffen Projektleiter
Workshop Planegg
Workshop Ebenhausen
Workshop Ebersberg
Workshop Lindenhof
Workshop Dachau
Workshop Westend
div. Treffen Projektleiter
Runder Tisch Hospiz triff Ethikprojektleitung
Fallbesprechung Ebenhausen
3. Treffen Steuerungsgruppe
Workshop Eichenau
Treffen Projektleiter
Kongress Nürnberg
TN am Kongress Nürnberg
Treffen Projektleiter
div. Treffen Projektleiter
Beiratsvorbereitung in der großen Leitungsrunde der HiA
Projektleitung leitet Seminar
extern (GGSD)
div. Treffen Projektleiter
Fallbesprechung Eichenau
4. Treffen Steuerungsgruppe
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10.3 Ausschreibung Palliativ-Geriatrischer Fortbildungstag
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10.4 Ausschreibung Palliativkongress Nürnberg
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10.5 Ausschreibung Trainingsprogramm Altenhilfe (Steinerskirchen)
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10.6 Ausschreibung Kongress Berekfürdö
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10.7 Ausschreibung Orientierungsworkshop Ev. Heimstiftung
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10.8 Auflistung der öffentlichen Resonanz auf das Projekt
Die öffentliche Resonanz rund um das Projekt war unterschiedlich. Sie konzentrierte sich
erwartungsgemäß im Oktober 2009 auf die Konstituierung des Ethikbeirats der HiA. Dennoch gab es auch im Verlauf des Projekts immer wieder kleiner Meldungen in den Medien
(v.a. Pressemeldungen) und in kirchlichen Publikationen.
Datum
Quelle
Dezember
2008
DIAKONIE-REPORT 45
April 2009
IMM JAHRESBERICHT
2008
DIAKONIE-REPORT 46
07.07.2009
HIA
Januar 2009
08.07.2009
17.07.2009
September
2009
11.10.2009
28.10.2009
29.10.2009
EVANGELISCHER
PRESSEDIENST (EPD)
EPD-SOZIAL
1
2
3
4
PM zum geplanten Ethikbeirat
6
DIAKONIE-REPORT 48
Artikel zum Ethikprojekt und Ethikbeirat
7
SONNTAGSBLATT 41
Artikel zum Ethikprojekt und Ethikbeirat
PM zur Konstituierung des Ethikbeirats
PM zur Konstituierung des Ethikbeirats
Artikel zur Konstituierung des Ethikbeirats
weitere PM zur Konstituierung des
Ethikbeirats
Kurzmeldung zur Konstituierung des
Ethikbeirats
PM zur Konstituierung des Ethikbeirats
5-Minuten-Kurzbericht zur Konstituierung des Ethikbeirats gesendet um
11.30 Uhr und 13.30 Uhr
Artikel zur Konstituierung des Ethikbeirats
Artikel zur Konstituierung des Ethikbeirats
Interview mit Mitglied des Ethikbeirats
8
9
10
EPD
EPD
29.10.2009
EPD
SÜDDEUTSCHE ZEITUNG (SZ)
IMM
30.10.2009
BAYERISCHER RUNDFUNK (BR 2)
07.11.2009
SONNTAGSBLATT 49
November
2009
07.12.2009
Artikel zum palliativ-geriatrischen Fortbildungstag der HiA
Jahresbericht der Fachstelle mit Verweis auf das Ethikprojekt
Artikel zum Ethikprojekt
PM zum Palliativprojekt mit ausführlichem Verweis auf Ethikprojekt
5
EPD-NACHRICHTEN
30.10.2009
Anlage Nr.
PM zum geplanten Ethikbeirat
29.10.2009
30.10.2009
Art
DIAKONIE-REPORT 49
MÜNCHNER MERKUR
11
12
13
14
ohne
15
16
17
Hinweis: Um die elektronische Datei nicht zu sehr aufzublähen, wurden die hier aufgelisteten Artikel
nicht eingescannt. Sie sind in einer gesonderten Mappe dem Projektbericht in Originalen beigefügt !
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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10.9 Anlage: Geschäftsordnung des Ethikbeirats der HiA
Fachstelle SPES
Der Ethikbeirat der Hilfe im Alter
Information und Geschäftsordnung: Ethikberatung und Ethikbeirat der Altenhilfeeinrichtungen der Hilfe im Alter (HiA)
0. Vorwort & Orientierung
Plurale Wertvorstellungen und Lebensentwürfe
Jeder Mensch hat individuelle Wertvorstellungen, einen persönlichen Lebensentwurf als Grundlage
für das eigene Entscheiden. Damit treffen, auch im Alltag unserer Einrichtungen, unterschiedliche
Wert- und Lebenseinstellung aufeinander. Insbesondere im Alter und am Lebensende kann es hier
zu Differenzen oder gar Konflikten kommen, die eine gute oder bestmögliche Entscheidung und
damit Versorgung be- oder verhindern.
Ethikberatung als Entscheidungshilfe
Ethikberatung bietet durch eine vereinbarte Struktur, in einem begrenzten Zeitrahmen und durch
eine wertschätzende, allparteiliche Moderation in ethisch schwierigen oder konflikthaften Situationen die Möglichkeit einer grundlegenden Standortbestimmung und in der Folge eine gemeinschaftliche Entscheidungsgrundlage. Dadurch wird dem Willen eines Bewohners vorrangig Rechnung
getragen wie auch Anliegen und Bedürfnissen von Angehörigen und MitarbeiterInnen berücksichtigt.
Beteiligung der Betroffenen
Ein wesentliches Grundprinzip der Ethikberatung ist die Beteilung derer, die betroffen sind. In der
Hilfe im Alter gibt es in den einzelnen Einrichtungen durch das intensive Palliativprojekt bzw. durch
die dadurch entwickelten Strukturen und Kompetenzen, unterschiedliche Bausteine, die bereits
eine ethische Entscheidungskultur befördern. Um diese Bemühungen zu bündeln und zu unterstützen, hat die Geschäftsführung der HiA (mit Unterstützung und Förderung der ROBERT-BOSCHSTIFTUNG) ein Ethikprojekt in Abstimmung mit der Heimleiterkonferenz gestartet. In einer ersten
Phase wurden in den einzelnen Häusern ein gemeinsames Verständnis von Ethikberatung und der
notwendige Entwicklungsbedarf erarbeitet. Um das bisher in unterschiedlichen Projekten Erreichte
zu sichern wird jetzt in der zweiten Phase ein Ethikbeirat der / für die HiA eingerichtet.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Der Ethikbeirat - Garant für Entscheidungskompetenz und Versorgungsqualität
Der Ethikbeirat der HiA wird (einrichtungsübergreifend) von der Geschäftsführung eingesetzt und
für die Dauer von 3 Jahren berufen. Die folgende Geschäftsordnung gibt Auskunft über die Ziele
und Aufgaben, die unterschiedlichen Arbeitsweisen sowie die Zusammensetzung des Ethikbeirates. Der Ethikbeirat ist aus den verschiedenen fachlichen, palliativen und ethischen Projektperspektiven wünschenswert und notwendig geworden; er soll den zahlreichen Aktivitäten in den einzelnen Einrichtungen wie auch im Gesamtunternehmen unterstützend und fokussierend zur Seite
stehen.
Durch eine interprofessionelle und interdisziplinäre Ausrichtung und durch das skizzierte Aufgabenprofil zielt der Ethikbeirat durch seine Arbeit auf eine verbreiterte Entscheidungskompetenz und
dadurch auf eine bestmögliche Versorgungsqualität.
Im Sinne der Dienstleistungsfunktion von Ethikberatung hat er ein grundsätzlich subsidiäres Verständnis seiner Arbeit, die der strategisch-diakonischen Ausrichtung der Hilfe im Alter Rechnung
tragen wird.
Mit der Einrichtung des Ethikbeirates in der HiA wird auch einer Empfehlung von Landesbischof
Dr. Jonhannes Friedrich (München) und Diakoniepräsident Dr. Ludwig Markert (Nürnberg) gefolgt.
Sie haben dazu aufgerufen, „Ethikberatung bzw. ausgewiesene ethische Kompetenz in Zukunft in
allen diakonischen und kirchlichen Einrichtungen der Altenpflege zu einem integralen Bestandteil
des Gesamtkonzeptes werden zu lassen.“ (Januar 2009)
1. Aufgaben und Ziele des Ethikbeirates
Die wesentlichen Aufgaben des Ethikbeirates sind
(a) die exemplarische Bearbeitung von individuellen, aber auch paradigmatischen Fallgeschichten (prospektiv und retrospektiv) aus den Altenhilfe-Einrichtungen der HiA,
(b) die Erarbeitung von gemeinsamen Ethischen Empfehlungen und Leitlinien für die HiA,
(c) die Unterstützung von moderierten ethischen Fallbesprechungen/Ethikberatung in den
einzelnen Einrichtungen der HiA und
(d) die Ermöglichung von Fort- und Weiterbildung des Ethikbeirates sowie aller MitarbeiterInnen
der HiA, um die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen und die ethische Bewusstseinsbildung in allen Bereichen der HiA zu fördern.
a) Exemplarische Bearbeitung von Fallgeschichten aus den einzelnen Einrichtungen
Grundsätzlich sollte jeder/jeder, der/die im Kontext der Hilfe im Alter auf eine ethische Herausforderung, Fragestellung oder einen akuten Konflikt stößt, sich an den Ethikbeirat wenden können.
Dessen KoordinatorIn bzw. Leitung wird in enger Absprache mit dem Einbringer entscheiden, welche Auseinandersetzungsform dem Anliegen angemessen und zielführend ist.
In seinen routinemäßigen Treffen wird der Ethikbeirat geeignete Themen und Situationen exemplarisch bearbeiten und allfällige Ergebnisse dokumentieren und entsprechend kommunizieren. Damit
wird die angestrebte ethische Entscheidungskultur in der HiA vorangetrieben und gefördert. Natürlich kann der Ethikbeirat auch aus eigenem Antrieb Themen aufgreifen und bearbeiten, die seinen
Zielsetzungen entsprechen.
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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b) Ethische Empfehlungen und Leitlinien
Aufgrund von exemplarischen Fallgeschichten / Anfragen aus allen Bereichen der HiA, sowie bei
sich wiederholenden ethischen Fragestellungen im Rahmen der fachlichen, palliativen und ethischen Fallbesprechungen vor Ort in den einzelnen Einrichtungen, kann der Ethikbeirat Stellungnahmen, Empfehlungen und Leitlinien ausarbeiten und Entscheidungsmöglichkeiten vorschlagen.
Bestehende ethisch relevante Leitlinien werden dabei im Sinne des Leitbildes berücksichtigt und in
Abstimmung mit der Geschäftsführung weiterentwickelt.
Grundsätzlich setzt die Geschäftsführung der HiA die vom Ethikbeirat vorbereitete Empfehlung im
Sinne einer Leitlinie in Kraft. Die ethischen Leitlinien sollen allen Mitarbeitenden der HiA eine orientierende Hilfestellung und Rahmung geben. Den BewohnerInnen und ihren Angehörigen dienen
sie als Anhaltspunkte für Werte, denen die HiA als Institution besondere Bedeutung beimisst.
c) Förderung und Unterstützung moderierter, ethische und palliativer Fallbesprechungen / Ethikberatung in den einzelnen Einrichtungen
Fallbesprechungen (mit fachlichen, palliativen oder ethischen Schwerpunkten) sind als Unterstützung in schwierigen Entscheidungssituationen alltagsnahe in den einzelnen Einrichtungen etabliert. Sie berücksichtigen die unterschiedlichen Zuständigkeiten und Entscheidungskompetenzen
der unterschiedlichen Berufe. Sie orientieren sich an der Autonomie und den individuellen Bedürfnissen der MitarbeiterInnen und der BewohnerInnen in Balance zu verantwortlichen Behandlungsund Betreuungsangeboten und einer gerechten Verteilung der Ressourcen. Ziel ist eine verstärkte
Beteiligung der Betroffenen (BewohnerInnen, Angehörige, Mitarbeitende) bei relevanten Entscheidungsprozessen. Damit soll die Kommunikation und die ethische Diskussion durch eine multiprofessionelle und interdisziplinäre Entscheidungs- und Beteiligungskultur gestärkt und verbessert
werden. Idealerweise steht der Ethikbeirat in Kontakt mit den ModeratorInnen und den Leitungsverantwortlichen der Häuser bzw. wird von diesen informiert oder direkt angefragt.
Die Unterstützung kann einerseits dadurch erfolgen, dass eine aktuelle Situation konziliarisch oder
retrospektiv kommentierend an den Ethikbeirat delegiert wird (vgl. a); oder indem von Seiten des
Ethikbeirates geeignete Moderation zur Verfügung gestellt wird.
d) Kontinuierliche Fort- und Weiterbildung
In Zusammenarbeit mit der o.g. Fachstelle werden sowohl für die Mitglieder des Ethikbeirates als
auch für alle MitarbeiterInnen und Führungskräfte Fort- und Weiterbildung angeboten. Neben fachlichen und ethischen Themen in Vorträgen und Informationen werden hier insbesondere Kompetenzen im Bereich der interdisziplinären Kommunikation und Moderation weiterentwickelt.
2. Mitglieder
Die Zusammensetzung des Ethikbeirates zielt darauf ab,
dass möglichst alle Einrichtungen, Ebenen und relevanten Berufsgruppen vertreten sind;
dass hier auch jene Kooperationspartner abgebildet werden, mit denen im Alltag zusammengearbeitet wird: Ambulante Dienste und Hospizgruppen, Krankenhäuser sowie auch niedergelassene
Ärzte;
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um nicht in einer Binnen- oder Alltagsperspektive zu verharren, sollen Personen und Expertisen
aus den Bereichen Diakonie/Kirche, Medizinethik/Palliative Care, Recht, Geriatrie/Gerontologie
und Pflegewissenschaften angesprochen und beteiligt werden.
Der Ethikbeirat wird aus 15-18 Mitgliedern bestehen, um arbeitsfähig zu bleiben.
Die Geschäftsführung der HiA kann nach Rücksprache mit dem bereits eingerichteten Ethikbeirat
entscheiden, welche Rollen dauernd, kooptiert oder fallweise besetzt werden. In Einzelfällen können auch VertreterInnen von BewohnerInnen oder Angehörigen eingeladen und beteiligt werden.
Koordination und Leitung: Von den Beiratsmitgliedern wird für die Dauer einer Funktionsperiode
ein/e LeiterIn und zwei StellvertreterInnen (= Vorstand) mit einfacher Mehrheit gewählt. Ihnen obliegt die ordnungsgemäße Durchführung der Sitzungen; sie sind AnsprechpartnerInnen für ethische Anfragen und stehen in regelmäßiger Kommunikation mit der Geschäftsführung der HiA.
Idealerweise koordiniert der/die LeiterIn auch die Anfragen bezüglich ethischer Fragestellungen/Fallbesprechung in den einzelnen Einrichtungen; wenn der Bedarf nach externer Moderation
besteht, in enger Absprache mit den Führungskräften vor Ort.
Auswahl und Beauftragung: Zur Besetzung vakanter Stellen erfolgt nach Ausschreibung eine
Auswahl durch den Vorstand des Ethikbeirats, der dann der Geschäftsführung der HiA einen Vorschlag unterbreitet. Die Beauftragung des neuen Mitglieds erfolgt durch die Geschäftsführung.
3. Regelmäßige Treffen
Der Ethikbeirat trifft sich als Gesamtgremium mindestens zwei Mal im Jahr. Um arbeitsfähig zu
sein, besteht eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht. Die Termine sind in der jeweiligen Dienstplangestaltung zu berücksichtigen und für ein Arbeitsjahr zu planen.
In einem zusätzlich jährlichen Treffen mit der Geschäftsführung der HiA erfolgt wechselseitige Information, Bericht und statistische Auswertung der dokumentierten Fallbesprechungen. Sollten
weitere Treffen notwendig sein, sollte eine Einladung mit Anlass bzw. kurzer Skizze der Fallgeschichte mindestens 10 – 14 Tage im Voraus erfolgen.
Sollte eine rechtzeitige Einladung nicht möglich sein bzw. weniger als die Hälfte der Mitglieder des
Ethikbeirates erreichbar sein, liegt es im Ermessensspielraum des Vorstandes (in Abstimmung mit
der Geschäftsführung) eine Ad-hoc-Ethikberatung einzuberufen. Diese Beratungsarbeit (wie auch
andere stattfindenden Ethikberatungen) sollten in irgendeiner Form an reguläre Treffen des Ethikbeirates rückgebunden werden.
4. Verschwiegenheit
Die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit über die Beratungen und die vertraulichen Unterlagen
verpflichtet. Dies gilt für alle Personen, die an Sitzungen teilnehmen oder als ExpertInnen hinzugezogen werden. Die Verschwiegenheitspflicht bleibt auch nach dem Ausscheiden aus dem Ethikbeirat bestehen.
5. Auflösung
Der Ethikbeirat ist eine ständige Einrichtung der HiA und kann ohne schwerwiegenden Grund nicht
aufgelöst werden. Er wird aufgelöst, wenn nach gemeinschaftlicher Auffassung aller ordentlichen
Mitglieder und/oder der Geschäftsführung der HiA die Grundlagen einer erfolgreichen Arbeit nicht
mehr bestehen.
6. Durchführung von ethischer Fallbesprechung auf Einrichtungsebene
Ethische Entscheidungskultur am Lebensende Projektbericht Dezember 2009
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Ethikberatung im Ethikbeirat
A. Grundstruktur
Ethikberatung in der HiA soll in ethischen Entscheidungssituationen und/oder in Konflikten auf der
Ebene von Stationen, Funktionsbereichen und Abteilungen unterstützen und möglichst zeitnah alle
relevanten Mitarbeitenden zusammenführen. Das Ergebnis der Beratung wird von den Verantwortlichen in ihren Kompetenzbereichen umgesetzt.
Für Ethikberatung auf Einrichtungsebene stehen ausgewählte Mitglieder des Ethikbeirates bzw.
der Fachstelle und ggf Mitarbeitenden der HiA mit entsprechender Moderationskompetenz zur
Verfügung. Die Nominierung zur Moderationsgruppe erfolgt auf Basis freiwilliger Meldung und/oder
Beauftragung. Die ModeratorInnen werden in einer Liste im Anhang zur Geschäftsordnung veröffentlicht. Die ModeratorInnen arbeiten in einem 2er-Team und teilen sich Moderation und Dokumentation. Die ModeratorInnen werden von der Leitung des Ethikbeirates und nach Rücksprache
mit ihrer direkten Dienststellenleitung eingesetzt. Die Moderationstätigkeit zählt als Dienstzeit.
B. Anmeldung und Ansetzen der Ethikberatung
Jede/r Mitarbeitende hat das Recht, eine Ethikberatung anzumelden. Auch BewohnerInnen bzw.
deren gesetzliche VertreterInnen sowie Angehörige können eine Ethikberatung beantragen. Die
Anmeldung erfolgt entweder über die Hausleitung (HL/PDL) oder über die Leitung bzw. Koordination des Ethikbeirats. Nach Erarbeiten einer relevanten ethischen Fragestellung und Feststellen der
Sinnhaftigkeit einer konsiliaren ethischen Fallbesprechung/Ethikberatung werden ModeratorInnen
vor Ort oder externe ModeratorInnen benannt, und die beteiligten Leitungen vor Ort über die Anmeldung informiert. Die Ethikberatung soll zeitnah in Absprache mit dem/der Anmeldenden sowie
der pflegerischen Leitung der entsprechenden Einrichtung erfolgen. Der/die KoordinatorIn entscheidet, welche Mitglieder als ModeratorInnen nominiert werden. Diese kommen nach Möglichkeit
und je nach Dringlichkeit/Eskalation nicht aus der entsprechenden Einrichtung. Tritt jedoch der
begründete Fall ein, dass eine Ethikberatung nicht vertretbar erscheint, so ist dies zwischen AnmelderIn, Leitung bzw. Koordination des Ethikbeirates und Geschäftsführung der HiA zu kommunizieren. In diesem seltenen Fall sollte dann ein alternatives Bearbeitungssetting (Supervision, Coaching, etc.) empfohlen werden.
C. Teilnehmende der Ethikberatung
Bei der Beratung sollen alle direkt mit der Situation befassten MitarbeiterInnen und Professionen
beteiligt werden. In jedem Fall ist zu überprüfen, in welcher Weise die betroffenen BewohnerInnen,
deren Angehörige bzw. die Bevollmächtigten sinnvoll beteiligt werden.
D. Zeitrahmen der ethischen Fallbesprechung/ Ethikberatung
Eine Ethikberatung sollte nicht länger als 45 Minuten dauern. Alle Teilnehmenden sollten während
der vollen Beratungszeit präsent sein und ihre Vertretung in anderen Funktionen vorab geklärt
haben. Die Teilnahme an und die Moderation von Ethikberatung ist Dienstzeit.
E. Mögliche Ergebnisse der konsiliaren ethischen Fallbesprechung/ Ethikberatung im Ethikbeirat
Jede Ethikberatung schließt mit einem Beratungsergebnis in Form einer begründeten Neueinschätzung der Situation oder einer (Team-)Entscheidung für ein weiteres Vorgehen. Kein Beratungsergebnis kann den Arzt und die Ärztin von ihrer Berufspflicht entbinden - d.h. diese bleiben
frei in ihrer situationsbezogenen, und ihre am Bewohnerwillen auszurichtenden, ärztlichen Ent-
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scheidung. Für Pflegende und Mitarbeitende anderer Dienste gilt das Entsprechende im Rahmen
der jeweiligen Berufspflichten.
F. Dokumentation der ethischen Fallbesprechung/ Ethikberatung im Ethikbeirat
Das Moderatorenteam protokolliert die Fragestellung und das Beratungsergebnis, gegebenenfalls
einige Beobachtungen über den Moderationsverlauf oder offene Fragestellungen. Diese Protokolle
stehen dem Ethikbeirat in den Räumen der Leitung des Ethikbeirates intern zur Verfügung; für die
an der Beratung Beteiligten ist ein Ergebnisprotokoll zu verfassen. In der Patientendokumentation
ist zu vermerken, dass eine konsiliare ethische Fallbesprechung/ Ethikberatung stattgefunden hat
und das Ergebnis dort entsprechend zu sichern.
G. Auswertung der ethischen Fallbesprechung auf Einrichtungsebene/ Ethikberatung im Ethikbeirat
Die Ethikberatungen werden intern im Ethikbeirat ausgewertet. Auf entsprechende Fortbildung und
Qualitätsentwicklung wird geachtet. Die Geschäftsführung der HiA wird in regelmäßigen Abständen informiert.
7. Auftraggeber und Öffentlichkeitsarbeit
Der Auftrag zur Einrichtung eines Ethikbeirates in der HiA erfolgte durch die Geschäftsführung der
HiA im Frühjahr 2009. Die Geschäftsordnung wurde von der Leitungskonferenz und der Geschäftsführung in Zusammenarbeit mit der o.g. Fachstelle erarbeitet bzw. beschlossen.
Die Konstituierung des Ethikbeirates erfolgte am 29. Oktober 2009 in München.
Die Geschäftsordnung wird im QM-Rahmenhandbuch der HiA veröffentlicht.
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