Positionspapier zu Geschlechtsdiskriminierender

Werbung
Positionspapier zu
Geschlechtsdiskriminierender Werbung
1. Der Verein Pinkstinks
Viele Produkte und Werbekampagnen weisen vor allem Frauen und Mädchen aber
auch Männern und Jungen eine Geschlechterrolle zu, die sie in ihrer gesunden Entfaltung beschränken. Gegen eine solche „Pinkifizierung“ wendet sich Pinkstinks.
Pinkstinks ist eine Initiative gegen sexistische Werbung und steht für ein kritisches
Medienbewusstsein, Selbstachtung, ein positives Körperbild und alternative weibliche und männliche Rollenbilder für Kinder. Der Stereotypisierung von Geschlechtsrollen wirkt Pinkstinks entgegen durch Bildungs- und Aufklärungsarbeit. Der Verein
setzt sich für ein Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung ein, sowie dafür,
dass Werbung die Menschenwürde achtet und die Bemühungen, die auf anderen
Gesellschaftsgebieten zur Verhinderung der Geschlechtsdiskriminierung unternommen werden, nicht konterkariert. Zudem betreibt Pinkstinks Aufklärung über Spielwaren und andere Produkte, die Kindern limitierende Geschlechterrollen zuweisen.
2. Warum die Arbeit von Pinkstinks wichtig ist
a) Auswirkungen stereotyper Darstellungen
Zahlreiche Studien, vor allem solche der Psychologie und Soziologie, aber auch
pädagogische und kommunikationswissenschaftliche Studien zeigen, dass geschlechtsstereotype Werbung bei Erwachsenen bereits bestehende Überzeugungen
verstärkt.i Gezeigt werden konnten aber auch Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein und die beruflichen Leistungsansprüche von Frauen,ii sowie ein Anstieg stereotyper Annahmen über Geschlechterrollen und eine höheren Akzeptanz von sogenannten Vergewaltigungsmythen (die die Mitschuld von Frauen an Vergewaltigungen
erklären) ebenso wie erhöhte Antipathien gegenüber dem anderen Geschlechtiii und
eine insgesamt geringere Akzeptanz von Geschlechtergleichheit.iv
Insbesondere auf Kinder, deren Einstellungen und Überzeugungen sich erst formen
und die erst beginnen, ihre (Geschlechts-) Rolle in der Gesellschaft zu finden und zu
definieren, übt Werbung eine besonders starke, formende Wirkung aus.v Untersuchungen mit Kindern zeigten, dass Kinder durch die Beobachtung und das ModellLernen anhand von TV-Bildern genauso effektiv Verhaltensweisen übernehmen wie
von realen Vorbildern des täglichen Lebens.vi So führt etwa das Zeigen geschlechtsstereotyper Werbespots zu einer deutlichen Verstärkung klischeehafter Geschlechtervorstellungen und Berufswünsche, wohingegen nicht-stereotype Geschlechtsrollendarstellungen diesem Trend entgegenzuwirken scheinen.vii
Studien zu den Auswirkungen sexualisierter Bilder auf das mentale und physische
Wohlbefinden insbesondere von Frauen und Mädchen, aber auch von Männern
zeigen, dass die mediale Konfrontation mit dünnen Vorbildern signifikante Auswirkungen auf das Körperempfinden und das Selbstwertgefühl hat und insbesondere
weibliche Kinder und Jugendliche eine deutlich erhöhte Körperunzufriedenheit zeigen.viii Während der mediale Einfluss bei „dünnen Bildern“ zu Körperunzufriedenheit,
gestörtem Essverhalten und der Besessenheit, einen schlanken Körper zu haben,
führt, sind Bilder, die nicht das extreme Schlankheitsideal transportieren, geeignet,
Körperunzufriedenheit, Essstörungen sowie der Internalisierung eines dünnen
Schlankheitsideals entgegenzuwirken.ix
b) Rechtliche Situation
Geschlechtsdiskriminierende Werbung verfestigt Geschlechtsrollenstereotype und
beeinträchtigt damit die Gleichstellung der Geschlechter. Damit verstößt sie gegen
das Gleichstellungsgebot, Art. 3 Abs. 2 GG. In Einzelfällen sind auch Verletzungen
der Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, sowie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG denkbar.
Die negativen Auswirkungen geschlechtsdiskriminierender Werbung auf die Gleichstellung der Geschlechter haben insbesondere die Gremien der Europäischen Union
bereits mehrfach betont und ein Tätigwerden der Mitgliedsstaaten angemahnt, so in
dem von der Europäischen Kommission veröffentlichten Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männernx, der Entschließung des europäischen Parlaments zur
Diskriminierung von Frauen in der Werbungxi sowie der Entschließung der parlamentarischen Versammlung des Europarates zum Bild der Frau in der Werbungxii.
Neben Norwegen, das bereits 1978 ein Verbot geschlechtsdiskriminierender Werbung einführte,xiii existieren Verbote in Irlandxiv, Norwegen, Schweden, Dänemark
und Finnland,xv sowie Kroatien, Griechenland, Portugal und Spanienxvi. Zu einer
rechtlichen Regulierung geschlechtsdiskriminierender Werbung ist es in Deutschland
aber bisher nicht gekommen – auch wenn einige Rechtswissenschaftler_innen beständig die Einführung eines Verbots geschlechtsdiskriminierender Werbung in das
Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb (UWG) fordern.xvii
c) Regulierungsmechanismen
Das fehlende Verbot wird zum Teil mit der Existenz des Deutschen Werberates begründet. Dieser ist ein Gremium der werbetreibenden Industrie und damit ein Instrument der Selbstkontrolle. Er wurde 1972 vom Zentralverband der Deutschen
Werbewirtschaft (ZAW) e.V. gegründet und fungiert als Konfliktregler zwischen Beschwerdeführenden aus der Bevölkerung und werbenden Firmen. Seine Verhaltensgrundsätze enthalten auch ein Verbot geschlechtsdiskriminierender Werbung.
Ob die Werbeselbstkontrolle in der Lage ist, ein gesetzliches Verbot – vor allem
wenn es wie hier um staatliche Schutzpflichten geht – zu ersetzen, ist jedoch fraglich. Vor allem aber lassen diverse Kritikpunkte an der Effektivität der Arbeit des
Werberates zweifeln: So sind etwa die Verhaltensgrundsätze relativ knapp gehalten
und das Entscheidungsgremium ist nicht paritätisch besetzt (sondern besteht zurzeit
aus zehn Männern und drei Frauen), die anhand des Verständnisses eines „Durchschnittsverbrauchers“ entscheiden, ob diskriminierende Werbung vorliegt. Eine
Einbeziehung wissenschaftlicher Hilfe von außerhalb erfolgt nicht (dass dies aber
möglich ist und sehr hilfreich für die Falllösung sein kann, zeigt der Österreichische
Werberat).
3. Ziele von Pinkstinks
Pinkstinks hat sich vier Ziele gesetzt:
Es möchte die Bevölkerung für geschlechtsdiskriminierende Werbung sensibilisieren. Damit die Einordnung einer solchen leichter fällt, ist das zweite Ziel die Erarbeitung eines Kriterienkatalogs. Mithilfe dieses Kriterienkatalogs würde Pinkstinks gern
helfen, die Verhaltensgrundsätze des Werberates zu verbessern und diesen auch im
Übrigen im Rahmen seiner Weiterentwicklung und Verbesserung unterstützen. Viertes Ziel ist schließlich die Lobbyarbeit für ein gesetzliches Verbot geschlechtsdiskriminierender Werbung.
4. Aktuelles
Pinkstinks arbeitet mit verschiedenen Interessengruppen, Forschenden der Rechtsund Sozialwissenschaften an einem solchen Kriterienkatalog und wird ihn im Frühjahr 2014 vorstellen.
i
Ganahl/Prinsen/Netzley Sex Roles 2003, 545-551, abrufbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1023%2FA%3A1025893025658.pdf; Pollay Journal of Marketing 1987, 104-109; ders. Journal of Marketing 1986, 18-38, abrufbar unter
http://uts.cc.utexas.edu/~tecas/syllabi2/adv382jfall2002/readings/pollay.pdf.
ii
Geis/Brown/Jennings-Walstedt/Porter Sex Roles 1984, 513-525, abrufbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1007%2FBF00287809.pdf; Jennings-Walstedt/Geis/Brown
Journal of Personality and Social Psychology 1980, 203-210, abrufbar unter
http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=buy.optionToBuy&id=1981-07904-001.
iii
MacKay/Covell Sex Roles 1997, 573, 580, abrufbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1023%2FA%3A1025613923786.pdf.
iv
MacKay/Covell Sex Roles 1997, 573, 581, abrufbar unter
http://link.springer.com/content/pdf/10.1023%2FA%3A1025613923786.pdf.
v
Unnikrishnan/Bajpai: The impact of television advertising on children, S. 146 ff.; Davis Sociological
Spectrum 2003, 407 f., abrufbar unter http://mason.gmu.edu/~sdaviso/Sex%20Stereotypes.pdf.
vi
Bandura/Ross/Ross Journal of Abnormal and Social Psychology 1963, 3-11, abrufbar unter
http://www.uky.edu/~eushe2/Bandura/Bandura1963JASP.pdf.
vii
Huston/Greer/Wright/Welch/Ross Developmental Psychology 1984, 707-716, abrufbar unter
http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=buy.optionToBuy&id=1984-25519-001; O´Bryant/Corder-Bolz
Journal of Vocational Behavior 1978, 233-244; Cheles-Miller Journal of Advertising Research 1975,
45-49.
viii
Grabe/Ward/Hyde Psychological Bulletin 2008, 460-476, abrufbar unter
http://psycnet.apa.org/index.cfm?fa=buy.optionToBuy&id=2008-04614-005; Derenne/Beresin Academic Psychiatry 2006, 257-261, abrufbar unter
http://ap.psychiatryonline.org/article.aspx?articleID=50181; Schooler/Ward Psychology of Men and
Masculinity 2006, 27-41, abrufbar unter http://shrike.depaul.edu/~ztan/psy326/men7127.pdf; Petersen Zeitschrift für Medienpsychologie 2005, 54, 60 f.; Halliwell/Dittmar Journal of Social and Clinical Psychology 2004, 104-122, abrufbar unter http://arapaho.nsuok.edu/~scottd/image-2.pdf;
Aglitata/Tantleff-Dunn Journal of Social and Clinical Psychology 2004, 7-22, abrufbar unter
http://arapaho.nsuok.edu/~scottd/image-1.pdf; Hargreaves/Tiggemann Journal of Youth and Adolescence 2003, 367-373; Becker/Burwell/Gilman/Herzog/Hamburg British Journal of Psychiatry 2002,
509-514, abrufbar unter http://corcom130-sp10-advertising.wikispaces.umb.edu/file/view/Fiji.pdf;
Lavine/Sweeney/Wagner Personality and Social Psychology Bulletin 1999, 1049-1058, abrufbar unter
http://www.psych.uw.edu.pl/wderaad/Propaganda/Media_effects_on_body_dissatsifaction.pdf;
ausführlich Grogan: Body Image, S. 111-135 und Becker: Body, Self, and Society.
ix
Cohen The Wesleyan Journal of Psychology 2006, 57-71, abrufbar unter
http://www.ddwei.info/pdf/subsequent/4.pdf.
x
Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
Regionen - Fahrplan für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2006-2010, KOM (2006) 0092.
xi
Entschließung des Europäischen Parlaments vom 3. September 2008 zu den Auswirkungen von
Marketing und Werbung auf die Gleichstellung von Frauen und Männern, ABlEU 2009 C 259 E/43;
Entschließung vom 25. Juli 1997 zur Diskriminierung von Frauen in der Werbung, ABlEG 1997 C 304,
S. 60.
xii
Entschließung 1557 (2007) der Parlamentarischen Versammlung des Europarats "Das Bild der Frau
in der Werbung".
xiii
Kur WRP 1995, 790, 792.
xiv
Prechal/Burri: Geschlechtergleichstellungsrecht in 30 Europäischen Ländern, S. 60 (Stand 2009).
xv
Kur WRP 1995, 790, 792.
xvi
Schricker/Henning-Bodewig: Elemente einer Harmonisierung des Rechts des unlauteren Wettbewerbs in der Europäischen Union, S. 84 (Stand Juli 2001).
xvii
Kocher KJ 2003, 293, 305; Steinbeck ZRP 2002, 435, 436, 438; Schricker/Henning-Bodewig, WRP
2001, 1367, 1397, 1400; Fezer WRP 2001, 989, 1017 f.; ders. JZ 1998, 265, 267; von Gierke FS Piper
S. 243, 253 f..
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