Ethische Fragen am Lebensende Stein Husebö Die „großen“ ethischen Fragen n Was bedeutet ein „gutes Leben“ für den Patienten? n Was ist eine „gute Entscheidung“, um ein „gutes Leben“ zu erhalten? n Friedlich sterben – ist für den meisten Menschen einen Teil vom guten Leben Die ”kleinen” ethischen Fragen n Höflichkeit n In den Augen sehen und sich vorstellen n Hinsetzen und Zuhören n Fragen, Stille und Gefühle zulassen n Kleine Überlegung: - Welche Frage, welche Begegnung, welche Aktivität, welches Wort wäre für den Patienten in dieser Situation wichtig? Ethische Grundlagen Autonomie n Das Recht auf Selbstbestimmung Paternalismus n Wir wissen, was richtig ist und treffen die für den Patienten wichtigen Entscheidungen Weicher Paternalismus n n ”Verhandlungen” mit einem Patienten besonders, wenn er seine Situation nicht erfassen kann Schutz vor unmöglichen Entscheidungen Welchen Nutzen bringt die geplante Massnahme: Für den Patienten? n Für den Angehörigen? n Für das Fachpersonal? n Für mich? n Für die Institution? n Für die Krankenkasse? n Für die Politik? n Einnahmen? n Autonomie bedeutet nicht: Dass die Patienten ein Recht haben, eine Diagnostik oder Behandlung zu erhalten wenn: n Deren Effizienz nicht erwiesen ist n Der mutmaßliche Schaden den Nutzen übertrifft n Das Gesetz oder die ethischen Richtlinien es verbietet Sterbende sterben lassen? Informiertes Einverständnis? n Mutmaßlicher Patientenwille? n Welchen Nutzen hat der Patient von der geplanten Therapiemaßnahme? n Welchen Schaden? n Welchen Nutzen oder Schaden haben wir? n Hoffnung? Für wen? n Intensivmedizin: Sterbende sterben lassen? Probleme Wir wissen oft erst hinterher – ob die Therapie erfolgreich war oder nicht n Wir haben nicht gelernt, dass das Sterben für Sterbende eine Erlösung sein kann n Wenn Sie einen Hammer haben, sieht alles aus wie Nägel Mark Twain n Wir müssen den Patienten schützen vor Angehörige, Politiker, Juristen, Kollegen – die meinen: Leben lohnt sich immer n Mythen Wir wissen nie wann das Sterben beginnt…. n Meine Aufgabe als Arzt ist ausschließlich den Tod zu bekämpfen…. n Wir müssen immer weitermachen bis Einigkeit erzielt ist…. n Bei beatmungspflichtigen Patienten sollte der Respirator nie abgestellt werden…. n Herausforderungen 99 % aller ethischen Konflikte am Lebensende können durch kompetente, vorbereitende Kommunikation gelöst werden n Alle wichtige Bezugspersonen in einem Zimmer bringen (Betroffene + Fachpersonal) n Zuhören, sich Anbrüllen lassen n Zeit und Wiederholung n Ein Arzt, eine Schwester verantwortlich für Information und Kommunikation n Intensivmedizin: Sterbende sterben lassen? Beatmung einstellen? Dagegen: n n n Zeit gewinnen Dramatischen Todesfall und Reaktionen verhindern Besser für den Sterbenden und den Angehörigen Dafür: n n n n Konsequentes handeln Mutmasslicher Wille Ressourcen sparen Besser für den Sterbenden und den Angehörigen Ethisch betrachtet, besteht kein Unterschied zwischen dem Unterlassen einer Behandlung und der Unterbrechung einer Behandlung World Medical Association Appleton Consensus 1987 Schwerkranke und Sterbende Hoffnung - Fußwechsel Es gibt Hoffnung: n Um zu Überleben n Um Gesundheit zu erhalten Dann kämpfen wir gemeinsam: n Und schlucken alle Nebenwirkungen Es gibt keine Hoffnung: n Um zu Überleben n Um Gesundheit zu erhalten Dann kämpfen wir gemeinsam: n Um Hoffnung, Ziele, Kommunikation, Sinn, Haltung, Würde und Abschied Palliative Care n n n n n n n Schmerzlinderung Symptomlinderung Kommunikation Ethik Soziale Integration Seelsorge Teamarbeit Kinder n Husebö, Klaschik. Palliativmedizin. Springer Verlag. 5. Auflage 2008 n n n n n n n n n Patient und Angehörige Person und Gesellschaft Körper und Seele Wissen und Verständnis Wissenschaft und Kunst Schwäche und Würde Leiden und Hoffnung Leben und Tod Liebe und Trauer Vergleich Norwegen/ Deutschland - Österreich Krankenhausbetten pro Einwohner Ratio N/ D-Ö 1:2 Pflegebetten pro Einwohner 2:1 Pflegekräfte (Krankenhaus und Pflegeheim) pro.Pat. 2:1 Ärzte im Pflegeheim pro Patient 4:1 Kosten für Gesundheitswesen pro Einwohner Wo bleibt das Geld in Deutschland? Gleich Wo bleibt das Geld in Deutschland? n Diagnostik, Therapie und Überweisungen ohne Nutzen n Unzählige Krankenkassen n Sterbende werden in Krankenhaus verlegt und am Leben gehalten n Zu viele Ressourcen/ Betten für „Blaulichtmedizin“ n Fehlende Ressourcen und Kompetenz in Pflegeinstitutionen n Fehlendes Gesamtpolitisches/fachliches Konzept für kompetente Versorgung der chronisch Kranken und Alten Deutschland bis 2030 Was notwendig ist: Heimarzt n 300 000 neue Pflegeheimplätze n 200 000 neue Pflegende n Demenz-strategi n Palliative Care in der Langzeitpflege n Weiterbildungsprogramme n Forschung n Paliiativer Plan n n n n Frau Clara Hansen leidet unter fortgeschrittene Demenz und Herzinsuff. Ausführliche Gespräche wurden geführt mit ihr und den Töchtern. Alle wollen, daß die Mutter zu Hause sterben darf Tochter Barbara soll verständigt werden n n n n n Bei Dyspnoe: 10 mg Morphin sc. Bei Todesrasseln: 0.6 mg Scopolamin Bei Panik/ Angst: 5 mg Dormicum sc. Meine Handynummer 0047 41780007 Wo wird gestorben? (%) 80 80 70 65 60 60 50 42 40 NursH 40 Hospital 30 Home 30 18 20 20 20 15 10 10 0 0 Norw Germ Spain Roma Demenz und kognitiver Verlust Ist der test an uns n Werden sie respektiert und gesehen? n Dürfen sie singen und wandern? n Besuchen wir sie nicht mehr – wenn sie uns nicht wiedererkennen? n Die Hände n Bekommen sie palliative care? n Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben n Wo die Menschen nach dem Muster von Hühnerfarmen behandelt werden n Gut versorgt – n Aber ohne Spielraum Norbert Blüm n Demenz Alte Menschen mit Demenz und schwere kognitive Verluste haben zunehmend Einschränkungen ihrer Autonomie. n Trotzdem haben sie immer Würde n Zunehmend muss aber ihre Würde gesehen und bestätigt werden durch andere = uns n Wir müssen ihre Lebensprojekte kennen und verstehen n KrankenpflegerIn - Würde Sollte ich am Ende des Lebens alt, schwach, krank und allein sein, wäre ich dankbar für ein zu Hause im Pflegeheim… n Die grösste Kränkung meiner Würde wäre dass, n jemanden ohne mich zu Fragen den Büstenhalter entfernt! n Dann bringe ich sie um! n Patienten First of all – do no harm Mit Einverständniskompetenz: n Der Patient entscheidet unter aktuellen Behandlungsangebote Ohne Einverständniskompetenz: n Die mutmassliche Patientenwille entscheidet Sterbende Patienten: n Der Arzt entscheidet – und schütz den Pat. Indirekte Sterbehilfe Eine gebotene palliative Therapiemassnahme n Die das eindeutige Ziel hat n Das Leiden der Sterbenden zu lindern n Wo unter Umständen als Nebenwirkung in Kauf genommen wird n Dass der Sterbende Minuten/ Stunden früher stirbt n Das zentrale deutsche Problem n Sterbende werden mit sinnlosen medizinischen Maßnahmen am Leben gehalten n Und ein friedliches und würdevolles Sterben zu Hause unmöglich gemacht Die schlimmste Kränkung der Menschenwürde die ich mir vorstellen kann: n Das ein sterbender Mensch in seinen letzten Lebenstunden sinnlos ins Krankenhaus verlegt und wiederbelebt wird Warum bekommen Sterbende lebenverlängernde Therapien? Steh nicht da herum! n Tu etwas! Sollte in vielen Situationen verändert werden zu: n Tu nicht etwas! n Setzen Sie sich hin! n Doust J. BMJ 2004;328:475 Wahrheit Zwischen Leben und Tod Stein Husebø n Der Unterschied zwischen dem richtigen Wort, und dem beinahe richtigen Wort, n Ist wie der Unterschied zwischen dem Blitz und dem Glühwürmchen Mark Twain n Alle können lernen nach Noten zu spielen n Aber in den Pausen….. n Zwischen den Noten n Da entsteht……. n Die grosse Musik Arthur Schnabel Chamfort n Gespräche sind wie Reisen zu Schiff. n Man entfernt sich vom Festland ehe man es merkt, dass man das Ufer verlassen hat. Schwerkranke und Sterbende Offenheit über den bevorstehenden Tod n Welche Information haben Sie über die Erkrankung erhalten? n Machen Sie sich Sorgen über die Zukunft Ihrer Kinder? n ......Sagen Sie bitte mehr darüber……….. n Möchten Sie, dass wir offen über die verbleibende Zeit sprechen? Goethe Wenn wir, so sagtest du, die Menschen so nehmen, wie sie sind, so machen wir sie schlechter. n Wenn wir sie behandeln, als wären sie, was sie sein sollten, bringen wir sie dahin, wohin sie zu bringen sind. n Patienten mit Kompetenz Niemals Gespräche ohne Patient anwesend n Integration von Angehörige und Kinder n Zuhören, Optionen erklären, Raum für Fragen, Reaktionen und Gefühle n Wiederholung / Eintragung in der Krankenakte n Der Patient bestimmt welche Behandlung er annimmt: INFORMIERTES EINVERSTÄNDNIS n Wir bestimmen, welche Behandlung aktuell ist n Patienten ohne Kompetenz n n n n n Angehörige entscheiden nicht Sie können aber zentrale Informationen über Mutmasslichen Patientenwillen geben Wie hätte er in der vorliegenden Situation entschieden? Andere Informationsquellen: Angehörige, Arzt, Pflegepersonal, Freunde, Lebensgeschichte Patientenverfügung, Gesundheitsbevollmächtigten CLARA - 83 JAN - 58 ELISABETH - 53 PETRA - 28 Sofie 27 OLA - 25 Jens 5 Nina 7 Die guten Fragen n Was hätte sie gewollt? n Was ist jetzt eine gute Entscheidung? n Sie lieben ihre Mutter sehr, nicht wahr? Patienten First of all – do no harm Mit Einverständniskompetenz: n Der Patient entscheidet unter aktuellen Behandlungsangebote Ohne Einverständniskompetenz: n Die mutmassliche Patientenwille entscheidet Sterbende Patienten: n Der Arzt entscheidet – und schütz den Pat. Schwerkranke und Sterbende Hoffnung - Fußwechsel Es gibt Hoffnung: n Um zu Überleben n Um Gesundheit zu erhalten Dann kämpfen wir gemeinsam: n Und schlucken alle Nebenwirkungen Es gibt keine Hoffnung: n Um zu Überleben n Um Gesundheit zu erhalten Dann kämpfen wir gemeinsam: n Um Hoffnung, Ziele, Kommunikation, Sinn, Haltung, Würde und Abschied Cicely Saunders n Du hast Bedeutung weil Du bist n Und Du hast Bedeutung bis die letzte Minute in deinem Leben Herman Hesse n Am Grab der meisten Menschen n Trauert n Ihr tief verschleiert ungelebtes Leben Herman Hesse Geliebt werden ist nichts n Lieben ist alles n Liebe will nicht haben n Sie will nur lieben n n Liebe dich selbst wie deinen Nächsten Paliiativer Plan n n n n Frau Clara Hansen leidet unter fortgeschrittene Demenz und Herzinsuff. Ausführliche Gespräche wurden geführt mit ihr und den Töchtern. Alle wollen, daß die Mutter zu Hause sterben darf Tochter Barbara soll verständigt werden n n n n n Bei Dyspnoe: 10 mg Morphin sc. Bei Todesrasseln: 0.6 mg Scopolamin Bei Panik/ Angst: 5 mg Dormicum sc. Meine Handynummer 0047 41780007 Solveig – 95: n Es ist Herbst n Die Mädchen haben Hängebrust n Die Jungen haben keine Lust n Es ist Herbst «Diese letzten Wochen mit Mutter war ein Höhepunkt des gemeinsamen Lebens»