Leben mit Darmkrebs Inhaltsverzeichnis 2 Vorwort 3 Professor Dr. med. Wolff Schmiegel 4 6 7 8 10 13 14 18 19 19 21 22 24 26 28 32 34 36 Überblick Anhang 38 40 Informationen und Adressen Glossar Volkskrankheit Darmkrebs Der Darm – Verdauungsorgan mit zahlreichen Aufgaben Entstehungsorte von Darmkrebs Mit Prävention das Risiko senken Die Entstehung von Darmkrebs Diagnose Darmkrebs Diagnostische Methoden Schweregrade der Darmkrebserkrankung Die vier Säulen der Therapie Die Operation Die Strahlentherapie Die Chemotherapie Die zielgerichtete Therapie Hemmung der Tumor-Angiogenese Hilfe bei Nebenwirkungen Nach der Therapie Regelmäßige Nachsorge Zurück im Alltag Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, vielleicht sind Sie selbst an Darmkrebs erkrankt oder jemand, der Ihnen nahesteht. Mit dieserBroschüremöchtenwirIhnenInformationenrundumdasThemaDarmkrebsanbieten.Sieerfahren,wieDarmkrebsentsteht,undlernenMöglichkeitenderVorsorge,UntersuchungsmethodensowieaktuelleBehandlungsstrategienkennen.Darmkrebsgehört inderBundesrepublikDeutschlandzudenhäufigstenbösartigenErkrankungen.Infrühen Erkrankungsstadien sind die Heilungschancen sehr gut, aber auch wenn die Krankheit bereitsfortgeschrittenist,stehenwirksameTherapieformenzurVerfügung. BesondereBedeutungkommtderFrüherkennungzu.AlsMethodederWahlhatsichseit vielenJahrendieKoloskopie(Darmspiegelung)etabliert:Wirdsiekonsequentdurchgeführt,kanndieEntwicklungvonDarmkrebsverhindertwerden.EshandeltsichdabeialsonichtnurumeineFrüherkennung, sondern auch um eine Vorsorgeuntersuchung. Daher empfehle ich Ihnen dringend, die gesetzlichen AngebotezurFrüherkennungwahrzunehmen.Abdem50.LebensjahrsolltenSiejährlicheinenStuhltestvornehmen lassenundabdem55.LebensjahrallezehnJahrezurDarmspiegelunggehen.DerzeitlicheAbstandistausreichend, Darmkrebsvorstufen frühzeitig zu erkennen. Bei einer Häufung von Darmkrebserkrankungen in der Familie ist es ratsam,dieUntersuchungbereitseherundinkürzerenAbständendurchzuführen. DieserRatgeberwendetsichvorwiegendanMenschen,diebereitsanDarmkrebserkranktsind.WirmöchtenIhnen aufzeigen,überwelcheBehandlungsmöglichkeitendieMedizinderzeitverfügt.IndiesemBereichgibtesdeutliche Fortschritte:BessereErkenntnisseüberdenTumorhabendieEntwicklungzielgerichteterTherapiestrategienermöglicht,diesichspeziellgegendiebösartigenZellenrichten.GemeinsammitderOperationundgegebenenfallsder StrahlentherapiestehenunsdamitwirksameBehandlungsmöglichkeitenzurVerfügung. DieBroschüresolldaspersönlicheGesprächmitIhremArztnichtersetzen,sondernIhnenvielmehrInformationenan dieHandgeben,dieIhnendenAustauscherleichtern. IhrProfessorDr.med.WolffSchmiegel DirektorderMedizinischenKlinik amKnappschaftskrankenhausBochum Volkskrankheit Darmkrebs Darmkrebs gehört zu den häufigsten bösartigen Tumoren Allein in Deutschland erkranken Jahr für Jahr circa 70.000 Menschen an Darmkrebs – Männer und Frauen gleichermaßen. Darmkrebs stellt somit bei Frauen und Männern die zweithäufigste Krebserkrankung dar, gleich nach Brustkrebs bzw. Prostatakrebs. Im Laufe seines Lebens wird jeder 20. Bundesbürger mit dieser Diagnose konfrontiert. Besonders groß ist das Risiko zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr. Nur fünf bis zehn Prozent der Darmkrebsfälle gehen auf vererbte Genveränderungen zurück. Dazu gehört beispielsweise die familiäre adenomatöse Polyposis, bei der der Dickdarm von einer großen Anzahl Polypen befallen wird. Erbliche Krebserkrankungen wie diese entwickeln sich schon in jungen Jahren. Bei knapp einem Drittel aller Darmkrebsfälle ist die Krankheit bereits in der engeren Verwandtschaft aufgetreten. Auch eine solche familiäre Vorbelastung erhöht das eigene Risiko. Familienmitglieder sollten deshalb schon in frühem Alter regelmäßig Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen (siehe Seite 9). 44 Wichtig: frühe Diagnose Die Prognose bei Darmkrebs hängt entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnosestellung ab. Je früher die Ärzte den Krebs erkennen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient vollständig geheilt wird oder noch lange gut leben kann. Nachdem die Forschung über Jahrzehnte kaum Fortschritte verzeichnen konnte, wurden innerhalb kurzer Zeit mehrere neue Wirkstoffe, zielgerichtete Antikörper, zugelassen, die die Chancen auf ein längeres Leben trotz Darmkrebs deutlich verbessert haben. Risikofaktoren für Darmkrebs Inzwischen konnten Forscher einige Faktoren identifizieren, die das Darmkrebsrisiko erhöhen. Fettreiche Ernährung, Übergewicht, Alkohol, Rauchen und mangelnde Bewegung können die Entstehung begünstigen, sind aber nie die alleinige Ursache. Ein erhöhtes Darmkrebsrisiko haben Menschen, die unter einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leiden. Wachstumshemmer Orale Chemotherapie Kombination von Chemotherapie mit Folinsäure Weitere Chemotherapien Anstieg der Überlebensdauer 1980er 1990er Mit wachsender Anzahl an Therapiemöglichkeiten hat sich auch die Überlebenszeit der Patienten deutlich erhöht. 2000er 2008 Angiogenese-Hemmer Der Darm – Verdauungsorgan mit zahlreichen Aufgaben Funktionen des Darms Der menschliche Verdauungstrakt ist ein etwa acht Meter langer Schlauch, der mit einer Schleimhaut ausgekleidet ist. Er reicht vom Mund über Speiseröhre, Magen und Darm bis zum After. Mithilfe der Verdauungsorgane nimmt der Körper die Nährstoffe aus der Nahrung auf, nutzlose oder giftige Subs­ tanzen scheidet er aus. Maßgeblich daran beteiligt ist der Darm. Grob unterschieden werden drei Abschnitte: óó Mit einer Länge von ungefähr fünf Metern ist der Dünndarm der längste Teil des Darms. Er schlängelt sich durch den gesamten Bauchraum. Seine Aufgabe ist es, die Nahrung aus dem Magen aufzunehmen und sie weiterzuverdauen. Über die Dünndarmschleimhaut gelangen dann alle notwendigen Nährstoffe, Vitamine und Mineralien in den Blutkreislauf. óó Der Dickdarm (Kolon) ist etwa 1,5 Meter lang und legt sich wie ein Rahmen um den Dünndarm. Im Dickdarm wird der Speisebrei durch Entzug von Wasser und Salzen auf etwa ein Viertel der ursprünglichen Menge eingedickt und unter Mithilfe von Darmbakterien in Stuhl umgewandelt. óó Der Enddarm (Mastdarm, Rektum) ist circa 16 Zentimeter lang und bildet über den After die Verbindung nach außen. Auf diesem Weg wird der Stuhl ausgeschieden. Was die wenigsten wissen: Im Darm sitzen mehr als 70 Prozent der Abwehrzellen des Körpers. Sie produzieren sogenannte Immunglobuline, die für die Abtötung von Viren oder Bakterien notwendig sind. Damit ist der Darm ein wichtiger Teil der Immunabwehr. 6 Entstehungsorte von Darmkrebs Vor allem der Enddarm ist betroffen Darmkrebsentwickeltsichzuetwa55ProzentindenunterenDarmabschnittenundzucirca45ProzentimDickdarm.ImBereichdesDickdarmshatderKrebsbevorzugteLokalisationsstellen(unten dargestellt).GeradeindenunterenDarmabschnitten(Sigma-undEndddarm)trittDarmkrebsgehäuft auf.ImDünndarmentstehtäußerstselteneinKrebsgeschwür. querverlaufenderDickdarm 15 % 5% 25 % absteigenderDickdarm BlinddarmundaufsteigenderDickdarm 55 % Sigma-undEnddarm Mit Prävention das Risiko senken Gesundheitsbewusst leben Dreh- und Angelpunkt in der Prävention, also der Vorbeugung, ist ein gesunder Lebensstil. Wer normalgewichtig ist (BMI < 25), sich regelmäßig bewegt, nicht raucht und Alkohol nur in Maßen trinkt, hat bereits einiges getan, um sein Darmkrebsrisiko zu mindern. Und nicht nur das: Auch die Gefahr für andere Krebserkrankungen und für Herz-Kreislauf-Erkrankungen sinkt. Experten empfehlen eine ausgewogene Ernährung mit viel Obst und Gemüse (fünf Portionen pro Tag) und eine Seefischmahlzeit pro Woche. Reduziert werden sollten nach Möglichkeit Lamm-, Rind- und Schweinefleisch, Zucker, tierische Fette und gepökelte sowie gesalzene Wurstwaren. Regelmäßige Bewegung, idealerweise Radfahren, Wandern und Schwimmen, sollte ebenfalls auf dem Programm stehen. Allerdings: Ein gesundheitsbewusster Lebensstil kann das Risiko, an Darmkrebs zu erkranken, zwar senken, aber nicht ausschließen. Deshalb ist es besonders wichtig, die angebotenen Früherkennungsmaßnahmen konsequent in Anspruch zu nehmen, um eine Erkrankung oder Vorstufen von Darmkrebs so früh wie möglich zu erkennen. 8 Untersuchungen zur Vorsorge und Früherkennung Zu den Früherkennungsmaßnahmen von Darmkrebs gehören der Okkultblut-Test und die Darmspiegelung. Mit dem Okkultblut-Test werden Stuhlproben auf unsichtbare (okkulte) Blutspuren untersucht, denn Blut kann ein Hinweis auf Tumoren im Darm sein. Ab dem 50. Lebensjahr zahlen die Krankenkassen diese Untersuchung einmal jährlich. Wird Blut nachgewiesen, muss nachfolgend eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt werden: Nur so lässt sich klären, ob tatsächlich eine Darmkrebserkrankung vorliegt. Eine Koloskopie (aus dem Griechischen: Kolon = Dickdarm, skopein = schauen) ist die effektivste und zuverlässigste Methode, Darmkrebs zu verhindern oder in einem sehr frühen Stadium zu erkennen. Der Grund: Werden Darmpolypen – Ausstülpungen im Dickdarm, die eine Vorstufe von Darmkrebs sein können – während der Spiegelung entdeckt, können sie in den meisten Fällen sofort unproblematisch und schmerzfrei entfernt werden. Für Personen ohne besondere Risiken übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen ab dem 55. Lebensjahr alle zehn Jahre die Kosten für eine Darmspiegelung. Ist ein Familienmitglied an Darmkrebs erkrankt, besteht eine genetische Vorbelastung oder liegen besondere Risikofaktoren vor, etwa eine chronisch-entzündliche Darmkrankheit, werden Vorsorge­koloskopien in wesentlich jüngeren Jahren und in kürzeren Abständen durchgeführt. Verwandte ersten Grades eines Darmkrebspatienten wie seine Kinder sollten eine Darmspiegelung zehn Jahre vor dessen Erkrankungsalter vornehmen lassen. Für diese Maßnahme kommen die Krankenkassen auf. Darüber hinaus tragen die Versicherer bei Risikopatienten die Kosten für weitere Koloskopien – etwa dann, wenn bei der Erstuntersuchung Polypen gefunden wurden. Wird Darmkrebs im Frühstadium erkannt, beträgt die Heilungschance über 90 Prozent. Nehmen Sie die Früherkennungsmaßnahmen daher regelmäßig wahr! Die Entstehung von Darmkrebs Veränderungen am Erbgut als Auslöser Darmkrebs entsteht, wenn die Zellen der Darmschleimhaut sich ungebremst teilen und unkontrolliert wachsen. Langfristig dringen sie in angrenzende Gewebe ein oder sie lösen sich völlig aus ihrem Zellverband und wandern über Blut oder Lymphflüssigkeit in andere Organe, um dort Metastasen (Tochtergeschwulste) zu bilden. Der Grund für dieses unkontrollierte Zellwachstum sind Veränderungen an Genen (Mutationen), die das Wachstum von Zellen steuern und kontrollieren. Solche Genmutationen treten häufiger auf, vor allem wenn Zellen sich teilen. Der Körper ist weitgehend in der Lage, solche Genschäden zumindest teilweise wieder zu reparieren. Mit zunehmendem Alter können sich Genmutationen jedoch anhäufen. Da auch die Reparatur­mechanismen nicht mehr so effektiv arbeiten wie in jungen Jahren, kann es dann zu überbordendem Zellwachstum kommen. Bei erblicher Vorbelastung liegen bereits bei Geburt Genveränderungen vor, die die Entwicklung schnell wachsender Tumorzellen begünstigen. 10 reparierte Zelle gesunde Zelle gesunde Zelle mutierte Zelle mutierte Zelle Reparaturmechanismus Reparaturmechanismus versagt kontrollierte Selbstzerstörung unkontrollierte Teilung Tumor Normalerweise werden defekte Zellen durch einen Mechanismus entweder repariert oder der kontrollierte Zelltod wird eingeleitet. Versagt dieser Reparaturmechanismus, kommt es zu einer übermäßigen Gewebeneubildung – der bösartige Tumor entsteht. Darmkrebs entwickelt sich langsam Darmkrebs zeichnet sich durch eine Besonderheit aus: Etwa 90 Prozent der Tumoren entwickeln sich aus gutartigen Darmpolypen (Adenomen) – und zwar sehr langsam. Bis aus einem Darmpolypen ein Karzinom wird, vergehen etwa zehn Jahre. Diese Zeitspanne kann in der Früherkennung genutzt werden und eröffnet die Chance, Darmpolypen und frühe Darmkrebsstadien rechtzeitig zu erkennen und zu entfernen (siehe Seite 14). 12 Diagnose Darmkrebs Vorsorgeuntersuchungen retten Leben Darmkrebs ist eine „stille“ Krankheit und verursacht in den meisten Fällen erst in fortgeschrittenen Stadien Beschwerden. Oft ist er dann nicht mehr heilbar. In frühen Stadien hingegen ist die Chance auf Heilung sehr gut. Deshalb sind regelmäßige Darmspiegelungen im Rahmen der Vorsorge besonders wichtig. Gleichzeitig sind sie eine aktive Prävention, da während der Untersuchung Darmpolypen, die Vorstufen von Darmkrebs, schmerzfrei entfernt werden können. Aus diesem Grund ist die Darmspiegelung sowohl als Vorsorgeuntersuchung als auch bei einem konkreten Verdacht unverzichtbar. Typische Beschwerden bei Darmkrebs: óó óó óó óó óó óó óó óó óó óó óó Blut im Stuhl Änderung der Stuhlgewohnheiten Stuhldrang ohne Entleerung Stuhlunregelmäßigkeiten (Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung) Blähungen Bauchschmerzen Übelkeit,Völlegefühl und Appetitlosigkeit auffälliger Leistungsabfall unbeabsichtigte Gewichtsabnahme Anämie (Blutarmut) Müdigkeit, Abgeschlagenheit Diagnostische Methoden Die Stuhluntersuchung allein reicht nicht aus Mittels einer Stuhluntersuchung (Okkultblut-Test) überprüfen die Ärzte den Stuhl auf nicht sichtbares Blut. Dafür gibt der Patient an drei aufeinanderfolgenden Tagen eine Stuhlprobe auf einem Teststreifen ab, die der Arzt zur Untersuchung an ein Labor schickt. Ein negatives Testergebnis schließt Dickdarmkrebs aber nicht aus, denn ein Tumor blutet nicht zwangsläufig und auch nicht ununter­ brochen. Darüber hinaus kann der Genuss bestimmter Lebensmittel das Testergebnis verfälschen. Die Stuhluntersuchung ist daher kein Ersatz für eine Koloskopie. Nur die Darmspiegelung gibt Sicherheit Nur die Koloskopie kann Darmkrebs eindeutig feststellen oder ausschließen. Bei der Untersuchung muss der Darm völlig sauber sein, damit auch kleinste Veränderungen der Darmschleimhaut nicht übersehen werden. Um den Darm zu reinigen, nehmen Patienten einen Tag vor dem Eingriff mindestens zwei Liter einer speziellen Abführ­ lösung zu sich. Sie unterstützt die Darmentleerung. Schema einer Darmspiegelung (Koloskopie) Während der Arzt das Koloskop langsam durch den Dickdarm führt, kann er auf einem Monitor die Darmschleimhaut genau begutachten und mögliche Veränderungen erkennen. 14 Während der Spiegelung führt der Arzt ein dünnes schlauchför­miges Untersuchungsgerät, das Endoskop, über den After in den Darm ein. An der Spitze ist eine Mini-Kamera montiert, die Bilder aus dem Darminneren liefert. Zunächst schiebt der Mediziner das biegsame Endoskop vorsichtig bis zum Übergang vom Dünndarm zum Dickdarm. Währenddessen wird etwas Luft in den Darm geblasen, damit er sich entfaltet. Danach zieht der Arzt das Endoskop sehr langsam zurück und begutachtet die Darmwand. Mit einer kleinen Zange entnimmt er Gewebeproben von veränderten Schleimhautbereichen. Vorhandene Darmpolypen – mögliche Vorstufen von Darmkrebs – können sofort entfernt werden. Der gesamte Eingriff dauert etwa 15 bis 20 Minuten. Die Koloskopie ist die zuverlässigste Methode zur Diagnose von Darmkrebs und gleichzeitig eine aktive Krebsvorsorge. Denn nur bei dieser Untersuchung wird der Darm direkt und umfassend untersucht. Bei allen anderen Verfahren können die Ärzte nur indirekt vorgehen oder erreichen nicht den gesamten Darm, beispielsweise bei der Sigmoidoskopie. Hier wird nur der untere Abschnitt des Darms kontrolliert. Aus diesem Grund können bei der Sigmoidoskopie nur 76 Prozent der Tumoren gefunden werden (siehe Grafik, Seite 7). Ein Viertel aller Darmkrebserkrankungen bleibt somit unentdeckt, da sich die Tumoren außerhalb des Untersuchungsgebiets befinden. Eine virtuelle Koloskopie, ein bildgebendes Verfahren, ist ebenfalls nur unzureichend. Statt mit dem Koloskop wird die Darmschleimhaut hier mithilfe des Computertomografen untersucht. Kleine oder flache Polypen oder Adenome werden dabei häufig übersehen. Sind Polypen vorhanden, müssen die Ärzte zur Entfernung ohnehin noch eine „normale“ Koloskopie durchführen. Auch die Kapselendoskopie, bei der Patienten eine Kapsel mit Mini-Kamera schlucken, die durch den Körper wandert und Bilder aufnimmt, eignet sich nicht als Ersatz für eine Koloskopie. Denn die Ärzte können die Kamera nicht gezielt steuern oder gar stoppen, wenn sie eine Auffälligkeit entdecken. Allein durch Darmbewegungen (Peristaltik) selbst gleitet die Kamera vorwärts. Entscheidende Veränderungen können daher schnell übersehen werden. Darüber hinaus ist auch vor dieser Untersuchung eine Darmentleerung notwendig. Eine schmerzfreie Untersuchung Da der Dickdarm ein schmerzunempfindliches Organ ist, verläuft die Koloskopie in der Regel schmerzfrei. Für sehr empfindliche Patienten und zur Reduzierung der Nervosität vor der Untersuchung kann ein Beruhigungsmittel oder eine leichte Narkose gegeben werden. Die Koloskopie ist ein äußerst sicherer Eingriff: Komplikationen, etwa eine Verletzung der Darmwand, kommen sehr selten vor. Diagnostische Methoden CT und MRT: nur zur Abklärung eines Verdachts Zusätzlich zur Koloskopie werden bei Verdacht auf Darmkrebs neben einer Ultraschalluntersuchung häufig auch die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT, auch als Kernspintomografie bezeichnet) herangezogen. Beide Verfahren liefern zusätzliche Informationen zur genauen Lage des Tumors und seiner Ausbreitung in die Darmwand oder in andere Organe. Außerdem können die Ärzte anhand der Untersuchungen erkennen, ob sich bereits Metastasen in der Lunge oder in der Leber gebildet haben. Darmtumoren streuen óó überwiegend in die Leber (circa 75 Prozent), óó deutlich seltener in die Lunge (circa 15 Prozent), óó sehr selten in das Gehirn, in die Nieren und in das Knochenmark (zwei bis drei Prozent). Daher wird im Rahmen dieser Verfahren der gesamte Bauch- und Brustbereich untersucht. Durch eine Röntgenaufnahme des Brustbereichs klären die Ärzte ab, ob sich bereits Lungenmetastasen gebildet haben. Die Magnetresonanztomografie bietet den Vorteil, dass – im Gegensatz zur Computertomografie – keine Röntgenstrahlen eingesetzt werden. Besonders gute Aufnahmen liefert sie von Gewebestruk­ turen ohne Knochen (Weichgewebe) und den Organen. Die Ergebnisse von Koloskopie, CT und MRT erlauben eine Zuordnung des Tumors zu einem Tumorstadium (siehe Seite 18). 16 © Engels / Fotolia.com Schweregrade der Darmkrebserkrankung Stadieneinteilung: Basis für Therapie und Prognose Verschiedene Untersuchungsverfahren geben Aufschluss über Größe und Position des Tumors sowie über seine Ausbreitung im Körper. Um einzuschätzen, wie schwerwiegend die Darmkrebserkrankung ist, orientieren sich die Ärzte an dem sogenannten UICC-Schema (Union internationale contre le cancer). Es dient als Basis für die Vorgehensweise in der Therapie sowie zur Prognosestellung. ­ Je niedriger das Stadium, desto größer sind die Chancen, dass der Krebs geheilt werden kann. Stadium Ausbreitung Therapie 0 Die Krebszellen befinden sich nur in den oberen Schichten der Darmschleimhaut, kein Lymphknotenbefall. keine (vollständige Entfernung des Tumors bereits während der Koloskopie erfolgt) I Der Tumor ist entweder auf die Darmschleimhaut beschränkt oder höchstens bis zur Muskelschicht der Darmwand vorgewachsen, kein Lymphknotenbefall. Eine Operation ist ausreichend. II Der Tumor hat die äußere Schicht der Darmwand erreicht oder sie durchbrochen und ist ins Bauchfell oder in umliegende Organe oder Gewebe eingewachsen, kein Lymphknotenbefall. In der Regel genügt eine Operation. In bestimmten Fällen zusätzliche Nachbehandlung mit Chemotherapie, um das Rückfallrisiko zu verringern. III IV 18 Darmkrebs mit Lymphknotenbefall, unabhängig von der Ausbreitung des Tumors in der Darmwand. Darmkrebs mit Fernmetastasen, unabhängig von der Ausbreitung des Tumors in der Darmwand und dem Befall der Lymphknoten. Operation, danach wird eine halbjährige Chemotherapie empfohlen, um das Rückfallrisiko zu verringern. Beim Rektumkarzinom kannn zusätzlich eine kombinierte Strahlen- und Chemotherapie angewandt werden. Operation nur, wenn der Primärtumor und einzelne Metastasen vollständig entfernt werden können oder wenn sie Beschwerden verursachen. Eine Chemotherapie wird in jedem Fall empfohlen. Die vier Säulen der Therapie Individuelle Entscheidung Neue zielgerichtete Therapien Chemotherapie Strahlentherapie Operation Die Behandlung von Darmkrebs hängt entscheidend vom Stadium und vom Tumortyp (Kolon- oder Rektumkarzinom) sowie vom Allgemeinzustand des Patienten ab. Eine Therapieentscheidung muss deshalb für jeden Patienten individuell getroffen werden. Die Darmkrebs-Therapie fußt auf vier Säulen: Grundstein der Therapie: die Operation Bei einer Darmkrebsdiagnose ist ein chirurgischer Eingriff häufig der erste Behandlungsschritt. Dabei entnehmen die Ärzte den betroffenen Darmabschnitt, die umliegenden Lymphknoten sowie die dazugehörigen Lymph- und Blutgefäße. Ziel ist es, den Tumor möglichst komplett zu entfernen. In der Regel wird dazu ein größeres Teilstück des Darms herausgeschnitten. Nach dem Eingriff benötigt der Körper eine gewisse Zeit, bis die Verdauung wieder problemlos funktioniert. So können – je nachdem welcher Darmabschnitt entfernt wurde – Durchfälle auftreten, die allerdings in der Regel medikamentös gut zu behandeln sind. Generell beginnen Patienten bereits wenige Stunden nach der Operation, Wasser, Tee, Quark oder Joghurt zu sich zu nehmen. Auf diese Weise soll der Darm frühzeitig aktiviert werden. Die Operation Eine langfristige Diät müssen Patienten nach einer Darmkrebsoperation in der Regel nicht einhalten. Sie sollten nur auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung achten. Erlaubt ist fast alles, was schmeckt: Jeder Patient sollte dabei auf seinen Körper hören und ausprobieren, welche Speisen er gut verträgt und welche nicht. Ein Ernährungstagebuch kann hier eine Hilfe sein. Nähere Informationen dazu finden Sie in unserem Ernährungsleitfaden für Patienten mit Darmkrebs (siehe Seite 38). Nur in frühen Stadien der Erkrankung lässt sich Darmkrebs durch eine alleinige Operation heilen. In späteren Stadien wird dann meist zusätzlich eine Chemotherapie durchgeführt. In weit fortgeschrittenen Stadien wird manchmal auch auf eine für den Patienten belastende Operation verzichtet. Selten dauerhaft: der künstliche Darmausgang Bei Operationen, in denen die Operationsnaht direkt am Schließmuskel verläuft, legen die Ärzte einen vorübergehenden künstlichen Darmausgang (Anus praeter, Stoma) an. Auf diese Weise schützen sie die Naht und unterstützen die Heilung. In den meisten Fällen bleibt das Stoma aber nur für kurze Zeit (circa sechs Wochen) bestehen. Ist die Naht verheilt, kann es im Zuge einer kleinen Operation verschlossen werden. Der Patient kann den Stuhl dann wieder auf natürlichem Weg ausscheiden. Nur fünf Prozent aller Darmkrebspatienten müssen dauerhaft mit einem künstlichen Darmausgang leben. Bei ihnen liegt der Krebs zu nahe am After, sodass der Schließmuskel oder eine ausreichende Kontinenz nicht erhalten werden kann. 20 Die Strahlentherapie Nur bei Enddarmkrebs: die Strahlentherapie Bei der Strahlentherapie (Radiotherapie) handelt es sich um eine lokale Behandlung. Sie kann Tumorgewebe zielgenau zerstören, wirkt aber nur dort, wo bestrahlt wird. Krebszellen, die sich bereits im Organismus verteilt haben, werden hingegen nicht erreicht. Enddarmkrebs bildet neue Tumoren hauptsächlich am Entstehungsort des Ursprungstumors. Sie ­heißen deshalb Lokalrezidive (aus dem Lateinischen: recidere = zurückfallen). Daher wird die Strahlentherapie angewandt, um das Auftreten dieser Lokalrezidive zu verhindern. Vor einer Operation wird Enddarmkrebs, wenn er nahe am Schließmuskel sitzt, bestrahlt, um den Tumor zu verkleinern und daraufhin mit höherer Wahrscheinlichkeit den sogenannten Sphinkter, also den Schließmuskel, erhalten zu können. Dadurch bleibt dem Patienten unter Umständen ein dauerhafter künstlicher Darmausgang erspart. Die Bestrahlung verläuft nach einem genau festgelegten Behandlungsplan: Sie findet an fünf Tagen hintereinander und in der Regel mit einer sich anschließenden zweitägigen Pause ambulant über fünf bis sechs Wochen statt. Jede Bestrahlung dauert etwa zehn Minuten, sodass Patienten den Termin problemlos in den persönlichen Tagesablauf einbinden können. Die Strahlentherapie ist schmerzfrei, und die Patienten vertragen sie überwiegend gut. Bei empfindlicher Haut können Rötungen auftreten, die sich nach der Behandlung aber wieder zurück­ bilden. Um die Haut zu schonen, empfehlen Experten den Betroffenen, sich bis etwa zwei Wochen nach der Therapie im bestrahlten Bereich nicht zu waschen und keine Cremes zu verwenden. Während der Therapie kann es mitunter zu einer Darmentzündung mit Durchfall und Bauchschmerzen kommen. Auch Brennen und Schmerzen beim Wasserlassen als Folge einer Blasenentzündung sind möglich. Diese Beschwerden klingen aber erfahrungsgemäß nach einiger Zeit wieder ab. Spätfolgen sind selten. Die Chemotherapie Hocheffektive Behandlung: die Chemotherapie Chemotherapeutika (auch Zytostatika genannt) sind Medikamente, die die Vermehrung von Krebszellen verhindern. Sie wirken vor allem auf Zellen, die sich häufig teilen. Daher ist ihr Einsatz bei Krebszellen sehr effektiv. Eine Chemotherapie wirkt im ganzen Körper (systemisch) und erreicht so nicht nur den Krebs im Darm selbst, sondern auch bereits gestreute Tumorzellen in anderen Organen. Da diese Medikamente über einen Zeitraum von mehreren Monaten gegeben werden müssen, um möglichst alle im Körper befindlichen Krebszellen abzutöten, leider aber auch häufig starke Nebenwirkungen haben können, erfolgt die Behandlung in sogenannten Zyklen. Nach einer Zytostatika-Gabe wird eine Therapiepause eingelegt, in der sich die gesunden Zellen erholen können. Häufig kombinieren die Ärzte verschiedene Zytostatika mit dem Ziel, den Tumor sowie eventuell vorhandene Metastasen so effektiv wie möglich zurückzudrängen. Bei der Behandlung von Darmkrebs wird die Chemotherapie ab Stadium II eingesetzt. Ab Stadium III gehört sie zur Standardtherapie. Für gewöhnlich werden Zytostatika direkt in den Blutkreislauf verabreicht. Dies geschieht über eine Infusion und dauert je nach Wirkstoff zwischen zwei und 48 Stunden (Dauerinfusion). Nach einer Behandlung folgt eine Therapiepause von circa zwei bis drei Wochen. Therapieschema bei infusionaler Chemotherapie Therapie Pause Zyklus I Therapie Pause Therapie Zyklus II Zyklus III Zeit 22 Pause Therapie Pause Zyklus IV Mehr Freiraum mit Tabletten Für Darmkrebspatienten steht auch eine orale Chemotherapie zur Verfügung. Durch eine spezifische Eigenschaft von Tumorzellen kann diese moderne Therapieform nicht nur bequem als Tablette zu Hause eingenommen werden, der Inhaltsstoff wird auch erst direkt und gezielt an der Tumorzelle wirksam: Ähnlich einem trojanischen Pferd wird die Substanz der Chemotherapie sozusagen „getarnt“ in den Körper eingebracht und erst direkt an der Tumorzelle in das wirksame Medikament umgewandelt. Das funktioniert über zwei Zwischenstationen in der Leber und an der Tumorzelle. Der Wirkstoff wird somit erst direkt am „Ort des Geschehens“, der Tumorzelle, freigesetzt. Das bedeutet bei hoher Wirksamkeit eine geringere Belastung für den Körper während der Chemotherapie. Einige übliche Nebenwirkungen fallen in der Regel milder aus – beispielsweise tritt der häufig gefürchtete Haarausfall bei dieser Therapie nur in sehr seltenen Fällen auf. Auch die orale Chemotherapie verläuft in Zyklen. Ein Zyklus dauert in der Regel drei Wochen: Der Patient nimmt das Medikament über zwei Wochen zweimal täglich zu Hause ein, dann folgt eine einwöchige Therapiepause. Darm Leber Tumor Einnahme der Tabletten Aufnahme vom Darm ins Blut Umwandlung in der Leber zu unwirksamem Zwischenprodukt Umwandlung im Tumor zu wirksamem Medikament Die zielgerichtete Therapie Wirkweise: gezielt gegen Tumorwachstum Die Chemotherapie hat große Erfolge für Patienten mit Darmkrebs gebracht. Allerdings greift sie neben Krebszellen auch gesunde Körperzellen an. Daher suchten Forscher nach neuen Wirkstoffen im Kampf gegen den Krebs: Wirkstoffe, die gezielt den Tumor angreifen und das gesunde Gewebe möglichst unbeeinträchtigt lassen – mit Erfolg. Für die Behandlung von Darmkrebs stehen zwei zielgerichtete Therapiestrategien, im Englischen „targeted therapies“, zur Verfügung: óó Zwei Wirkstoffe richten sich speziell gegen den Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR (englisch: epidermal growth factor receptor) auf den Darmkrebszellen. Sie verhindern die Signalweiterleitung ins Zellinnere und behindern dadurch das Wachstum des Tumors. Diese Wachstumshemmer wirken allerdings nicht bei Darmkrebspatienten, bei denen ein bestimmtes Gen mit dem Namen K-ras verändert ist. Bei 40 Prozent der Patienten liegt eine solche Veränderung (Mutation) vor. Aus diesem Grund müssen Patienten auf die Mutation getestet werden, bevor diese Wachstumshemmer eingesetzt werden, um ihnen eine eventuell unwirksame Therapie zu ersparen. óó Bei der zweiten Therapiestrategie kommt ein sogenannter Angiogenese-Hemmer zum Einsatz. Er schneidet den Tumor von der Blutversorgung ab und hungert ihn somit regelrecht aus (siehe Seiten 25-27). Beide zielgerichteten Therapiestrategien sind für die Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs im Stadium IV in Kombination mit einer Chemotherapie zugelassen und werden nach den aktuellen deutschen ärztlichen Leitlinien als sogenannte First-Line-Therapie, das heißt Erst-Therapiekonzept, bei fortgeschrittenem Darmkrebs empfohlen. 24 Behandlungskonzept: Versorgung des Tumors stoppen Was auf den ersten Blick sehr kompliziert klingt, ist bei näherer Betrachtung ebenso einfach wie logisch: Tumorzellen benötigen, nicht anders als gesunde Körperzellen, Nährstoffe und Sauerstoff, damit sie überleben und wachsen können. Ihr Bedarf ist sogar besonders groß, weil sie sich häufig teilen. Sind die Tumoren kleiner als ein bis zwei Millimeter, versorgen sie sich mit Sauerstoff und Nährstoffen aus dem sie umgebenden Gewebe. Für das weitere Wachstum reicht das allerdings nicht aus. Sie sind dann auf die Versorgung über Blutgefäße angewiesen. Damit Tumorzellen in andere Körperregionen transportiert werden können, müssen sie zuerst in das Gefäßsystem gelangen. Könnten sich Tumoren nicht mit Blut versorgen, wären sie wahrscheinlich völlig harmlos und innerhalb kurzer Zeit wieder verschwunden. Doch Tumorzellen sind erfinderisch: Sie klinken sich in das Blutgefäßsystem des Körpers ein und sind sogar in der Lage, den Körper dazu zu bringen, neue Blutgefäße zu bilden, die den Tumor an das Versorgungssystem des Körpers anschließen. Der Prozess der Gefäßneubildung wird als Angiogenese bezeichnet. Der Begriff leitet sich aus dem Griechischen ab: Angio = Gefäß, Genese = Entstehung. Die Gefäßneubildung, die durch Tumorzellen initiiert wird, wird entsprechend als Tumor-Angiogenese bezeichnet. Kommt es zum Versorgungsengpass, senden die Tumorzellen ein Wachstumssignal aus, das die Blutgefäße des Körpers zur Gefäßneubildung anregt. Vermittelt wird dieses Wachstumssignal durch einen Gefäßwachstumsfaktor, der als vascular endothelial growth factor, abgekürzt VEGF, bezeichnet wird. Die folgenden Grafiken veranschaulichen diesen Prozess. Hemmung der Tumor-Angiogenese Der Tumor als Schmarotzer Tumor Blutgefäß VEGF dockt nun an den Rezeptor auf der Oberfläche von Blutgefäßen an und löst ein Wachstumssignal aus. Sobald die Blutgefäße das VEGF-Signal empfangen, sprossen neue Blutgefäße aus, und zwar in die Richtung, aus der die Signale ­kommen. Wachstumsfaktor VEGF durchbluteter Tumor Wachstumsfaktor VEGF 26 Um körpereigene Blutgefäße zur Gefäßneubildung anzuregen, produziert der Tumor den Wachstumsfaktor VEGF und setzt ihn frei. Bei VEGF (englisch: vascular endothelial growth factor) handelt es sich um ein kleines Molekül mit großer Wirkung! Der Tumor wird schon bald von einem engen Netzwerk aus Gefäßen umgeben, das mit dem Blutkreislauf des Patienten verbunden ist. Er bedient sich der Blutgefäße des Körpers, um wachsen und um sich weiterverbreiten zu können. Dieser Prozess schreitet kontinuierlich fort: Je größer der Tumor wird und je mehr Sauerstoff und Nährstoffe er benötigt, desto mehr Blutgefäße werden gebildet. Sie versorgen den Tumor mit allem, was er für sein Wachstum benötigt, und halten ihn am Leben. Den Tumor aushungern VEGF-Antikörper ausgehungerter Tumor Die faszinierende Idee, den Tumor von der Blutversorgung abzuschneiden und ihn dadurch „auszuhungern“, wurde schon in den 70er-Jahren geboren. Realisieren ließ sich das Konzept jedoch erst, als der Wachstumsfaktor VEGF entdeckt wurde. Die Forscher haben daraufhin einen Antikörper entwickelt, der perfekt an den Wachstumsfaktor VEGF bindet und ihn „schachmatt“ setzt. VEGF ist dadurch nicht mehr in der Lage, an die Rezeptoren der Blutgefäße anzu­ docken und das Signal zur Gefäßneubildung auszusenden. Die Tumorgefäße bilden sich nach und nach zurück, neue Tumorge­ fäße entstehen nicht mehr. Die Tumorzellen werden so vom Blutkreislauf abgeschnitten. Ohne Sauerstoff und Nährstoffe sterben sie allmählich ab. Der Tumor wird regelrecht ausgehungert. In klinischen Studien, die 2005 in Deutschland zur Zulassung des VEGF-Antikörpers bei fortgeschrittenem Darmkrebs geführt haben, konnte gezeigt werden, dass die Behandlung mit dem Antikörper in Kombination mit einer Standard-Chemotherapie das Fortschreiten der Erkrankung im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie um mehrere Monate hinauszögern kann. Auch konnte demonstriert werden, dass der Angiogenese-Hemmer die Gesamtüberlebenszeit der Patienten im Mittel im Vergleich um mehrere Monate verlängern kann. Aufgrund seines universellen Wirkmechanismus wird der VEGFAntikörper auch bei fortgeschrittenem Brust- und ­Eierstockkrebs, beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom sowie beim Nierenzellkarzinom eingesetzt. Hilfe bei Nebenwirkungen Beschwerden während der Therapie Chemotherapien wirken vor allem auf Zellen, die sich häufig teilen – deswegen reagieren Tumor­zellen besonders empfindlich auf Zytostatika. Gleichzeitig schädigen die Medikamente aber auch gesunde Körperzellen – besonders betroffen sind die Zellen, die sich ebenfalls schnell teilen. Dazu gehören beispielsweise Schleimhautzellen von Mund, Magen und Darm sowie blutbildende Zellen des Knochenmarks und Haarwurzelzellen. Als Nebenwirkungen sind daher Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Schleimhautentzündungen, Veränderungen im Blutbild, Nagelschäden und Haarausfall möglich. Während der Chemotherapie fühlen sich viele Krebspatienten zudem sehr müde und erschöpft. Einen Großteil der Nebenwirkungen können Ärzte gut behandeln und lindern. In schweren Fällen besteht die Möglichkeit, die Dosis der Medikamente zu verändern oder auf andere Wirkstoffe zurückzugreifen. Jeder Schritt zählt Die im Zusammenhang mit einer Krebserkrankung auftretende Form der Erschöpfung wird als Fatigue bezeichnet und betrifft etwa 90 Prozent der Krebspatienten. Als Ursache diskutieren Experten ein Zusammenspiel der Faktoren Tumorbefall, Blutarmut, Belastung durch Chemo- und Strahlentherapie sowie Probleme bei der Verarbeitung der Krankheit. Wie bei den meisten anderen Nebenwirkungen klingt die Fatigue einige Zeit nach Ende der Therapie ab. Auch wenn es schwierig scheint, sind Schonung und Ruhe hier die falsche Strategie. Besser ist es, sich regelmäßig zu bewegen, beispielsweise täglich spazieren zu gehen. Tipps für ein individuelles Bewegungsprogramm finden Sie unter: www.darmkrebszentrale.de Nebenwirkungen können, müssen aber nicht auftreten und sind kein Anzeichen für die Wirksamkeit einer Therapie! Falls Sie Beschwerden haben, sollten Sie Ihren Arzt auf jeden Fall darüber informieren. Nach Abschluss der Behandlung klingen die meisten Folgen einer Chemotherapie rasch ab. 28 Medikamente lindern Übelkeit, Erbrechen und Durchfall Zytostatika lösen häufig Übelkeit und Erbrechen aus. Für Zytostatika gegen Darmkrebs wird dieses Risiko allerdings als niedrig bis mäßig eingestuft. Gegen Übelkeit und Erbrechen helfen beispielsweise sogenannte Antiemetika, die schon vor der Behandlung eingenommen werden und somit diese Nebenwirkungen bereits im Vorfeld verhindern bzw. lindern können. Auch Durchfall ist als Folge von Veränderungen an der Darmschleimhaut eine Nebenwirkung der Chemotherapie. Starker Durchfall führt zu einem hohen Flüssigkeitsverlust, der wiederum Schwindel, Müdigkeit und Blutdruckabfall verursachen kann. Deshalb ist es wichtig, ausreichend zu trinken. Auch diese Nebenwirkung lässt sich medikamentös in der Regel gut eindämmen. Ein bewährtes Hausmittel bei Durchfall sind Rosinen: Sie gleichen verloren gegangene Mineralstoffe aus und haben eine stopfende Wirkung. Mehr Ernährungstipps finden Sie in der Broschüre „Zeit für mich. Leben mit Krebs – ein Ratgeber“ (siehe Seite 38). Vitamin B1 gegen Kribbeln Unangenehmes Kribbeln sowie Schmerzen in Armen und Beinen sind mögliche Nebenwirkungen einer Chemotherapie. Die Berührungsempfindlichkeit kann dabei eingeschränkt sein. Empfindungen dieser Art gehen auf eine Schädigung der Nervenbahnen an Händen und Füßen zurück. Hier können spezielle Medikamente schmerzlindernd wirken. Die Einnahme von Vitamin B1 kann ebenfalls helfen. Das Vitamin ist beispielsweise in Vollkornbrot oder Hefe enthalten. Darüber hinaus können Bewegung und physiotherapeutische Anwendungen wie eine Fußreflex­zonenmassage hilfreich sein. Hilfe bei Nebenwirkungen Regelmäßige Kontrolle des Blutbilds Zytostatika können die Anzahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten), die für die Immunabwehr notwendig sind, vorübergehend senken. Dadurch steigt das Risiko für Infektionen. Während einer Chemotherapie kontrollieren die Ärzte daher regelmäßig das Blutbild. Sinkt die Leukozytenanzahl drastisch, unterbrechen sie die Behandlung oder verlängern die zeitlichen Abstände zwischen den Zytostatika-Gaben. Bei Chemotherapien mit hohem Risiko des Absinkens der weißen Blutkörperchen kann dieser Nebenwirkung medikamentös vorgebeugt werden. Auch die Anzahl roter Blutkörperchen kann während der Therapie abnehmen. Daraus entwickelt sich mitunter eine Blutarmut (Anämie), die mit Müdigkeit und Leistungsabfall einhergehen kann. Ist die Anämie sehr ausgeprägt, erhalten Patienten verschiedene Medikamente, die die Anzahl der roten Blutkörperchen wieder erhöhen. Nicht zwingend: Haarverlust Nicht alle Zytostatika führen zwangsläufig zu Haarausfall. Art und Ausprägung des Verlusts der Körperbehaarung hängen vom verwendeten Medikament ab und sind von Person zu Person unterschiedlich. Vor allem Frauen­ belastet es, wenn ihnen während einer Chemotherapie die Haare ausfallen. Manche tragen dann ein Tuch, andere bevorzugen eine Perücke. Die Kosten für einen Haarersatz übernehmen die Krankenkassen. Empfehlenswert ist, sich die Perücke bereits vor der Chemotherapie verordnen und vom Friseur anpassen zu lassen. Tröstlich ist, dass alle ausgefallenen Haarwurzeln nahezu unmittelbar nach der Chemotherapie wieder zu wachsen beginnen. Etwa drei Monate später bedecken die Haare oft schon den gesamten Kopf. 30 Bei einer Therapie mit EGFR-Hemmern (siehe Seite 24) kann ein sogenannter „skin rash“ auftreten. Dabei handelt es sich um einen schweren akneähnlichen Hautausschlag, der sich vor allem auf trockenen Körperstellen entwickelt. Betroffene sollten daher trockene Haut vermeiden, indem sie Duschöle und feuchtigkeitsspendende Pflegeprodukte verwenden. Außerdem sollten sie auf Sonnenbäder verzichten. Kommt es zu einem schweren „rash“, wird mit Steroiden und/oder Antibiotika behandelt. Salben helfen beim Hand-Fuß-Syndrom Infolge einer Chemotherapie können schmerzhafte Rötungen an den Handflächen und Fußsohlen auftreten. Ärzte sprechen hier vom Hand-Fuß-Syndrom. Die dauerhafte Pflege mit einer fettenden Creme hilft, die Symptome abzumildern. Patienten sollten außerdem oberflächliche Belastungen der Haut wie Kratzen, den Umgang mit Werkzeugen oder den Kontakt mit heißem Wasser vermeiden. Ärzte verwenden zur Behandlung auch Schmerzmittel. Je nach Ausmaß des Hand-Fuß-Syndroms kann es notwendig werden, dass die Chemotherapie angepasst oder unterbrochen wird. Medikamente senken den Bluthochdruck Die Gabe des Angiogenese-Hemmers (siehe Seite 24) kann zu therapiebedingtem Bluthochdruck führen. Dieser lässt sich mit den üblichen blutdrucksenkenden Medikamenten in der Regel gut einstellen und normalisiert sich nach Ende der Therapie in der Regel wieder. © Kryu / iStockphoto.com Mit Cremes Hautausschlag vorbeugen Nach der Therapie Rehabilitation: Angebote nutzen Die Krebstherapie ist körperlich und seelisch sehr belastend, und auch nach ihrem Abschluss halten die Strapazen der medizinischen Behandlung für einen gewissen Zeitraum noch an. Der Körper ist meist noch geschwächt, die große Belastung vielfach spürbar – und für die Verarbeitung der Krebserkrankung blieb bislang wenig Zeit. Gerade deshalb ist es sinnvoll und hilfreich, nach Beendigung der Therapie Angebote zur Rehabilitation zu nutzen. Das können Kuren in spezialisierten Rehakliniken sein oder ambulante Maßnahmen wie Krankengymnastik, Massagen, Entspannungsübungen, Einzel- und Gruppengespräche sowie eine umfassende Ernährungsberatung. Ziel der Rehabilitation ist, die akuten Auswirkungen der Behandlung zu mildern, die körperliche Leistungsfähigkeit so weit wie möglich wiederherzustellen und Langzeitfolgen vorzubeugen. Zusätzlich erhalten die Patienten individuelle Hilfestellungen, um die Krankheit seelisch zu bewältigen. Wie beantrage ich eine Rehabilitation und wer bezahlt die Maßnahmen? In der Regel haben Patienten im Anschluss an die Krebsbehandlung Anspruch auf Leistungen im Rahmen der Rehabilitation. Als Betroffene/r können Sie eine Reha bei Ihrer Krankenkasse, der Rentenversicherung oder beim Sozialamt beantragen, aber auch der Sozialdienst in Ihrem Krankenhaus kann Sie direkt für eine Rehabilitation anmelden. In diesem Fall wird die Maßnahme rückwirkend durch die entsprechenden Stellen genehmigt. Die Rehabilitation kann stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen und dauert gewöhnlich drei Wochen. Gesetzlich versicherte Patienten können sich von den zentralen Reha-Servicestellen über mögliche RehaAngebote beraten lassen. Ihre Krankenkasse gibt Ihnen Auskunft. Eine Übersicht der RehaServicestellen finden Sie auch im Internet unter: www.reha-servicestellen.de 32 Anschlussheilbehandlung oder onkologische Rehabilitationsleistung? Generell unterscheidet man im Rahmen der Rehabilitation zwischen der Anschlussheilbehandlung und der sogenannten onkologischen Rehabilitationsleistung. Letztere nutzen vor allem Betroffene, die sich nach einem längeren Krankenhausaufenthalt im privaten Umfeld erholen möchten. Dieses RehaAngebot können Patienten oder ihre Ärzte in der Regel nach Abschluss der Erstbehandlung bis zu einem Jahr später beantragen. Im Gegensatz dazu beginnt die Anschlussheilbehandlung, wie der Name signalisiert, direkt nach der Therapie und muss daher frühzeitig beantragt werden. Ein Vorteil besteht darin, dass der Sozialdienst der behandelnden Klinik die Anmeldeformalitäten für die Anschlussheilbehandlung übernehmen kann. Es müssen dabei gewisse Fristen beachtet werden: Beantragung der Anschlussheilbehandlung Die Therapie umfasste ausschließlich eine Operation: zwei Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt Die Therapie umfasste eine Operation und anschließend eine Chemotherapie: zwei Wochen nach der letzten Chemotherapie Die Therapie umfasste eine Operation, (eine Chemotherapie) und eine Bestrahlung: vier Wochen nach der letzten Bestrahlung Da die Folgen einer Krebstherapie von Mensch zu Mensch unterschiedlich sind, ist es ratsam, gemeinsam mit dem behandelnden Arzt den Zeitpunkt der Rehabilitation festzulegen. Regelmäßige Nachsorge Engmaschige Kontrolle über fünf Jahre Auch wenn der Tumor vollständig entfernt werden konnte, sind regelmäßige Nachsorgeunter­ suchungen notwendig, um einen Rückfall zu erkennen und zu behandeln. Die Gefahr ist in den ersten beiden Jahren am größten und sinkt dann kontinuierlich. Erleidet der Patient innerhalb von fünf Jahren keinen Rückfall, gilt er als geheilt. Das intensive Nachsorgeprogramm erstreckt sich deshalb über insgesamt fünf Jahre mit halbjährlicher Überwachung. Nur wenn der Darmkrebs in einem sehr frühen Stadium (UICC-Stadium I, siehe Seite 18) entdeckt wurde, kann auf die Nachsorge verzichtet werden. Nach Entfernung kolorektaler Karzinome im UICC-Stadium II oder III wird folgendes Nachsorgeprogramm empfohlen: óó Befragung (Anamnese), insbesondere nach Verdauungsproblemen, und körperliche Untersuchung alle sechs Monate; óó Koloskopie: sechs Monate nach der Operation, wenn vor der Operation keine vollständige Darmspiegelung durchgeführt werden konnte, andernfalls erstmals nach drei Jahren; óó Bestimmung des Tumormarkers CEA im Blut alle sechs Monate. Eine Erhöhung des ­Tumormarkerwerts deutet auf ein Fortschreiten der Krankheit hin; óó Ultraschalluntersuchung von Bauchraum und Leber alle sechs Monate. 34 Nach Entfernung kolorektaler Karzinome im UICC-Stadium II oder III empfehlen Experten fol­gendes Nachsorgeprogramm: Untersuchung Monate 6 12 18 24 36 48 60 óó Anamnese, körperliche Untersuchung, CEA-Bestimmung X X X X X X X óó Darmspiegelung X* X óó Ultraschall des Bauchraums X X X X X X X óó Sigmoidoskopie** X X X X * nur, wenn vor der Operation keine vollständige Darmspiegelung durchgeführt wurde **nur beim Rektumkarzinom, wenn keine neoadjuvante oder adjuvante Radiochemotherapie durchgeführt wurde Nach Schmiegel, W. et al.: S3-Leitlinie „Kolorektales Karzinom“, Z. Gastroenterol 2008: 46: 1-73 Konnte der Darmkrebs nicht vollständig operativ entfernt werden (Stadium IV), wird der weitere Unter­suchungsplan individuell mit dem Arzt besprochen. Zurück im Alltag Schritt für Schritt zur normalen Ernährung Nach einer Darmkrebsoperation ist eine gesunde, ausgewogene Kost wichtig, die den Körper mit allem versorgt, was er benötigt. Denn eine gesunde Ernährung wirkt sich auch positiv auf den Allgemeinzustand aus und steigert so die Lebensqualität. Ein guter Anhaltspunkt sind die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (www.dge.de). Auch während der Rehabilitation erhalten Patienten sicherlich viele Informationen zu diesem Thema. Es kann jedoch etwas dauern, bis sie ihre gewohnte Ernährung wieder vertragen. Sie können bisweilen unter Verdauungsproblemen wie Durchfall, Verstopfung oder Blähungen leiden. Manche Patienten verspüren eine Zeit lang häufigen und heftigen Stuhldrang. Ein Arzt oder ein Ernährungsberater kann ihnen helfen, sich schrittweise an normale Mahlzeiten zu gewöhnen. Auf das Rauchen sollten Betroffene möglichst verzichten. Leben mit dem Stoma Bei einem geringen Teil der Patienten mit Enddarmkrebs können die Ärzte den Schließmuskel nicht erhalten, sodass die Betroffenen dauerhaft einen künstlichen Darmausgang benötigen. Der Umgang mit dem sogenannten Stoma wird in intensiven Schulungen genau gezeigt. An den meisten größeren Kliniken und Darmzentren arbeiten speziell ausgebildete Stomatherapeuten, die die Betroffenen über die Anpassung der Ernährung und das richtige Wechseln der Beutel informieren. Sie erläutern ihnen außerdem, wie sie die Stuhlentleerung beeinflussen können. Eine Geruchsbelästigung brauchen sie nicht zu befürchten: Die modernen Stomabeutel sind absolut geruchsfrei. Wenn die Patienten sich an den Umgang gewöhnt haben, können sie wie vorher am Leben teilhaben, auch Sport treiben oder ein Schwimmbad aufsuchen. Eine unbeschwerte Sexualität ist ebenfalls möglich. Mehr Informationen finden Sie unter www.ilco.de, einer Selbsthilfeorganisation, die sich auf die In­ formation und Unterstützung von Menschen mit Darmkrebs (mit und ohne Stoma) spezialisiert hat. 36 Wandern, Fahrradfahren und Schwimmen als Ausgleich Regelmäßige Bewegung ist wichtig, auch oder gerade nach einer Krebsoperation. Sie kann dem ­Fatigue-Syndrom entgegenwirken, die Muskeln wieder aufbauen, das Herz-Kreislauf-System in Schwung bringen, den Stoffwechsel anregen und die Stimmung verbessern. Patienten sollten es aber langsam angehen lassen. Bereits in der Klinik oder der Reha können Physiotherapeuten den Betroffenen einfache Übungen für zu Hause zeigen. Wenn sie sich fit genug fühlen, können Patienten früher betriebene Sportarten wieder aufnehmen. Auch wer bislang keinen Sport gemacht hat, sollte für regelmäßige Bewegung sorgen. Ideal sind Wandern, Nordic Walking, Fahrradfahren und Schwimmen. Informationen und Adressen Darmkrebs Rat und Hilfe für Betroffene und Angehörige Hermann Delbrück Kohlhammer Verlag, 2004 ISBN 978-3-17-018314-8 Hilfe bei Darmkrebs Hans-Dieter Allescher, Astrid Kors, Verena Drebing, Christa Maar (Hrsg.) TRIAS Verlag, 2004 ISBN 978-3-830-43159-6 Darmkrebs Patientenratgeber Hans-Joachim Schmoll, Michael Bamberg, Werner Hohenberger Abw Wissenschaftsverlag, 2008 ISBN 978-3936072853 Ernährungsleitfaden Für Patienten mit Darmkrebs. Mit vielen Tipps und Rezepten! 38 Ernährungsleitfaden Roche Pharma AG Zum Bestellen oder als Download: www.roche.de/pharma/indikation/ onkologie/darmkrebs Kursbuch Darmkrebs Ernst-Dietrich Kreuser, Katrin Würdinger Südwest-Verlag, 2006 ISBN 978-3-517-06998-2 Krebs ganzheitlich behandeln Josef Beuth TRIAS Verlag, 2007 ISBN 978-3-830-43374-3 Thema Krebs Hilke Stamatiadis-Smidt, Harald zur Hausen, Otmar D. Wiestler Springer Verlag, 2006 ISBN 978-3-540-25792-9 Zeit für mich Leben mit Krebs – ein Ratgeber Roche Pharma AG Zum Bestellen oder als Download: www.roche.de/pharma/indikation/ onkologie/darmkrebs Zeit für mich Leben mit Krebs – ein Ratgeber Deutsche ILCO e. V. Selbsthilfeorganisation für Stomaträger und Menschen mit Darmkrebs Thomas-Mann-Str. 40 53111 Bonn Tel.: 0228 / 33 88 94-50 Fax: 0228 / 33 88 94-75 E-Mail: [email protected] Internet: www.ilco.de Felix Burda Stiftung Arabellastr. 27 81925 München Tel.: 089 / 9250-2501 Fax: 089 / 9250-2713 E-Mail: [email protected] Internet: www.felix-burda-stiftung.de Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Psychosoziale Onkologie e. V. (dapo) Kardinal-von-Galen-Ring 10 48149 Münster Tel.: 0700 / 20 00 66 66 (Mo.-Fr. von 9-18 Uhr 12,4 Cent pro Minute, zu allen anderen Zeiten 6,2 Cent pro Minute) E-Mail: [email protected] Internet: www.dapo-ev.de Deutsche Krebshilfe e. V. Buschstr. 32 53113 Bonn Tel.: 0228 / 7 29 90-0 Fax: 0228 / 7 29 90-11 E-Mail: [email protected] Internet: www.krebshilfe.de Deutsche Krebsgesellschaft e. V. TiergartenTower Straße des 17. Juni 106-108 10623 Berlin Tel.: 030 / 322 93 29-0 Fax: 030 / 322 93 29-66 E-Mail: [email protected] Internet: www.krebsgesellschaft.de LebensBlicke Stiftung Früherkennung Darmkrebs Geschäftsstelle Haus R Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Tel.: 0621 / 503-28 38 Fax: 0621 / 503-28 39 E-Mail: [email protected] Internet: www.lebensblicke.de Krebsinformationsdienst KID Deutsches Krebsforschungszentrum Im Neuenheimer Feld 280 69120 Heidelberg Tel.: 0800 / 420 30 40 (täglich 8-20 Uhr; kostenlos aus dem deutschen Festnetz) E-Mail: [email protected] Internet: www.krebsinformationsdienst.de Informationen und Adressen zu psychosozialen Krebsberatungsstellen für Patienten und Angehörige erhalten Sie beim Krebsinformationsdienst KID und bei der Deutschen Krebshilfe. Glossar A C Adenom gutartige Geschwulst aus Drüsenzellen der Schleimhaut. Anti-Angiogenese Unterdrückung der Angiogenese, also der Bildung neuer Blutgefäße. adjuvante Therapie unterstützende Behandlung nach operativer Entfernung des Tumors. Das Ziel der Operation ist die vollständige Entfernung des vom Darmkrebs befallenen Gewebes. Die adjuvante Therapie soll die Operation darin unterstützen, indem sie im Körper verbliebene Tumorzellen beseitigt. Antikörper Bestandteil des körpereigenen Abwehrsystems; Antikörper binden Fremdstoffe, wie z. B. Giftstoffe und Viren, und machen sie unschädlich. In der Medizin können Antikörper zu diagnostischen und zu Behandlungszwecken eingesetzt werden. Anamnese Krankengeschichte; Art, Beginn und Verlauf der (aktuellen) Beschwerden, die im ArztPatienten-Gespräch erfragt werden. Angiogenese (Neu-)Bildung von Blutgefäßen. Tumoren regen durch Ausschüttung bestimmter Wachstumsfaktoren (z. B. VEGF) die Angiogenese an, um ihren Sauerstoff- und Nährstoffbedarf zu sichern. Angiogenese-Hemmung Verhinderung der Neubildung von Blutgefäßen. Dient dazu, den Tumor von der Blutund Nährstoffversorgung abzuschneiden. 40 Anus praeter künstlicher Darmausgang in der Bauchhaut. Kann vorübergehend zur Unterstützung der Heilung des operierten Darmabschnitts oder dauerhaft zur Ausleitung des Stuhls eingesetzt werden. Carcino-Embryonales Antigen (CEA) spezieller Eiweißstoff, der vom wachsenden Tumor gebildet und ins Blut abgegeben wird. Wichtigster Tumormarker bei Darmkrebs (siehe auch Tumormarker). Chemotherapie Allgemein wird unter Chemotherapie die Hemmung von Infektionserregern oder Tumorzellen im Organismus durch Verwendung von Medikamenten verstanden. Bei Krebserkrankungen versteht man unter Chemotherapie in der Regel die Behandlung mit Medikamenten, die das Zellwachstum oder die Zellteilung hemmen (Zytostatika). Colitis ulcerosa chronisch-entzündliche Erkrankung der Darmschleimhaut, häufig mit Blut im Stuhl. Computertomografie (CT) computergestütztes röntgendiagnostisches Verfahren zur Herstellung von Schnittbildern (Tomogrammen, Quer- und Längsschnitten) des menschlichen Körpers. Die Bilder errechnet der Computer mithilfe von Röntgenstrahlen, die durch die zu untersuchende Schicht hindurchgeschickt werden. D Darmpolypen Wucherungen der Darmschleimhaut. Darmspiegelung siehe Koloskopie. E EGFR Abkürzung für epidermal growth factor receptor (epidermaler WachstumsfaktorRezeptor). EGFR ist bei verschiedenen Tumorarten, auch bei Dickdarm- und Enddarmkrebs, häufig hoch- oder fehlreguliert, sodass es zu einem unkontrollierten Tumorwachstum kommt. Endoskop schlauchförmiges Untersuchungsgerät mit einer Mini-Kamera an der Spitze, das bei der Darmspiegelung zum Einsatz kommt. F, H, I Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP) Erbkrankheit mit vermehrter Polypenbildung im Darm. Fatigue häufige Begleiterscheinung einer Krebserkrankung, gekennzeichnet durch Erschöpfung, Abgeschlagenheit und Müdigkeit. Hand-Fuß-Syndrom (HFS) schmerzhafte, gerötete Schwellungen an den Handflächen und Fußsohlen. Können als Nebenwirkung einer Chemotherapie auftreten. Infusion Verabreichung einer Flüssigkeit in den Körper; in der Regel intravenös, also in eine Vene. Kernspintomografie (Magnetresonanztomografie, MRT) bildgebendes Untersuchungsverfahren, erzeugt Schnittbilder von Organen mithilfe starker Magnetfelder. Kolon Dickdarm. kolorektal Kolon (Dickdarm) und Rektum (Enddarm) betreffend. Koloskopie Darmspiegelung. K L Kapselendoskopie Untersuchung, bei der der Patient eine Kapsel mit einer Kamera schluckt, die später Bilder aus dem Körper liefert. Lymphknoten Die linsen- bis bohnengroßen Lymphknoten sind an zahlreichen Stellen des Körpers (Lymphknotenstationen) Filter für das Gewebewasser (Lymphe) einer Körperregion. Die oft verwendete Bezeichnung Lymphdrüsen ist falsch, da die Lymphknoten keinerlei Drüsenfunktion besitzen. Die Lymphknoten sind ein wichtiger Teil des Immunsystems. Karzinom Geschwulst, die aus Deckgewebe (Epithel) entsteht. Karzinome besitzen viele, hinsichtlich des Gewebeaufbaus und des Wachstums unterscheidbare Formen (z. B. Adenokarzinom = von Drüsen ausgehend, Plattenepithelkarzinom = von Plattenepithel tragenden Schleimhäuten ausgehend). Glossar M O R Metastase (Tochtergeschwulst) Absiedelung eines bösartigen Tumors in andere Organe durch die Verbreitung bösartiger Zellen über das Blut oder die Lymphe. Eine Metastase, die auf dem Blutoder Lymphweg übertragen und fern des ursprünglichen Tumors angetroffen wird, bezeichnet man als Fernmetastase. okkult versteckt, verborgen (lateinisch: occultus). rash Hautausschlag, der als Nebenwirkung einer Behandlung auftreten kann. Morbus Crohn chronisch-entzündliche Darmerkrankung. Mutation Veränderung in der Struktur des Erbgutes. N neoadjuvante Therapie unterstützende Behandlung vor einer Operation zur Reduktion der Tumormasse mit dem Ziel, die Operation zu erleichtern. Okkultblut-Test Test, mit dem im Stuhl verborgenes, mit bloßem Auge nicht sichtbares Blut nachgewiesen wird. Rektum Enddarm, Mastdarm, letzter Teil des Dickdarms vor dem Darmausgang. orale Chemotherapie Chemotherapie in Tablettenform, die der Patient zu Hause durchführen kann. Rezidiv erneutes Auftreten eines Tumors nach einer erscheinungsfreien Periode. P S Peristaltik Muskeltätigkeit der Hohlorgane wie Speiseröhre, Magen und Darm sowie Harnleiter, Eileiter und Uterus. Im Dickdarm wird der Speisebrei durch die wellenförmigen Bewegungen transportiert. Sigma (Colon sigmoideum) S-förmig verlaufender Teil des Dickdarmes vor dem Enddarm. Polypen Wucherungen der Schleimhaut. Prävention Vorbeugung. Prognose Vorhersage über den möglichen Verlauf einer Krankheit. 42 Sigmoidoskopie Untersuchung der unteren Dickdarmanteile einschließlich des Enddarms. Das Sigmoid (auch: Sigmaschleife) ist der Dickdarmabschnitt vor dem Enddarm. Stoma künstlicher Darmausgang in der Bauchhaut. Kann vorübergehend zur Unterstützung der Heilung des operierten Darmabschnitts oder dauerhaft zur Ausleitung des Stuhls eingesetzt werden. Z Stuhltest Test, mit dem im Stuhl verborgenes, mit bloßem Auge nicht sichtbares Blut nachgewiesen wird. Symptome Anzeichen einer Erkrankung. systemische Wirkung Wirkung eines Arzneimittels auf den ganzen Körper (System). Das Medikament wird in den Blutkreislauf aufgenommen und so im gesamten Körper verteilt. Im Gegensatz dazu gibt es Arzneimittel, die nur an einer speziellen Stelle ihre Wirkung entfalten. T, U, V Tumor unkontrolliert wachsende Zellwucherungen, die im gesamten Körper auftreten können. Tumormarker Stoffe, deren Nachweis - oder genauer gesagt - deren erhöhte Konzentration im Blut einen Zusammenhang mit dem Vorhandensein und/oder dem Verlauf bösartiger Tumoren aufweisen kann. UICC-Stadieneinteilung Schema, nach dem die Ärzte den Schweregrad einer Krebserkrankung beurteilen und das als Basis für die Therapieentscheidung und Prognosestellung dient. VEGF (englisch: vascular endothelial growth factor/vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor). VEGF ist ein Wachstumsfaktor, der die Neubildung von Blutgefäßen anregt. Er wird vom Tumor in die Blutbahn ausgeschüttet und bindet an Zellen benachbarter Blutgefäße. Diese werden zum Wachstum und zur Bildung neuer Blutgefäße angeregt (siehe auch Angiogenese). W Wachstumsfaktoren körpereigene Stoffe, die das Wachstum von normalen, aber auch von Krebszellen stimulieren können (siehe auch VEGF). Wachstumshemmer (Darmkrebs) Wirkstoff, der sich gezielt gegen den Wachstumsfaktor-Rezeptor EGFR (epidermal growth factor receptor) auf den Darmkrebszellen richtet und diesen blockiert. Dadurch wird das Wachstum des Tumors gestoppt. zielgerichtete Therapie Therapie, die – im Gegensatz zur Chemotherapie – direkt am Tumor wirkt und nicht den gesamten Körper angreift. Zyklus Abfolge der Chemotherapie. Ein Zyklus besteht aus Tagen, in denen Zytostatika verabreicht werden, und behandlungsfreien Tagen. Zytostatika natürliche oder synthetische Substanzen, die das Zellwachstum bzw. die Zellteilung hemmen. Sie werden vor allem zur Behandlung von Krebs (Chemotherapie) eingesetzt. Roche Pharma AG D-79630 Grenzach-Wyhlen roche-onkologie.de