ADHS Inhouse-Fortbildung am 07.01. und 04.02.2013 Dörthe Holst Ablauf Termin 07.01.2013 • Klärung der Begrifflichkeiten • Prävalenzen • Klassifikation • Gruppenarbeit • Beschreibung der Symptomatik • Verlauf der Symptomatik Ablauf Termin 04.02.2013 • Ursachenmodell (genetische, biologische und psychosoziale Faktoren) • Diagnostik • Therapie (Psychotherapie und Pharmakotherapie) • Gruppenarbeit • Modifikation des Alltags Einführung ein Kind mit ADHS braucht gut informierte Bezugspersonen je mehr fachliches Wissen das Team hat, welches das Kind umgibt, umso eher kann eine positive Entwicklung erreicht werden wichtige Voraussetzung ist, dass alle Beteiligten über Grundlagen, Verlauf, Symptomatik und Prognose von ADHS gleichermaßen gut informiert sind Begriffe • Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperativitätssyndrom (ADHS) • Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) • Hyperkinetische Störungen (HKS) Kardinalsymptome Unaufmerksamkeit Hyperaktivität Impulsivität ADHS • Beschreibung der Symptomatik schon im 19. Jahrhundert Diagnosen nach ICD-10 und DSM-IV ADHS Prävalenz • Im Alter von 4-10 Jahren: ca. 3-10% • Im schulpflichtigen Alter ca. 500.000 Kinder in Deutschland • D.h. im Durchschnitt in jeder Klasse ein Kind • Geschlechterverhältnis • Jungen sind ca. 3x häufiger betroffen (m:w 3:1 bis 9:1) • Vorherrschend unaufmerksamer Typus 2:1 • Hyperaktiv-impulsiver Typus 5:1 • Bei Mädchen wird Störung oftmals übersehen • Unauffälliger Typ (ADS) • Verträumt, abwesend, vergesslich • Mädchen haben seltener komorbide aggressive Auffälligkeiten Prävalenz • ca. 2% aller Jugendlichen • chronisches Störungsbild • trotz Behandlung bleibt bei etwa 30% der Erwachsenen die volle Symptomatik erhalten und etwa 60% sind als Erwachsene noch durch Einzelsymptomatiken beeinträchtigt • Folgestörungen sind häufig Gruppenarbeit Welche ADHS-Symptome begegnen euch im Alltag? Überlegt euch Beispiele zu jedem der 3 Kardinalsymptome! (Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität, Impulsivität) Unaufmerksamkeit Symptomkriterien nach ICD-10 und DSM-IV 1. Beachtet häufig Einzelheiten nicht oder macht Flüchtigkeitsfehler bei den Schularbeiten, bei der Arbeit oder bei anderen Tätigkeiten. 2. Hat oft Schwierigkeiten, längere Zeit die Aufmerksamkeit bei Aufgaben oder Spielen aufrechtzuerhalten. 3. Scheint häufig nicht zuzuhören, wenn andere ihn ansprechen. 4. Führt häufig Aufträge anderer nicht vollständig durch und kann Schularbeiten, andere Arbeiten oder Pflichten am Arbeitsplatz nicht zu Ende bringen. 5. Hat häufig Schwierigkeiten, Aufgaben und Aktivitäten zu organisieren. Unaufmerksamkeit Symptomkriterien nach ICD-10 und DSM-IV 6. Vermeidet häufig oder hat eine Abneigung gegen oder beschäftigt sich häufig nur widerwillig mit Aufgaben, die länger andauernde geistige Anstrengung erfordern. 7. Verliert häufig Gegenstände, die er für bestimmte Aufgaben oder Aktivitäten benötigt. 8. Lässt sich oft durch äußere Reize ablenken. 9. Ist bei Alltagstätigkeiten häufig vergesslich. Hyperaktivität Symptomkriterien nach ICD-10 und DSM-IV 1. Zappelt häufig mit Händen und Füßen oder rutscht auf dem Stuhl herum. 2. Steht (oft) im Unterricht oder in anderen Situationen auf, in denen Sitzenbleiben erwartet wird. 3. Läuft häufig herum oder klettert exzessiv in Situationen, in denen dies unpassend erscheint. 4. Hat häufig Schwierigkeiten, ruhig zu spielen oder sich mit Freizeitaktivitäten ruhig zu beschäftigen. 5. Zeigt ein anhaltendes Muster exzessiver motorischer Aktivität, das durch die soziale Umgebung oder durch Anforderungen nicht durchgreifend beeinflussbar ist. Ist häufig „auf Achse“ oder handelt oftmals, als wäre er „getrieben“. Impulsivität Symptomkriterien nach ICD-10 und DSM-IV 1. Platzt häufig mit der Antwort heraus, bevor die Frage zu Ende gestellt ist. 2. Kann häufig nur schwer warten, bis er an der Reihe ist. 3. Unterbricht oder stört andere häufig (z.B. platzt in die Unterhaltung oder Spiele anderer hinein). 4. Redet häufig übermäßig viel (ohne angemessen auf soziale Beschränkungen zu reagieren) (im DSM-IV unter Überaktivität) In welchen Situationen treten diese Probleme auf? Verstärkt in solchen Situationen, in denen eine längere Ausdauer erwartet wird • Häufig bei fremdbestimmten Aufgaben • mit kognitiver Anstrengung • langweilige und ermüdende Aufgaben • Z.B. im Unterricht, bei den Hausaufgaben, beim Essen Dagegen eher selten, selten wenn die Kinder • nur mit einer Person zusammen sind • Sich in einer neuen Umgebung befinden • Wenn sie ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen (selbstbestimmt) Typische ADHS-Symptome im Tagesverlauf Begleitsymptome… • Versagensgefühle, Schuldgefühle • Hypersensibilität, alles auf sich beziehen • geringes Selbstwertgefühl, hohe Kränkbarkeit • Schwierigkeiten mit Autoritätspersonen durch (oft) unbeabsichtigte Regelverstöße • Schwierigkeiten, Nähe und Distanz richtig zu regulieren • Schwierigkeiten, strukturiert vorzugehen • Schwierigkeiten, Ordnung zu halten • Schwierigkeiten, Beziehungen langfristig aufrechtzuerhalten; häufige Beziehungsprobleme • Dominantes Spielverhalten • Klassenkasper Begleitsymptome… • nicht verstehen, weshalb sie getadelt werden, obwohl sie sich doch richtig anstrengen • viele Missverständnisse • hohe Beeinflussbarkeit • Schulschwierigkeiten • Sündenbock • achtloser Umgang mit sich, anderen und Gegenständen • häufige Verletzungen und Unfälle • Ängstlichkeit, Depressionen • dissoziale Verhaltensweisen bis hin zu Delinquenz • soziale Isolation … aber sie haben auch viele Stärken! offen und zugewandt voller Tatendrang immer zu Scherzen aufgelegt, oft gut gelaunt begeisterungsfähig • • • Oft hohe Hilfsbereitschaft Oft intensiver und fürsorglicher Umgang mit Tieren Begeisterung und Faszination für alles Extreme und Exotische Wann werden diese Merkmale als Störung bezeichnet? • … müssen schon vor der Einschulung auftreten • … müssen deutlich stärker sein als bei Kindern gleichen Alters • … müssen deutlich stärker sein als bei Kindern gleicher Intelligenz • … müssen in mehreren Lebensbereichen auftreten (Familie, Schule) • … müssen Alltagsfunktionen beeinträchtigen Können diese Probleme auch Hinweise auf andere Störungen sein? • • • • • • • • Intelligenzminderung Schulische Überforderung Schulische Unterforderung Durch Medikamente bedingte hyperkinetische Auffälligkeiten Oppositionelle Verhaltensauffälligkeiten Ängste traurige Verstimmung oder emotionale Belastungen Folge chaotischer psychosozialer Bedingungen Bindungsstörung Komorbidität die typischen Symptome bilden einen Risikofaktor für die Entwicklung sekundärer psychiatrischer Symptome • 30-50 % oppositionelle Verhaltensstörung/ dissoziale Verhaltensstörung • 20-30 % Lernstörungen/Teilleistungsstörungen • 20 % Angststörungen • 15 % Depressive Störungen • 10-20 % Tic-Störungen Komorbidität bei Sprachentwicklungsstörungen Noterdaeme & Amorosa (1998): • N = 83 Kinder (n=72 Jungen, n=11 Mädchen) • Zwischen 6.8 und 9.9 Jahren (M=8.2, SD=1.6) • mit schweren expressiven und rezeptiven Sprachstörungen • 36.1% (n=30) wiesen Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperakvititätsstörung auf • 14.5% (n=12) wiesen eine einfache Aufmerksamkeitsstörung auf ADHS • … ist nicht wie Masern oder Mumps (kategorial) • … sondern wie Bluthochdruck oder Übergewicht (dimensional) Man kann mehr oder weniger davon haben! Die Grenzen sind fließend. Verlauf • • • • Überlegt zu zweit welche Verhaltensauffälligkeiten bei ADHS in welchem Alter zum Vorschein kommen könnten: Säuglingsalter Kleinkindalter/Vorschulalter Jugendalter Erwachsenenalter Verlauf Säuglingsalter • sehr hohes Aktivitätsniveau • exzessives Schreien • Ungünstige Temperamentsmerkmale (Regulationsstörungen) und dadurch Überforderungssituation • Entwicklungsverzögerungen Kleinkindalter • Spielverhalten plan- und rastlos • ausgeprägte Trotzphase • destruktiver Umgang mit Spielzeug Verlauf Vorschulalter • Motorische Unruhe, ziellose Hyperaktivität (extreme Umtriebigkeit) • Kaum ruhiges und ausdauerndes Spiel (geringe Spieldauer) • Entwicklungsdefizite • Kaum Befolgen von Grenzen und Anweisungen • extreme Wutausbrüche • Hohes Unfallrisiko zu Hause und im Straßenverkehr • Zwischen 5 und 6 Jahren fallen die Probleme deutlich auf Verlauf Grundschulalter • Problematik intensiviert sich mit Eintritt und steigenden Anforderungen in der Schule (Ruhe, Ausdauer, Konzentration) • häufiges Stören des Unterrichts, unruhig, rasch ablenkbar • bereits in den ersten Klassen Lernprobleme • Teilleistungsschwächen, oft schwache schul. Leistungen • Leistungsunsicherheit, Kinder verlieren Lust am Lernen • Ablehnung durch Gleichaltrige durch aggr. Verhalten • zunehmend isoliert, Selbstwertprobleme • Zu Hause: Kernproblem die Bewältigung von Hausaufgaben • Häufig Klassenwiederholung und Umschulung Verlauf Jugendalter • motorische Unruhe vermindert sich • Aufmerksamkeitsstörung persistiert jedoch häufig • häufig aggressives und dissoziales Verhalten • Schuleschwänzen, ausgeprägtes Lügen und Stehlen • hohes Risiko für Alkohol- und Drogenmissbrauch • häufig emotional auffällig Erwachsenenalter • bei ca. 30-60% Residualsymptome (ausgeprägt 30%) • dissoziales Verhalten/Delinquenz (15-30%) • antisoziale Persönlichkeitsstörung (25%) • geringe Schul- und Berufsbildung Ende Teil 1 Ausblick 07.02.2013 • Ursachenmodell (genetische, biologische und psychosoziale Faktoren) • Diagnostik • Therapie (Psycho- und Pharmakotherapie) • Gruppenarbeit • Modifikation des Alltags Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!