Functional Foods – reichen her- kömmliche Nahrungsmittel nicht

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Schwerpunkt
Functional Foods – reichen herkömmliche Nahrungsmittel nicht
mehr zur Gesunderhaltung?
von Andreas Steneberg
Zusammenfassung
Einführung
Funktionelle Nahrungsmittel (Functional
Foods = FF) sind Produkte, die neben
der Ernährungs- und Genussfunktion einen positiven Einfluss auf die Gesundheit haben und präventiv wirken. Die
Zukunft dieser Produktgruppe hängt
langfristig von der wissenschaftlich
nachweisbaren physiologischen und biochemischen Wirkung, aber auch von der
gesetzlichen Regelung der Werbeaussagen („Health Claims“) ab. Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht bieten FF
die Möglichkeit, die Gesundheitssituation der Bevölkerung günstig zu beeinflussen, nicht als Zusatz für eine mangelhafte Ernährung, sondern als Teil einer abwechslungsreichen Mischkost.
Die vorrangige Aufgabe der Nahrung ist
es, ausreichend lebensnotwendige Nährstoffe zu liefern. Betrachtet man die Ernährung in der Entwicklungsgeschichte
des Menschen, kann man davon ausgehen, dass diese weitgehend naturbelassen war. Lediglich Erhitzen und Entfernen unverdaulicher Bestandteile der
Nahrungsmittel waren üblich. An diese
weitgehend unverarbeitete und natürliche Kost sind Verdauungsorgane und
Stoffwechsel des Menschen angepasst:
Diese Kost ist funktionell!
Der deutsche Arzt Werner Kollath entwickelte auf dieser Basis in der ersten
Hälfte des 20. Jahrhunderts das Konzept
der Vollwerternährung. (Kollath 1950)
Kollath propagierte: „Lasst eure Nahrungsmittel so natürlich wie möglich.“
In der Vollwerternährung wird zwischen
Lebens- und Nahrungsmitteln unterschieden. Als Lebensmittel werden nur
solche Nahrungsmittel bezeichnet, die
nicht konserviert und erhitzt wurden.
Durch das Erhitzen können wichtige
Nahrungsbestandteile (wie Vitamine)
zerstört werden; das Nahrungsmittel
„lebt“ dann nach der Vorstellung der
Vollwerternährung nicht mehr und wird
deshalb geringerwertig als „Nahrungsmittel“ eingestuft. In dieser Übersichtsarbeit werden die Begriffe aus dem
Vollwert-Konzept verwendet.
Eine gesündere Ernährung besteht
nicht nur aus Überlebensmitteln. Bekannt ist, dass die Nahrung zahlreiche
Körperfunktionen kontrolliert und ändert
und somit zur Erhaltung der Gesundheit
beiträgt. Eine gesunde Ernährung beeinflusst nicht nur Heilungsprozesse positiv, sondern mit ihr kann einer ganzen
Reihe von Zivilisationskrankheiten vorgebeugt werden.
Anfang des neuen Jahrtausends
haben sich Lebensstil und Ernährungsgewohnheiten in Industrienationen
grundlegend geändert: Wir bewegen uns
Schlüsselwörter: Funktionelle Nahrungsmittel, Prävention, Gesundheitsaussagen, Gesundheitswert
Abstract
Functional Foods – are conventional
foods not sufficient for obtaining good
health?
Andreas Steneberg
Functional foods (FF) are products
which besides their nutritional function
and the pleasure derived from their consumption, provide a positive impact on
health, and also have a preventive effect.
In the long term, the future of this group
of products depends not only upon the
scientifically proven physiological and
biochemical effects, but also on the legal
regulations governing advertising standards (“Health Claims”). From a nutritional point of view FF offer the opportunity to positively influence the health
of the population, not as a supplement to
an inadequate diet, but as a part of a
well balanced and varied diet.
Key words: functional foods, prevention,
health claims, health value
UMWELT & GESUNDHEIT 2 (2006) 56-60
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weniger und essen schneller – überwiegend vorgefertigt und schnell zubereitet.
Zusammen mit einem hohem Stresspegel nehmen zivilisationsbedingt degenerative Erkrankungen zu wie Übergewicht, erhöhte Blutfette, Bluthochdruck,
Osteoporose, Diabetes, Gicht, Herzkreislauferkrankungen, Krebs, entzündliche
Darmerkrankungen und andere.
Reichen etwa die Inhaltsstoffe unserer
hochgezüchteten optisch makellosen
Nahrungsmittel nicht mehr aus, um
gegen Umwelt- und Zivilisationskrankheiten gewappnet zu sein?
Zur Kurierung dieser Symptome arbeiten Wissenschaft und Wirtschaft am Design krankheitsvorbeugender Nahrungsmittel. Statt auf „ausreichende“
Versorgung wird nun der Forschungsschwerpunkt auf eine „optimierte“ Ernährung gelegt. So enthalten viele traditionelle Nahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Soja, Vollkorngetreide und Milch
biologisch und auch pharmakologisch
aktive Bestandteile, die mögliche gesundheitliche Vorteile bieten. Durch gezielten Zusatz dieser Stoffe soll das körperliche und geistige Wohlbefinden optimiert und das Krankheitsrisiko minimiert werden. Diese funktionellen Nahrungsmittel könnten zu einer Verbesserung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung und letztlich zu einer Begrenzung der Kosten im Gesundheitswesen
beitragen.
Was sind Funktionelle Nahrungsmittel – Functional
Foods?
Das Konzept der Functional Foods (FF
= funktionelle Nahrungsmittel) stammt
aus Japan. Als Bestandteil einer kostengünstigen Gesundheitsvorsorge sollten
spezielle Nahrungsmittel entwickelt
werden, die dazu dienten, die Gesundheit zu fördern und das Risiko von
Krankheiten zu vermindern. 1991 wurde
das Konzept von Foods for Specified
UMWELT & GESUNDHEIT 2/2006
Schwerpunkt
Health Use (FOSHU) eingeführt. Das
japanische Ministry of Health and Welfare fordert, dass sie grundsätzlich natürlichen Ursprungs und integraler Bestandteil der täglichen Ernährung sein
sollen, eine spezifische Funktion im
Stoffwechsel haben müssen sowie der
Regulation biologischer Prozesse dienen
(zum Beispiel Vorbeugung bestimmter
Krankheiten, Anregung des Immunsystems) und nicht in Tabletten-, Kapseloder Pulverform angeboten werden dürfen. Auch Neuzüchtungen von beispielsweise hypoallergenem Reis fallen
unter FOSHU. (Wolters et al. 2001).
In den USA werden als FF zum Beispiel
Lightprodukte und Nahrungsmittel einbezogen, die kochsalzarm, ballaststoffreich, fettreduziert sind und synthetische
Fettersatzstoffe enthalten.
Für Deutschland und Europa stellen FF
eine neue Produktgruppe dar. Wegen des
steigenden Interesses am Konzept der
FF hatte die Europäische Union 1995
eine gemeinsame Aktion über die wissenschaftliche Begründung funktioneller
Nahrungsmittel in Europa – Functional
Food Science in Europe (FUFOSE) –
eingerichtet.
Das Konsensus-Dokument wurde 1999
veröffentlicht. (Diplock et al 1999) FF
sind nach FUFOSE Nahrungsmittel,
die eine verbesserte Gesundheit oder
ein verringertes Krankheitsrisiko bewirken sollen. Dies kann durch Zusatz, Erhöhung der Konzentration
oder Entfernen von Stoffen und durch
Verbesserung der Bioverfügbarkeit
bei Nahrungsmitteln erreicht werden.
Die Modifikation muss einen wissenschaftlich überprüften positiven Effekt
auf den Gesundheitszustand, das Wohlbefinden und/oder die Verringerung eines Krankheitsrisikos „über die übliche
Ernährung“ hinaus bieten.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Für funktionelle Nahrungsmittel gibt es
in Deutschland und in der EU keine lebensmittelrechtliche Definition, vielmehr gelten die allgemeinen Bestimmungen für das Inverkehrbringen von
Nahrungsmitteln. Die Auslobung eines
funktionellen Zusatznutzens muss insbesondere den Bestimmungen des § 11
(Schutz vor Täuschung) und des § 12
(Verbot der krankheitsbezogenen Werbung) des Gesetzes zur Neuordnung des
Lebensmittel- und Futtermittelrechts
(LFGB) entsprechen. (Wörner 2001)
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Regelung gesundheitsbezogener
Aussagen („Health Claims“)
Abgrenzung zu Nahrungsergänzungs-, Arzneimitteln
Die europäischen Kennzeichnungsrichtlinien untersagen es bisher, Nahrungsmitteln Eigenschaften einer menschlichen Krankheit vorzubeugen, sie zu behandeln oder zu heilen, zuzuschreiben
oder sich darauf zu beziehen. (EU 2003)
Zukünftig sollen nährwert-, wirkungsund gesundheitsbezogene Angaben
durch eine europäische Verordnung
(Verordnung zu nährwert- und gesundheitsbezogenen Angaben über Nahrungsmittel - Health-Claim-Verordnung)
geregelt werden. Hierdurch soll auch die
Verwendung von gesundheitsbezogenen
Aussagen erleichtert werden.
Hauptunterscheidungskriterium zwischen Nahrungs- und Arzneimitteln ist
die objektive Zweckbestimmung. Nahrungsmittel unterliegen dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz
(LMBG). Ihre Zweckbestimmung sind
im Sinne des LMBG die Ernährung und
der Genuss. Sie unterliegen keiner Zulassungs- oder Registrierungspflicht und
es werden keine Wirksamkeits- und Unbedenklichkeitsnachweise verlangt.
Arzneimittel sind nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG) dazu bestimmt,
Krankheiten, Leiden, Körperschäden
oder krankhafte Beschwerden zu heilen,
zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen. Arzneimittel bedürfen zwingend einer Zulassung oder Registrierung. Sie
werden auf ihre Qualität, Wirksamkeit
und Unbedenklichkeit geprüft und enthalten Hinweise zu möglichen Risiken.
Zwischen Nahrungs- und Arzneimitteln
werden zunehmend Überschneidungen
erkennbar. Vitamine, Mineralstoffe und
sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe finden
sowohl in Nahrungs- als auch in Arzneimitteln Anwendung.
An die Belege zum Nachweis der Unbedenklichkeit und Effektivität dieser neuen Produkte sind hohe Anforderungen
zu stellen.
Im internationalen Sprachraum werden
FF auch als Nutraceuticals – von nutrition = Ernährung und pharmaceutical =
Pharmazeutikum – bezeichnet. Pflanzliche gesundheitsfördernde Inhaltsstoffe
von FF ( = Phytochemicals) – allgemein
bekannt unter dem Begriff der sekundären Pflanzenstoffe – gelten als Untergruppe der Nutraceuticals.
Die gesundheitlichen Wirkungen
(Health Claims), die FF zugeschrieben
werden, sind wissenschaftlich bisher
kaum nachgewiesen. Um einen wissenschaftlich begründeten Rahmen für Wirkungsaussagen zu schaffen, ist von der
EU im Anschluss an FUFOSE ein neues
gemeinschaftliches Programm – Process
for Assessment of Scientific Support for
Claims on Foods (PASSCLAIM) – initiiert und 2005 abgeschlossen worden
(ILSI 2002, Aggett et al. 2005).
Zwei Hauptaussagen können für funktionelle Nahrungsmittel gemacht werden:
(EUFIC)
1. Ohne Krankheitsbezug: „Enhanced
function claims“ Zum Beispiel: unver-
Aber bei der Verwirklichung tut man
sich schwer. Mit der zweiten Lesung der
Health-Claim-Verordnung am 15. Mai
2006 hat das EU-Parlament einen heftig
umstrittenen Kompromissvorschlag angenommen. Eindeutig sind die Vorschriften zu nährwertbezogenen Angaben. Die Verordnung enthält europaweit
verbindliche Definitionen für 24 unterschiedliche Nährwertangaben wie
„leicht“, „von Natur aus“, „reich an...“
„fettarm“ und „zuckerarm“.
Noch offen ist, welche gesundheitsbezogenen Aussagen in Zukunft möglich
sind. Mit der Health-Claim-Verordnung
werden alle Hinweise auf den gesundheitlichen Nutzen eines Nahrungsmittels
verboten, es sei denn sie befinden sich in
einer Positivliste. Die Europäische Behörde für Nahrungsmittelsicherheit (EFSA) hat die Aufgabe, diese Positivliste
in den nächsten Jahren mit wissenschaftlich anerkannten Aussagen zu füllen.
Am strengsten handhabt die Verordnung
Nahrungsmittelwerbung mit Bezug auf
Krankheitsrisiken. Diese so genannten
„Risk Reduction Claims“ waren bisher
nur Medikamenten vorbehalten. Interessierte Unternehmen können sie in einem
aufwändigen Zulassungsverfahren nun
auch für Nahrungsmittel beantragen. Die
Aussagen müssen wissenschaftlich auf
hohem Niveau abgesichert sein. Im Gegenzug genießt der Antragssteller einen
Schutz für fünf Jahre. Die gleichen
strengen Anforderungen gelten für Angaben, die sich auf die Entwicklung und
die Gesundheit von Kindern beziehen.
Nach der zweiten Lesung im Europarat
wird die Verordnung wahrscheinlich im
Frühjahr 2007 in Kraft treten. (Maschkowski 2006)
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Schwerpunkt
dauliche Oligosaccharide verbessern das
Wachstum einer bestimmten Bakterienflora im Darm, Koffein kann die kognitive Leistung verbessern.
2. Mit Krankheitsbezug: „Reduction of
disease-risk claims“ (Aussagen über die
Reduzierung von Krankheitsrisiken):
Zum Beispiel: Folsäure kann das Risiko
Schwangerer, ein Kind mit Neuralrohrdefekt zu gebären, reduzieren; ausreichende Kalziumaufnahme kann das Osteoporoserisiko im Alter verringern.
Tabelle 1: Klassifizierung von Bestandteilen Funktioneller Nahrungsmittel (Food Group Denmark)
Bestandteile
Beispiele
Probiotika
Milchsäure,
BifidoBakterien
(zum Beispiel in Jogurt)
Präbiotika
Oligosaccharide
(fructo-, galacto-, xylo), resistente
Stärke, Pektine
Folsäure,
B6, B12, D,
K
Wissenschaftlicher Wirkungsnachweis
Für den Zusammenhang zwischen dem
Verzehr eines Nahrungsmittels und dessen Wirkung auf die Gesundheit (zum
Beispiel Abwehr reaktiver Oxidantien,
Herz-Kreislauf-System oder Physiologie
des Magen-Darm-Traktes) müssen über
lange Zeiträume aussagekräftige Parameter („Biomarker“) erarbeitet und validiert werden.
Die in der Tabelle 1 aufgeführten Health
claims basieren teilweise auf Labor- und
Tierstudien sowie epidemiologischen
Beobachtungs-Studien. Um eine wissenschaftlich exakte Dokumentation über
Gesundheitsauswirkungen beim Menschen zu erhalten, müssen aufwändige
Interventionsstudien – randomisiert,
doppelblind und placebo-kontrolliert –
durchgeführt werden. Weiter ist es bedeutend, gut dokumentierte Biomarker
für die unter Beobachtung stehende
Krankheit zu finden, wie zum Beispiel
Serum-Cholesterin-Spiegel oder Blutdruck bei CVD (kardiovaskulären Herz
und Gefäße betreffende Erkrankungen).
Entscheidend ist der Nachweis der Unbedenklichkeit und der Wirksamkeit dieser neuen Produkte an Menschen.
Bestandteile von FF
Als Bestandteile von FF unterscheidet
man (Tabelle 2)
• Probiotika (Mikroorganismen, die in
ausreichender Menge lebend in den
Darm gelangen und dort positive gesundheitliche Wirkungen hervorrufen)
Präbiotika (unverdauliche Nahrungsmittelinhaltsstoffe, die im Darm das
Wachstum probiotischer Mikroorganismen fördern. Der positive Effekt
tritt erst ab einer Tagesdosis von fünf
Gramm und bei einer Verzehrdauer
von mindestens sieben Tagen ein.
(Heller 2001)
• Vitamine
• Mineralstoffe
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Vitamine
Mineralstoffe/Spurenelemente
Antioxidantien
Calcium,
Magnesium,
Zink, Jod
Gesundheitsbezogene Aussagen
verbessert die intestinale Mikroflora und Funktion, reduziert Diarrhoe und Obstipation, stärkt das
Immunsystem,
reduziert Colon
Krankheitserreger
und Krebs
das selbe wie für
Probiotika, aber
auch erhöhte Calcium- and Magnesiumabsorption
(reduziert Osteoporose)
reduziert das Risiko von kardiovaskulären Erkrankungen und
Osteoporose
reduziert das Risiko von Osteoporose , stärkt das
Immunsystem,
vermeidet Jodmangel
reduziert das Risiko von Arteriosklerose, Krebsentstehung, oxidative Schädigung der DNA
und Alterung, anti-entzündlich
Tocole
(zum Beispiel Vitamin E), Vitamin C,
Carotenoide, Flavonoide, Grüner Tee, Polyphenole
Proteine, Tri-Peptide reduziert BlutPeptide aus Milch- druck und kann
und
Protein
körperliche und
AminoWahrnehmungssäuren
funktionen beeinflussen
Fettsäu- Omega-3
reduziert das Riren
Fettsäuren, siko von kardioGLA, CLA vaskulären Er(zum Beikrankungen,
spiel in Ei- Arthritisern, Milch- Symptome, klierzeugnismakterische Besen und
schwerden und
Backwaren) das Krebsrisiko
SekunPhytosterole reduziert Serum
Cholesterin, kann
däre
(zum BeiPflanspiel in Mar- hormonell ausgelöste Krankheiten
zenstof- garine und
und Hitzewallunfe (Phy- Milchertochezeugnissen), gen regulieren
micals) -Glucan,
Isoflavone,
Lignan
•
•
•
•
Antioxidanzien
Proteine, Peptide und Aminosäuren
Fettsären und
sekundäre Pflanzenstoffe
Sekundäre Pflanzenstoffe
Als Bestandteile von FF stehen insbesondere sekundäre Pflanzenstoffe (bioaktive Substanzen) im wissenschaftlichen Interesse. Noch bis vor einigen
Jahren wurden sie als antinutritive Nahrungsinhaltsstoffe bezeichnet. So war
man bestrebt, den Gehalt dieser Inhaltsstoffe in Nahrungsmitteln auf ein Minimum zu reduzieren. (Gulati und Ottaway 2006)
Als gesundheitsfördernd wirken sekundäre Pflanzenstoffe – zumindest im Labor nachgewiesen (Watzl und Leitzmann
1999):
• anticanzerogen (Krebsrisiko senkende
Funktion)
• antimikrobiell (Schutz vor Pilz-, Bakterien und Virenbefall des Körpers)
• antioxidativ (Schutz vor freien Radikalen die Zellen oxidativ schädigen)
• immunmodulierend (Stärkung des
Immunsystems)
Daneben sind auch positive Wirkungen
auf Blutgerinnung, Cholesterinspiegel,
Blutdruck, Blutzuckerspiegel und die
Verdauung beschrieben.
Tabelle 2: Potenzielle Vorteile von
bioaktiven Substanzen in FF (Kiefer et
al. 2002)
Potenzieller Nutzen
durch zum
Beispiel
Antioxidative Wirkung
Vitamin A, C, E,
Selen, Karotinoide, Polyphenole,
Phytoöstrogene
Reduktion des Krebsrisi- Antioxidantien,
kos
Glucosinolate,
Polyphenole
Reduktion von HerzAntioxidantien,
Kreislauf-Erkrankungen Ballaststoffe
Stärkung des Immunsys- Karotinoide, Satems
ponine, Polyphenole, Pro/Präbiotika
Regulierung des Blutdru- 6XOILGH-3ckes
Fettsäuren
•Osteoporoseprävention
Ca, Phytoöstrogene
Antibakterielle Wirkung Polyphenole,
Glucosinolate
Mögliche Verringerung
Phytoöstrogene
der Menopausesymptomatik
Tabelle 2 fasst den potenziellen Nutzen
bioaktiver Substanzen als Zusatz in FF
zusammen. Möglicherweise reicht der
UMWELT & GESUNDHEIT 2/2006
Schwerpunkt
natürliche Gehalt von sekundären Inhaltsstoffen in Nahrungsmitteln – tägliche Aufnahme zirka 1,5 Gramm – nicht
aus, diese Wirkungen zu erzielen. Empfohlen wird der Verzehr von fünf Portionen Gemüse und Obst pro Tag.
Zu den viel versprechenden Wirkstoffgruppen gehören die pflanzlichen Sterole. In Margarine, Milch- und Milchprodukten angereichert können sie den Cholesterin-Spiegel senken und so vor HerzKreislauf-Erkrankungen schützen. (Noakes et al. 2005) Diese seit 2004 im Kühlregal anzutreffenden FF haben jedoch
auch einen Nebeneffekt:
Bei regelmäßigem Verzehr können sie
DXFKGHQ-Carotin-Spiegel im Blutserum reduzieren und möglicherweise die
Wirkung cholesterinsenkender Medikamente beeinflussen. Hersteller müssen
darauf hinweisen, dass Patienten, die
diese Arzneimittel einnehmen, das Produkt nur nach Absprache mit dem Arzt
verzehren sollten.
Auch die Anreicherung von Nahrungsmitteln mit Spurenelementen ist umstritten. Zuviel Eisen und Jod ist nicht
gut, und schon gar nicht für alle. Beispiel Eisen: Einerseits leiden viele Frauen an einem Eisenmangel. Bei Männern
und Kindern dagegen kann eine Überversorgung langfristig gesehen zu Schädigungen führen. (Erbersdobler 2006)
Auch die Jodierung von Speisesalz ist
nicht für alle Bevölkerungsgruppen geeignet. (Steneberg 2002) Und jetzt
taucht Jod auch noch zunehmend im
Tierfutter auf und gelangt so über Umwege zum Beispiel in die Milch.
Markt und Chance
Japan ist weltweit führend bei der Vermarktung funktioneller Milchprodukte
mit probiotischen Wirkstoffen. In den
USA stehen bei den FF Sojaprodukte
(wegen der LDL-Cholesterin senkenden
Pflanzensterole) und Getränke (insbesondere Orangensaft mit Zusätzen) vorn
in der Käufergunst. (Matiaske 2005)
Weltweit stellt der Markt für FF ein
Wachstumspotenzial von 230 Milliarden
US Dollar dar. Das Umsatzvolumen
liegt in Deutschland bei knapp einer
Milliarde Euro, Tendenz steigend, was
etwa einem Prozent des Nahrungsmittelvolumens insgesamt entspricht. Das
Marktpotential wird auf 5,5 bis 6 Milliarden Euro geschätzt.
In der EU nehmen insbesondere Milchprodukte mit 65 % den größten Anteil
des FF-Marktes ein. (TSB 2004)
UMWELT & GESUNDHEIT 2/2006
Jodiertes Speisesalz ist eigentlich der
Klassiker unter Nahrungsmitteln mit zugesetztem „Gesundheitsnutzen“: Jodsalz
wurde 1981 eingeführt.
Probiotische Nahrungsmittel waren 1996
die ersten FF auf dem deutschen Nahrungsmittelmarkt (Yakult) und wiesen
1999 bereits einen Marktanteil von 14 %
bei Joghurt- und Milchgetränken auf,
2002 war jeder sechste verkaufte Joghurt
ein probiotischer, wovon die Hälfte bei
ALDI gekauft wird.
Im Laufe der Zeit kamen weitere FF wie
Präbiotika oder mit sekundären Pflanzenstoffen, Vitaminen (zum Beispiel
ACE-Säfte), -3-Fettsäuren oder Ballaststoffen angereicherte Nahrungsmittel
auf den Markt.
Doch kommen auch in der Natur ideale
Designer-Nahrungsmittel vor.
So ist die Muttermilch angereichert mit
Stoffen, die Babys für ihre Entwicklung
brauchen. Lipide zum Beispiel sind gut
für die Gehirnentwicklung. Die Hersteller von Kindernahrung orientieren sich
an den Inhaltsstoffen der Muttermilch.
(EUFIC)
Ein zweites Beispiel ist der Schweizer
Alpkäse. Er enthält wertvolle Fettsäuren
in einer besonderen Zusammensetzung,
die sich vermutlich günstig auf das
Herz-Kreislauf-System auswirkt. Im
Alpkäse ließen sich deutlich mehr wertYROOH-3-FettsäuUHQ.-Linolensäure
und konjugierte Linolsäuren als in anderen Sorten nachweisen. (Hauswirth et al.
2005)
In Zukunft werden wir auch in Fleischund Wurstwaren gesundheitsfördernde
Stoffen finden. So soll Inulin, ein natürlicher Bestandteil zahlreicher Gemüsepflanzen, in Kochwürsten bis zu 20 Prozent Fett ersetzen. (Aid 2006 )
Prognosen der NahrungsmittelIndustrie
Steigendes Lebensalter und zunehmendes Gesundheitsbewusstsein erhöhen die
Nachfrage nach Nahrungsmitteln, die
vorbeugend gegen Krankheiten und Alterserscheinungen wirken. Die Nahrungsmittelindustrie rechnet damit, dass
die relativ neue Produktkategorie FF bei
älteren Zielgruppen zukünftig auf besonderes Interesse stoßen wird.
In den vergangenen fünf Jahren hat sich
die Zahl der Functional Food-Käufer in
Europa verdoppelt. In Deutschland wird
bis zum Jahr 2007 mit einem Potenzial
von 7,3 Millionen Käufern gerechnet.
Umfragen zufolge sind Verbraucher bereit, für Wellness-Produkte bis zu 20 %
mehr auszugeben. Große Food-Konzerne, wie Unilever und Nestlé, gehen davon aus, dass der Markt für WellnessNahrung jährlich um sechs Prozent
wächst. (bbw 2005)
Verbraucher sind (noch) skeptisch
Nicht ganz nach Wunsch der Nahrungsmittel-Industrie schreitet die Vermarktung voran. Welch besondere Vorteile FF bieten sollen, ist den meisten
Verbrauchern noch lange nicht klar. Zu
diesem Ergebnis kommt ACNielsen,
weltweit agierender Marktforscher, in
einer Studie. (ACNielsen 2005) Im
Rahmen der global durchgeführten Studie wurden Verbraucher gebeten, aus einer Liste von FF-Produkten diejenigen
auszuwählen, die sie regelmäßig kaufen
(siehe Abbildung 1).
Speziell bei jodiertem Speisesalz belegt
Deutschland eine Spitzenstellung.
Deutschland
Europa
Nord
Amerika
Latein
Amerika
AsienPazifik
Globaler
Schnitt
Ballaststoffreiche Vollkornprodukte
42%
38%
55%
51%
37%
40%
Jodiertes Speisesalz
73%
30%
24%
56%
32%
32%
Cholesterinsenkende Speiseöle und
Margarinen
20%
27%
41%
54%
28%
31%
Mit Ergänzungsmitteln/Vitaminen
angereicherte Fruchtsäfte
21%
26%
32%
36%
32%
30%
Joghurtprodukte mit AcidophilusKulturen/Probiotika
12%
20%
22%
27%
30%
25%
Mit Ergänzungsmitteln/Vitaminen
angereicherte Milch
4%
12%
23%
30%
25%
19%
Mit Ergänzungsmitteln/Vitaminen
angereichertes Brot
6%
10%
25%
26%
24%
18%
Fermentierte Getränke mit „guten“
Bakterien
8%
14%
4%
21%
21%
17%
Sojamilch
4%
6%
10%
13%
27%
14%
Mit Folsäuren angereicherte Cerealien
4%
7%
12%
21%
14%
11%
Regelmäßig im
Einkaufskorb
Abbildung 1: Regelmäßiger Kauf von mit spezifischen Gesundheitvorteilen
beworbenen Nahrungsmitteln (ACNielsen-Online Studie)
59
Schwerpunkt
Beispiel cholesterinsenkende Speiseöle
und Margarinen: Während 20 Prozent
der befragten Deutschen regelmäßig
zugreifen, kaufen 39 Prozent niemals
derartige Produkte. Als Begründung bei
den Nichtkäufern geben 50 Prozent an,
dass sie nicht an die zusätzlichen gesundheitsfördernden Eigenschaften
glauben (Global: 38 %). Für 20 Prozent
der Nichtkäufer sind die Produkte ganz
einfach zu teuer.
Mangelnde Bekanntheit und auch geringe Glaubwürdigkeit stellen für den
Verbraucher echte Hürden dar, die den
Erwerb funktioneller Lebensmittel komplett verhindern können.
Functional Food – kein
(All)Heilmittel
Funktionelle Nahrungsmittel bieten ein
großes Potenzial, die Gesundheit zu
verbessern und/oder bestimmten Krankheiten vorzubeugen, wenn sie als Teil
einer ausgewogenen Ernährung und eines gesunden Lebensstils verwendet
werden. Sie könnten letztlich zu einer
Begrenzung der Kosten im Gesundheitswesen beitragen.
Der mögliche Nutzen einer Anreicherung liegt in der Verbesserung der
Nährstoffversorgung, zum Beispiel in
Schwangerschaft, Stillzeit und Alter und
bei einseitiger Ernährung (Veganer) oder
präventiv in der Verringerung eines
Krankheitsrisikos.
Ein Vorteil der Modifikation könnte das
Entfernen von potenziellen Allergenen –
wie in Japan üblich – sein. (Viell 2001)
Mögliche Nachteile der Anreicherung
bestehen im Risiko der Überdosierung. So
kann zum Beispiel zu viel Vitamin A zu
Leberschädigungen führen, die Knochendichte herabsetzen und in der Schwangerschaft fruchtschädigend wirken.
Keinesfalls erwiesen ist die Undenklichkeit von sekundären Pflanzeninhaltsstoffen, insbesondere wenn Arzneipflanzen
und deren Extrakte verwendet werden.
Zu gefährlichen Nebenwirkungen kann
es durch Interaktionen bei gleichzeitiger
Aufnahme von Arzneimitteln kommen.
(Abraham Zadeh 2005)
Zur Vorbeugung und Behandlung verschiedener Erkrankungen machen FF
Arzneimitteln Konkurrenz. Nur in einigen wenigen Produkten – beispielsweise
zur Cholesterinsenkung - sind Wirkungen auch nachgewiesen. Ob sie langfristig ungefährlich sind, ist jedoch in den
wenigsten Fällen wissenschaftlich untersucht. Der Unbedenklichkeits-Bonus,
60
der Zutaten natürlicher Herkunft gern
zugesprochen wird, ist nicht immer gerechtfertigt. (Erbersdobler 2006)
Für den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen gibt es Höchstmengen, für
sekundäre Pflanzenstoffe und andere
„neu“ verzehrte Stoffe nicht. Im Interesse des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist daher zunächst eine umfassende Risikobewertung solcher Stoffe
unerlässlich. (Przyrembel 2003) „Der
Einsatz von Lebensmitteln, die einen gesundheitlichen Zusatznutzen aufweisen,
muss immer mit einer Aufklärung der
Bevölkerung über ausgewogene Ernährung und dem langfristig angelegten
Zweck der Maßnahme verbunden sein.
Ein (All-)Heilmittel sind Functional
Foods nicht“, resümiert das Bundesamt
für Risikobewertung. (Großklaus 2005)
Die meisten der beschriebenen Produkte
sind bei einer abwechslungsreichen,
ausgewogenen Ernährung mit herkömmlichen Lebensmitteln überflüssig.
Fazit bleibt auch, dass der Mensch weiterhin seine Nahrung individuell auswählen können muss. Wenn Nahrungsmittel flächendeckend mit funktionellen
Bestandteilen angereichert werden, müssen die Risiken vorab ausgeschlossen
werden. Sonst können individuelle Gesundheitsbeeinträchtigungen (wie am
Beispiel Jodallergie bekannt) auftreten.
Die meisten angereicherten Lebensmittel
sind verzichtbar. Eine gesunde Ernährung ersetzen sie nicht. Die Natur hält
immer noch den besten Nährstoffmix
bereit (siehe Muttermilch und Alpkäse).
Dipl.oec.troph. Andreas Steneberg
Walter-Jost-Str. 20
58638 Iserlohn
Tel.: 02371-63543
Literatur:
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UMWELT & GESUNDHEIT 2/2006
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