Wechselwirkung von Strahlung mit Materie

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Wechselwirkung
von
Strahlung
mit
Materie
Johannes Gutenberg Universität Mainz
Fortgeschritten Praktikum Physik - Seminar
Sommersemester 2010
Referent: Christopher Thiel
Betreuer: Ralph Böhm
12. April 2010
1
Strahlungsarten
1.
2.
2
Korpuskularstrahlung
- Protonen, Alphastrahlung (42 He+ )
- Elektronen, Positronen (Betastrahlung)
Wellenstrahlung
- Neutronen, γ -Teilchen
Wechselwirkung von schweren geladenen Teilchen
mit Materie (Bethe-Bloch-Formel)
Schwere geladene Teilchen verlieren über die Coulombwechselwirkung Energie durch Stöÿe mit gebundenen Elektronen. Die Elektronen können dabei
auf höhere diskrete Niveaus angehoben werden (Anregung) oder sie können aus dem Atom gestoÿen werden (Ionisation). Die Bethe-Bloch-Formel
beschreibt dabei den Energieverlust geladener Teilchen pro Wegstrecke.
2.1 Klassische Näherung nach Bohr
Abbildung 1: Herleitung: Klassische Näherung nach Bohr
1
Annahmen:
1. Schweres geladenes Teilchen mit der Ladung ze, Geschwindigkeit v und
Masse M iegt an einem Elektron des Absorbermaterials im Abstand
b vorbei
2. Das Elektron ist frei und bewegt sich kaum während der Wechselwirkung
3. Teilchen wird nicht abgelenkt, da M >> me
Der Energieverlust des Teilchens berechnet sich aus der Impulsänderung die
das Elektron auf Grund der Wechselwirkung erfährt.
Z
Z
∆p =
F dt = q
E⊥
q
dt
dx =
dx
v
Z
(1)
E⊥ dx
Um das Integral zu lösen verwendet man den Gauÿschen Satz über einen
endlich langen Zylinder (Abb.1). Es gilt:
Z
Z
E⊥ dA =
Z
E⊥ · 2πbdx = 4πze ⇒
E⊥ dx =
2ze
b
(2)
∂A
Man erhält somit für den Impuls- und Energieübertrag:
∆p =
∆E(b) =
2ze
bv
2z 2 e4
(∆p)2
=
2me
me b2 v 2
(3)
(4)
Bis jetzt hat es sich nur um 1 Elektron gehandelt. Man will aber den gesamten
Energieverlust aller Elektronen in einem Intervall [b, b + db] bestimmen. Man
erhält:
−dE(b) = ∆E(b) · Ne · dV =
2z 2 e4
4πz 2 e4 db
·
N
·
2πbdbdx
=
Ne dx (5)
e
me b2 v 2
me v 2
b
Ne ist hierbei die Elektronendichte und ist gegeben durch:
Ne =
ZρNa
A
(6)
Anschlieÿend wird auf beiden Seiten über b integriert um den gesamten
Energieverlust für alle möglichen Stopÿparameter zu erhalten:
−
4πz 2 e4
dE
bmax
=
Ne ln
2
dx
me v
bmin
2
(7)
Für die Integrationsgrenzen kommen 0 und ∞ nicht in Frage. Bei 0 wird
der Energieübertrag ∞ und im Unendlichen gibt es keine Wechselwirkung
mehr. Hier sind nurnoch die Coulombkräfte wichtig. Bei dem minimalen
Stoÿparameter bmin geht man von einem zentralen Stoÿ aus. Der maximale
Energieübertrag ist somit:
1
Emax = me (2v)2
2
(8)
Bei dem maximalen Stoÿparameter bmax geht man davon aus, dass der Energieübertrag gleich dem mittleren Ionisationspotenzial I ist. Man erhält somit
die Grenzen:
bmin =
r
bmax =
ze2
me v 2
(9)
2 ze2
me I v
(10)
Nun setzt man die Grenzen in Gleichung (7) ein und erhält somit die klassische Näherung nach Bohr:
dE
Z
−
= 2πNa re2 me c2 · ρ z 2 β 2 ln
dx
A
2me c2 β 2
I
(11)
2.2 Bethe-Bloch-Formel
Die quantenmechanische Herleitung liefert die Bethe-Bloch Formel.
2
dE
2me c2 β 2 γ 2 Wmax
2C
2
2 Z z
2
−
= 2πNa re me c ρ
ln
− 2β − δ −
(12)
dx
A β2
I2
Z
• Na Avogadro-Konstante
• re klassischer Elektronenradius
• me Elektronenmasse
• I mittleres Anregungspotential
• Z Kernladungszahl (absorbierendes Material)
• A Massenzahl (absorbierendes Material)
• z Ladungszahl (einfallendes Teilchen)
• ρ Dichte (absorbierendes Material)
3
• γ= √
• β=
1
1−β 2
v
c
• Wmax maximaler Energieübertrag pro Stoÿ
• δ Faktor zur Dichtekorrektur
• C Faktor zur Schalenkorrektur
Man erkennt, dass im Vergleich zur klassischen Näherung nach Bohr relativistische Korrekturen im ln-Term auftreten. Weiterhin steckt im maximalen
Energieübertrag Wmax ≈ 2me v 2 γ 2 ebenfalls der Faktor γ . Bei relativistischer Betrachtung (also bei hohen Geschwindigkeiten) wird die transversale
Komponente E⊥ gröÿer. Auÿerdem besitzt die quantenmechanische BetheBloch Formel noch 2 Korrekturterme. Die Schalenkorrektur berücksichtigt,
dass bei kleinen Energien das Projektil eine ähnliche Energie hat wie das
Elektron. Die Bewegung des Elektrons kann also nicht mehr vernachlässigt
werden. Die Dichtekorrektur berücksichtigt, dass bei höheren Energien die
Targetatome polarisiert werden. Das elektrische Feld wird also für weiter
entfernte Teilchen abgeschirmt.
Abbildung 2: Verlauf Bethe-Bloch-Formel
In Abb. (2) ist der Verlauf der Bethe-Bloch-Formel dargestellt. Hierbei muss
beachtet werden, dass durch die Dichte geteilt wurde. Man erkennt sehr deutlich den anfänglichen β12 -Abfall bis zum Minimum (Minimal Ionisierender
Punkt- MIP). Ab dort ist β konstant und der ln-Term mit dem relatistischen Faktor γ dominiert.
4
3
Wechselwirkung von Elektronen/Positronen mit
Materie
Der Verlauf der Bethe-Bloch-Formel für Elektronen und Positronen ist ähnlich wie der für schwere geladene Teilchen. Folgende Annahmen gelten nun
jedoch nicht mehr:
• Das Projektil wird jetzt abgelenkt,da die Masse viel geringer ist
• Teilchen werden für Elektronen ununterscheidbar
Bis jetzt wurden nur Stöÿe mit den Hüllelektronen betrachtet. Weiterin verlieren Elektronen und Positronen Energie über Bremsstrahlung, wenn sie im
Coulombfeld der Atomkerne abgebremst werden. Dies geschieht unter Aussendung von Röntgenstrahlung.
Abbildung 3: Schematische Darstellung: Bremsstrahlung
Der gesamte Energieverlust ergibt sich demnach aus:
dE
=
−
dx
dE
dx
+
BB
dE
dx
(13)
Brems
Bei der Bremsstrahlung gilt folgender Zusammenhang:
−
dE
dx
∼
Brems
1 2
Z E
m2
(14)
Wie man hieran erkennt, spielt die Bremsstrahlung wegen der Abhängigkeit
von m12 bei Elektronen schon bei relativ kleinen Energien die dominierende
Rolle. Abb.(5) zeigt den Totalen Energieverlust geladener Teilchen am Beispiel von Myonen durch Materie (Bethe-Bloch-Formel + Bremsstrahlung)
5
Abbildung 4: Totaler Energieverlust von Myonen beim Durchgang durch
Materie
3.1 Cerenkov-Eekt
Während geladene Teilchen Materie durchqueren, polarisieren sie die Atome.
Ist das Teilchen dabei schneller als die Lichtgeschwindigkeit im Medium,
entsteht eine Netto-Polarisation und es wird Cerenkov-Licht abgestrahlt.
Abbildung 5: Cerenkov-Eekt
1. v = β · c (Geschwindigkeit des Teilchens)
2. c‘ =
c
n
(Lichtgeschwindigkeit im Medium)
6
Im linken Bild bendet sich das Teilchen in Ruhe. Die polarisierten Atome
senden eine Kugelwelle aus, welche sich in alle Raumrichtungen ausbreitet. Im mittleren Bild bewegt sich das Teilchen mit einer zu geringen Geschwindigkeit. Die polarisierten Atome senden eine Kugelwelle aus, welche
gestaucht ist (Analog: Doppler Eekt). Im rechten Bild bewegt sich das Teilchen schnell genug. Die auftretende Polarisationsverschiebung bewirkt eine
Dipolstrahlung, die sich als Cerenkov Lichtkegel ausbreitet. Der Lichtkegel
breitet sich unter einem Winkel von:
cos(θ) =
c‘
1
=
v
nβ
(15)
aus.
Abbildung 6: Entstehung Cerenkov-Strahlung
4
Wechselwirkung von Photonen mit Materie
Im Folgenden werden die 3 wesentlichen Wechselwirkungen von γ -Strahlung
mit Materie erklärt:
• Photoeekt
• Comptoneekt
• Paarbildung
Welcher Prozess nun stattndet ist abhängig von der Energie der Photonen
und der Ordnugnszahl Z des Absorber-Materials. Abb. (7) verdeutlicht diesen
Zusammenhang nocheinmal.
7
Abbildung 7: Wechselwirkung von γ -Strahlung mit Materie in Abhängigkeit
von E und Z
4.1 Photoeekt
Der Photoeekt ndet bei relativ kleinen Energien der Gammastrahlung und
hohen Ordnungszahlen des Absorbermaterials statt. Bei dem Photoeekt
wird das Photon vollständig absorbiert. Dabei wird ein Elektron emittiert
falls Eγ > EB . Die kinetische Energie des Elektrons beträgt dabei:
Ekin = Eγ − EB
(16)
Das dabei entstehende Loch wird durch Elektronen aus einer höheren Schale
unter Aussendung von γ -Strahlung besetzt.
Abbildung 8: Schematische Darstellung des Photoeekts
4.2 Comptoneekt
Bei γ -Strahlung mit mittlerer Energie ndet der Compotoneekt steht. Ein
Gammaquant löst ein Elektron aus der Äuÿeren Hülle des Atoms heraus und
gibt dabei einen Teil seiner Energie an das Elektron ab. Dabei ändert sich
seine Bewegungsrichtung, es wird also gestreut. Wieviel Energie übertragen
wird hängt vom Streuwinkel ab. Es gilt:
Eγ ‘ =
1+
Eγ
Eγ (1−cos(φ))
Ee
8
(17)
Dabei ist Eγ die Energie des Photons vor der Streuung,Eγ‘ die Energie des
Photons nach der Streuung und Ee die Ruheenergie des Elektrons. Bei einer
Rückstreuung (180◦ ) ist Eγ‘ minimal. Es gilt folgender Zusammenhang:
∆E = Eγ −
Eγ‘
= hν
1
1−
1+
!
hν(1−cos(φ)
Ee
(18)
Setzt man nun φ=180◦ so erhält man:
∆E = hν
1−
1
1+
!
2hν
me c2
(19)
Abbildung 9: Schematische Darstellung des Comptoneekts
4.3 Paarbildung
Im Feld des Atomkerns wird ein Gammaquant vernichtet, dabei entsteht ein
Elektron-Positron-Paar. Bei sehr hohen Energien können auch zwei ElektronenPositronen-Paare entstehen. die dafür mindestens erforderliche Energie beträgt 1,022 MeV. Es gilt:
hν − 2me c2 = Ekin,e− + Ekin,e+
Abbildung 10: Schematische Darstellung des Paarbildungseekts
9
(20)
4.4 Elektronenschauer
Abbildung 11: Elektronenschauer
Durch Paarbildung entstehen Elektronen und Positronen, welche durch Bremsstrahlung weitere Photonen emittieren. Diese machen dann wieder Paarbildung. Hieraus entsteht ein sogenannter Elektronenschauer, der erst stagniert
sobald er unter eine kritische Energie gefallen ist, sodass keine Bremsstrahlung mehr durch die Elektronen emittiert werden kann. Folge hieraus ist, dass
die Energie in dieser Abschirmung zunächst zunimmt, bevor sie anschlieÿend
exponentiell abfällt.
5
Wechselwirkung von Neutronen mit Materie
1.
Streuung
2.
Absorption (Neutroneneinfang)
- Elastischer Stoÿ (ab ca. 1MeV); Neutron stöÿt gegen Atomkern und
gibt einen Teil seiner Energie ab; Kern erhält dabei Rückstoÿenergie
→ Summe der kinetischen Energie bleibt erhalten
- Inelastischer Stoÿ(ca. 1-10MeV); Neutron wird am Atomkern abgebremst und sendet ein Gammaquant aus
- Einfang des Neutrons durch den Atomkern
- Atomkern wird zunächst instabil und wandelt sich anschlieÿend wieder in einen stabilen Zustand unter Aussendung von Gammaquanten
um
10
6
Literatur
W. R. Leo, Techniques for Nuclear and Particle Physics Experiments (Springer Verlag, 1994)
K. Bethge, Kernphysik - Eine Einführung (Springer Verlag, 2. Auage, 2001)
H. Machner, Einführung in die Kern- und Elementarteilchenphysik (Wiley
Vch Verlag,2005)
H.Frauenfelder et. al., Teilchen und Kerne, Die Weltder suatomaren Physik
(Oldenbourg Verlag, 4. Auage 1999)
M. Krammer, Wechselwirkung von Teilchen/Strahlung mit Materie
(http://www-linux.gsi.de/ wolle/Schuelerlabor/TALKS/DETEKTOREN/VO2-Wechselwirkungen.pdf Stand: 25.03.10)
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